Gesucht: Das Lieblingspferd von Sophus

  • "Meinst du nicht, dass zu einem erfüllen Leben noch etwas mehr als das gehört?"


    Froh darüber, den Hengst wieder unter Kontrolle zu haben, kam ich dennoch nicht zur Ruhe. Das meinte er doch nicht wirklich im Ernst?

  • "Natürlich, Deandra, natürlich. Aber meine Entscheidung steht fest: Sobald sich die Lage in Italia beruhigt hat, wird die Legio I zurück nach Mantua ziehen - ich werde mit ihr gehen. Ich reise ja nicht an's andere Ende der Welt, aber es ist meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das Vaterland zu verteidigen. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wäre dein Bruder alleine im Feld gestanden. Daher werde ich versuchen, den Anschluss der Legion im Süden zu finden."


    Beinahe untermalend schnaubte Imperial scharf auf.


    "Nein, DU wirst fettes Heu bekommen. DIR wird es an nichts mangeln.", meinte Sophus schmunzelnd und tätschelte den Hals des Schimmels.


    Eine Pause entstand. Am Himmel zogen kleine Wolkenfetzen auf, die sich langsam zu einem dunklen Ozean verbanden, der ohne Zweifel seine Nasse Fracht über Ostia hinabfallen lassen würde. Vom Meer her pfiff ein kalter Wind, der das Nahen eines Gewitters ankündigte.


    "Es wird alles gut werden. Vertraue mir. Habe Vertrauen in unser Glück."

  • Gerade donnerte mir eine Steinlawine vom Herzen, als ich ‚Legio I’ und ‚Mantua’ hörte. Die Illusion, er würde ganz in der Nähe von Rom bleiben, hatte ich schon lange begraben. Stattdessen quälte mich die Sorge, er würde seine militärische Zukunft außerhalb Italiens sehen.
    Im nächsten Augenblick ereilte mich jedoch der nächste Schock.


    „Dich zieht es in die Schlacht?“, fragte ich mit dünner Stimme. Ich lehnte mich zurück, so als könnte ich vor diesem Gedanken ausweichen. Augenblicklich hielt mein Pferd an. Traurig senkte ich den Blick und starrte auf seine Mähne. Was für Eröffnungen! Ich wünschte sehr, das war die letzte dieser Art. Viel mehr könnte ich heute nicht ertragen.


    „Ich verstehe deine Beweggründe. Sie sind bewundernswert und sie sind unzweifelhaft richtig“, begann ich zögerlich meine Empfindungen in Worte zu fassen.
    „Ich weiß auch, dass dieser Feldzug nicht Eroberungen gilt, sondern einzig der Verteidigung des Reiches … und dennoch …“ Ich sah ihn an.


    „Es kann so viel geschehen und davor habe ich Angst.“
    Konnten Augen verwundeter blicken?

  • "Sei ohne Sorge, denn ich habe zu den Göttern gebetet. Es wird weder mir noch dir Unheil widerfahren. Ich kann es nicht mit meinen Prinzipien vereinbaren, jetzt noch zu warten, mich gar zu drücken, wie es andere Männer in dieser Situation vielleicht tun würden. Vielleicht kann mich selbst Imperial nicht mehr rechtzeitig an die Front tragen, aber ob ich vor oder nach der Schlacht ankomme, ob ich darin sterbe oder nicht, ist gleichgültig. Es zählt nur, dass ich meinen Eid erfüllt habe. Mein Gelübde, jederzeit treu zum Kaiser zu stehen.
    Ist diese Zeit vorüber, so will ich ein anderes Gelübde abgeben. Eines, welches uns ewige Verbundenheit sichern wird. Bis dahin, Liebste, musst du tapfer sein."


    Hinter den sanft begrünten Hügeln und schemenhaften Baumalleen schob sich langsam, fast unmerklich die Villa Pellacia in das Sichtfeld des Paares. Dunkle Schatten huschten über die Felder, es roch nach Frühling.

  • Ich fühlte mich der Situation ausgeliefert. Was hätte ich auch tun können – gar nichts. Hilflos sah ich Sophus an und hörte seine Erklärungen. Und wieder weiteten sich meine Augen als er mir offenbarte, wie gleichgültig es für ihn doch wäre, ob er sterben würde oder nicht.


