Zärtlich streicht der Wind über das blaue Wasser hinweg. Schilf wogt und tanzt munter mit den Wellen. Seevögel schnattern. Zwitschern. Fliegen auf. Suchen sich ihr Versteck zwischen dem hohen Ried. Ein Fischerboot treibt langsam über das Wasser. Der ägyptische Fischer zieht das Hanfnetz träge hinter sich her. Kaut dabei auf einer berauschenden Mischung von Kräutern herum. In der Ferne streift sein Blick die Insel. Ein prachtvolles Anwesen erhebt sich im Herzen dieser Insel. Luxuriös. Weitläufig. Splendid.
Eine Laube. Weinreben ranken sich hoch. Blaue Trauben hängen prall im Lichte der Sonne. Die golden roten Blätter rauschen im Wind. Unter der Laube steht ein nackter Jüngling. In Stein gefasst. Sein verklärter Blick ist auf die See gerichtet.
"Nero selber hat die Statue in Auftrag gegeben. Es heißt. Er hat ganze Abende in dieser Laube verbracht."
Sabef tritt unter den Trauben an den Rand. Deutet auf den See.
"Seine schönsten Gedichte sind hier verfasst worden."-
"Wo genau hat er gesessen?"-
Sabef wendet sich zu dem dicken Mann um. Seine mit Kohle um malten Augen unterdrücken die Verachtung, die er für den Mann und seine junge Frau verspürt.
Huldvoll deutet Sabef auf die leuchtend bemalte Marmorbank.
"Dort. Es heißt, zahlreiche Senatoren haben hier ihr Ende gefunden. Durch seine Hand. Durch sein Urteil. Seinen göttlichen Willen."
Die junge Frau an der Seite des Händlers erschaudert. Anhimmelnd ist ihr Blick. Schmachtend auf den schönen Sklaven gerichtet.
"Und wo? Wo hat er geschlafen?"
Ein schwaches Seufzen ist die Frage der Frau. Immer die gleichen Fragen. Gelangweilt verzieht Sabef das Gesicht. Mit seiner gepflegten Hand wedelt er zu der weitläufigen Villa.
"Natürlich dort herinnen."
Er zeigt den Kunden stets das Schlafgemach des Cethegus. Gibt es als das von Nero aus. Dabei weiß es Sabef nicht. Ob der Kaiser jemals die Villa auf der Insel beehrte. Es ist Sabef kongruent. Hauptsache, die Maulaffen zahlen.
Schritte nähern sich. Zwei muskulöse Männer. Dazwischen ein Mann mit Glatze und tätowiertem Gesicht.
"Das ist er."
Der eine Muskelprotz deutet auf Sabef. Die Frau kreischt auf. Als der Grobian sie ungehobelt zur Seite stößt.
"He."
Der Ehemann protestiert schwach. Verstummt im Angesicht eines langen Messers vor seinem Gesicht.
Ehe es sich Sabef versieht, hat ihn der mit den sonderbaren Zeichen im Gesicht gepackt. Grob drückt er ihn gegen die Laube.
"Wer bist Du? Ein Claudius?"
Sabef reißt erschrocken die Augen auf. Das Herz rutscht ihm tief. Bis unter den Ansatz seines ägyptischen Rocks.
"Ich?"
Seine Arroganz fliegt davon.
"Nein."
Grimmig mustern ihn braun graue Augen.
"So? Und was tust Du hier?"
Sabef ist kein Dummkopf. Aber die Männer schüchtern ihn ordentlich ein.
"Ich bewache die Villa. Für meine Herrin."
Bemüht devot. Bemüht treudoof. So wirkt Sabef.
"Ach? Und was ist mit den Festen? Den Orgien? Die seit Neuem hier jeden Abend gefeiert werden? Wo ist das kleine Miststück? Diese Callista? Und ihr Bruder?"
Eine Ahnung keimt in Sabef.
"Weg. Hinfort. Sie ist nach Rom zurück gekehrt. Zu ihrer Familie."
Sabef sieht keinen Grund loyal zu sein. Er hasst seine Herrin. Verachtet sie. Besonders seitdem sie ihn fallen gelassen hat. Seitdem er sie langweilt. Sogar seine Stimme wollte sie ihm rauben. Die Götter haben ihn vor diesem Schicksal bewahrt.
"Und die Orgien?"
In arge Erklärungsnot kommt Sabef. Er entscheidet sich für die Wahrheit. Erneut.
"Damit verdiene ich Geld. Alle anderen Sklaven sind weg gelaufen. Und der Herr. Cethegus ist verschollen. Tot."
Jählings wird Sabef fallen gelassen. Ein dunkles Lachen. Ein kaltes Stück Metall. Was an seiner Wange entlang fährt. Es entfleucht. Elend sitzt Sabef auf dem Steinboden. Zaghaft sieht er auf. Der Tätoowierte setzt sich auf die Bank. Verschränkt die Arme vor der Brust. Das drohende Messer in seiner Rechten.
"Amüsant. Ist die Katze aus dem Haus. So tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Wie viel verdienst Du mit den Feiern?"
Sabef leckt sich nervös über die Lippen. Sein Leben ist ihm lieb. Er zaudert nicht lange.
"Abzüglich der Ausgaben. Um die dreihundert Sesterzen die Nacht. Manchmal auch mehr."
Beifällig pfeift der Tätoowierte durch die Zähne.
"Nicht schlecht. Gar nicht mal übel."
Mit der Spitze des Messers reinigt sich der Tätoowierte die Fingernägel. Er denkt nach.
"Gut. Das darfst Du weiter machen, Servus. Achtzig Prozent der Einnahmen gehen an mich. Verstanden?"
Empört blitzen die Augen des schönen Sklaven auf. Doch ehe er protestieren kann, verzieht sich das Gesicht des Geldeintreibers.
"Nein. Du hast keine Wahl. Frage erst nicht danach. Sonst zerschneide ich Dir Dein hübsches Gesicht, Junge. Und überlasse Dich meinen Männern. Verstanden?"
Sabef schluckt. Die Drohung ist eindringlich. Sabef hängt zu sehr an seinem Leben. Er nickt.
"Hervorragend. Das Geld geht an Iufankh. Ich schicke jede Woche einen meiner Männer hier her."
Iufankh erhebt sich. Steckt das Messer demonstrativ hinfort.
"Denke nicht daran. Weg zu laufen, Kleiner."
Mit einem Wink. Die beiden Handlanger folgen Iufankh. Zurück bleibt ein erstarrter Sabef.