• Das Erkennungsmerkmal, über das sich Menecrates eben noch freute, musste Linos verstört haben. Sein Sklave zeigte sich nicht nur äußerlich beeindruckt, auch die Stimme klang brüchig. "Was sorgst du dich? Er hat keinen Grund, dich aufzufressen. Du wurdest von mir geschickt, also sag ihm das beizeiten. Falls nicht, und sofern er Hunger hat, musst du wohl doch mit allem rechnen." Menecrates schmunzelte. Er fand es witzig, seinen Sklaven symbolisch auf den Arm zu nehmen. Endlich konnte der Claudier tätig werden, endlich gab es einen Punkt, wo er ansetzen konnte, um hoffentlich Licht ins Dunkle zu bringen. Diese Hoffnung beflügelte ihn, ließ sein Blut schneller kreisen und schüttete etliche positive Stresshormone aus.


    Sein Lächeln versiegte, als er sich auf die gestellte Frage konzentrierte. "Narben hat er durch den Dienst sicherlich, aber wo die sind, weiß ich nicht. Dafür müssten wir seine Bettgefährtin befragen. An Offensichtliche kann ich mich jedenfalls nicht erinnern." Flüchtig überlegte er nochmals, schüttelte dann aber den Kopf und wandte sich dem Thema Tätowierungen zu. Meist trug Verus Dienstkleidung, aber zuweilen trafen sie sich privat. Eine Tunika verbarg seine verblasste Tätowierung nur knapp, daher kannte Menecrates sie.

    "Er besitzt eine Tätowierung, aber sie ist ungeeignet, ihn zu identifizieren. Sie dient bestenfalls dazu, einen Mann im Zweifel
    auszuschließen, wenn er diese Zeichen nicht auf seinem Oberarm trägt."
    Da Linos stets mitdachte, entschloss sich Menecrates zu einer Erläuterung, anstelle der bloßen Beschreibung. "Es handelt sich um ein Kürzel, das seinen Ursprung in der Republik hat. Es findet sich eher auf einem Legionssignum als auf dem Oberarm. Die Buchstaben SPQR sind es, aber - wie gesagt - mittels ihnen identifiziert du Verus nicht, weil es ein allgemein gültiger Ausdruck ist und kein persönlicher." Er stockte, weil er nicht wusste, wie er es besser erklären sollte, befand aber dann, dass die bisherige Erklärung reichen konnte. Das Wichtigste war ja der Schriftzug.


    Wie es aussah, hatte es Linos plötzlich eilig und Menecrates hinderte ihn nicht daran.

  • Die Zeit schlich nur so dahin, während ich einen Trampelpfad in den Boden der Villa Claudia austrat. Ab und an fuhr ich mit gespreizten
    Fingern durch meinen Haarschopf und murmelte unverständliches Zeug vor mir her. Wenn sich etwas in meiner Nähe bewegte fuhr mein Kopf neugierig in die Richtung und mein Blick senkte sich danach gleich wieder enttäuscht auf den Boden. Ein lauter Seufzer entfur mir:
    „Warum kommt er denn ausgerechnet heute so spät?“

    Nach meiner kam Claudius Menecrates heute viel später als üblich nach Hause.

  • Am Abend kam Menecrates hochgradig schlecht gelaunt nach Hause. Trotz großen Einsatzes liefen die Dinge in Rom anders als er es wollte und am Ende des Tages schlug noch eine Hiobsbotschaft ein. Im Dienst musste sich der Präfekt zusammenreißen, aber in der heimischen Villa würde er Dampf ablassen müssen. So gut es in der Toga ging, stürmte er zur Porta herein, wickelte bereits selbstständig die Anfangsbahn des Kleidungsstückes ab und riss daran herum, als es nicht weiterging.

    "Jetzt geh schon ab!", schimpfte er und die hinzueilenden Sklaven hüpften um ihn herum, weil niemand mit den auskeilenden Armen Bekanntschaft machen wollte. Endlich hatten sie es geschafft. Die Sklaven sammelten die Stoffbahn ein, die wohl erstmalig im Eingangsbereich zum Liegen kam.