    Wie sollte ich solche Worte verarbeiten? Wie? Wo doch sein Leben für mich so einen großen Wert besaß?


    Der Rest seiner Worte rauschte fast an mir vorbei. Erst nach Augenblicken registrierte ich dessen Bedeutung. Für einen Moment huschte ein Lächeln über mein Gesicht.


    „Ich bin im Leben immer tapfer gewesen, habe mich allem mutig in den Weg gestellt, aber bei dir …“ Wie sollte ich das erklären? „Wenn es um dich geht, bin ich so verwundbar. Ich weiß nicht, ob mir ausreichend Tapferkeit gegeben ist. Ich hatte gehofft, du ziehst nicht in diese Schlacht, weil du kein Pferd mit Kampfeigenschaften gesucht hattest.“


    Ich seufzte. Die Villa war erreicht, wir hielten an und ich rutschte vom Pferd. Ich drückte die Zügel meines Hengstes einem Sklaven in die Hand und blieb unschlüssig stehen.

  • Sophus konnte es nicht ertragen, in Deandras Augen zu blicken.
    Entschlossen sprang er auf den Boden, eilte hastig in die Villa, packte einige Dinge zusammen, schob sein altes und kostbares Schwert unter die Tunika, damit Deandra dieser Anblick erspart bliebe und huschte wie ein Schatten lautlos hinaus.


    Was sollte er ihr nur sagen?
    Tröstend schloss er sie in die Arme.


    "Ich habe Eirene geschrieben...sie wird nach Ostia kommen.
    Du wirst sehen, schon bald werde ich wieder hier sein. Wir werden heiraten, es wird ein großes Fest geben. Und dann können wir uns jeden Tag sehen. Das bisschen Dienst ist doch gar nicht der Rede wert.", flüsterte er lächelnd.
    "Ich bin bald zurück, Liebste. Achte auf das Pflänzlein."


    Dann, im Frühlingswind, küsste er sie. Es begann zu tröpfeln.

  • Als Sophus eilig die Villa betrat, ahnte ich noch nicht, dass er sie abreisebereit wieder verlassen würde. Schmerzhaft wurde mir dies später bewusst und Tränen stiegen mir in die Augen. Als mich seine Arme umfingen, brach der Damm endgültig. Ungebremst rollten sie über mein Gesicht. Mir war, als starb ich einen kleinen Tod.


    Gern hätte ich gefragt, wie es sein kann, dass er hierher kommen wollte, wo doch seine Legion in Mantua stationiert war, aber es erschien mir so unwichtig im Moment. Ich hatte nur einen Wunsch:


    „Bitte versprich mir, dass du auf dich aufpasst.“


    Ich schmiegte mich ganz eng an ihn, hielt ihn fester als sonst und erwiderte seinen Kuss. Er schmeckte etwas salzig von den Tränen. Dass es begann zu regnen, nahm ich nicht wahr.

  • Lange hielt er sie so in den Armen.


    "Die Nachricht vom Sieg wird deine Tränen trocknen, du wirst wieder strahlen und lachen. Selbst wenn uns dies glückliche Schicksal nicht beschieden sein sollte, so war es doch der Wille der Götter und wir werden uns in der Ewigkeit wiedersehen."


    Irgendwann trug ihn der Frühlingswind hinfort.

  • Die Bedeutung eines Kusses wächst ins Unermessliche, wenn ihn der Gedanke begleitet, es könnte der letzte sein. Jede Einzelheit, jede Empfindung prägt sich dann ganz besonders ein. Dann wenn Hände und Lippen den anderen erkunden, wenn man bei geschlossene Augen durch nichts eine Ablenkung erfährt.


    Ich saugte förmlich jede Feinheit der Berührungen auf. Wollte noch einmal erleben, wie sich seine Hände anfühlten, wie es war, wenn ich seinen Atem spürte, den Druck seiner Arme und die Berührung seine Haut.


    Lange Momente und doch nahmen sie ein Ende. Nur widerstrebend löste ich meine Arme. Kraftlos sanken sie herab.


    Er war längst fort, als mich Sklaven zur Rückkehr in die Villa mahnten. Es regnete inzwischen in Strömen und es war mir egal.

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