Beiträge von Flavia Agrippina

    Agrippina begutachtete gerade den Zustand der Rosen, der annehmbar zu sein schien. In ihren Augen jedenfalls, aber zumindest in dieser Hinsicht, was diese Pflanzen betraf, mochte sie sich dann doch nicht anmaßen, Felix’ Urteilsgabe zu besitzen. Andererseits hatte sie nie verstanden, warum dieser Mann eine derartige Passion für Rosen entwickelt hatte. Der Garten würde im Sommer ein einziges weiß-, rosé- und rotfarbenes Blütenmeer sein, befürchtete sie. Für das Auge sicherlich angenehm, wer diesbezüglich Geschmack entwickelt hatte, sie selbst allerdings bevorzugte etwas mehr Abwechslung. Darüber hinaus war sie doch, nun, wenigstens gespannt auf den Geruch, der sich vom Garten ausgehend ausbreiten würde. Sie hoffte, nein, erwartete im Grunde, dass bei Anschaffung der Rosensträucher darauf geachtet worden war, solche auszuwählen, die nicht allzu stark dufteten. Ansonsten würde sie eine Auswahl treffen müssen, zu Felix’ Missfallen, wie sie wohl wusste, aber darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Gelinde erstaunt war sie allerdings, als sich der Geräuschpegel im Garten, der bis zu jenem Zeitpunkt lediglich von Vögeln und kaum hörbaren Lauten aus der Villa bestanden hatte, doch merklich anhob. Eine Gruppe von Menschen war dafür verantwortlich, die sich ihren Weg durch den Garten suchten und langsam, aber sicher auf sie zukamen, einige Sklaven waren es, die eine Dame umringten, wie Agrippina erkennen konnte, als sie sich näherten. Natürlich wusste sie, wer die Dame war. Sie hatte sich erkundigt, wer zur Zeit Wohnrecht in der Villa in Rom in Anspruch nahm. Dies war Flavia Celerina, Urenkelin des Flavius Atticus, der ein Bruder ihres verstorbenen Mannes gewesen war. Sie wusste auch um die etwas seltsamen Wendungen, die das Leben der jungen Frau genommen hatte, auch wenn sie nicht nachvollziehen konnte, wie ein Flavier sein Kind fortgeben konnte, auch wenn es eine Tochter war, kein Sohn. Immerhin, von dem, was sie bisher in Erfahrung hatte bringen können, war sich Celerina trotz ihrer Kindheit in einer anderen Familie ihres Standes durchaus bewusst, nicht nur als Patrizierin, sondern auch was es hieß, eine Flavierin zu sein.


    Ein durchaus freundlich zu nennendes Lächeln bog ihre Mundwinkel nach oben, jenes Lächeln, das für Familienmitglieder reserviert war, die sie nicht allzu gut kannte, die aber auch nichts falsch gemacht hatten in ihren Augen. Noch, hieß das, und das galt für beides, sowohl die Bekanntschaft als auch mögliche Fehltritte. "Celerina. Möglichkeiten gibt es viele, möchte ich meinen. Auch dir einen guten Morgen." Sie wartete, bis die jüngere Frau, einschließlich ihres Gefolges, welches Agrippina selbstverständlich ignorierte, zu ihr aufgeschlossen hatte. "Oh, ich genieße es, von Zeit zu Zeit ein wenig durch das Grüne zu streifen. Zu dieser frühen Stunde ist die Wahrscheinlichkeit doch recht hoch, weitestgehend ungestört zu sein." Das Lächeln implizierte deutlich, dass mit dieser Bemerkung nicht etwa das jetzige Zusammentreffen mit Celerina gemeint war. "Zudem ist die Morgenluft doch die angenehmste. Gerade in Rom trifft das zu, wie mir scheint." In diesem Augenblick ertönte ein Schrei, und irgendetwas, nein, irgendjemand polterte durch den Garten und landete in einem Busch. Genauer, vor den Füßen eines Sklavenjungen, der mit ihr zusammen und auf ihr Geheiß hin aus Baiae mit hierher gekommen war. Agrippinas linke Augenbraue wanderte langsam nach oben, als sie des fremdländischen Aufzuges gewahr wurde, der besagten Jemand, nein Etwas, eindeutig als Sklaven offenbarte. "Die Rosen mögen unter Felix’ Abwesenheit nicht leiden, die Sitten tun es offenbar." Vorerst noch beinahe interessiert betrachtete sie die kleine Szene, die sich vor ihren Füßen zwischen dem fremden Sklaven und dem ihren abspielte. Die Katze, die Reißaus genommen hatte, war ihr hingegen keine Aufmerksamkeit wert gewesen. "Oder wurde die Dauer der Saturnalien dieses Jahr etwa verlängert?"