    Menecrates stürmte in komfortabler Tunika weiter. Er stutzte kurz, als er Linos stehen sah, dann winkte er ihm. "Mitkommen!" Stehenbleiben und reden schien aktuell unmöglich, daher eilte er weiter. Im Garten angekommen, atmete er einmal tief durch, bevor er einen Dauerlauf startete. Wollte Linos reden, musste er mitziehen.

  • Zuerst nahm ich noch an, es ging zum Arbeitszimmer, aber nein es musste der Hortus sein, auch gut, dort saß ich gerne. Nein mein Dominus rannte los als ob er aus Sparta käme und ich musste mit.

    „Dominus...“ setzte ich an, doch schon war er weiter gerannt. Wie sollte ich so mit ihm reden? Er war doch schon ein alter würdevoller Herr und nun führte er sich auf wie sein Enkel. Sollte er nicht besser auf der Bank sitzen und den Sonnenuntergang genießen? An meine Füße dachte er mal wieder nicht, dabei wusste er doch wie schnell sie mir schmerzten. Lange würde es nicht mehr dauern und er überrundete mich. Ich hatte wirklich keine Lust mehr und blieb einfach keuchend stehen. Sollte er doch seinen Ärger bei anderen loswerden, denn etwas anderes konnte es nicht sein, was ihn so aufbrachte.

  • Als Menecrates das Gröbste des Adrenalinpegels abgebaut hatte, gönnte er sich ein gemächlicheres Tempo. Nach drei großen Runden blieb er bei Linos stehen, stützte die Hand in die Seite und prustete die Luft aus. "Wenn du weiter so wenig Sport treibst, wirst du entweder fett oder gebrechlich", prophezeite er. Seine Augen leuchteten bereits verschmitzt, während sein Mund noch immer nicht lächelte. Sein Atem beruhigte sich zusehends, weil er in regelmäßigem Training stand. Trotzdem ließ er sich Momente Zeit, bevor er nachfragte. Er wollte außer einem normalem Atemtakt auch das Gemüt abkühlen lassen. In der Regel dauerte das nie lange.

    "Es sah vorhin so aus, als hättest du auf mich gewartet. Was gibt es denn?" Er hoffte auf gute Nachrichten zu den Reisevorbereitungen. Schwierigkeiten fürchtete er.

  • Mit lauerndem Blick betrachte ich den Claudier. Würde er gleich wieder losrenne? „Jaaa Dominus,“ kam es langezogen von meiner Seite. „Ich wollte dir nur mitteilen ich könnte, wann immer du es wünschst,kann ich mich auf den Weg machen. Mein Begleiter wird der Sklave deines Optios, hm da war noch was hinter dem Optio, du wirst es selber wissen, Manius Purgitius Lurco ist sein Name. Er, also Chrislaus, so ist sein Name, wird ihn um Erlaubnis bitten, und auch darum, dass er ihm eine Reiseerlaubnis ausstellt.
    Wir haben vereinbart uns in Ostia, am Hafen, zu treffen.“ Nach kurzem Überlegen fügte ich noch hinzu: „Ja das war es eigentlch, vielleicht kann ich jetzt noch etwas für dich tun. Mir scheint wirklich gut geht es dir nicht.“ Eine Sorgenfalte bildete sich auf meiner Stirn. Ich spürte es, seltsam die hatte ich doch noch nie. Um mich zu vergewissern, strich ich mit der flachen Hand darüber, um festzustellen, da war wirklich eine Falte.

  • Linos rettete den Tag, was sich in einem Lächeln auf Menecrates' Gesicht zeigte. Er hob den Zeigefinger, weil so besser nachdenken konnte, und sagte: "Das ist gut!" Anschließend hörte er die genannten Namen. Bei einem stutze er, den anderen kannte er bestens.

    "Chrislaus?" Er kannte sich bei weitem nicht bei allen Völkern aus, daher bedeutete es nichts, wenn er den Namen erstmalig hörte. "Wie kann man sein Kind Chrislaus nennen?" Er schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf das Wesentliche. "Optio Purgitius ist bekannt." Obwohl er den Sklaven als Begleitperson dadurch auch nicht besser einschätzen konnte, beruhigten ihn die Besitzverhältnisse. Er wertete sie als gutes Omen.

