In den Bergen

  • Ab hier hiess es nur noch Klettern. Aber hier waren die Wege so einsam, dass ich es mir auch tagsüber leisten konnte zu laufen. Und das tat ich. Meistens ging ich so lange, bis ich nicht mehr konnte und verschlief dann den Rest des Tages und der Nacht, um beim Morgengrauen spätestens bereits wieder auf den Beinen und unterwegs zu sein.
    Hier oben war es noch kalt und so wickelte ich mich in alles, was ich dabei hatte Nachts ein. Dennoch fror ich teilweise fürchterlich. Doch ein Feuer zu entzünden traute ich mich nicht, denn dafür war mir die Gegend noch nicht einsam genug.
    In der letzten Nacht hatte ich Unterschlupf in einer halb verfallenen Hütte gefunden, wo ich auch ein kleines Feuer hatte unterhalten können. Diese Nacht würde ich wohl nicht das Glück haben. Nun gut, wenn ich weit genug und hinter Büschen eines entzünden würde, dann müsste es gehen.

  • Ein Späher hatte eine entlaufene Sklavin entdeckt. Dass es eine Sklavin sein musste war ihm sofort klar. Sie lief geduckt, abseits der Straßen und Wege und hielt sich immer in der Nähe von Gebüschen und Wäldern.


    "He, kuck mal." sagte er zu seinem Kameraden, der in die selbe Richtung blickte und dann grinste.


    "Wir könnten ihr einen Besuch abstatten. Sollen wir?"


    Er nickte mit dem Kopf. Es war gut möglich, dass sie etwas über Truppenbewegungen wusste. Vielleicht war sie sogar irgendwelchen Römern über den Weg gelaufen. Sie mussten sie zumindest ausfragen. Langsam setzten sich die Männer in Bewegung, gaben das Signal für 'Kontakt' an die anderen weiter. Die Reiter brachen mit ihren Pferden aus dem Gebüsch und galoppierten in die angegeben Richtung. Tatsächlich, die Frau war alleine und sie schien überrascht...

  • Ich war gut voran gekommen, auch wenn mich das Bergsteigen schon ziemlich anstrengte. Als ich gerade überlegte eine Pause zu machen, preschten Pferde aus dem Gebüsch. Ich starrte sie einen Moment erstaunt an und dann lief ich. Ich wusste, ich würde keine Chance haben, aber ich wollte zumindest nichts unversucht lassen. Ich rannte, was meine Lungen hergaben und hörte die Pferde näher kommen. Ich sprang über einige kleinere Felsbrocken und blieb an einem hängen und flog der Länge nach hin. Ich rappelte mich auf und humpelte weiter. Aber jetzt hatte ich gar keine Chance mehr.

  • Die Männer kamen in Windeseile näher und hatten die Frau erreicht, als sie erneut strauchelte und zu Boden fiel. Mit wenigen Handgriffen hatten sie die Sklavin überwältigt.


    Der Anführer der Truppe lächelte sie an. "Soso, eine entlaufene Sklavin! Woher kommst Du? Wohin willst Du?" Sie versuchte sich zu wehren, hatte jedoch keine Aussicht auf Erfolg. "Mach keine Schwierigkeiten, hörst Du..." sagte der eine und drückte ihr ein Messer an die Kehle um zu unterstreichen, dass sie keine Chance haben würde.

  • Ich hielt in meinen Bemühungen mich zu wehren inne, als ich die kalte Klinge an meiner Kehle spürte, wagte kaum zu schlucken. Aber in mir war immer noch der gewisse Trotz und die rebellische Ader, die mich auch hatte fliehen lassen, ja sie war sogar gestiegen.
    "Aus der Gefangenschaft! In die Freiheit!"
    Ich sagte es ruhig, mit ein wenig Trotz drin aber ohne ein einziges Anzeichen von Angst.
    Wenn sie mich töten wollten, sollten sie es tun. Es war besser als wieder in die Gefangenschaft zu kommen. Wenn nicht, sollten sie mich gehen lassen.
    Sie wirkten nicht wie die typischen Römer, was mir noch etwas mehr Auftrieb gab, aber ich sah mich vor zu übermütig zu werden.

