Beiträge von Lucius Octavius Severus

    Axillas schwärmerischer Blick fiel Severus zwar auf, aber seinen eigenen, ebenfalls schwärmerischen Blick für Axilla bemerkte er nicht. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass sein Blick vielleicht etwas zu lange auf ihr ruhte und er dabei so seltsam lächelte.


    "Ich bin zwar kein Experte, aber ich denke, dass man den leim vorsichtig lösen kann, ohne den Vogel zu verletzen. Ich glaube aber auch schon mal gehört zu haben, dass es Leim gibt, den man mit Wasser oder so lösen kann. Aber, wie gesagt, ich bin da kein Experte." Er zuckte entschuldigend mit den Schultern.


    "Eine Dryade, ja? Naja, als Nymphe würdest du schon durchgehen. Ähm... also... rein vom Aussehen her... ähm..." Irgendwie fühlte sich sein Gesicht gerade so warm an. Das lag sicher daran, dass er leicht errötete. Als sich Axilla dann bei ihm einhakte, wurde er noch ein wenig roter im Gesicht, doch ihr entschuldigender Blick machte alles gut. Jedenfalls ärgerte er sich nicht darüber, rot geworden zu sein. "Ähm ja... gehen wir mal hoch. Aber nicht zu schnell, es ist irgendwie so warm geworden." Während sie losgingen, ließ Severus ihren Arm bei sich eingehakt. Er hatte auch das Gefühl, dass er mehr auf Axilla sah als auf den Weg, aber er konnte daran auch nichts ändern. Dazu sah er die junge Iunierin viel zu gerne an.

    "Du magst Abenteuer, ja?" fragte Severus scherzhaft, als Axilla sagte, dass sein Haus abenteuerlich klang. "Dann sollte ich dich vielleicht mal einladen und ein paar Geschichten von meinen Fahrten erzählen. Oder ein wenig Seemannsgarn spinnen." Er lachte herzlich.


    Ihr entzückendes Lächeln bei den weißen Vögeln gefiel ihm, so dass er seinerseits ebenfalls lächelte. "Ja, die sind wirklich schön. Und sehr lebhaft. Fangen kann man sie aber recht einfach: Entweder mit einem großen Netz, weil da nicht alle rechtzeitig wegkommen, oder man sucht den Baum, wo sie übernachten. Und dann bestreicht man die Äste mit Leim. Wenn sich die Vögel dann gesetzt haben, kleben sie fest und man muss sie nur noch einsammeln." Severus stellte sich vor, dass es sicher ganz schön fies war, mit den Füßen irgendwo festzukleben.


    "Also, ehrlich gesagt, bin ich Faunus nicht so verbunden. Ich opfere lieber Neptun. Mit dem komme ich, glaube ich, ganz gut klar. Aber der sollte im Moment noch genug von dem Falerner haben, der auf meinem Schiff war. Natürlich will ich dich nicht davon abhalten, Faunus zu opfern. Also, wenn du das möchtest." Er sah sie entschuldigend an. Immerhin wusste er ja nicht, ob sie besonders gläubig war und wollte sie nicht gegen sich aufbringen, aber anlügen wollte er sie auch nicht.

    Severus mochte Axillas Lachen. Und er fand sie wirklich hübsch. Doch noch bevor er ihr diese Frage beantworten konnte, sprach sie weiter. Er nickte zustimmend. "Ja, ich denke, dass manche Menschen einfach reisen müssen. Aber wenn es einen Ort gibt, an den sie sich binden, sozusagen einen Heimathafen, dann kehren sie auch immer wieder dahin zurück. Jedenfalls ist das bei mir so."


    Wie Axilla ihn so schüchtern ansah, fand er sie auf einmal noch hübscher. Auch durch die leicht geröteten Wangen und das Lächeln. "Ja, ich wohne im Broucheion. Fast am Hafen, am Rand der Märkte. Das ist aber... naja, standesgemäß ist das nicht wirklich. Der größte Teil dient als Lagerhaus, der Rest ist eine kleine Wohnung. Vielleicht baue ich das Haus mal um, wenn ich länger hier bleibe und kein eigenes Schiff habe. Das habe ich noch nicht entschieden. Und du? Du wohnst doch sicher in der Basileia?"