    "Dann würde ich sagen", er rieb tatendurstig die Hände, "du packst für die Abreise morgen und ich stelle dir die Reisepapiere aus." Am Ende überraschte ihn Linos mit einer Frage, die ihn thematisch zurückwarf. Er wurde wieder ernst, freute sich aber insgeheim über die Anteilnahme. "Ja, du kannst etwas für mich tun. Bring Licht ins Dunkel um Tiberius Verus. Alles andere ist im Augenblick nicht wichtig. Nicht alle Tage laufen gleichermaßen gut, aber morgen beginnt einer neuer und darauf lass uns konzentrieren. Komm später in mein Officium, dann gebe ich dir Geld und Papiere. Ich laufe noch zwei oder drei Runden." Er machte eine einladende Geste, ahnte aber, dass Linos nicht folgen würde. Die neuerlichen Runden nutze er nicht zur Stressminderung, sondern zum Nachdenken. Er wusste nicht, was Linos' Reise ergeben würde, hoffte aber das Beste!

  • Völlig verwirrt starrte ich Menecrates an. „Chrislaus? Wieso Chrislaus?“ Endlich begriff ich, mir war da ein Fehler unterlaufen. „Oh da ist mir ein Versprecher passiert. Ich habe einfach einen Buchstaben übersprungen. Nein doch, sein Name ist Charislaus. Ich weiß auch ein ungewohnter Name, aber wie heißt es andere Länder andere Sitten.“

    Noch immer verwirrt wegen meines Fehlers, was den Namen betraf, überlegte ich kurz. Richtig Packen. „Ja Dominus ich werde packen gehen.“ Was hatte ein Sklave schon zu packen, er würde keinen Tross mit Gepäck hinter sich herziehen, zumal meine Besitztümer, nach der Rückkehr in die Villa, noch lange nicht den alten Stand hatten. „Ich werde mein bestes geben um dir den Gesuchten nach Rom zu schaffen“. Zuversichtlich sprach ich diese Worte aus, obwohl es mir noch immer schleierhaft war, wie ich dies erreichen sollte. Langsam drehte ich mich um und verließ den
    wunderschönen Garten.

  • Aus Vorfreude konnte ich mir das Griemeln, während ich hier saß und wartete, nicht verkneifen. Was würde mich gleich für ein erstaunter Blick treffen. Ich genoss es wieder hier zu sitzen, obwohl ich wusste, es würde nicht mehr werden
    wie vor meiner Reise nach Germanien. Zudem hatte ich nach meiner Ankunft hier gleich erfahren, meine Räume waren inzwischen von einer Frau bezogen worden. Von einer Frau, die kein Familienmitglied sei, hatte sich der Sklave mokiert.


    Meine Heimreise hatte ich gut organisiert und war, was in dieser Jahreszeit nur hilfreich sein konnte, schnell verlaufen. Die Gruppe mit der ich unterwegs war, reiste zweimal jährlich von Rom ab und wieder zurück. Ich glaube sie kannten die Route mit allen möglichen Varianten in und auswendig.

    Am Stadttor hatte ich ebenfalls Glück, die Schlange der Wartenden war nicht zu lang und so schaffte
    es wie ich gehofft hatte noch Menecrates Heimkehr in der Villa Claudia zu sein.

    Jetzt saß ich hier und erwartete ihn voller Ungeduld.

  • Nach getaner Arbeit traf Menecrates in der Villa ein, ließ sich den Mantel abnehmen und das regennasse Gesicht abtupfen. Seine Toga wies am Saum Schmutzränder auf. Der im unteren Bereich voll gesogene Stoff machte das Kleidungsstück noch schwerer und die Falten lagen kreuz und quer.

    "Runter damit", wies er nach dem Betreten des Vestibulum die Sklaven an. Während die riesige Stoffbahn abgewickelt wurde, erstattete der Türsklave Bericht. Selbstverständlich blieb Faustus nicht unerwähnt, was ein Leuchten in Menecrates' Augen zauberte. "Atrium sagst du?" Er vergewisserte sich, wo sein Vertrauter wartete, und schmiedete einen Plan. Leider würde er für dessen Umsetzung wieder nach draußen in das Sauwetter müssen, aber die Mühe war es ihm wert. Er trat durch die Porta, drückte sich an der Hauswand entlang, um wenigstens etwas Regenschutz zu genießen, und betrat die Villa über das Peristyl. Leider blühte um diese Jahreszeit wenig, weswegen er den Plan, einen Blumenstrauß zu pflücken, verwarf.

