Mit einem Nicken bedankte sich Nedjem bei der Stadtwache und war froh darüber, dieses kurze Verhör so schnell und problemlos hinter sich gebracht zu haben. Natürlich folgte er auch kurz dem Blick der Wache zu seinen Kollegen, die im Gegensatz zu ihrem übereifrigen Kameraden, äußerst wenig Interesse an den Passanten und an Nedjem zeigten. Er verkniff sich jedoch jedes weitere Kommentars und sah zu, dass er so schnell wie möglich weiter kam, ehe es sich die Wache vielleicht anders überlegen konnte. Kurz wandte er sich noch einmal zur Karawane um und winkte einigen der Händler ein letztes Mal zu, bevor er hinter dem Stadttor Alexandrias verschwand.
Beiträge von Nedjem
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Es wäre ja zu schön gewesen um wahr zu sein, wenn es die Stadtwache einfach dabei belassen und ihn durchgelassen hätte. Langsam aber sicher kam er sich eher wie ein Verbrecher als ein Besucher vor. Aber dennoch versuchte er möglichst ruhig die geforderten Antworten zu geben. Schließlich wollte er bei seinem ersten Besuch in Alexandria nicht gleich vor den Toren der Stadt unangenehm auffallen.
"Ich komme vom Landsitz meiner Familie. Er liegt ziemlich Stück westlich von Oxyrhynchus, bin aber hier in Alexandria geboren und auch einige Jahre lang aufgewachsen. Und nein – ich möchte nichts verkaufen. Ob ich mich jedoch vielleicht entschließe hier zu bleiben und mir Arbeit zu suchen, kann ich dir noch nicht verraten."
Und so war es auch. Natürlich hatte er während seiner mehrtägigen Anreise den einen oder anderen Gedanken daran verschwendet, sich in Alexandria nieder zu lassen, oder gar in die Dienste eines reichen oder gar einflussreichen Römers zu treten. Letzteres würde ihm vielleicht tatsächlich ermöglichen, mehr von der Welt zu sehen, als er sich bisher auch nur annähernd in seinen Träumen ausgemalt hatte. Freundliche lächelte er die Wache an und hoffte, das er dieses Verhör damit nun überstanden hatte.
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Das war nun wirklich eine gute und überlegenswerte Frage. Wusste Nedjem denn selbst so genau, was er hier wollte und warum er nach Alexandria gekommen war? War es einfach nur der Wunsch auf Abenteuer, die Neugierde eines jungen Mannes, der die Welt sehen wollte, oder etwa doch nur die Flucht aus einer Kleinstadtidylle, die wohl mitunter das schrecklichste für einen aufgeweckten jungen Mann seines Alters war, der voller Tatendrang und Lebenslust war. Vielleicht hatte es aber auch mit der Suche nach seiner Vergangenheit zu tun. Er war als Halbweise aufgewachsen und wusste von seinem Vater nicht wirklich viel. Dunkle und schemenhafte Erinnerungen aus seiner frühesten Kindheit waren alles, was ihm geblieben war. Nedjems Mutter hatte nie über seinen Vater gesprochen und auch alle anderen Verwandten und Bekannten angewiesen, ihrem Jungen nichts zu erzählen – als ob es den Vater nie gegeben hätte. Nedjem wusste den Grund bis heute nicht, aber er wusste, dass seine Familie früher selbst in Alexandria gelebt hatte.
Freundlich aber etwas verwundert darüber, warum man gerade ihn aus der Menge herausgepickt hatte, sah er die Stadtwache an. Vielleicht lag es ja an seiner Kleidung, an der man noch deutlich die Spuren seiner langen Reise sehen konnte. Schnell legte er sein Bündel aus der Hand und klopfte sich ab, während er der Wache Rede und Antwort stand.
"Ich heiße Nedjem und bin hier um die Stadt zu besichtigen."
Die Antwort war zwar kurz, aber er wollte es einmal dabei belassen. Vielleicht reichte sie den Männern der Stadtwache aus, um ohne weiteres Aufsehen weiter zu kommen. Was hätte er denn auch anders antworten sollen? Durch das ausklopfen seiner Kleider wirbelte er eine Staubwolke um sich auf, die sich in alle Richtungen zog und den einen oder anderen Passanten einen weiten Bogen um ihn machen ließ. Nedjem bemerkte dies nicht einmal und sah nur freundlich lächelnd auf, als er damit fertig war. Mit der letzten Bewegung hob er sein Bündel wieder auf und wartete darauf, durch das Tor gelassen zu werden.