    Severus konnte Axillas Fernweh durchaus verstehen. Doch so ganz romantisch und schön war das Reisen nicht. "Also, so ganz kann ich ja nicht entscheiden, wohin ich reise. Es geht ja doch irgendwie ums Geschäft. Da lohnt es sich nur, solche Handelsfahrten zu machen, die sich rentieren. Und anstrengend sind solche Seereisen schon. Obwohl man von Wasser umgeben ist, kann man nur das Wasser nutzen, was an Bord ist. Salzwasser kann man ja nicht trinken. Aber Wasser kostet Frachtraum, also nimmt man so wenig wie möglich mit, aber genug, damit niemand verdurstet. Der Raum ist auch knapp, so dass man sehr beengt lebt - selbst als Nauarchus. Und dann gibt es natürlich noch Stürme und Piraten. Wobei ich finde, dass wir zumindest hier im Mare Nostrum keine allzu schweren Stürme haben. Da habe ich vor Britannia schon wesentlich heftigere erlebt. Aber auch das ist interessant. Vielleicht bist du ja mal auf einer Reise, wenn ich das gleiche Schiff führe."


    "So wie es aussieht, bleibe ich eine Weile in Alexandria. Ist ja auch ganz nett hier und jetzt habe ich endlich mal die Zeit, mir die Stadt anzusehen." Severus lächelte fröhlich. "Ist schon seltsam. Ich habe ja sogar ein Haus hier in Alexandria, aber bisher war ich immer zu kurz hier, um mehr als den Hafen und den Markt zu sehen. Vielleicht hat mich Neptun einfach mal auf Landurlaub schicken wollen, als er mein Schiff versenkt hat?" Das Lächeln verwandelte sich in ein fröhliches Lachen. Der Verlust des Schiffs schien Severus nicht allzu viel auszumachen. "Ich hätte hier schon viel früher mal eine Weile bleiben sollen. Dann hätte ich wohl auch schon früher gewusst, dass es hier so eine hübsche junge Römerin gibt wie dich." Das war ihm nun irgendwie rausgerutscht. Sofort sah er verlegen zu Boden, musste dann aber doch wieder zu Axilla schauen. Hoffentlich nahm sie es ihm nicht übel.

    Severus war erstaunt, wie furchtlos Axilla auf den Tiger zuging. Zumal es sich hier um ein besonders großes und auch schönes Exemplar handelte. Auf den Kommentar zum wütenden Tiger musste Severus auch ein wenig lachen. "Naja, es ist eigentlich auch schade, diese wundervollen Tiere einzusperren. Sie müssen in der Wildnis sehr majestätisch aussehen."
    Auf Axillas Fragen lächelte er, denn er sprach ganz gerne über seine Fahrten. "Löwen habe ich auch schon transportiert. Sie gingen alle nach Rom, zum Colosseum. Wobei ich sie natürlich in Ostia ausgeladen habe. Da ist ja mein Heimathafen. Gesehen habe ich schon viele Häfen. In Alexandria war ich schon mehrfach, außerdem in Massilia, Piraeus, Creta, Carthago, Caesarea, Tarraco auch und sogar Londinium. Und natürlich viele kleinere Häfen." An seinem glücklichen Lächeln konnte man erkennen, dass er gerne reiste. "Weißt du, jeder Hafen ist anders. Die Menschen sind ganz unterschiedlich von ihrer Art her in den verschiedenen Provinzen. Und die Häfen selbst auch. Große und kleine, reiche und arme, gepflegte und heruntergekommene Häfen... das alles habe ich schon gesehen. Ich denke, diese vielen verschiedenen Eindrücke sind es, die mir so viel Freude an meinem Beruf bereiten."

