• Nach der Bestattung von Antoninus sollte nun das Leichenmahl stattfinden. Einige Gäste begleiteten mich zur Villa zurück. Ich ließ sie im Triclinium Platz nehmen und wies die Sklaven an, das Essen zu servieren.


    "Lucia, mir wäre es lieb, wenn wir uns etwas abseits hinsetzen würden. Nach so viel Gesellschaft ist mir nicht zur Zeit."


    Bittend sah ich Lucia an.

  • "Natürlich doch." mehr sagte ich nicht, sondern deutete auf zwei Liegen, die ein wenig entfernt in einer Ecke standen.


    "Komm, wir setzten uns dort drüben hin, du siehst sehr mitgenommen aus. Soll ich dir etwas zu essen holen ?"


    Ein wenig besorgt schaute ich Deandra fragend an.

  • Ich lächelte. "Ach Lucia, dafür haben wir doch Sklaven", sagte ich müde. Traurig schaute ich sie an.


    "Ich sehe derzeit weder Sonne, noch spüre ich Wärme. Ich kann mich nicht erinnern, wann es mir einmal derartig schlecht ging. Wie lange das wohl noch andauern wird?"

  • "Es kommen bestimmt wieder bessere Zeiten Deandra. Ich weiß, wie du dich fühlst."


    Einen Moment sah ich sie an.


    "Warte, ich bin gleich wieder da."


    Rasch ging ich zu dem Tisch, an dem die Speisen aufgetragen worden waren und stellte eine kleine Auswahl an Häppchen, jedoch nichts besonders Ausgefallenes zusammen. Ich erinnerte mich daran, das Deandra Wein nicht besonders gerne trank, so ließ ich mir einen Becher mit Fruchtsaft geben.
    Sicher, das hätte auch ein Sklave gekonnt, doch für meine Familie sorgte ich lieber selbst.


    Ich setzte mich neben Deandra auf die Liege und gab ihr den liebevoll zusammengestellten Teller und reichte ihr den Fruchtsaft.


    "Hier du mußt etwas essen, sonst wirst du noch krank. Was ist denn los ? Ist es nur wegen der Beerdigung oder bedrückt dich noch anderes ?"


    Aufmunternd schaute ich sie an.


    "Mir kannst du es ruhig erzählen, ich weiß selber nicht genau, ich fühle mich eurer Familie schon so verbunden, ich würde alles für euch und auch für dich tun."

  • Bei ihren Worten kamen mir die Tränen und nichts schien sie stoppen zu können. Längere Zeit war es mir unmöglich zu sprechen, dann endlich fasste ich mich.


    „Du hast schon Recht, es ist vieles zusammengekommen, was mir derzeit zu schaffen macht. Ich musste hier an verschiedene Fronten kämpfen, erst kürzlich setzte ich mich für Ostia - völlig sinnlos wie mir scheint - ein. Dann der Verlust von Antoninus, erst kürzlich das Drama um Vibullius, irgendwie ist das alles zu viel. Ja, und dann fühle ich mich eben auch ziemlich allein.“


    Ich machte eine kurze Pause.


    „Was ist nur alles passiert, seit wir hier vor Wochen das Einweihungsfest feierten. Erinnerst du dich noch?“

  • Wie gerne hätte ich Deandra tröstend in den Arm genommen, doch ich hatte ebenfalls mit meinen Tränen zu kämpfen.


    "Ich kann mich sehr gut daran erinnern."


    Schon bei dem Gedanken daran fing ich glücklich an lächeln.


    "Da sind wir uns zum ersten Mal begegnet und ich habe mich auf diesem Fest in Commodus verliebt."


    Mein Lächeln verschwand.


    "Hast du etwas von ihm gehört Deandra ? Ich habe einmal einen Brief von ihm bekommen, das ist aber schon sehr lange her."

  • Bedauernd schüttelte ich mit dem Kopf.


    „Ein Brief, mehr erhielt ich ebenfalls nicht und auch meiner kam schon vor längerer Zeit. Ich hoffe sehr, dass es ihm gut geht.“


    Es war wirklich völlig gleich, in welche Richtung ich blickte. Etwas Erfreuliches gab es einfach nicht. Die ganze Zeit hielt ich meinen Teller in der Hand. Das Essen war lecker, aber mir war nicht danach.


    „Wie kommst du denn mit der Trennungszeit zurecht? Wie überbrückst du sie?“


    Trotz Niedergeschlagenheit war ich reichlich gespannt. Vielleicht konnte ich noch was von Lucia lernen.

  • "Ich hatte es mir fast gedacht."


    Traurig senkte ich den Kopf, doch dann blickte ich Deandra wieder an.


    "Zurecht kommen ? Gar nicht. Aber was soll ich tun ? Ich bete jeden Tag zu den Göttern das es Commodus gut geht und er bald nach Hause kommt. Das gibt mir Kraft und ich habe ja auch meine Arbeit in den Tempeln, das lenkt mich ebenfalls ab."


    Das war wohl nicht die Antwort die Deandra hören wollte, doch ich konnte ihr nichts raten, mir fiel das Warten ebenfalls sehr schwer und diese Ungewißheit ertrug ich noch schlechter.


    Dann grinste ich plötzlich.


    "Und meine Familie lenkt mich sehr ab, bei uns ist immer etwas los. Wie neulich Aelia's Verehrer, du hast doch sicher davon gehört, oder ?"