  • "Sieh an. Mut hat sie, das muss man ihr lassen." sagte der Anführer und lachte. "Steck das Eisen weg. Sie wird Dich schon nicht umbringen." Dann blickte er in ihre funkelnden Augen, welche keinesfalls Angst oder Furcht ausdrückten. Für eine Sklavin war sie zu rebellisch, was auch erklärte, warum sie sich auf der Flucht befand.


    "Von wo bist Du entlaufen? Sprich..."

  • Ich beobachtete die Männer aufmerksam und mißtrauisch.
    "Tarraco."
    Als er etwas nachdrücklicher starrte seufzte ich.
    "Villa Tiberia."
    Ich musterte sie alle ziemlich stur und bereitete mich darauf vor mich im Zweifel zu wehren.

  • Aus Tarraco kam sie also. Dem Verwaltungssitz der Römer in Hispania, wie der Anführer wusste. Immer noch wurde sie von zwei Männern fest gehalten. "Hast Du irgendwelche Truppen gesehen?" Von der Familie der Tiberier hatte er noch nie gehört, der Begriff 'Villa' ließ ihn jedoch aufmerken. Vermutlich war die Sklavin eine ganze Menge Sesterzen wert. "Du bist Sklavin wofür?" Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie für die Gartenarbeit gekauft worden war.

  • Ich schwieg, aber der Griff der Männer wurde fester und so blieben mir nicht viele Möglichkeiten. Eine weitere Flucht war wohl nicht möglich. Sie hatten Pferde, ich war zu Fuß, wo von einer zog und pochte. Ich hatte ihn mir wohl verstaucht oder sowas. Als er nach den Truppen gefragt hatte, musste ich doch fast Lachen. Man hatte mich ja noch nicht mal aus dem Haus gelassen, wie sollte ich da Truppen gesehen haben. Und wofür ich Sklavin war, tja, zum rumkommandieren, würde ich sagen. Aber die Antwort würde ihm wohl nicht schmecken.
    Ich überlegte fieberhaft, wie ich von den Männern wegkommen könnte und fand keine Lösung. Es waren zu viele. Andererseits, wenn ich es schaffen würde zu einem Pferd zu gelangen, dann könnte es mir gelingen und ich könnte auch noch über ein schnelleres Transportmittel verfügen. Aber so wie es momentan aussah, gab es keine Möglichkeit. Also wählte ich zunächst die direkte Konfrontation. Ich sah den Frager herausfordernd an und mein Blick traf seinen, zeigte weder Angst noch Zweifel, nur sture Entschlossenheit gepaart mit dem Feuer des Freiheitsdranges.
    "Keine Truppen, was an meinem Ausgehverbot liegen mag. Sklavin für alles was im Haushalt übrig blieb."
    Er musste ja nicht wissen, dass man mich hin und wieder für die medizinischen Belange herangezogen hatte, nachdem ich der kleinen Minervina auf die Welt geholfen hatte. Meine sonstigen Tätigkeiten waren sonst tatsächlich meist nur Haushalt gewesen und die wenigen Momente, die ich im Garten hatte verbringen dürfen und wo ich für diese kurze Zeit wenigstens ansatzweise das Gefühl gehabt hatte ein Mensch zu sein.
    Meine Stimme war fest und mein Blick hielt seinem Stand, ohne mit der Wimper zu zucken.

  • Der Anführer zuckte mit der Schulter, drehte sich um und ging zu seinem Pferd. Die Sklavin hatte wie es schien für die Männer keinen Wert. Sie hatte weder römische Truppen gesehen, noch konnte sie ihn sonst irgendwie von Nutzen sein. "Was sollen wir mit ihr machen?" fragte einer der beiden, welche sie festhielten. "Lasst sie laufen!" antwortete der Anführer und ritt mit dem größten Teil der Truppe davon.