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Nach und nach kamen die Reittiere etwas abseits der Stadtmauer zum Stillstand und ließen sich auf einem freien Feld zwischen dem Stadttor und dem Portos Eunostos erschöpft nieder. Nedjem musste sich mit aller Kraft an den Laschen seines Sitzes festhalten, als sein Kamel zuerst die Vorderbeine und gleich darauf die Hinterbeinen einknickte und sich ruckartig auf seinem Bauch niederließ. Auch er merkte nun deutlich, wie erschöpft er von dieser mehrtägigen Reise war, drehte sich langsam zur Seite und ließ sich dann mit den Füßen voran auf den Boden gleiten. Im ersten Moment spürte er immer noch die gleichmäßigen Vorwertsbewegungen seines Reittiers und hatte das Gefühl, immer noch auf ihm zu sitzen. Doch versuchte er es zu ignorieren und streckte stattdessen genussvoll seine müden Glieder von sich. Gleichzeitig griff er nach seiner Wasserflasche, die mit einem alten Lederriemen an seinem Gürtel befestigt war. Nedjem hatte sich seinen Wasservorrat gut eingeteilt und noch genügend Reserven, um zuerst mit ein paar kräftigen Zügen seinen Durst zu stillen und den Rest langsam über seinen Kopf und sein Genick fließen zu lassen. Es war zwar nicht mehr besonders kühl, hatte aber immer noch eine wohltuende und erfrischende Wirkung auf den jungen Mann. Als er sich wieder halbwegs fitt fühlte, packte er seine wenigen Habseligkeiten zusammen und ging zum Anführer der Karawane. Ein paar verabschiedende Worte, ein paar dankende Gesten und einige gute Wünsche für die Zukunft folgten und schließlich war Nedjem auf dem Weg zum Mondtor, das ihn nun direkt in die Hauptstadt führen sollte.
Beeindruckt ließ er seinen Blick über die Porta Lunae hin zur Stadtmauer schweifen, die auf der linken Seite direkt in einen der Häfen mündete. Vor dem Tor selbst, standen einige Stadtwachen, die den Passanten nur mäßig Aufmerksamkeit schenkten. Langsam ging Nedjem weiter und passierte schließlich das Stadttor, abwartend, ob eine der Wachen ihn ansprach, oder ob man auch ihn unbehelligt passieren ließ.
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Die Reise war lang und beschwerlich gewesen und Nedjem war froh, als einer der Kamelführer mit seiner Gerte auf die am Horizont aufblitzenden Umrisse einer Stadt zeigte und dem jungen Mann aufmunternd zunickte. Das musste sie endlich sein! Es würde nun bestimmt nicht mehr lange dauern und er war endlich an seinem Ziel angelangt - Alexandria. Er sah sich seit langem wieder das erste Mal aufmerksam in seiner ummittelbaren Umgebung um und merkte, dass sie die Einöde der Wüste schon vor einiger Zeit hinter sich gelassen haben mussten und sich auch die Vegetation und die Landschaft bereits deutlich geändert hatten. Auch dies war ein sicheres Zeichen dafür, dass sie dem Meer immer näher kamen.
Es war wirklich ein unglaubliches Glück gewesen, dass ausgerechnet diese Händlerkarawane vor mehreren Tagen durch seine Stadt gezogen war und Nedjem bei ihnen Platz gefunden hatte, um nach Alexandria mitzureisen. Wie manche andere junge Männer zuvor, hatte auch er einen Punkt und ein Alter erreicht, wo er das langweilige und eintönige Leben in seiner Heimatstadt satt hatte und mehr von der Welt sehen und wissen wollte. Seine Familie hatte diesen kurzfristigen Entschluss zwar nicht mit besonders viel Begeisterung aufgenommen, aber sie hatten letztendlich Verständnis für die Wünsche Nedjems gezeigt und ließen ihn gehen. Er hatte zwar keinen Vater mehr, aber seine Mutter große Sorge über die Zukunftspläne ihres Sohnes gezeigt, was wohl darauf zurückzuführen war, dass Nedjem nur zum Teil Ägypter war und man dies aufgrund seiner helleren Haut auch deutlich erkennen konnte. Bisher war es wirklich ein Nachteil gewesen, der sich vor allem durch die Ablehnung der meisten Einheimischen zeigte und Fremde, vor allem in den ländlichen Gegenden, in denen Nedjem aufgewachsen war, ohnehin nicht unbedingt willkommen waren. Er selbst sah diesen Umstand jedoch nun eher als Vorteil, da er in Alexandria vermutlich eher für einen Römer, als einen Ägypter gehalten wurde.
Anscheinend merkten auch die Reittiere, dass sie nur noch kurz vor der verdienten Pause standen und legten den restlichen Weg in einem ziemlich beachtlichen Tempo zurück, sodass die Karawane auch schon bald das im Westen der Stadt gelegene Stadttor erreichte.
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