Auf der Via Sacra

  • Für Sextus war alles neu und doch vertraut, alles voller Menschen, war er doch das ruhiger Tylus gewöhnt. Als sie auf die Via Sacra einbogen wandte er nach längerer Zeit das Wort an Aelia


    "Dies müsste der Tempel der Iupiter Stator sein, er soll die Soldaten auf der Flucht aufhalten. Hoffentlich ist er mit den unsrigen.


    Hast Du Verwandte bei der Legion?""

  • Auf die Frage ob ich mit Falco verwandt war nickte ich. Ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen. Egal, wen ich traf, er schien meinen Bruder zu kennen.
    "Falco ist mein Bruder."


    Nachdenklich nickte ich.
    "Ja...einige...hier in Italien ist aber meines Wissens im Moment nur mein Vetter stationiert...", antwortete ich, den Blick auf den Tempel gerichtet.
    "Aber schlimm genug...seit Wochen haben wir nichts mehr von ihm gehört, ich hoffe, es geht ihm gut."


    Dass Gordianus mittlerweile im Kerker saß, weil er mit einigen anderen gemeutert hatte, wusste ich ja noch nicht.


    "Was ist mit dir? Hast du vor zur Legion zu gehen, wenn du dich erstmal wieder hier eingelebt hast?"

  • "Ich? Ich habe noch keine Pläne, erst will ich meinen Vater und meinen Bruder treffen. Dann meinen Pater Factionis, also Deinen Bruder..."


    Sextus lächelte


    "... und zwischendurch natürlich öfter meinen König. Erst dann kann ich wissen wo mein Platz in der Welt ist. Zur Legion könnte ich zur Zeit auch gar nicht so einfach, ich bin kein römischer Staatsbürger mehr."


    Sextus blieb stehen und sah Aelia an


    "Doch was ist mit euch, Aelia. Wo ist euer Platz in der Welt?"

  • Ich deutete in Richtung des Forum Romanum und des Iupiter Tempels.
    "Dort, im Tempel ist mein Platz. Ich diene der Minerva.", sagte ich und fügte etwas bitter hinzu: "Wie dein Bruder übrigens auch."


    Langsam trotteten wir weiter, wobei ich immer wieder meinen Blick schweifen lies.
    Gut, architektonisch gesehen war Rom vielleicht nicht unbedingt die schönste aller Städte, aber für einen Römer, der von Geburt an hier lebte konnte es kein schöneres Fleckchen Erde geben.


    "Aber ich bin sicher, wenn dein Vater dich wiedererkennt wirst du schnell wieder römischer Bürgern sein...wenn du das überhaupt noch willst? Du klingst jedenfalls sehr begeistert von Tylus."

  • "Begeistert ist das falsche Wort. Ich bin besehlt von tiefer Dankbarkeit für die Aufnahme dort. Der Rest der Zukunft wird sich geben."


    Sextus folgte mit den Augen Aelias Finger der zum Capitol hinauf zeigte


    "Mögt ihr das Capitol mit einem Sergier besteigen auch wenn ihr gegen seinen Sergier berechtigten Zorn hegt?"


    Sextus lief einige Schritte voraus, drehte sich um und lief ein wenig langsamer rückwärts


    "Mögt ihr?"

  • "Für seine Verwandten kann man ja nichts.", erwiderte ich und zuckte mit den Schultern, ehe ich Sextus folgte.


    "Versteh mich nicht falsch, ich habe nichts gegen die Sergier, im Gegenteil, vor allem euer Vater ist ein ehrbarer Mann...nur Sulla möchte ich lieber nichtmal mehr von weitem sehen."

  • Urplötzlich wurde Sextus wieder ernst


    "Über Jahre hatte ich immer wieder den gleichen Traum, Aelia


    Ich stehe auf einer weiten Ebene, in großer Entfernung sehe ich meinen Zwillingsbruder von dem ich vor Ewigkeiten getrennt wurde. Wir gehen aufeinander zu. Als wir uns die Hand reichen geht er in Flammen auf und verbrennt vor meinen Augen.


