Beiträge von Surenas

    Belustigt sah er sich das Schauspiel an. Es war nicht, dass er seinen Sháh nicht achtete, aber er wusste auch um die instabilen Machtverhältnisse, die einen jeden von ihnen umgab. Surenas schmunzelte und begab sich ins Gesichtsfeld seines Sháhs. Kurz blieb er stehen, dann verneigte er sich.


    "Verzeih, mein Sháh, ich wurde aufgehalten." Eine Ausrede, wie auch der König sicherlich wusste. "Darf ich dir Grüße von deinem Vetter, meinem Vater ausrichten?" Vetter war gut gesagt, eigentlich waren sie so weit miteinander verwandt, dass es kaum der Rede wert war. Mit etwas begierlichem Blick schaute Surenas auf den Weinpokal des Königs der Könige, ein Ritt durch die Stadt machte durstig, auch wenn man sich nicht so viel Zeit ließ wie Surenas noch eben.


    "Du wolltest mich sprechen?" sprach er das genauso Offensichtliche wie Unausweichliche aus. Nach den Entbehrungen der letzten Wochen wollte er eigentlich ein paar Tage Ruhe haben und eine ruhige Kugel schieben, doch Surenas hatte das Gefühl, dass seine diesbezüglichen Wünsche wohl wieder hintanstehen müssen.

    Es hatte seine Zeit gedauert, in welcher Surenas den Weg von seinem Stadthaus zum Palast zurücklegen musste. Selbstverständlich hatte er sich nicht übermäßig beeilt und einen "kleinen" Umweg genommen, der ihn durch mindestens zwei Märkte führte. Überall rannten die Leute herum, handelten laut schreiend, aßen, lachten. Und die Tiere hinterließen ihre ganz eigene olfaktorische Note. Er fand es grandios. Surenas wäre noch länger auf den Straßen geblieben, wenn nicht einer seiner Getreuen den Satrapen an seine Audienz beim Sháh in Sháh erinnert hätte. Widerwillig spornte er sein Pferd an und eilte zum Palast.


    Nur kurz nach seiner Ankunft fand er sich im sogenannten "arabischen" Zimmer wieder. Er ließ in aller Schnelle seinen Blick über das Interieur schweifen und zuckte innerlich mit den Schultern. Er mochte Bequemlichkeit, doch das hier hatte schon etwas Degeneriertes an sich. Allerdings war Surenas keineswegs so dumm, dies laut auszusprechen. Sein Sháh in Sháh lag mit dem Rücken zu ihm auf einem der großen und sicher sehr bequemen Kissen und trank seinen Wein aus dem Pokal. Der Sklave, der Surenas in dieses Zimmer geführt hatte, trat zum Sháh in Sháh und meldete die Ankunft des Satrapen.

    Die Straßen waren gefüllt mit Menschen und Lasttieren, Händler waren auf dem Weg zum Marktplatz, um ihre Waren feilzubieten, Arbeiter marschierten entweder ihren Arbeitgebern hinterher oder nutzten die Möglichkeit einer kleinen Pause, kleine Kinder spielten auf der Straße mit kleinen Steinchen und Frauen, junge wie alte, taten ihre Besorgungen. Es war laut und es stank. Surenas grinste. Es war genauso, wie er es in Erinnerung und sich auch vorgestellt hatte. Nur eines störte das Bild: Die Sonne schien nicht ungehindert herunter, einige Wolken versperrten den Strahlen den Weg.


    Gemächlich führte Surenas sein Pferd durch die Straßen, bis er bei seiner kleinen "Behausung" ankam, die allerdings eher Ähnlichkeit mit einer kleinen Stadtvilla hatte. Er stieg von seinem Pferd ab und übergab dieses einem herlaufenden Sklaven. Seine Getreuen machten es ihm nach und folgten gemächlichen Schrittes ihren wesentlich schnelleren Herren. Die nächsten Stunden verbrachte Surenas damit, sich zu baden und ein kleines Gelage mit seinen Leuten zu machen. Nach Wochen einfacher Kost und schlechten Weines eine in seinen Augen nur natürliche Maßnahme. Doch diese Idylle wurde sehr früh gestört.


