• Die Taberna war schnell zu finden. Und ich war froh darüber. Als ich in den Raum eintrat blickte ich mich um. Sie war sauber und auch die Luft war gut. Der Wirt sah kompetent und gepflegt aus. Auch die Theke machte einen sauberen und ordentlichen Eindruck: Ja, hier könnte ich unbesorgt auch etwas zu essen bestellen!


    Ich nahm an einem der Tische platz. Viel war hier nicht gerade los, aber etwas Ruhe tat mir ganz gut. Was war nur mit mir los? Anscheinend war das freie Jugendleben vorbei. Mit meiner Rückkehr nach Hispania und den Eintritt in den Dienst der Verwaltung bin ich anscheinend gealtert, bzw. gereift. Auch Helena trug dazu bei. Doch erkannte ich, dass in mir auch noch der Jungspunt steckte und für so manche Situation war es auch gut so. Das Leben war schon ernst genug, da musste man auch Spaß haben dürfen. Ich wartete auf den Wirt, während ich auf einem Wachstäfelchen kritzelte.

  • Anscheinend war hier so wenig los, dass der Wirt sich die Bequemlichkeit einer Schnecke angewöhnt hatte. Endlich wurde er auf mich aufmerksam und kam zu meinem Tisch geschlendert. Ich bestellte einen Krug Honigwein, etwas Brot und einen Gemüseeintopf. Der Wirt schlenderte zurück hinter die Theke und verschwand in einem anderen Raum. Aus diesem tauchte auf einmal eine junge Frau auf, die sehr schöne Formen hatte und brachte mir einen Krug Wein und einen Becher. Ich bedankte mich höflich und probierte, während ich ihr nachsah.

  • Es war ein gutes Mahl und ich musste laut aufstossen. Zufrieden sank ich in meinem Stuhl zurück und griff nach dem Becher Wein.


    Eigentlich war es ein nettes Städtchen. Es profitierte auch von den nahen Minen, die zwar meist im Staatsbesitz waren, aber auch so noch etwas abwarfen.


    Ich musste an die armen Sklaven denken, die dort oft den Tod fanden. Um die Verbrecher, die dort schufteten tat es mir weniger leid. Eigentlich hatte der Räuber, den ich in elysio schickte noch einmal Glück gehabt.


    Nach einer Weile stand ich auf, zahlte meine Rechnung und ging zurück in meine Unterkunft!

  • Sophus sah sich in der Stadt um, blickte jedoch die meiste Zeit Domitianus an. Es war seltsam, ihn wiederzusehen. Er hatte seine Familie, wie er merkte, beinahe wieder einmal vergessen, wie es schon zu oft vorgekommen war. Er hoffte, dass er es irgendwann einmal schafft, dauerhaft zu ihr zurück zu finden.
    Eine vage Ahnung machte sich in ihm breit, dass dieser Augenblick erst sein Tod sein würde.
    Doch die Worte des Neffen rissen ihn aus den Gedanken.


    "Rom?" fragte Sophus und hob die Augenbrauen, ehe er nachdenklich nach vorn blickte.


    "Nun, Rom ist groß. Sehr groß. Das ist das erste - und vielleicht auch das letzte - das du bei dieser Stadt bemerken wirst. Alles geht von dort aus und kehrt in irgendeiner Weise dorthin zurück. Die Stadt ist das Herz des Imperiums. Aber dennoch habe ich nicht lang dort gelebt. Für mich ist es vornehmlich der Ort der größten Tempel. Es gibt beinahe jede Woche ein Fest. Es ist erstaunlich, aber es ist immer jemand da, der es mit dem nötigen Ernst durchführt. Eine Unmenge an Zeremonien, die prakiziert werden und werden müssen. Traditionen. Es sind Jahrhunderte von Traditionen. Es ist der beste Beweis für das, was unsere Ahnen geleistet haben.
    Und mit etwas Glück", fügte er hinzu und schmunzelte, "hinterlassen wir den Nachfahren auch etwas."