    Menecrates wies auf eine Strauchpflanze, die einen Pflanzkübel zierte. Der Sklave wusste mit der Geste nichts anzufangen und hob ratlos die Schultern.


    "Ja, gib schon her!", forderte der Claudier ungeduldig und hielt die Hände auf.

    "Schwer, Dominus, sehr schwer." Die Bedenken des Sklaven prallten am Dickschädel des Claudiers ab, daher ging er zum Kübel, presste den Topf an den Bauch und stemmte sich aus der Kniebeuge in die Höhe. Die Übergabe des Kübels gestaltete sich schwierig. Abgesehen davon, dass Menecrates' Tunika auch noch feucht wurde, trug er ein erhebliches Gewicht.

    "Lächerlich kleiner Topf", keuchte er, während des Weges zum Atrium. "Muss es auch ausgerechnet heute regnen?" Die nasse Erde wog schwer, daher hielt er den Topf umarmt. Die Pflanze verdeckte Teile seines Sichtfeldes, aber niedriger halten konnte er sie nicht, weil das Ende der Armlänge bereits erreicht war.


    Im Atrium angekommen presste er hervor: "Herzlich Willkommen!" Er sah wenig, die Arme schmerzten und die Finger drohten abzurutschen. Trotzdem lachte er.

  • Wieder einmal zeigte sich mir, das Schicksal ließ sich einfach nicht lenken. Jetzt war ich es, der die Augen, sogar den Mund, vor erstaunen aufriss. Es war nicht nur der Willkommensgruß, nein viel mehr der Anblick dieses lachenden alten Mannes. Wie konnte er nur, die Frage glimmte kurz auf, natürlich, wie so hatte ich auch nicht daran gedacht, die Sklaven. In meiner übergroßen Freude, wieder daheim zu sein, hatte ich vergessen, ihnen mitzuteilen über meine Rückkehr, zu schweigen.

    In meiner Verwirrung, von Überraschung, staunen und Freude hatte ich es fast nicht bemerkt, schnell sprang ich auf, ergriff den Topf um ihn abzustellen. „Das ist doch viel zu schwer“, kam sorgenvoll von mir. Dabei hatte ich mir die Szene unseres Wiedersehens ganz anders vorgestellt. Das erstaunte, überraschte Gesicht des Claudiers, ich aufspringend und ihn umarmend. Was ich bisher noch nie gemacht hatte. Aber nun stand ich hilflos da, fast zu Tränen gerührt, das da, hatte er für mich
    getan. Ein Mann der fast nie seine Würde vergaß. Ich war daheim.

  • Zwei Männer - beide hielten den Topf - versuchten durch Beugen der Knie, den Kübel sicher abzustellen. Dabei kamen sich ihre Köpfe gefährlich nahe, während die Hinterteile abstanden. Menecrates' Großmutter hätte beim Anblick gesagt: 'Ein Bild für die Götter.'

    Der alte Mann ächzte, als er sich nach dem Abstellen aufrichtete. "Ich fürchte, ich bin zu alt für einen blumigen Empfang", gestand er schmunzelnd. "Schön dich zu sehen, Faustus! Was für eine Überraschung!" Er umfasste die Schultern des Jüngeren, ruckelte zweimal daran herum und lachte erneut. "Jetzt hast du hoffentlich genug von der Welt gesehen. Du bleibst doch jetzt hier, oder?" Er traute sich kaum, Faustus loszulassen, so als konnte er mit seinem Griff die gewünschte Antwort garantieren. Insgeheim schalt er sich egoistisch. Er sollte sich, statt in Unsicherheiten zu ertrinken, lieber des Momentes oder eines längeren Besuches erfreuen.

