Diesmal konnte Casca ein leichtes Zusammenzucken nicht unterdrücken, als er davon sprach, dass sie sich in den Schlaf weinte. Jede Nacht war übertrieben, aber das war ihm ebenso klar wie ihr. Es ging auch gar nicht darum, wie oft sie tatsächlich weinte des Nachts. Oder wie oft sie schlicht wach lag, mit trockenen Augen, aber einsamem Herzen. Es ging darum, dass er überhaupt darum wusste. Sie schloss für einen Augenblick die Augen. "Du gehst, Marcus." Ihre Lider hoben sich wieder. "Denk nicht an mich. Denk an deinen Wunsch, den du dir erfüllst. Da sollten dir nicht Gedanken um deine Mutter im Weg sein." Sie versuchte zu lächeln, konnte dadurch aber nicht kaschieren, dass sie ihm nicht widersprochen hatte. Dass sie wie zuvor nicht abgestritten hatte, dass sie nicht wirklich glücklich war, nicht auf die Art, die sie nachts ruhig schlafen ließ. Wieder sah sie aus dem Fenster, und als ihr Blick diesmal zurück zu ihrem Sohn glitt, enthielt er eine leise Verblüffung. "Eines Senators oder Patriziers?" Dass er das für möglich hielt, ließ vorübergehend sogar die leichte Verlegenheit darüber verschwinden, dass sie mit ihm überhaupt über dieses Thema sprach. Sie wollte noch etwas sagen, aber seine weiteren Worte erstickten das. Sie wusste, wen er meinte. Und wieder empfand sie eine vage Trauer, diesmal darüber, dass Marcus offenbar tatsächlich der Meinung war, dass sie ihr Leben vergeudete. War es denn Vergeudung, seine Ehe nicht aufgeben zu wollen? Sie sagte es nicht laut, wusste sie doch, dass es ihm gar nicht darum ging, die Ehe gänzlich aufzugeben – obwohl zumindest er wohl kaum etwas dagegen gehabt hätte. Dennoch ließen sie seine Worte grübeln, darüber, ob sie ihr Leben wirklich vergeudete, wie Marcus meinte. War es denn richtig, eine Ehe so zu führen, wie sie es tat? "An deinen Vater", vollendete sie schließlich seinen Satz, als er es nicht tat. Aber was sie sonst noch dazu sagen sollte, könnte, wollte ihr nicht einfallen.
Vielleicht hatte er ja tatsächlich Recht. Vielleicht sollte sie etwas tun – nicht unbedingt sich einen Liebhaber nehmen, obwohl auch dieser Gedanke, einmal tatsächlich offen ausgesprochen, an Reiz gewann. Aber mehr ausgehen. Menschen kennen lernen. Sich Rom ansehen… Es gab viel, was sie schon lange nicht mehr gesehen hatte, und viel, was sie noch nie gesehen hatte. Sie könnte auch Ausflüge in andere Städte unternehmen. Sie könnte… Ihre Gedanken wurden unterbrochen durch Marcus, der plötzlich wieder das Wort ergriff. Dieses Mal musste sie verlegen schmunzeln, als sie seine Vorschläge hörte. "Und du meinst, das funktioniert? Etwas fallen lassen auf dem Markt? Oder in den Thermen… Ich glaube, danach würde ich erst mal kein vernünftiges Wort mehr hervorbringen. Nicht geeignet um jemanden zu beeindrucken." Dann wurde sie wieder etwas ernster. "Marcus… Ich weiß, was du meinst. Und es freut mich, dass du denkst…" Was? Ein Senator könnte sie als Geliebte wollen? "… dass ich so viele Möglichkeiten habe. Ich werde die Augen danach offen halten." War es die Lüge einer Mutter, die ihren Sohn beruhigen wollte? Oder meinte sie es tatsächlich ernst? Casca wusste es selbst nicht so genau zu sagen.