  • Nachdem wir die kleine Taberna, ein wahres Kleinod kulinarischer Spezialitäten, betreten hatten, steuerte ich auf einen Tisch in einer der zahlreichen Nischen zu. Die Klinen waren gut gepolstert. Ein kleines vergittertes Fenster in der Mitte der Wand sorgte für ausreichend Licht und über dem großflächigen Tisch baumelte eine Öllampe an einer gußeisernen Kette. Alles in allem wirkte das Etablissement recht rustikal, doch bewahrte sich eine schlichte Eleganz.
    Ich orderte einen Krug Wasser und etwas Wein dazu.


    "Das hört sich beeindruckend an. Gerne würde ich dies alles einmal sehen, was Du alles schilderst. Gewiss würde ich aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Doch bedauerlicherweise bin ich gebunden, an Corduba und Hispania. Es geht nicht."

  • Sophus legte sich auf eine Kline und ächzte leise. Es klang eher wohlig als erschöpft. Er hatte bereits einige Zeit lang keine Taberna mehr betreten. Das letzte mal, das er gut gegessen und getrunken hatte war der Besuch beim Proconsuln gewesen, der nun geradezu erschreckend weit zurück zu liegen schien.


    "Bedaure es nicht zu sehr. Rom ist für den Einzelnen ein zweischneides Schwert, wie es für das Imperium als Ganzes wohl gleichzeitig starker und mutiger Vater wie auch nichtsnutziger Trunkenbold sein kann. Rom hat immer mehr als eine Seite und je nachdem, welche gesehen wird, wird die Stadt entweder mit dem Schwert oder mit Großmut Frieden bringen."


    Er schmunzelte.


    "Ich habe die glückliche Position, nicht nur eine der beiden Seiten zu sehen."

  • "Ich denke, so kann nur jemand sprechen, der Rom bereits erlebt hat. Vielleicht...irgendwann..spreche ich genauso." ;)


    Die ersten Speißen wurden hereingetragen, eine Art deftiger Gemüseeintopf mit Zwiebeln, Bohnen und allem, was sonst in dem heimischen Gärten gedieh. Die tönernen Schüsseln waren noch heiß. Dazu reichte man kaltes Brunnenwasser mit einem Spritzer Zitrone.


    Ich nahm einen Schluck, denn ich war durstig.


    "Du siehst, Onkel, hier in Corduba gehen die Aufbauarbeiten voran. Der materielle Schaden ist gering. Doch bis wieder Normalität eingebrochen ist, wird es noch eine Weile dauern. Unzählige der republikanischen Mitläufer müssen noch gefangen und verurteilt werden. Man kann nur hoffen, daß der Proconsul einen fähigen Mann in diese Region entsendet, der die Ordnung wiederherstellt."


    Die letzten Worte waren nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. An die Fähigkeit des Proconsuls hatte ich schon längstens nicht mehr geglaubt. Wenn der Senat ein Zeichen setzen wollte, würde er ihn absetzen und seine Verantwortlichkeit für das hier vor Gericht erstreiten.

  • Sophus trank ebenfalls etwas, hielt sich jedoch mit dem Essen noch zurück, wenn auch wohl nur wegen der Temperatur der Suppe, denn der Geruch schien ihm durchaus zuzusagen.


    "Ich bezweifle, dass der Proconsul darauf einen Einfluss hat. Die Prätorianer sind hierher gekommen und sie haben diese Sache übernommen. Sie werden sie sich nicht mehr wegnehmen lassen. Es sind noch immer einige von ihnen hier und soweit ich weiß leitet ein Prätorianer die Truppen, die noch hier sind. Das Gericht wird von ihnen gehalten werden und der Anführer der Rebellen ist bereits weggeschafft. Alles übrige wird wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregen und vermutlich wird nicht einmal mehr etwas zu ermitteln sein. Menschen neigen zu leicht dazu, zu vergessen, wenn sie es nur wollen - oder dazu, zu viel zu sehen, wenn sie es wollen. Wir haben hier keine einfachen Wahrheiten, sondern nur viele Münder, die sich selbst zerreißen über das, was geschehen ist, wenn man sie fragt."

  • Etwas verstand ich nicht.


    "Aber die Region ist zur Zeit führerlos. Ein starker Mann muß her, der als Comes die Ordnung wiederherstellt. Das dürfte nur im Interesse der Praetorianer sein, wenn ein Rom-treuer Mann eingesetzt wird."