  • „Dem kann ich mich nur anschließen, aber der Gedanke zählt mehr als tausend Worte. Meiner Freude weiß ich gar keinen Ausdruck verleihen. Kurz vor Rom wurden meine Schritte immer schneller, doch leider die Stadt selber, du kennst ja das Gedränge mancher Orts selber, dämmte meinen Eifer dieses Haus zu erreichen.“

    Dankbar lächelnd genoss ich das Schulter ruckeln. Ich spürte wie sich meine Gesichtszüge veränderten, die Lachmimik erlosch und machte dem Ernst platz. Von mir kam nur ein kurzes: „Ja“, als Antwort. Dieses ja beantwortete nur den ersten Teil seiner Gedanken. Der schwierigere zweite Teil, von Menecrates Fragen, blieb noch zu beantworten. Sollte die
    Frage,*Du bleibst doch jetzt hier, oder?* Rom bedeuten so wäre das ein eindeutiges ja, sollte es sich aber auf die Villa Claudia beziehen, so wäre die Antwort ein nein.

    Wenn er nur ahnen würde wie schwer mir das nachfolgende Gespräch fallen würde. Ich musste mir aber endlich eingestehen, es war endgültig Zeit, auch hier in Rom auf eigenen Füßen zu stehen und mir ein selbständiges Leben auf zu bauen. Bestimmt wusste er wie sehr ich das Leben hier und vor allem das mit ihm zusammen sein liebte. Unser Verhältnis war schon merkwürdig. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit daraus entstandener Freundschaft, aber auch fast ein Vater Sohn Verhältnis. Und ich hatte nun vor dies zu zerstören? Nein das nicht, nur durch räumliche Entfernung zu verändern, schmerzhaft, wenigstens für mich, zu verändern.

    Schnell versuchte ich alles Finstere zu Verdrängen: „Bitte erzähl doch wie geht es dir? Nimmst du dir Zeit für ein wenig Erholung oder frisst dich die Arbeit wie immer mit Haut und Haaren?“

  • Menecrates hörte, was er hören wollte: Faustus blieb hier - für immer. Er ignorierte dessen ernsten Gesichtsausdruck und lachte befreit auf. Ein heftiges Rütteln an den Schultern des Freundes läutete dessen Freilassung ein. "Wollen wir laufen oder willst du dich setzen?" Der Claudier wäre mit allem außer Schwimmen einverstanden gewesen, weil er sich freute. Er rieb sich die Hände, blickte noch einmal zur Kübelpflanze und wies einen Sklaven an, sie an die Seite zu stellen.

    "Sie gehört dir! Nimm sie als Willkommensgeschenk und bestimme selbst, wo sie stehen soll." Es wäre kein Geschenk, wenn der Hausherr sie an den alten Platz stellen lassen würde.


    "Ich komme an verschiedenen Stellen nicht voran, daher hält sich die Arbeit in Grenzen", erwiderte er auf die Frage nach seinem Pensum. "Zeit für Erholung nehme ich mir allerdings nicht." Das Eingeständnis kostete ihn Überwindung, weil er eine Rüge erwartete. Die wenigsten würden sich das ihm gegenüber trauen, aber Faustus durfte alles ansprechen, so auch Kritik üben. "Wie erholt sich denn ein Mann wie ich?" Er suchte eine Weile nach einer Antwort, bis ihm zumindest ein Ort des Ausgleichs einfiel. "Im Garten kann ich Kraft tanken - entweder allein oder mit höchstens einer Person. Vögel dürfen viele anwesend sein, ebenso anderes Getier. Ich glaube fast, Erholung gelingt mir dann, wenn ich Menschen fern bleibe." Eine traurige Erkenntnis, wie er fand, daher lenkte er vom Thema ab.

    "Jetzt erzähle aber du! Was hast du erlebt? Was hat dich zur Rückkehr bewegt?" Seine Augen leuchteten vor Wissbegier. Von Natur aus nicht zu Neugierde neigend, interessierte ihn aber, was Faustus von den Plänen abgebracht hatte, Rom fernzubleiben. Wenn er die Auslöser kannte, konnte er sie vielleicht später einmal nutzen. Wer konnte schon wissen, wann Faustus erneut das Fernweh packte.