    Severus schüttelte die Hand des Gymnasiarchen. Nicht allzu fest, aber auch nicht zu leicht. Seine Hände waren nicht so kräftig, wie die eines Seemanns. Sie waren auch gut gepflegt, ganz offensichtlich musste er nicht selbst anpacken. Dennoch war eine gewisse Kraft zu erkennen. Dass er sich quasi als Kapitän auf Abruf einstellen lassen würde, gefiel ihm eigentlich ganz gut. Ihm gefiel es zwar, Schiffe zu führen, aber er musste auch nicht immer auf See sein.
    "Ich stamme aus Ostia und bin ein Sproß des Fernhändler-Zweiges der gens Octavia. Der ostiensische Zweig der Octavier hat eine lange Tradition auf See. Ein Verwandter von mir war beispielsweise Praefectus Classis in Misenum. Allerdings möchte ich dein Augenmerk nicht so sehr auf meine Verwandtschaft richten, denn dich interessieren ja vor allem meine Fähigkeiten. Ich fahre seit meinem zehnten Lebensjahr zur See und führe seit dem sechszehnten Lebensjahr Schiffe. Ausgebildet wurde ich, indem ich jedes Jahr mindestens zwei Fahrten auf einem der Schiffe meines Vaters absolviert habe. Dort wurde ich von den Nauarchoi selbst unterwiesen. Darüber hinaus wurde mir eine umfassende Bildung zu Teil. Mathematik, Astronomie, Geographie, dazu Schiffbau. Das alles hat sich als sehr nützlich auf See erwiesen. Schiffe führe ich seit insgesamt sechs Jahren. Mir sind die üblichen Seerouten bekannt, auch wenn ich sie für gewöhnlich nicht fahre. Wo viele Schiffe sind, da sind auch Piraten. Wo wenig Schiffe sind, da sind keine Piraten. Außerdem sind meine Fahrten meist schneller als die der Konkurrenten. Ich verstehe mich vor allem auf Navigation und Führung. Seemännische Arbeit, wie Taue spleißen und Ähnliches, beherrsche ich nicht so gut. Das muss ich aber auch nicht als Nauarchos." Severus hatte selbstbewusst gesprochen, aber dennoch neutral. Es war schließlich ein Bericht.
    Aufmerksam betrachtete er Nikolaos und wartete auf weitere Fragen.

    Severus hatte Axilla wohl etwas in Verlegenheit gebracht. Vielleicht war sie es gar nicht gewohnt, Komplimente zu kriegen? Er verwarf den Gedanken sofort wieder. Eine junge, hübsche Frau wie Axilla hörte doch sicher dauernd Komplimente. Oder die Ägypter und Griechen standen nicht so auf Römerinnen, dann wäre das natürlich anders. Bei den Griechen konnte er sich das durchaus vorstellen, aber bei den Ägyptern? Die hatten vielleicht andere Probleme und waren natürlich auch die unterste Schicht und kamen deshalb gar nicht in Frage. Während er so nachdachte, wies ihn Axilla auch schon auf die Käfige hin. Interessiert sah er in die Richtung. "Da bin ich ja mal gespannt, was die hier für Tiere haben. Elefanten und Löwen muss es hier ja eigentlich geben und Krokodile. Aber was da wohl sonst noch so ist?"


    Severus ging zum ersten Käfig, in dem ein paar Affen waren. Belustigt schaute er sich die Primaten an, wie sie herumtollten und Grimassen schnitten. Manchmal waren sie einfach zu menschlich. "Affen sind lustige Tiere. Manchmal kommen sie einem vor wie kleine Kinder. Nur mit deutlich mehr Haaren." Er lachte herzlich.


    Einige Käfige weiter sah er einen Tiger. Ohne lange zu zögern, deutete er auf das Tier. "Einen Tiger hatte ich mal an Bord transportiert. Ein wirklich schönes Tier, aber sehr gefährlich."

    Als sie stolperte, wollte Severus Axilla schon irgendwie auffangen, aber da war die Toga doch eher hinderlich. Glücklicherweise war aber nichts passiert. Und sie konnte über seinen kleinen Scherz zumindest lächeln, das war doch schon mal was. Als sie dann so erzählte, wie sie als Kind auf Bäume geklettert war, musste er schmunzeln. Das sah sicher lustig aus, wenn ein Mädchen auf Bäume kletterte. Dass sie keine Angst zu haben schien, imponierte Severus schon irgendwie udn machte Axilla auch gleich noch etwas interessanter für ihn. Immerhin wagte er sich ja auch ganz gerne auf Strecken, die andere nur ungern fuhren.