    Obwohl mir der Gedanke der Romtreue und des amtierenden Proconsuls irgendwie merkwürdig vorkam, wie ein crasser Gegensatz

  • Sophus nickte gelassen und probierte dann ein wenig von der Suppe. Sie schmeckte nicht schlecht. Besser als manches, das er im Lager gegessen hatte.


    "Natürlich wird ein neuer Comes eingesetzt. Aber auch das werden die Prätorianer beeinflussen. Der Proconsul wird hier nicht mehr viel zu sagen haben. Diese Soldaten sind dem Kaiser unterstellt - und nur ihm."


    Klang da ein wenig Missbilligung mit? Wenn es der Fall war, war sie gut getarnt. Die Stimme war nüchtern und durch das Alter recht sanft, wie sie es immer war. Aber er wechselte schon das Thema.


    "Du bist nun Sacerdos in Corduba. Was willst du hier tun? Wie kamst du dazu?"

  • Der Eintopf war nun bereit verköstigt zu werden.


    "Ich diente mehrere Jahre als Tempeldiener, assistierte den hiesigen Sacerdotes, so daß ich einen guten Einblick in die einzelnen Tempelabläufe bekam. So kam es, daß ich einst selbst zum Sacerdos bestellt wurde, denn allein die religio romana ist die Voraussetzung für die pax romana, die allen Völkern unter dem Banner des Imperator Augustus Frieden gewährt."


    Ich aß und trank einen Schluck von dem Zitronenwasser.


    "Ich habe Iuppiter ein Gelübde abgelegt, daß ich ihm ein Heiligtum, einen Schrein oder dergleichen, bauen werde, wenn er größeres Unheil vor der Stadt bewahre. Nun ist dies eingetroffen. Corduba ist befreit und ich stehe in der Schuld."

  • Sophus hob erstaunt, aber nicht spöttisch oder amüsiert die Augenbrauen.


    "Einen Schrein willst du ihm bauen? Das ist sicher ein ehrenwertes Projekt. Jedoch wirst du das allein nicht bewerkstelligen können, fürchte ich. Du wirst vermutlich beim Proconsul vorsprechen müssen, denn wie ich sagte: Hier herrschen nun Soldaten. Und so sehr sie die Götter auch achten mögen, die Reparaturen werden ihnen wichtiger sein als der Bau eines neuen Tempels. Hier wirst du dich vorerst mit einem Opfer begnügen müssen.
    Der Proconsul jedoch kann dir nicht nur den Bau in einem anderen Teil der Provinz gestatten, er wird sich möglicherweise auch an den Kosten beteiligen oder sie ganz übernehmen."


    Der Alte musterte Domitianus.


    "Was man ihm auch vorwerfen mag: Er weiß, wo seine Grenzen liegen."

  • Ich seufzte.


    "Nunja, die Bürokratie...wessen Freund sie nicht ist, nicht wahr ? Sonst wäre ich nicht Priester geworden, sondern irgendein Verwaltungsangestellter und würde in irgendwelchen Amtsstuben versauern."


    Ich zwinkerte ihm zu.


    "Ich glaube, der Proconsul wird hier nicht mehr viel zu sagen haben. Wenn der Kaiser aus den Vorfällen lernt, wird er den Senat dazu bewegen, einen neuen Mann an die Spitze dieser Provinz zu stellen."


    Wieder nahm ich einen Schluck.


    "Doch wie lange mein Aufenthalt hier in Corduba noch von statten sein wird, das vermag ich nicht zu sagen. Ich muß ehrlich sein, viel hält mich nicht mehr hier" sprach ich und wurde dabei schwermütig bei den Gedanken an Laevina.

  • Sophus aß noch etwas und hob eine Augenbraue.