    Ein Frühlingshauch schwebte durch den flavischen Garten. Braunes Geäst war überzogen mit dem ersten, grünlich schimmernden Flaum, Blüten hatten sich geöffnet über dem Erdboden. Der Winter schien Reißaus genommen zu haben. Und mit dem Winter war die Zeit der Ruhe vorbei, die Agrippina sich gegönnt hatte. Seit ihrer Ankunft waren nun mehrere Wochen vergangen, Tage, die sie genutzt hatte zu ruhen, sich einzuleben, sich einzugewöhnen. Als sie beschlossen hatte, zum ersten Mal seit langem wieder einmal nach Rom zu reisen und die Villa Flavia zu besuchen, hatte sie die Entscheidung über die Dauer ihres Aufenthalts vertagt. In weiser Voraussicht, denn, wie ihr bereits in jenem Moment sonnenklar war, sie konnte kaum in Baiae beurteilen, wie lange ihre Anwesenheit in Rom vonnöten war. Dass sie gebraucht werden würde, war ihr ebenso sonnenklar, jedoch gab es hiervon verschiedene Abstufungen. Nun, inzwischen in der Villa heimisch geworden, wusste sie, dass ihre Anwesenheit in der Tat für einen längeren Zeitraum nötig war. Vielleicht lag es daran, dass Felix nun schon so lange fern von Rom in seiner Villa verweilte, und dass ihr eigener Sohn während des Feldzuges ebenfalls lange nicht hier gewesen war. Sie fand jedenfalls, es könne allen hier nur gut tun, wenn sie blieb. Momente der Muße hatte sie in Baiae genug gehabt, nun war es so weit, etwas zu tun, für die Familie, namentlich für ihren Sohn und ihren Enkel. Wenn sie eines gelernt hatte in ihrem Leben, dann dies: Man musste stets den richtigen Zeitpunkt erkennen für die Dinge, die darauf warteten getan zu werden.


    Und die Villa in Baiae lief ihr nicht davon.


    So kam es, dass Agrippina an diesem Morgen durch den Garten flanierte, aufmerksam ihre Umgebung in sich aufnahm, während sie darüber sinnierte, was für sie anstand in den nächsten Tagen. Die Spiele zu Ehren der Kybele standen in diesen Tagen an, vielleicht war es sinnvoll, sich bei einer der zahlreichen Feiern im Zuge dieser Zeremonien sehen zu lassen. Den Göttern sei Dank gab es nicht nur ein Wagenrennen, sondern auch andere Festivitäten, denen man beiwohnen konnte und die ihrem Geschmack mehr zusagten. Und es konnte nie schaden, sich in der Öffentlichkeit sehen zu lassen. Präsenz zu zeigen. Man konnte nie wissen, welche Kontakte man im Verlauf derartiger öffentlicher Veranstaltungen knüpfen konnte.


    Sim-Off:

    Wer mag?

    Darauf angesprochen, Agrippina hätte vermutlich nicht mehr als einen Blick übrig gehabt für die Person, die es wagte, sie auf die Echtheit ihrer Haarfarbe anzusprechen. Ein Blick jedoch, der vermutlich das Mark in den Knochen hätte gefrieren lassen können. Es gab Dinge, über die sprach man nicht, und zumindest was sie betraf, tat man wohl daran, sich an derlei ungeschriebene Gesetze zu halten. Wer sie kannte, wusste das. Zu seinem Glück sprach der Sklave keine seiner in diese Richtung gehenden Gedanken laut aus, und so mischte sich in den leicht herablassenden Ausdruck ihrer Augen mittlerweile sogar eine Form von fast wissenschaftlichem Interesse. Es war nicht gänzlich ohne eine gewisse Faszination zu beobachten, was der übermäßige Genuss von Alkohol aus einem Sklaven machen konnte. Wäre es ein Römer gewesen, Agrippina hätte sich missbilligend abgewendet, denn von einem Römer hätte sie erwartet, sich trotz Alkoholkonsums zu benehmen zu wissen. Oder auf den Alkohol zu verzichten. Ein Sklave hingegen war etwas anderes.