    Schon wenige Stunden nach seiner Ankunft stand ein Bote im Haus. Kein gewöhnlicher Bote, sondern der des Sháh in Sháhs, der in einem ausgesucht höflichen Ton befahl, Surenas möge seinen satrapischen Allerwertesten in den Palast befördern. Surenas unterdrückte den Wunsch, den Boten gleich köpfen zu lassen, zu gut war seine Laune von der Heimkehr, dem guten Essen und diversen anderen Vergnügungen, die man vorzugsweise in weiblicher Gesellschaft unternahm. Stattdessen murmelte er etwas von einem "Jaja, bald", winkte den Boten weg und verlangte nach angemessener Kleidung. Stress machte er sich dabei keinen, aber allzu lange ließ er sich auch nicht Zeit. Wer wusste schon, wie schlecht gelaunt der kleine Despot war, dachte sich Surenas und grinste leicht dabei. Etwa eine Stunde später verließ er mit einigen seiner Leuten sein Haus und ritt gemächlich zum Palast.

    Er war unruhig. Schon seit Tagen. Eigentlich war ihm dieses Gefühl verhasst, doch dieses Mal nicht, denn es vermischten sich Vorfreude und und eine Erwartungshaltung, die er nicht bezähmen konnte, selbst wenn er es denn wollte. Seit Wochen war Surenas mit einigen Getreuen und Sklaven unterwegs, in Begleitung einer Händlerkarawane, die Seide in seine Heimat transportierte, von einem Ort, den Surenas nur vom Hörensagen kannte. Dort sollten die Menschen klein, die Augen schmal und deren Verhalten Fremden gegenüber so höflich sein, daß niemand wirklich wissen konnte, was sie wirklich dachten, doch mit diesen Erzählungen hielt sich Surenas nicht auf, nur wenn Krieg geführt wurde, nicht aber bei bloßem Handel. Schon seit einigen Tagen wurden seine Gedanken beherrscht von seiner baldigen Ankunft in Assur, seiner geistigen Heimat, der Stadt, in welchem er sich am meisten wohl fühlte. Surenas saß auf seinem Pferd, welches wiederum auf einer kleinen Anhöhe stand, dort, wo er einen phantastischen Ausblick über die Stadt hatte. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, denn er fühlte, er war wieder zuhause. Zu lange war er von hier getrennt gewesen und er spürte, wie eine kleine Last von ihm wich. Sein Pferd scheute, doch Surenas beruhigte das Tier, indem er den Hals des Tieres tätschelte und leise auf ihn einsprach.


    "Wir sind wieder hier." murmelte er zufrieden.


    Heute würde er nicht mehr in die Stadt kommen, zu weit war noch der Weg und zu tief stand bereits die Sonne. Wenn sie weiterreiten würden, wäre es tiefe Nacht wenn sie dort ankämen und die Stadtwachen wären nur mit vielen Goldstücken zu einem Öffnen des Tores zu bewegen, und das wollte Surenas nicht. Nein, er war nicht geizig, aber er wollte in die Stadt reiten, wenn die Menschen auf der Straße sind, zum Einkaufen, zum Tratschen, zum Leben. Er wollte das pulsierende Leben spüren, wenn er auf seinem Pferd hineinritt und sich nicht wie ein kleiner verängstigter Junge hineinschleichen.


    Widerwillig wandte er sich ab und ritt zurück zu seiner Gruppe, die sich bereits nützlich gemacht und ein kleines Lager aufgestellt haben. Die Stimmung war ausgelassen, auch seine Männer freuten sich auf ein gemütliches Bett, einen anständigen Wein und hübschen Frauen, die Händler sowieso auf ein gutes Geschäft, und sogar die Sklaven rissen einige Scherze, und das obwohl ihre relative Freiheit der letzten Wochen und Monate ab dem morgigen Tag beschnitten werden würde. Doch das war einerlei, der letzte Weinschlauch wurde gezückt und machte die Runde, es war klar, daß keiner von Surenas Leuten in dieser Nacht viel schlafen würde.


    Als Surenas aufwachte, hatte er einen pelzigen Geschmack im Mund. Müde blinzelte er und grummelte leise über die Sonne, welche es wagte, ihn zu stören. Er setzte sich auf, gähnte herzhaft und weil ihm gerade danach war, trat er einen seiner noch schlafenden Kumpanen, der im nächsten Moment aufschrak und dementsprechend verwirrt aussah. Surenas lachte, stand aber bald danach auf und klopfte sich den Staub von seinen Beinkleidern.