Beiträge von Osroes

    Mit keiner Körperregung zeigte der parthische Herrscher, ob er die Nachricht des Sklaven verstanden hatte.
    Sein Satrap, sein Satrap, hatte ihn warten lassen, nun würde er warten. Hätte Osroes nicht um die Qualitäten Surenas' gewusst, er hätte ihm wohl eine schlimmere Strafe als Nichtbeachtung zugedacht.
    In aller Gemütsruhe liess er sich einige Trauben reichen, welche er nacheinander verspeiste.
    Von seinem Neffen hatte der Sháh in Sháh bereits seit geraumer Zeit keine neue Nachricht erhalten. Beunruhigend genug. In den nächsten Tagen würde er wohl jemanden schicken müssen, der in Armenien nach dem Rechten sah. Noch dazu, wo die Römer nun zum Greifen nah waren. Und genau aus diesem Grund hatte er ihn nun zu sich zitiert. Zu sich befohlen und dieser Wurm hatte es gewagt, sich alle Zeit der Welt zu lassen, um hier zu erscheinen. Doch der König der Könige blieb ruhig. Äußerlich.


    Den Kern der letzten Traube spuckte er einem nahestehenden Sklave vor die Füße, welcher sich so ehrerbietig und dankbar zu Boden warf, um ihn aufzusammeln, als sei der unschmackhafte Teil der Frucht aus purem Gold.
    Osroes indes hob gnädig einen Arm, um Surenas heranzuwinken. Noch würdigte er ihn jedoch keines Blickes, sondern sah stattdessen gelangweilt zur Sklavin, welche seinen Weinpokal hielt.


    "Du kommst spät."

    Unwirsch winkte Osroes die Schmeicheleien seines Neffen ab und fächerte sich selbst ein wenig Luft zu um die Wirkung der Frische der wilden Zitrone ein wenig zu verstärken. Die Kühle war so angenehm bei der Hitze, ein wahrer Hochgenuss.


    "Sehe ich aus wie ein Hellseher?"


    Eine Antwort erwartete er jedoch keineswegs, sein Neffe würde schon wissen, was er mit dieser Aussage meinte. Also nickte er nur und nahm sich wieder eine Dattel.


    "Der Segen Ahura Mazdas sei mit dir."

    Der Datteln überdrüssig, wandte sich Osroes nun einer feinen Mehlspeise zu, aus mehreren dünnen Lagen Teig mit Honig und überbacken mit Nusssplittern. Eine Ode an solche Süßspeisen. Nur leider musste er sich von dieser Köstlichkeit gedanklich abwenden.


    "Ich erlaube es nicht nur, ich wünsche es sogar, Neffe."


    Er schleckte sich den rechten Daumen ab, wo ein Tropfen des Honigs zurückgeblieben war. Er widerstand heroisch der Versuchung, sich noch ein kleines Gebäckstück zu greifen und winkte stattdessen einen Sklaven herbei, der in seinen Händen eine Schale mit parfümierten Wasser trug.


    "Ratschläge? Du solltest mittlerweile selber wissen, was du zu tun hast. Immerhin hattest du gute Lehrer, dafür hatte dein Vater schon gesorgt."


    Seine Hände waren nun sauber genug, befand Osroes, so benetzte er sein Gesicht mit dem Wasser, welches herrlich nach wilden Zitronen duftete. So würde sein Gesicht noch eine schöne Zeit lang erfrischt sein, auch wenn dieser erfreuliche Zustand aufgrund der Hitze nicht lange anhalten würde.


    "Achte auf die Römer. Die hecken was aus, da bin ich mir ganz sicher. Verstärke die Befestigungen, treffe Vorkehrungen. Und feiere nicht allzuviele Gelagen."

    Noch immer zornig, jedoch nicht mehr hin- und hergehend, winkte er ab.


    "Du sprichst Unsinn, Neffe. Kein Volk kann groß werden, in dem es nur von anderen Völkern kopiert und nichts eigenes hervorbringt. Ich werde dich an deinen Gleichmut erinnern, wenn du deinen Namen falsch geschrieben liest."


    Mit diesen Worten nahm er seinen Becher Wein, nahm einen Schluck aus dem goldenen Gefäß und verzog gleich darauf angesäuert das Gesicht.


    "Bei Ahura Mazda, hat der Vorkoster seinen Sinn für Geschmack verloren? Mehr Honig!" knurrte er zu einem Sklaven, der allerdings nur stoisch nickte, dem Shah das gewünschte brachte und ihm den Honig unter den Wein mischte. Osroes setzte, nein er legte sich auf einen der großen Kissen und nahm eine Dattel, welche er ein wenig begutachtete und sanft drückte, bevor er sie in seinen Mund verschwinden ließ.


    "Wann wirst du nach Armenia aufbrechen? Du solltest deine Pflichten endlich wahrnehmen." Ein lautes Schmatzen begleitete seine Worte, nur wenig später spuckte er achtlos den Dattelkern heraus.

    Assur war seit mehreren Generationen eine Verwaltungszentrale der Parther und eine blühende aufstrebende Stadt. Während im Norden eine große Agora mit öffentlichen Bauwerken zu besichtigen und besuchen waren, so konnte man im Süden einen Palast bewundern, den allerdings nur von außen.


    In einem Raum des Palastes. Die prunkvolle Ausstattung lässt großen Reichtum erkennen, der zudem sehr gern zur Schau gestellt wird. Der Boden ist mit Teppichen ausgelegt, bequeme große Kissen laden zum Verweilen ein, allerdings nur, wenn man auch dazu berechtigt ist. Die anderen (so wie die Sklaven) müssen stehen und den Herren vor sich zu Diensten sein. Vorherrschende Farbe sind Rottöne in mehreren Schattierungen. Auf einem kleinen Tisch sind mehrere typische lokale Speisen angerichtet, daneben Oliven, Trauben, mit Honig gesüßte Mehlspeisen, Früchte, Wein. Das "arabische Zimmer" war ein bevorzugter Aufenthaltsort des Shahs, er mochte die Bequemlichkeit, die hier vorherrschte.


    "Oroes! OROES! Verdammte Römer! Wie konnten sie solch ein Reich errichten, wenn sie nicht mal fähig sind, den Namen ihrer Gegner richtig zu schreiben?"


    Osroes wandert im Raum hin und her, das Gesicht vor Zorn gerötet. In der Hand hält er ein Schreiben, das einer seiner Spione abgefangen hatte. Das römische Siegel ist abgebrochen, der Inhalt erzählt von einigen kleineren Übergriffen, "Grenzstreitigkeiten", die eigentlich nicht der Rede wert waren. Außer einem winzigen Detail, in welchem von kleinen Truppenveränderungen an der syrischen Grenze gesprochen wurde. Und genau dieses Detail gefällt dem Shah überhaupt nicht, neben seinem falsch geschriebenen Namen. Er knüllt das Schreiben zusammen und schleudert es in Richtung seines Neffen.


    "Mein Name ist SHÁH IN SHÁH OSROES und nicht Oroes! Verdammte Hundesöhne!"