    Er merkte, dass sie nicht über ihren den Verlust ihres Vaters sprechen wollte, deshalb fragte er da auch nicht weiter. Dann kamen erst mal recht viele Informationen auf einmal, die er kurz in seinem Geist auseinander dividieren musste. "Naja, du könntest ja Literatur studieren. Immerhin sind die Griechen da recht gut drin. Oder Philosophie oder Matehmatik. Oder einfach das Leben." Er lächelte verschmitzt. "Wobei das Leben wohl eher in der Stadt zu studieren ist und nicht in den Büchern. Ich finde es aber gut, dass du finanziell auf eigenen Beinen stehst. Betriebe sind gut, das zeugt von Geschäftssinn. Gefällt mir."

    Severus hörte aufmerksam zu, als Axilla von ihrer Cousine erzählte. "Hmm... vielleicht sollte ich... Urgulania... mal kennen lernen. Jedenfalls, falls wir uns häufiger treffen wollen. Das wäre, denke ich, dann angebracht. Also, nicht wegen diesem einen Treffen, aber wenn wir uns eventuell wieder treffen könnten... ähm... also..." Wenn er jetzt wüsste, was er gerade sagen wollte, wäre es sicher besser um seine Rhetorik bestellt.


    "Ihr seid also eine Soldatenfamilie? Dann sollte ich es mir besser nicht mit dir verscherzen, hm?" Severus lachte fröhlich. "Wir Octavier haben auch einige Soldaten gestellt. Der Senator Octavius Victor war beispielsweise Soldat, bei den Cohortes Urbanae, wenn ich mich nicht irre. Und aus meiner näheren Verwandtschaft war Octavius Nauticus bei der Classis. Er war sogar Praefectus Classis in Misenum. Er hat mir ein paar Kleinigkeiten beigebracht, die mal recht nützlich sein könnten."


    "Ich denke, dass Neptun nur den Matrosen bestrafen wollte, der in dem Sturm auch umgekommen ist. Dass er dabei mein Schiff mitgenommen hat, ist meiner Meinung zwar übertrieben, aber so ist es zumindest uns allen eine Warnung, also macht das auch irgendwie Sinn. Wir hatten auch genug Trümmer vom Schiff übrig, dass wir darauf ausharren konnten, bis am nächsten Tag ein anderes Schiff vorbei kam und uns rausgefischt hat. Mit denen sind wir auch nach Alexandria gekommen. Ehrlich gesagt, so schlimm war es gar nicht. Obwohl das Schiff zerborsten ist, habe ich nie mein Leben in Gefahr gesehen. Ich habe mich irgendwie sicher gefühlt. Seltsam, oder?" Severus war ein wenig nachdenklich geworden dabei, was er dann aber schnell durch ein Lächeln beendete. "Und, wie kommt es, dass du hier bist? Zum Studium im Museion?"

    Auch wenn es Axilla wohl nicht glauben würde, Severus war unsicher. Er, der selbst in schweren Stürmen die Ruhe behielt und Strecken fuhr, die man zumindest als gewagt - wenn auch schnell und piratenfrei - bezeichnen musste, fühlte sich in Gegenwart schöner Frauen oft unsicher. Da kam es ihm ganz gelegen, dass sie sich etwas bewegten. So musste er sich mehr darauf konzentrieren, dass die Toga nicht verrutschte.


    "Du lebts dann folglich bei deiner Cousine? Sollte man sie kennen?" fragte er neugierig. Axillas Cousine musste ja zumindest älter sein, wenn sie da lebte und die sich Sorgen machte.


