Ein Lagerhaus am Hafen

  • Rumpelnd und knarrend rollten die Fuhrwerke in das innere des Lagerhauses. Die schweigsamen Männer in ihren grauen Arbeitertuniken spannen die Zugpferde aus und führten sie an die hintere Stirnseite des großen Raumes, die mit Stroh ausgelegt war. Dort banden sie die Tiere fest und gaben ihnen Futter und Wasser. Die Wagen wurden mit Keilen gesichert. Dann verließen sie das Gebäude. Nur ein einziger blieb zurück und schloss von innen das Tor.

  • Es hämmerte jemand am Tor. Zuerst dreimal recht verhalten. Als sich jedoch nichts rührte, deutlich vehementer noch mal.
    “Ja doch. Verdammte Söhne der Ungeduld!“
    Der Mann öffnete. Vor ihm stand ein Soldat in der rot-schwarzen Uniform der Prätorianergarde.
    “Kann man nicht mal mehr in Ruhe sch… ach, beim Cerberus… du bist es.“
    Corvus trat ein. “Wen hast du denn erwartet? Den jungen Alexander mit seinen Heerscharen?“
    “Davon träume ich des Nachts, dass er wiederkehrt und euch Römer dahin jagt wo die Barbaren auf den Bäumen schlafen.“
    “Pass auf deine Zunge auf, Grieche, sonst kann sie schnell gekürzt werden.“
    “Ihr Römer seit aber empfindlich geworden, in letzter Zeit.“
    “Das liegt an dem Wesen dieser Zeit. Wenn es aller Orten brennt und sich die eigenen Männer gegen ihre Heimat erheben, dann wird man empfindsam.“
    “Römer und empfindsam. Das wäre ja mal eine ganz neue Seite an euch!“
    Über das Gesicht des Prätorianers huschte ein Lächeln.
    “Genug gescherzt. Ist hier alles bereitet?“
    “Ja. Keine Probleme gehabt. Die Wagen stehen da und die Pferde habe ich dort drüben untergebracht. Keine Prachttiere würde ich sagen, aber für deine Zwecke werden sie vollauf genügen.“
    Corvus sah sich die Gäule an. “Mmh… ja, in Ordnung. Hast du neue Nachricht von unserem Freund?“
    “Ja, ich wollte sie dir gerade geben. Hier.“
    Der Grieche kramte in den tiefen seines Gewandes und holte einen kleinen Papyruszettel hervor. Corvus nahm ihn und las.


    Heracklea genommen.
    Marschbefehl nach Grumenum.
    Boten sollen in Skidrus warten.


    “Ein wahrer Poet. Er muss wie du Grieche sein, wenn er so schön fabuliert.“
    “Pah, du weißt, ich habe ihn getroffen. Der ist so sehr Grieche wie ich Römer bin.“
    “Ja dann… Auf jeden Fall geht es weiter. Grumenum… noch nie gehört. Was ist das für ein Nest. Kennst du es?“
    “Ja, es liegt landeinwärts. Von Heraclea aus, etwa 40 Meilen ziemlich genau nach Westen.“
    “Nach Westen, landeinwärts also. Deshalb will unser Mann, dass unser Boot in Skidrus wartet. Das ist gut, dann sparen wir die Umsegelung der brutischen Halbinsel.
    Aber was will der Verräter dort…?“

    Corvus versuchte sich die geographischen Gegebenheiten Süd-Italias ins Gedächtnis zu rufen.
    “Ah, natürlich, er will zur Via Popilia!
    Wenn er sie erreicht, dann könnte er mit strammen Märschen binnen vier oder fünf Tagen hier sein.“

    Er dachte noch einen Moment lang nach, dann ging er wieder zum Tor.
    “Pass auf, schicke einen deiner Fischer wie besprochen nach Skidrus. Lass einen zweiten aber auch in den nächsten Hafen nördlich davon warten, falls Skidrus für unseren Mann unerreichbar sein sollte. Ich komme in Kürze wieder, aber gib mir sofort bescheid, wenn die ganz bestimmte Nachricht eintrifft.“
    “Der nördliche Hafen wäre Pyxus.“
    “Wenn du es sagst, du bist der Seemann. Noch Fragen?“
    “Wenn ich dir Nachricht geben will, wie komme ich zu dir?“
    “Ich werde im Lager bescheid geben, dass ein nach Fisch stinkender Grieche, der nach mir fragt, zu mir gebracht wird.“
    “Ich stinke nicht, ich dufte, und es ist kein Fisch, es ist der Atem des Poseidon.“
    “Dein Gott verbreitet eine herbe Aura.“
    Beide lachten kurz, dann huschte Corvus aus dem Lagerhaus und der andere schloss das Tor wieder von innen zu.

  • Das Tor stand offen. Innen waren die Männer mit den Reisevorbereitungen beschäftigt. Die Pferde waren bereits vor die beiden Wagen gespannt und die zeltförmigen Planen auf den Ladeflächen festgezurrt. Corvus zählte die Männer durch… sechzehn, dazu der Grieche und er selbst. Wenn diese Männer Prätorianer gewesen wären, oder Legionäre der Ersten, dann wäre Corvus vielleicht zuversichtlich gewesen. Angesichts dieses rüden Haufens blieb ihm jedoch nur, auf die Gunst der Götter zu hoffen.
    “Hört her! Jeweils zwei Mann auf die Kutschböcke. Je vier hinten mit rein. Für uns restlichen Acht haben wir Pferde.“
    Die Männer murrten lustlos und es sollte wohl die Bestätigung für Corvus' Befehl sein.
    Endlich waren alle soweit und der kleine Zug aus zwei Wagen und acht Reitern verließ das Lagerhaus. Langsam vermischte sich das Grau des trüben Tages mit der beginnenden Abenddämmerung, als sie durch das Stadttor von Misenum kamen und die Strassen nach Süden nahmen, ungewiss, was sie erwarten würde.


    Sim-Off:

    Fortsetzung: Die Fährte des Verräters

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