Beiträge von Tiberius Redivivus Iuvenalis

    Ich spürte ihren warmen Atem auf meiner Brust und wollte einfach nur für sie da sein. Scheinbar litt sie doch noch sehr unter dem Verlust ihres Mannes und wollte diese Nähe. Was sollte ich nur sagen? Wenn ich schwieg, würde sie vielleicht denken, dass es mir egal war. Und wenn ich zuviel dahinplapperte, würde sie mich für gefühlskalt halten. Durchatmend spürte ich ihre Haare an meinen Lippen und die sachte Brise, die hindurch floss.


    "Er wacht über dich. Und er hätte es wahrscheinlich nicht gern gesehen, wenn du noch so traurig bist. Du musst nach vorn blicken und seine Erinnerung warm und herzlich behalten, aber dich nicht daran festklammern."


    Ich hoffte, dass das nicht zu altklug klang, doch im Moment schien mir dies am passendsten zu sein.

    Ich blickte sie weiterhin durchdringend an und blickte etwas misstrauisch. Als sie das Geheimnis um ihr Unwohlsein lüftete, kam Mitleid in mir auf. Ein geliebter Mensch ihrerseits war gestorben und nichts würde ihn wieder zurückholen. Sicherlich hatte sie es verkraftet, doch diesmal war es an mir, sie zu trösten.
    Langsam und zärtlich zog ich sie an den Händen zu mir und umschloss sie sanft mit den Armen.


    "Genauso wie du für mich da bist, werde ich auch für dich da sein."


    Dieses Leid wurde gleich etwas erträglicher, weil man wusste, dass der Gegenüber bereit war, dem anderen zu helfen und beizustehen. Lächelnd strich ich ihr über den Rücken und fühlte mich gut dabei, endlich wieder mit einem Menschen zu reden, der auf meiner Wellenlänge lag.

    Ich sah ihr genau bei ihren Worten zu und versuchte mir vorzustellen, was damals mit ihr vorgegangen war. Ich hatte nie darüber nachgedacht, mich mit Familienmitgliedern einzulassen, auch wenn die eine oder andere Gelegenheit sicherlich vorhanden gewesen war. Doch diese Grenze wollte ich nicht überschreiten.
    So sah ich sie weiterhin nur verschmitzt an und stirch über ihre Hände. Doch plötzlich schlich sich ein Schatten in ihr Gesicht und ich sah sie besorgt an. Ich hielt sie an und blickte ihr von unten ins Gesicht.


    "Alles in Ordnung mit dir?"


    Was war nur los mit ihr? Irgend etwas bereitete ihr scheinbar Sorgen. Und ich konnte es nur mit dem vorher Gesagten in Verbindung setzen. Hatte einer ihrer damaligen Partner ihr das Herz gebrochen?

    Ich sah sie genau an und lächelte verstehend. Das musste sicher auch für sie ein wunderbares Erlebnis gewesen sein. Ich hörte ihr genau zu und bald war ich verwirrt durch die Familienverhältnisse, in denen sie gelebt hatte. Scheinbar waren sie und ihr erster Freund damals verwandt gewesen. Aber das störte mich wenig, denn scheinbar war das kein Hindernis gewesen.


    "Wie heißt er denn?", fragte ich neugierig und sah sie verschmitzt an.

    Ich dachte schweigend zurück an meinen ersten Kuss. Sie war ein schüchternes Mädchen mit haselnussbraunen Augen gewesen. Ihr schwarzes Haar floss in langen Strähnen über ihre Schultern und schon damals war sie eine wahre Schönheit gewesen. In einer lauschigen Sommernacht hatte es sich einfach ergeben, aber ich hatte sie seit diesem Sommer damals nie wieder gesehen.


    "Ich war fünfzehn. Eine schöne Erinnerung..."


    Ich sah sie verlegen an und sah in ihren Augen, dass auch sie darüber nachdachte. Wie war es wohl bei ihr gewesen. Neugierig legte ich den Kopf schräg und fragte dann frei heraus.


    "Und bei dir?"

    Ich wurde zum Stadtpark geführt und ließ das Rauschen der Blätter und den sachten Wind auf mich wirken. Ich sah Helena neben mir still lächelnd an und konnte mich nicht des Eindrucks erwehren, dass sie mich mochte, obwohl wir uns erst seit kurzem kannten.


    "In meiner Kindheit, aber nur sehr selten... es tut gut, wieder hier zu sein!"

    Ich sah sie genau an und wägte im Geiste ab, was ich machen wollte. Ich fühlte, wie mir die Atmosphäre hier zu erdrückend wurde. Ich stand auf und zog sie mit hinauf.


    "Lass uns etwas spazierengehen. In Ordnung? Für das Cubiculum kann später Sorge getragen werden."

    Ich spürte ihre Nähe und drückte sie näher an mich. Es beruhigte mich etwas und ihre Stimme tat ihr Übriges.


    "Mein Herz verkrampft sich bei der Vorstellung, dass er jetzt irgendwo in Germanien orientierungslos umherirrt oder sogar von germanischen Banditen gefangengenommen wurde."


    Wenn das der Fall war, gab es wohl keine Chance mehr für ihn.