    Berühren konnte Severus Axilla nicht, das ließ die Toga nicht zu. Immerhin war man zu einer gewissen Haltung gezwungen, damit sie nicht verrutschte. Wobei die lokale Kleidung sicher eine bessere Wahl gewesen wäre.
    "Ich bin schon seit fünf, fast sechs Jahren Nauarchus. Das ist so Tradition bei uns. Also, in meinem Zweig der Octavier. Sobald man sui iuris wird, erhält man von seinem Vater ein Schiff. Da muss man dann was draus machen und sein eigenes Geld verdienen. Wir fahren schon seit Generationen zur See. Das fing wohl mal damit an, dass ein Octavier auf die Idee kam, den Wein, für den wir ja bekannt waren, in die Provinzen des Imperiums zu bringen und dort zu verkaufen. Irgendwann kam dann einer meiner Vorfahren auf die Idee, dafür Schiffe zu verwenden und so wurden wir zu Fernhändlern und Nauarchi. Naja, so ging das dann weiter." Er sah kurz zu Axilla und lächelte. "Weißt du, meine erste Fahrt auf einem Schiff hatte ich mit zehn Jahren. Danach wurde ich jedes Jahr mindestens zweimal von meinem Vater mit einem seiner Schiffe mitgeschickt, wo ich vom jeweiligen Nauarchus in Navigation und Schiffsführung unterwiesen wurde. Zu Hause in Ostia musste ich auch noch ganz viel andere Sachen lernen. Vor allem Mathematik, Astronomie, Buchführung und Sprachen aus den Provinzen. Hin und wieder fand ich auch Zeit, mich mit Literatur zu beschäftigen. Und mit 16 Jahren bekam ich dann mein eigenes Schiff. Eine Einmast-Corbita. Ein schönes kleines Schiff, sehr zuverlässig und gut im Wind. Ich habe sie aber nach drei Jahren durch ein größeres Schiff ersetzt. Das ist aber leider vor einer Woche im Sturm gesunken. Ich habe nur einen Matrosen dabei verloren, alle anderen haben sich retten können. Nur das Schiff ist halt weg mitsamt der Ladung." Er zuckte mit den Schultern. "Kann passieren. Arbeite ich halt für jemanden und verdiene mir das Geld für ein neues Schiff. So leicht gibt ein Nauarchus nicht auf." Severus zwinkerte Axilla zu und machte dabei sogar einen recht fröhlichen Eindruck. Der Verlust des Schiffes kümmerte ihn auch nicht so wirklich, so lange er am Leben war und die Chance auf einen Neuanfang hatte. Zur Not würde er sich auch jederzeit an seine Verwandten wenden können.

    Severus wusste nur zu gut, wie schlimm es einige Menschen mit der Seekrankheit erwischen konnte. Zumal dann meistens auch noch die Besatzung den ohnehin schon Leidenden auch noch dumme Sprüche drückte oder Späße mit ihnen trieb. Das war für ihn als Nauarchus meist ein Ärgernis, mindestens genauso wie das Ärgernis, dass die Seekranken mehr als oft genug der Besatzung im Weg standen. "Mir war auch schlecht, als ich das erste Mal auf See war. Aber man gewöhnt sich dran." kommentierte er lapidar.


    Zum Glück wechselte sie dann das Thema. "Ähm, naja, eigentlich wollte ich ja auch die Stadt sehen, aber bevor ich unter der Toga eingehe... wobei... halte ich schon irgendwie aus. Wenn wir da nicht gerade hochrennen." Das war doch mal gut die Kurve gekriegt. "Andererseits würde mich so ein Giro... Gira... Giraffo... dingsda schon auch interessieren. Weil gesehen habe ich noch keins. Vielleicht schauen wir uns das zuerst an und gehen dann hoch zum Paneion?"

    Severus freute sich, dass Axilla das Kompliment zu gefallen schien. Es machte ihm auch nichts aus, dass sie einfach so losplapperte. Das machte sie eher noch sympathischer.
    "Den Sonnenuntergang würde ich mir gerne mal von da oben ansehen. Weißt du, das sind für mich immer die schönsten Momente auf See, wenn bei klarem Wetter die Sonne im Meer versinkt und sich tausendfach in den Wellen spiegelt." Ein wenig Sehnsucht sprach aus seiner Stimme und er lächelte verträumt dabei. Dignitas! Denk an deine dignitas! Du bist Nauarchus! Und Römer! "Ähm... ja, also... wenn ich mal die Zeit dazu habe und mich nicht um die Besatzung kümmern muss... also... also dann schaue ich mir gerne mal den Sonnenuntergang an. Hilft einem ja auch bei der Navigation, weil da ist dann ja Westen. Also da, wo die Sonne untergeht. Ungefähr jedenfalls." Was redest du da nur für einen Blödsinn, Severus?


    Die Frage, ob ihm zu warm war, war eine durchaus gute Frage, auch wenn sie in Gestammel endete. "Naja, wenn man da auch nach Sonnenuntergang wieder runter findet, kann man ja später am Tag hochlaufen und bis dahin die Zeit im Park verbringen. Prinzipiell. Oder ich lege die Toga ab und gehe dann... wobei... ist dann ja auch dumm, wenn ich sie wieder anziehen muss. Ist ja auch... ist ja auch so, dass man sich abends den Sonnenuntergang ansehen... also, nur, wenn es die nichts ausmacht? Ähm..." Severus zupfte ein paar Falten seiner Toga zurecht. So konnte er wenigstens seine Nervosität etwas überspielen. Warum war er eigentlich so nervös?