    "Du hast es gehört, lassen wir sie laufen." sprach der eine. Der andere hingegen überlegte noch.


    "Ich soll die Frau einfach so laufen lassen?"
    Er blickte sie an, in seinen Augen lag Wolllust und Begehren...

  • "Lass sie in Ruhe!" sagte auch der andere der keine Lust daran hatte, sich noch Ärger mit dem Offizier einzuhandeln. "Wenn der Chef das raus kriegt hackt er Dir die Hand und dein Teil ab. Also lass es lieber." Der Zweite hielt kurz inne. "Du hast Recht, das ist die Schlampe nicht wert!"


    Er drückte nocheinmal kurz mit dem Messer an ihrer Kehle, um ihre seine Macht zu demonstrieren, leckte ihr über das Gesicht und stieß sie dann von sich. "Mach es gut süße, und ich denk an Dich, wenn ich heute abend zu den Huren gehe..."


    Lauthals lachte er auf und bestieg ebenfalls sein Pferd. Sekunden später waren auch die letzten beiden Späher im Wald verschwunden.

  • Ich hielt an mich und atmete, als sie weg waren, erst einmal tief durch. Sehr tief. Das war knapp gewesen.
    Ein paar Minuten gönnte ich mir noch, dann humpelte ich mühsam weiter, bis zum Bachlauf, dem ich die ganze Zeit schon folgte und der hier oben nicht viel mehr als ein Rinnsal war. Aber ein kalter Rinnsal, was meinem Knöchel und meinen Schürfwunden sicher gut tat.
    Als ich dort ankam, versorgte ich erst einmal die Verletzungen und dachte nach.

  • Ich hatte nur ein paar Stunden verweilt, um nachzudenken. Nun war ich wieder unterwegs. Langsamer und leicht humpelnd, aber nicht minder entschlossen. Leider wusste ich nicht, wo genau ich mich befand, aber die Männer fragen wollte ich auch nicht. Also musste ich auf gut Glück raten. Da ich immer die Sonne als Richtungsgeber nutzte, war mir zumindest klar, das die Richtung stimmte. Die Frage war nur, wie lange noch hispanischer Boden?

  • Seit vielen Tagen war ich unterwegs. Auch mein Erlebnis mit den Fremden war schon einige Tage hinter mir und mein Fuß, obwohl am Anfang kaum belastbar, war wieder heile, zumindest tat er nur noch ganz selten weh. Meine Kleidung hatte ein wenig gelitten, ich war Frostbeulen entgangen hier und da, aber gefroren hatte ich genug. Zu Essen hatte ich schon seit drei Tagen nichts mehr aus dem Vorrat, aber auch damit hatte ich gerechnet und ernährte mich davon, was die Natur mir zu bieten hatte. Und wenn es rohes Fleisch war, ich wagte nicht Feuer zu entzünden, dann war es rohes Fleisch. Kleine Tiere liessen sich mit Hilfe von gut gezielten Steinen gut fangen und mit dem kleinen Dolch, den ich mitgenommen hatte, konnte ich sie auch gut häuten und essensfertig gestalten.
    Seit einer Stunde ging es bergab und ich war mir sicher, dass ich nun, den Blick nach vorne, weit unter mir eine weite Landschaft, bald am Ziel meiner ersten Etappe war.

  • 2. Tag


    Ich erreichte nun den Ort, der im Protokoll angegeben wurde. Ich sah mich um und sofort fiel mir eine alte Raststätte ins Auge. Ich suchte nach Hinweisen und fand in einem Busch ein Fetzen Stoff, dieser Stoff passte genau zum Gewandt der Sklavin. Also war sie hier. Ich schwing mich wieder aufs Pferd und ritt durch die Berge in nördlicher Richtung. Wenn ich die Grenze passiere werde ich ohne halt sofort nach Germania durchreisen. Weil irgendwie sagt mein Gefühl es ist etwas schreckliches passiert.

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