    Inzwischen bequemte sich der Sklave dazu, sich um die Tür zu kümmern, wobei allerdings genau das geschah, was sie vermutet hatte: sein Zustand behinderte ihn. Es mangelte an Koordination, gar nicht zu reden von Selbstbeherrschung oder gar halbwegs angemessenem Benehmen. Für einen winzigen Moment verzog sie das Gesicht, als der Blonde begann, gegen die Porta zu hämmern und herumzulärmen. Saturnalien hin oder her, ein solches Verhalten konnte nicht toleriert werden, aber noch bevor sie einem der Freien einen Wink geben konnte, sich darum zu kümmern, drehte er sich schon wieder um und sprach sie wieder an. "Flavia Agrippina", antwortete sie, ihre Gesichtszüge nun wieder undeutbar. "Mein Name ist Flavia Agrippina."

    Während Agrippina sich zum ersten Mal zu fragen begann, wo der Freie blieb, der während der Saturnalien die Aufgabe des flavischen Ianitors zu übernehmen hatte, hob ein kaum merkliches Seufzen ihre Brust. Vermutlich war es zu viel erwartet gewesen, von diesem Sklaven eine klare Antwort zu erhalten, nachdem er gerade eben erst nur allzu offensichtlich unter Beweis gestellt hatte, dass er kaum mehr zurechnungsfähig war. Dass er ihr die Hand hinstreckte und dabei frech entgegen grinste, war nur ein weiteres Zeichen hierfür. Agrippina nahm sich für einen winzigen Augenblick die Zeit, abzuwägen, welches Verhalten angemessen war. Für gewöhnlich hätte sie darüber nicht nachdenken müssen, aber in jenem Moment spielten zwei Dinge eine Rolle, die in dieser Form anderweitig nicht gegeben waren, die jedoch hier und jetzt bedacht werden wollten. Zum einen waren Saturnalien, das durfte nicht vergessen werden. Zum anderen war dieser Besuch, nach langen Jahren der Absenz, etwas Besonderes. Nichts, in dem durch das schlechte Betragen eines Sklaven in irgendeiner Form ein Missklang entstehen sollte.


    Sie kam zu dem Schluss, dass eine gewisse Großzügigkeit durchaus angebracht war. Erneut nach dem Namen zu fragen würde wohl kaum ein besser verständliches Ergebnis zeitigen, also unterließ sie dies. Gleiches galt für eine etwaige Frage nach dem Besitzer, darüber hinaus mochte es einigen Sklaven unangebracht erscheinen, ausgerechnet an den Saturnalien in Erinnerung gerufen zu bekommen, dass sie unfrei waren. Aber sie hatte nicht vor, in Bälde wieder abzureisen, also würde es mit dem Wortfetzen und dem Gesicht, dass jeder ihrer Begleiter nur zu gut sah, ein Leichtes sein herauszufinden, wer dieser Sklave war und wem er gehörte. Ihr Kopf bewegte sich um eine Winzigkeit, und einer Freien verstand und trat vor. Er war es, der die Hand des Blonden ergriff und ihn in derselben Bewegung etwas zurückschob, sachte nur, um keine Reaktion zu provozieren. "Ich schlage vor, du gehst deiner Wege", antwortete sie schließlich sogar auf seine Frage, ihr Tonfall durchaus neutral. Nur schwach war eine leicht herablassende Färbung hörbar. "Oder siehst du dich dazu imstande, mich einzulassen? Sofern dies an diesem Tag nicht zu viel verlangt ist. Immerhin sind Saturnalien." Nicht dass Agrippina wirklich damit rechnete, dass der Sklave dies auch tun würde – ob er nun nicht dazu imstande war oder sich weigern würde, weil er es an diesem Tag schlicht konnte, spielte da nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch zog sie es in Anbetracht der Tatsache, dass scheinbar sonst kein Ianitor anwesend war, vor, ihn zu fragen, als einen ihrer Begleiter ohne jede Vorankündigung in die Villa zu schicken, um nach jemandem zu suchen, der sie angemessen empfangen konnte.