  • „Ja, Aelia.“ Ich musste schmunzeln. „Ich traf sie sogar in Rom und sprach mit ihr.“


    Mein Lächeln verschwand schnell wieder und machte einer ernsten Miene Platz.


    „Vielleicht ist genau das der Unterschied zwischen uns. Ich bin eben wirklich allein hier in der Villa. Na gut, oder jedenfalls fast. Sophus ist zwar hier, aber eigentlich ist er das auch wieder nicht. Ich sehe ihn oft tagelang nicht. Vielleicht ist eine Trennung leichter zu ertragen, wenn derjenige wirklich fort ist und sich nicht einfach nur vergräbt. Da kommt man manchmal schon auf merkwürdige Gedanken…“


    Ich seufzte kurz.


    „Ich merke nur, ich bin derzeit so richtig am Boden. So kenne ich mich ansonsten gar nicht. Vielleicht sollte ich mal verreisen. Ach, ich weiß auch nicht.“


    Ratlos sah ich zu den anderen hinüber.


    „Hat sich denn Aelia jetzt schon entschieden“, fiel mir soeben wieder ein.

  • "Du siehtst Sophus manchmal tagelang nicht ? Du Ärmste."


    Ich schüttelte den Kopf.


    "Wenn Commodus das wäre, ich glaube nicht, das ich es ertragen könnte."


    Schon alleine der Gedanke daran ließ meine Augen wütend funkeln.


    "Eine Reise ist sicher eine gute Idee. Doch dann siehst du Sophus noch weniger."


    Ebenfalls ein wenig ratlos schaute ich umher.


    "Du bist wahrscheinlich wirklich einfach zu alleine hier. Da muß ja jeder ins Grübeln kommen. Möchtest du das ich eine Weile hier zu euch ziehe ? Meine Pflichten in Rom könnte ich auch von hier aus gut warnehmen und wir könnten einiges unternehmen."

  • „Na ja, er hat viel zu tun. Ich weiß das ja, aber das heißt nicht, dass es leicht zu ertragen ist“, verteidigte ich ihn.


    „Meinst du das im Ernst? Du würdest für eine Weile hierher ziehen?“


    Ungläubig schaute ich Lucia an und wieder traten mir Tränen in die Augen.

  • "Natürlich meine ich es ernst." sagte ich lächelnd.


    "Ich freue mich schon darauf. Wenn ihr mich auch wirklich hier haben möchtet."


    Halb im Scherz sagte ich die letzten Worte, doch meinte ich es ernst. Aufdrängen wollte ich mich auf keinen Fall.

  • „Natürlich nehme ich dein Angebot dankend an. Bevor ich hier einsam sterbe“, scherzte ich unter Tränen.


    „Wollen wir gleich morgen gemeinsam deine Sachen aus Rom holen?“ Sofort kam der nächste Gedanke: „Stell dir mal vor, Commodus bekommt Heimaturlaub. Na den sein Gesicht würde ich dann gerne sehen.“


    Gleich ging es mir bedeutend besser. Dankbar drückte ich Lucias Hand.

  • Lachend antwortete ich.


    "Ja, da würde Commodus bestimmt ein komisches Gesicht machen."


    Immer noch lachend sagte ich dann.


    "Deine Idee ist gut, morgen werden wir meine Sachen holen. Ich hoffe doch Falco ist damit einverstanden, doch ich denke nicht, das er etwas dagegen haben wird."

  • „Kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er etwas dagegen hat. Gerade er weiß durch ein privates Gespräch abseits einer Factioversammlung ziemlich genau, an welch schweren Brocken ich gerade zu kauen habe.“


    Meine Hand griff automatisch an die Stirn. Mein Kopf schmerzte. Zu viele Tränen hatte ich heute schon vergossen. Entschuldigend blickte ich Lucia an.


    „Ich bin richtig geschafft und würde mich nun gern zurückziehen. Ist das für dich in Ordnung? Ein Zimmer für dich lasse ich noch herrichten“, sagte ich und winkte einer Sklavin.

  • "Du siehst auch wirklich geschafft aus Deandra. Geh ruhig zu Bett, ich komme schon klar. Wir sehen uns dann ja morgen."


    Wieder zögerte ich einen Moment, dann umarmte ich Deandra herzlich.


    "Angenehme Träume wünsche ich dir." sagte ich leise zu ihr.


    "Morgen müssen wir ausgeschlafen sein, ich habe eine ganze Menge an Sachen. Wir brauchen bestimmt einen Träger dafür."


    Mein Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen.



    EDIT
    Rechtschreibung

  • Zitat

    Original von Didia Lucia
    "Angenehme Träume wünsche ich dir." sagte ich leise zu ihr.


    ‚Verflixt’, dachte ich. ‚Was ist heute nur mit dir los?’
    Bei Lucias Worten traten mir schon wieder Tränen in die Augen.


    „Genau diese Worte hatte immer meine Mutter gesagt – damals, als sie noch lebte“, erklärte ich leise.


    „Träum auch was Schönes“, wünschte ich dann noch und umarmte Lucia innig. Irgendetwas war mit mir ganz und gar nicht in Ordnung. Ich brauchte dringend Ablenkung.


    „Cadior wird uns nach Rom fahren. Er kann dann gleich beim Tragen helfen. Die Villa ist groß genug, um all deine Sachen aufzunehmen.“


    Ich grinste doch tatsächlich zurück...
    Am besten ich klärte heute noch alles mit Cadior und verschob es nicht auf morgen. Ich stand auf, bat ihn um eine Unterredung und begab mich in das Nebenzimmer.

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