    Er ist mir in Tylus gedeutet worden:


    Du wirst in nächster Zeit nahe an etwas herankommen, wonach du dich sehnst, doch dann, wenn du schon glaubst, du hättest es bekommen, wird es wieder unerreichbar sein! Lass dich nun nicht einschüchtern, es kommen auch bessere Zeiten!


    Ich sehne mich schon so lange meinen Bruder wiederzusehen, doch ich habe Angst davor...."


    Sextus drehte sich um und lief Richtung Capitol

  • Grübelnd starrte ich auf die Straße vor mir, ehe ich Sextus davoneilen sah.
    Ein unverständliches "Die Jugend von heute, keine Zeit für nichts...", vor mich hinmurmelnd, legte ich auch einen Gang zu und lief hinterher.
    Schon kurze Zeit später hatte ich ihn wieder eingeholt.


    "Ich verstehe...so lange von seiner Familie getrennt zu sein...da verändert sich vieles. Mir wäre da sicher auch mulmig zumute...und dann noch so ein Traum...


    Aber wenn du sie jetzt nicht wiedersiehst wirst du dir dein Leben lang Vorwürfe machen...ich glaube nicht, dass du allzu große Angst davor haben musst, sie wiederzusehen, sicher werden sie sich freuen, den verlorenen Sohn wieder bei sich zu haben."

  • "Zur Zeit ist mein Bedürfnis Spurius zu schlagen noch zu gross obwohl ich ihn mit jedem Moment besser verstehen kann."


    Murmelte Sextus vor sich hin um plötzlich auszurufen


    "Schau der Rabe! Da oben auf dem Tempel!"

  • Den ersten Satz verstand ich durch das Gemurmel nur zur Hälfte und runzelte so die Stirn.
    "Ihn zu...", setzte ich gerade an zu fragen, als Sextus etwas von einem Raben brüllte und ich nach oben sah.
    Ein Rabe...Vogel des Apollo...
    "Zu dumm, dass ich kein Augur bin...", murmelte ich, denn ich war mir sicher, dass dies etwas zu bedeuten hatte.

  • Da ich diesen Weg fast täglich ging hielt sich meine Erschöpfung ebenfalls in Grenzen, auch wenn ich ob des von Sextus vorgelegten Tempos ein wenig außer Puste war.
    "Du meinst *keuch* du solltest weniger reden?", fragte ich und grinste ihn an.

  • "Tja, also, daran könnten wir uns wohl alle halten...", murmelte ich und folgte Sextus´ Blick.
    Irgendwie hatten diese Vögel etwas erhabenes an sich...mochte auch daran liegen, dass er so weit oben saß...
    "Wünschst du dir auch manchmal du wärst so wie ein Vogel?", fragte ich schließlich.

  • "Früher träumte ich oft davon fliegen zu können, einfach abzuheben und frei zu sein. Keine Befehle zu bekommen und nur den Instinkten zu folgen. Es wundert mich das Du ähnliches denkst. Worüber hast Du in der Welt zu klagen?"

  • "Vielleicht nicht so viel wie du, aber mir reicht es.", erwiderte ich und sah wieder nach unten.
    "Ich weiß, im Vergleich zu manch anderen sind meine Probleme wirklich lächerlich, aber sie fressen mich innerlich auf."

  • Sextus setzte sich auf die Stufen des Tempels, sah zu Aelia auf und hob einen Kiesel in die Höhe


    "Da haben wir Dich..."


    Er legte den Kiesel auf die oberste Stufe


    "Und hier Victor..."


    Den Kiesel hochhaltend sah er Aelia an

  • Stumm starrte ich ihn an.
    Liebte ich Victor? Jetzt noch, nach allem was geschehen war?
    "Wie kann ich das noch?", fragte ich, auch wenn ich wusste, dass etwas in mir ihn immer lieben würde.

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