    Agrippina sah den Mann an, der so plötzlich auf sie zukam und sie anrempelte. Die Hand, die stützend nach ihr griff, wurde zwar registriert, bekam aber keine weitere Aufmerksamkeit. Stattdessen traf ein halb zweifelnder, halb ungläubiger Blick den Sklaven, denn nur um einen solchen konnte es sich handeln, während dieser es nach dem Rempler auch noch wagte, sie zu berühren. Eine Hand hob sich und wischte die seine weg. Die Bewegung ähnelte verblüffend jener, mit der sie kurz zuvor das imaginäre Staubkorn fortgewischt hatte, immerhin handelte es sich hierbei um nichts anderes als eben das: einen Störfaktor, der beseitigt werden musste.


    Eine Augenbraue wanderte nach oben, und zunehmend mischte sich in den Ausdruck in ihren Augen so etwas wie Aversion, etwa in der Art mit der man ein besonders widerwärtiges Insekt betrachten mochte, als der Blonde sich umdrehte und den Inhalt seines Magens von eben jenem in die Blumenbeete beförderte. Die Saturnalien dauerten sieben Tage. So lange konnte bedauerlicherweise nicht gewartet werden, nur um den Verursacher seine Hinterlassenschaft selbst beseitigen zu lassen. Einmal im Jahr wurde den Sklaven freie Hand gelassen, und jedes Jahr wieder konnte man sich darauf verlassen, dass sie an diesen Tagen zuverlässig bewiesen, warum man im restlichen Jahr gut daran tat, sie mit strenger Hand zu führen. Sklaven waren einfach nicht in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern, und sie konnten von Glück reden, wenn sie Herren hatten, die das für sie übernahmen. Jeder Sklave, auf sich allein gestellt, war verloren, wenn nicht sofort, so doch auf Dauer. So gesehen war es eine Großzügigkeit von ihr, dass sie noch niemals einen der ihren freigelassen hatte. Dass nicht alle Sklaven dies wertzuschätzen wussten, gehörte ebenso zu ihrem Wesen wie ihre Unfähigkeit, selbständig zu sein.


    Agrippina wartete, äußerlich scheinbar geduldig, bis der Sklave fertig war und wenigstens ein Mindestmaß an Selbstbeherrschung wieder gewonnen hatte. "Und du bist…?" Nicht dass der Name dieses im Grunde bedauernswerten, in diesem Moment jedoch abstoßenden Wesens eine Rolle gespielt hätte, aber wenn er nach den Saturnalien angemessen für dies hier gemaßregelt werden sollte, dann war der Name wichtig. Auch wenn sie befürchtete, dass eine verspätete Lektion nicht in vollem Maß ihre Wirkung würde entfalten können. Mit Sklaven verhielt es sich nur minimal anders als mit Tieren. Folgte die Strafe nicht auf dem Fuß, so konnten sie es nur unzureichend mit der fraglichen Tat verbinden. In vorliegenden Fall hätte Agrippina es vorgezogen, das Gesicht dieses Sklaven mitten in seinen, nun auf dem Blumenbeet verteilten, Mageninhalt drücken zu lassen, aber da Saturnalien waren, kam dies nicht in Frage. Genauso wenig kam es jedoch in Frage, diese Aktion ungeahndet zu lassen.

    Man sollte meinen, während der Saturnalien sei ein Durchkommen auf den Straßen Roms nahezu unmöglich. Und doch gab es auch in diesen Tagen immer wieder Momente, in denen es ruhiger wurde, in denen so etwas wie Pausen einkehrten in die Festivitäten, fast als wollten die Feiernden etwas Atem holen, bevor der Trubel mit fortgeschrittener Stunde nur umso ausgelassener wieder einsetzen würde. Einer dieser Momente sah nun, wie sich langsam eine Sänfte durch die Straßen Roms bewegte. Mochte es Zufall sein oder tatsächlich geschickt koordiniert durch den Anführer des kleinen Trupps, der Zeitpunkt war klug gewählt, und es gab kaum Behinderungen. Die wenigen Sklaven, die die Sänfte trotz der Saturnalien begleiteten, hatten jedoch nichts anderes erwartet, und auch die Freien, in Ostia angeheuert, um Sänfte und das nötigste Gepäck zu tragen und somit erst seit kurzem im Genuss ihrer Gegenwart, begannen daran zu glauben, dass anderes gar nicht möglich war. Die Insassin der Sänfte mochte wenig für sie übrig haben, aber sie nötigte ihnen Respekt ab, Respekt von der Art, die sie tatsächlich glauben ließ, dass selbst eine Stadt wie Rom nicht anders konnte, als ebenfalls Respekt zu zollen. Nein, für sie konnte es kein Zufall sein, dass sie ausgerechnet zu einem Zeitpunkt Rom durchquerten, in denen die Feierlichkeiten etwas geringer wurden. Es war schlicht angemessen.