    "Ist das so? Ich bezweifle, dass es so kommen wird. Der Proconsul ist ein mächtiger Mann. Natürlich wird der Kaiser nicht in jedem Fall seine Machtbefugnisse einschränken lassen, aber ich bezweifle, dass dem Proconsuln diese Sache zum Verhängnis wird. Denn es waren auch seine Truppen, die hier angegriffen haben. Nein. Scheitern wird der Proconsul nicht daran. Aber man wird sich zweifellos fragen, ob er die Ordnung in diesem Bereich hier aufrecht zu erhalten vermag und bei einem weiteren Vorfall dieser Art wird der Kaiser zweifellos früher intervenieren."


    Einen Moment lang schwieg der Alte nachdenklich.


    "Nun. Wenn dich in Corduba nichts mehr hält, solltest du hier verschwinden. Natürlich sollte sicher gestellt werden, dass das Opfer stattfindet. Doch viel mehr bleibt hier nicht zu tun."

  • Ich hatte fertig gegessen und legte den Teller auf dem Tisch vor mir ab und schob ihn dabei etwas richtung Tischmitte.


    "Es waren die Truppen des Kaisers, die hier angegriffen habe. Sowohl die Praetorianer, als auch die Auxiliareinheiten aus Emerita unterstehen dem Imperator. Der Proconsul selbst hat keinerlei militärischen Befugnisse.


    Daß man sich fragen wird, ob er die Ordnung in diesem Bereich hier aufrecht zu erhalten vermag, da dürften wir uns sicher sein und ich wette, der Kaiser würde keine Sekunde zögern, einen loyalen Gefolgsmann mit militärischen Befugnissen an die Spitze Spanien zu stellen, damit sich so etwas nie wieder wiederholt."


    Ich machte eine Pause.


    "Doch wohin soll ich ziehen, nachdem ich alles aufgegeben habe ? Gades ? Malaca ? Ucubi ? Carthago Nova ?"

  • Sophus schüttelte nur ruhig den Kopf und schluckte das letzte Bisschen der Suppe hinunter.


    "Nein. Tarraco oder Rom. Eines von beidem kann ich dir anbieten und dir dort auch etwas helfen. Ich nehme jedoch an, dass du in Hispania bleiben willst, daher wäre dir Tarraco zu empfehlen. Die Priesterschaft kann auch dort immer noch einen Helfer brauchen. Möglicherweise kannst du auch einige Feste und Opfer durchführen, die hier nicht in deinen Aufgabenbereich fallen.
    Und ich werde bald zurück nach Rom gehen. Das bedeutet jedoch auch, dass ich meinen Posten als stellvertretender Pontifex wieder abgeben werde, dessen Position ohnehin eher fragwürdig war, da ein Provisorium sich nicht allzu lange halten sollte.
    Wenn du also meine Hilfe wünschst, solltest du sie schnell bekommen. Und das wird am besten in Tarraco funktionieren, sofern du weiterhin dem Cultus Deorum dienen willst."

  • "Ich wäre Dir sehr verbunden, wenn ich auf Deine Hile zählen könnte, Onkel ! Vielleicht reise ich dereinst selbst nach Rom und dann werden wir uns sicher wiedersehen. Doch momentan erscheint mir ein Fortzug aus Hispania unmöglich."


    Die Mortalität meines Onkels, der immerhin auch nicht mehr der Jüngste war, hatte ich bei diesem Gedanken interessanterweise sofort im Kopf.


    Ich erhob mich, denn die Stunde war schon vorangeschritten, das Abendessen beendet. Der Wirt kam und ich legte einige Münzen auf den Tisch, um zu bezahlen.


    "Komm' Onkel, ich führe Dich zu mir nach Hause, sicher verbindest Du viele Erinnerungen an den ehemaligen Sitz der Annaer hier in Corduba vor längst vergangenen Tagen.
    Da kannst Du mir auch erzählen, was mich in Tarraco erwartet. Ich bin noch nie dort gewesen."

  • Sophus lächelte sanft und vielleicht etwas müde. Dann erhob er sich mit leisem Ächzen und folgte Domitianus. Er fühlte sein Alter, aber es erschien ihm nunmehr angemessen. Das war ein richtiger Moment. Ein Moment, wie er sein sollte in der Familie. Er hatte sich einen Moment der Ruhe verdient.


    "Ja." murmelte er. "Dann will ich dir etwas erzählen ..."


    So verließen sie die Taberna.

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