  • „Ein wenig laufen ist schon in Ordnung, doch bedenke, heute hatte ich schon ein reichliches Maß an Laufen. Zudem wenn es möglich ist, ich habe Hunger, vor allem nach den köstlichen Kleinigkeiten die es bei dir immer gibt. Das Essen in der Taberna, wo ich mich eingemietet hatte, war sehr gut, doch daheim ist daheim.“ Mit diesem Redeschwall hatte ich die wie ich hoffte meine Anlaufschwierigkeiten die ich oft, besonders nach längerer Abwesenheit überwunden. Auf dem Weg zum Hortus fiel
    mir ein: „Deine Kleidung ist feucht, regnet es nicht?

    Als ich hörte, dass er sich trotz momentaner geringere Arbeit war ich schon verärgert. Oder war es eher so etwas wie schlechtes Gewissen, denn wer würde demnächst darauf achten. „Das war ja wohl nicht anders zu erwarten“, antwortete ich tadelnd. „Wenn du irgendwann erschöpft danieder liegst, ist dir und Rom auch nicht geholfen. Dann musste ich aber auch lachen. „Ja die Vögel und du“.

    Nun merkte ich, dass ich doch ein wenig erschöpft war, das Eiltempo, um früh in der Villa zu sein, hatte mir doch ein wenig zugesetzt. „Können wir uns nicht doch lieber hinsetzen? Du weißt ich gehe gerne mit dir, doch heute, du verstehst schon.“ Nach kurzem Nachdenken begann ich. „Die Landschaft, die Menschen, selbst das Klima, all das hat mir gefallen, doch was

    mir fehlte war, obwohl ich doch von Hause her ein Landmensch bin, die Geschäftigkeit Roms. Ich fühlte mich oft sehr einsam. Es mag an mir selber liegen, da ich nicht zu schnell auf andere Menschen zugehe, doch wenn keiner da ist, wird das schon schwer. Was mich zu dem noch antrieb um nach Hause zu kommen, ich möchte mein Erbe antreten.“ Nach einem verlegenem Lächeln, denn eigentlich hatte ich nie besonderen Wert auf diese Dinge gelegt, ich war nämlich stolz auf das, was ich aus eigener Kraft erreicht hatte, kam meine Frage. „Du hast vom Ableben des Marcus Helvetius Commodus gehört. Nun ich wurde angeschrieben und mir wurde mitgeteilt, ich wäre der Erbe. Dieses Erbe werde ich nun antreten.“
    Jetzt legte ich eine Pause ein. Zum einem um eine Antwort ab zu warten und zum anderen um Kraft zu tanken, für weitere Fragen, die unmissverständlich kommen würden.

  • "Essen und Laufen verträgt sich schlecht", entschied Menecrates, winkte einen Sklaven, trug ihm eine Bestellung für die Küche auf und wandte sich wieder an Faustus. "Wir machen es genauso, wie du es brauchst. Bin ich froh, dass du wieder daheim bist!" Er lächelte und wirkte glücklich. Sein Zuhause stellte gleichzeitig Faustus' Zuhause dar, was Menecrates heraushörte und ihn sehr freute. Das Lachen verschwand nur kurzfristig, als der Freund auf Menecrates' feuchte Kleidung hinwies. Der Claudier blickte an sich herab und erkannte den desolaten Zustand seiner äußeren Aufmachung. Wie mochten seine Haare liegen? Er strich über das Haupt, während er aufblickte und lachte.

    "Zum Glück bin ich Zuhause und mich sieht sonst niemand außer dir. Ein Praefectus Urbi, der aussieht wie ein Straßenjunge, vermittelt am Ende die Botschaft, Rom stehe vor dem Untergang." Er schüttelte den Kopf über sich selbst, hörte aber Faustus weiter zu. Er wusste vorab, dass er gerügt werden würde und insgeheim gab er Faustus Recht. Eine Ausrede fiel ihm aber noch ein: "Ich habe kein Privatleben, weil ich kaum Familie habe, also arbeite ich." Er zuckte die Schulter, aber im nächsten Moment fiel ihm ein, dass zumindest eine neue Bewohnerin kürzlich in die Villa eingezogen war - zu allem Überfluss auch noch in Faustus' altes Zimmer. Er würde die Mahlzeit nutzen müssen, um sich eine annehmbare Lösung für das Dilemma einfallen zu lassen.