    Und so bewegte sich die Sänfte durch die Straßen, begleitet von einigen Sklaven, die, vor die Wahl gestellt die Saturnalien in Ostia oder in Rom zu begehen, die Hauptstadt vorgezogen hatten, auch wenn das hieß, dass sie jenen ersten Tag mit dem Weg dorthin verbringen würden. Hinter der Sänfte gingen noch einige Männer, die Gepäck trugen, das nötigste, hieß es, in Ostia lagere noch weit mehr. Auch hier hatte sich unter den Freien innerhalb kürzester Zeit eine Meinungsänderung vollzogen. Hatten sie in Ostia noch geglaubt, die Dame könne von Glück reden, dass ihre vorab geschickten Boten so kurz vor den Saturnalien noch Freie finden konnten, die bereit waren für sie zu arbeiten, und dass sie die Anzahl ihrer Gepäckstücke der Anzahl der Träger hatte anpassen müssen, waren sie nun davon überzeugt, dass es umgekehrt gewesen war. Sie hatte genau die Anzahl an Trägern gefunden, oder besser: finden lassen, die sie benötigte, und hätte sie auch nur einen mehr gebraucht, er wäre zur Stelle gewesen. In Gesprächen untereinander hatte sich herausgestellt, dass viele von ihnen bereits von anderen Familien angeheuert worden waren, während der Festtage dort zu arbeiten, dann jedoch von diesen neuen Auftrag erhalten hatten. Einige andere, die eigentlich nicht hatten arbeiten wollen, hatten von ihrem Patron die Aufforderung erhalten, diesen Auftrag anzunehmen. So hatte jeder der Freien seine Geschichte zu erzählen, wie er dazu gekommen war, am ersten Tag der Saturnalien eine Sänfte durch Rom zu tragen, obwohl sie bis vor kurzem etwas ganz anderes geplant hatten für diesen Zeitpunkt. Von den Sklaven wunderte sich indes keiner hierüber.


    Was die Insassin jener Sänfte selbst über diese Dinge dachte, war zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gewesen für die Freien. Lediglich die Sklaven, die sie schon länger kannten, mochten Mutmaßungen anstellen, aber sie bewahrten Stillschweigen auf jede Nachfrage hin. Fest stand jedoch, dass zumindest der Zeitpunkt ihrer Ankunft in Rom gewollt war. Am Abend des ersten Tages der Saturnalien hatte sie ankommen wollen, jenem Abend, an dem traditionellerweise die Familienfeiern stattfanden, und spaßeshalber hatte einer der Sklaven unter den Freien das Gerücht in die Welt gesetzt, Neptun höchstpersönlich habe dafür Sorge getragen, dass das Schiff nicht zu früh und nicht zu spät ankam, weil alles andere nicht angemessen gewesen wäre. Und so begab es sich, dass in jener Stunde, in der die Sonne hinter dem Horizont versank, die Sänftenträger die letzten Schritte zum Eingang der Villa Flavia Felix zurücklegten, wo sie abgesetzt wurde. Einer der Männer trat an die Porta und klopfte kräftig an, während einer den schweren Stoff beiseite schob und zwei weitere ihre Hände ausstreckten, um der Dame beim Aussteigen behilflich zu sein, die gleich darauf die Sänfte verließ und das Gebäude musterte, dass sie schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Eine Hand hob sich und flickte in einer nachlässig wirkenden Bewegung ein imaginäres Staubkorn vom Stoff der edlen Tunika, während Flavia Agrippina darauf wartete, dass die Tür sich öffnete und sie einließ.