    Vor meinen Augen drehte sich alles und ein Schleier bildete sich davor. Nur entfernt spürte ich Helenas Hand und sah sie ausdruckslos an.


    "Das ist..."


    Mehr brachte ich nicht heraus, sondern umarmte Helena fest. Plötzlich war da einfach nur das Bedürfnis, jemanden zu haben, dem ich sagen konnte, wie ich fühlte.

    Immernoch angespannt und misstrauisch hörte ich ihr zu und wäre fast von der Kline gefallen. Ungläubig starrte ich sie an und konnte vorerst kein Wort hervorbringen. Ich versuchte mich zu fangen und rückte näher.


    "Helena... Malignus verschollen... Ich kann das nicht glauben!", sagte ich leise, vielleicht zu leise.

    Ich grinste und nickte gelassen. Diese kleine Geschichte war sehr anregend gewesen und ich schweifte noch etwas in den Nachwirkungen.


    "Meine Brüder sind Malignus und Hadrianus. Das macht mich doch zu deinem Cousin, nicht wahr?", fragte ich sie stirnrunzelnd.

    Genau beobachtete ich beim Reden jede ihrer Gefühlsregungen und schmunzelte verschmitzt. Sie schien in Gedanken versunken und ich hatte Erfolg mit meinem kleinen Vortrag. Vor meinem geistigen Auge wandelten wir beide durch die Straßen und genossen zusammen die Wunder dieser Stadt.


    "Ich bin mir sicher, dass die Intensität noch verdoppelt wird, wenn du die Bilder selbst hautnah siehst und auch greifen kannst."

    Während sie redete, erinnerte ich mich an Ägypten und versuchte mir etwas Gutes zurechtzulegen. Wahrscheinlich hätte ich sie mit stundenlangen Ausführungen nur gelangweilt. Daher war es wichtig, das Ganze mit der richtigen Würze rüberzubringen.


    "Alexandria ist eine wunderschöne Stadt. Schließ die Augen..."


    Ich wartete etwas, bis sie die Augen geschlossen hatte und malte dann etwas in meinem Geiste.


    "Stell dir vor, wie du auf einem Deck stehst und sich vor dir das Nildelta erstreckt. Das blaue Meer brandet schäumend gegen die Hafenkais und du siehst weit über dir den riesigen Pharos dieser Stadt. Wie ein Wächter beschätzt er die Meerenge. Du schaust weiter und am Hafen siehst du das bunte Treiben der Händler. Das Schiff legt an und du steigst schwankend von Bord. Auf der Hauptstraße angekommen zeigen sich drei Seitenstraßen. Welche sollst du nehmen? Dir ist es egal, denn diese Stadt hat soviele Wunder zu bieten, dass es dir den Atem verschlägt. Staunend wandelst du an Marktständen mit orientalischen Waren vorbei, siehst exotische Tänzerinnen und Schwertkämpfer, die auf dem Marktplatz ihre Kunst darbieten.


    Das ist Alexandria und ich war gebannt.

    Achaia. Lächelnd erinnerte ich mich an das Erste, was man schon von weitem gesehen hatte. Es war eine strahlend weiße Küste mit Olivenbäumen weit dahinter. Das ganze Land hatte sich mir in seiner ganzen Schönheit präsentiert. Die Nächte waren geschwängert gewesen mit Lust, Begierde und wunderbarem Wein. Doch das würde ich wahrscheinlich niemals Helena erzählen. Grinsend, als ich an diese Episode meines Lebens dachte, schaute ich sie an.


    "Warst du schon einmal in Alexandria?", fragte ich sie verträumt.

    Ich betrachtete sie genau und versuchte ein Gefühl für mein Gegenüber zu entwickeln. Was dachte sie gerade wohl? Schmunzelnd nahm ich jedes ihrer Worte in mich auf und erinnerte mich zurück an die Erlebnisse auf See.


    "Diese Unklarheit wird verschwinden. Ich bin zwei Jahre zur See gefahren und habe dabei die vielen Küsten des Mare Nostrum gesehen. Es war wunderschön an diesen fernen Orten, besonders Griechenland faszinierte mich.


    Und nun bin ich hierher zurückgekehrt, um wieder in den Schoß meiner Familie zu kommen. Aber sag... dich habe ich hier zuvor noch nie gesehen. Du heißt Helena... ein schöner Name. Warst du schon immer Rediviva und ich wusste nichts von dir?", neckte ich sie.

    Gelassen ließ ich mich ins Atrium führen und setzte mich. Noch etwas unsicher sah ich sie an und merkte, dass sie wohl noch etwas unschlüssig war, was sie mit mir anfangen sollte. Grinsend überlegte ich, was ich sagen sollte, und sagte dann einfach das, was mir zuerst in den Sinn kam.


    "Ja, mich ebenfalls, Helena. Sicher fragst du dich, was ich hier mache!"

    Ich wartete geduldig ab, bis sich die Tür etwas öffnete. Im Türrahmen erschien eine wunderschöne Frau, die mir sonderbar bekannt vorkam. Hatte ich sie nicht schon vorher gesehen? Stirnrunzelnd grinste ich nur.


    "Tiberius Redivivus Iuvenalis ist mein Name."