    "Die Vögel und ich", wiederholte er versonnen. Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich in seinem Gesicht. "Aber sie müssen frei sein und nicht gefangen."

    Sein Arm wies Richtung Atrium und dort angekommen steuerte er auf die Sitzecke zu. Allerdings setzte er sich nicht, sondern hob die Arme an, damit er von Sklaven trocken getupft werden konnte. Während er sich abstützte, um beim Sandalenwechsel nicht das Gleichgewicht zu verlieren, wurde er gekämmt. "Setz dich doch, Faustus. Getränke kommen gleich."

    Zum Abschluss wurde um Menecrates ein langes Laken gewickelt, das ihn warm hielt, und womit er sich wieder trocken fühlte. Zum Hinsetzen taugte es nicht, weil es die Beweglichkeit einschränkte.

    "Sieh her, was tu ich nicht alles für dich." Er lachte. Um nichts in der Welt wäre er jetzt auf sein Zimmer gegangen, um sich baden und neu einkleiden zu lassen. Er nahm steif Platz und hörte den Erzählungen zu, während ein Sklave mit zwei Amphoren herantrat.

    "Saft oder Wasser, Faustus?"

    Ausgerechnet Land, Menschen und Klima gefielen dem Freund in Germania, was Menecrates wunderte. Als er in in dieser Provinz weilte, empfand er das Land dunkel, das Klima unwirtlich und viele Menschen seltsam. Gelangweilt hatte er sich hingegen nie, was bei einem Legatus auch nicht verwunderte. Einsamkeit, von der Faustus sprach, kannte der Claudier trotzdem gut. Sie erwischte ihn jeweils, wenn Familie und Aufgaben fehlten. Plötzlich horchte er auf.

    "Du hast geerbt? Ein schlimmer Verlust?" Er konnte es nicht ausschließen, obwohl Faustus nie von Verwandtschaft sprach. Gleichzeitig musste Menecrates nur zuhören, denn Faustus redete weiter. Der Name des Erblassers kam ihm bekannt vor, was aber auch am Gensnamen liegen mochte, oder doch nicht? Er grübelte, dann fiel ihm eine andere Erklärung ein.

    "Hatten wir nicht in der Praesina einen weiteren Helvetier? Erinnerst du dich?" Dass sie einen Namensvetter von Fausus hatten, dessen täuschte sich Menecrates nicht, aber er erinnerte sich nicht mehr an den vollen Namen.


    Ein Tablett duftender Pastetchen wurde hereingetragen und Menecrates gab durch einen Wink zu verstehen, dass die Speise zuerst Faustus angeboten werden sollte. Süße und Würze stiegen zusammen mit Teigduft als kleine Wolken Richtung Faustus' Nase, denn der Sklave reichte das Tablett nah heran.

    "Das ist ja spannend, Faustus. Worin besteht denn dein Erbe? Geld? Ein Haus? Betriebe? Bewegliches Gut? Sklaven?"

  • Nun musste ich mir doch ein Lachen verkneifen. „Ja du tust wie immer alles für mich. Danke ich nehme ein Wasser wie du. Diese Zeremonie, ja so möchte ich es nennen, mit dir gemeinsam ein Wasser zu trinken, war das was ich am meisten vermisste. Trotzdem mach ich mir jetzt ein wenig Sorge um deine Gesundheit. Wäre es nicht ratsam frische Kleidung zu benutzen?“ Kaum ausgesprochen lachte ich dann doch. „Ja ich weiß, du lässt dich von nichts und niemanden von deinem Weg abbringen.“ Gleich verschloss sich mein Gesicht wieder, ich wusste bald schon würde ich es sein der seiner Freude einen
    Dämpfer auf setzte.

    „Um zurück zu deiner Frage, über mein Erbe zu kommen, geerbt habe ich einiges. Geerbt von einem Mann den ich nicht kannte, vielleicht aber du. Wie ich hörte war er ein Legionär, ich glaube zuletzt war er Centurio, bin mir aber nicht sicher.. ...Du weißt wie ich zu meiner Familie stand und noch immer stehe. Ja ich habe das Erbe trotzdem angenommen, weil ich auf diese Art das bekommen konnte, was ich schon vor meiner Abreise suchte. Mich reizte nicht das Land, nicht das Geld aber zu meiner Schande muss ich gestehen, es war die Casa Helvetia, welche ich bis heute noch nie betreten habe. Doch ich brauche sie, denn wie ich schon vor meiner Abreise sagte, habe ich Pläne für meine Zukunft und so kann ich sie vielleicht umsetzen“.

