Während ich nun die Szenerie auf mich wirken ließ und hier und dorthin (natürlich, ohne den Kopf zu bewegen) einen Blick warf, hatte ich das deutliche Gefühl, in jemandes Schatten zu stehen - wie weiland mein Namensvetter von Sinope. Nicht, daß mir wer wer in der Sonne gestanden hätte, in der Weststoa scheint um diese Tageszeit keine Sonne mehr hinein, nein, es hat sich jemand hinter mich gestellt ... Und jetzt? Gerade wollte ich eine höflich-unverbindliche Bemerkung über die Athleten machen, die sich da herumwälzten, als eben jener über meine Schulter hinweg sagt: "Die Ringkämpfer sind auch nicht mehr das, was sie mal waren, oder?"
Aber das wollte doch ich ... ??? Nun, habe gleich meine Seelenruhe wieder gefunden und flux antworte ich:
Hoffentlich waren die jemals etwas ... aber im Grunde bin ich kein Anhänger der "Früher-war-alles-besser-Theorie" - schließlich heißt Leben Lernen, also besser werden. Würde alles notwendig schlechter, könnten wir nichts dazulernen und wir und die Welt gingen den sprichwörtlichen Bach usw. usf. Und so schlecht sind sie auch nicht, selbst wenn sie inzwischen wie in Mandelstaub gewälzte Mäuseblasen aussehen ...
Im übrigen: ich bin Diogenes aus Oinoanda, keine Angst, nicht zu wissen, wo das liegt, ist keine Bildungslücke, sonst wären alle Menschen bis auf die aus Oinoanda ungebildet - und das anzunehmen wäre vermessen.
Oinoanda liegt in Lycia et Pamphylia, einige hundert Stadien landeinwärts. Landschaftlich sehr reizvoll dort, eine Chiffre für völlige Langeweile, Stumpfsinn und Weltverneinung. Eigentlich passend für einen Epikureer, nicht? Ich bin einer, aber irgendwie ist Oinoanda mir dann doch zu epikureisch. Alexandria bietet mehr Reize, denen zu widerstehen des Epikureers vorzüglichste Pflicht ist ...