    Schnell griff ich zur Wasserkaraffe, welche ein Sklave inzwischen gebracht hatte, füllte uns einen Becher, nur um mein aufseufzen zu verbergen. Ein Teil meiner Geständnisse war geschafft. Ich reichte dem Senator einen Becher, ergriff meinen und trank gierig einen großen Schluck.

  • "Du hast Recht", pflichtete Menecrates dem Freund bei. "Im Sommer fänd ich klebende Stoffe angenehm, inzwischen kühlt mich die Kleidung aus." Es gab jedoch viel zu erzählen und so kam Menecrates nicht dazu, sich umzuziehen. Stattdessen hörte er zu, um die neue Situation abschätzen zu können. Erblasser war ein gewisser Helvetius Commodus, ein Centurio. Menecrates fragte sich, ob eine Verwechslung vorlag, denn der Helvetier, den er kannte, diente nicht im Militär, aber er konnte sich nicht mehr an dessen Vornahmen erinnern und ob er Marcus hieß. Offiziere gab es viele, keiner konnte sie alle kennen.

    Die Überlegungen endeten, als Faustus die Casa Helvetia ansprach und dann dämmerte es dem Claudier, dass er mit Faustus nicht mehr unter einem Dach leben würde.

    Gleichzeitig tröstete er sich, dass Faustus hier viel schneller erreichbar wäre als in Germania. Alles in Rom war deutlich besser als eine fremde Provinz. Er atmete einmal tief durch, dann hörte er weiter zu.

    "Was für Pläne, Faustus? Willst du die Casa verkaufen und wieder fortziehen? Oder möchtest du hier eine Familie gründen und die Casa als Wohnsitz nutzen?" Mehrere Szenarien waren möglich und der Claudier durchdachte sie im Schnelldurchlauf, während er begann zu frieren. Ein Schaudern überlief seinen Körper und ließ sämtliche Härchen abstehen.

    "Lass uns zu meinem Cubiculum gehen, während du von deinen Plänen berichtest." Menecrates ergriff den gereichten Becher und wartete darauf, dass Fautus seinem Vorschlag folgen würde.

  • „Aber nein doch“, platzte ich lachen heraus. „Natürlich bleibe ich in Rom und zu deinen Fragen, ja und ja. Ja ich möchte eine Familie gründen und ja ich wähle die Casa als Wohnsitz. Doch vorher habe ich noch eine Bitte und Fragen an dich.“

    Natürlich sah ich wie Claudius fror und war war froh, dass er von selber sein Cubiculum aufsuchen wollte. „Ich komme gleich nach, ich möchte nur noch einen Blick auf den Abendhimmel werfen.“ Seit je her liebte ich es den Himmel zu allen Tageszeiten zu betrachten. Die Wolken in ihren seltsamsten Formationen, die verschiedensten Farbtöne je nach Tageszeit. Es war schon ein unterschied den Himmel in Germanien oder hier in Rom zu betrachten. Außerdem wollte ich Claudius Menecrates so die Gelegenheit geben sich in Ruhe umzuziehen.

    Erleichtert atmete ich auf, der erste Schritt war gemacht. Mir selber würde die Trennung schwer fallen, doch konnte ich mir vorstellen mit zu nehmenden Alter würde es immer schwerer fallen. Zum Glück wohnten wir dann nicht so weit von einander entfernt.

  • "Gut", resümierte Menecrates mit einem Lächeln, denn wenn Faustus eine Familie in der Casa Helvetia gründete, nagelte ihn diese Tatsache an Rom fest. "So machen wir das", stimmte er Faustus' Vorschlag zu und überlegte auf dem Weg zu seinem Cubiculum, an welcher Stelle die erwähnte Casa stand. Er meinte, sie müsste in der Nähe des Horti Maecenatis sein.

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