    Als er sie endlich entdeckte, stand sie auch schon fast vor ihm. Er hatte davor in die völlig falsche Richtung gesehen. Er erwiderte ihr Lächeln sofort und konnte seine Freude nicht so recht verbergen, obwohl es seine dignitas eigentlich von ihm verlangte. "Nein, ich warte nicht allzu lange. Also, jedenfalls nicht so lange, dass es unangenehm wäre."
    Er musterte sie kurz. Das Kleid stand ihr sehr gut und die durchsichtige Palla passte ganz ausgezeichnet zum Kleid. Und zu den Augen. "Du siehst bezaubernd aus." Severus lächelte verlegen, war das doch mehr, als er eigentlich sagen wollte. Jetzt war sie endgültig dahin, seine dignitas. Um wieder so selbstbewusst auszusehen, wie er als Nauarchus und Römer aussehen sollte, blickte er kurz hoch zum Paneion. "Von da oben hat man sicher einen ganz hervorragenden Blick auf Alexandria. Vermutlich ist nur vom Pharos die Aussicht besser."

    Obwohl Severus ein Haus in der Nähe des Hafens besaß, was vor allem als Warenlager und Unterkunft bei seinen Handelsfahrten gedient hatte, hatte er nie die Zeit gefunden, sich die Stadt einmal richtig anzusehen. Deshalb musste er auch zu seiner eigenen Schande eingestehen, dass er noch nie zuvor am Paneion war. Zumindest hatte er es aber gefunden, sogar auf Anhieb. Andererseits sollte man das von einem Navigator auch erwarten können.


    Er hatte sich am Vortag mit Axilla hier verabredet, damit sie ihm mal die Stadt von oben zeigen konnte. Natürlich hätte er das auch jede x-beliebige Person fragen können, aber die Iunierin war ihm sympathisch und er wollte gerne ein wenig Zeit mit ihr verbringen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass er auch ihr sympathisch war. Er war wohl etwas zu früh, und das, obwohl er lange überlegt hatte, was er anziehen soll. Normalerweise war er entscheidungsfreudiger, aber diesmal war es ihm schwer gefallen. Schließlich hatte er sich für dunkle Sandalen, eine ozeanblaue Tunika und, nach langem Zögern, auch für die weiße Toga entschieden. Obwohl letztere einen ganz leichten Grauschleier vom Waschen hatte. Seinen Siegelring als Octavier trug er an der linken Hand, obwohl er ihn sonst meistens an einer Kette unter der Tunika trug. Er war ein wenig nervös, ob die Kleidung nicht eventuell falsch gewählt war, doch ließ er es sich nicht anmerken, während er am Fuße des Hügels stand und dank seiner Körpergröße über die Menschenmenge blickte, wobei er versuchte, Axilla zu entdecken.

    Severus erwiderte Axillas Lächeln. "Danke sehr." Würdevollen Schrittes ging er zur Tür - anders konnte man auch eigentlich in einer Toga nicht gehen. Allerdings konnte er es sich nicht verkneifen, der jungen Iunierin kurz zuzuzwinkern, bevor er die Tür durchschritt. Sie war ihm irgendwie sympathisch.


    Im Officium des Gymnasiarchen blieb er in angemessenem Abstand vor dessen Schreibtisch stehen und betrachtete ihn einen Augenblick, bevor er auf Koine grüßte. "Khaire, Gymnasiarchos. Ich freue mich, dich kennen zu lernen. Wie dir sicher bereits mitgeteilt wurde, suche ich ein Schiff, das einen Nauarchus sucht."

    Es war schon recht lustig anzusehen, wie die Scriba ihn erst verträumt ansah, dann versuchte, das zu verbergen. Dann fiel ihre Feder herunter und schließlich stieß sie sich sogar leicht den Kopf. Severus musste sich zusammenreißen, um nicht zu lachen, aber er schaffte es. Er blieb aufrecht und würdevoll stehen und verzog fast keine Miene. Ein nicht zu unterdrückendes Grinsen konnte er zumindest noch so weit in den Griff bekommen, dass es eher wie ein freundliches Lächeln aussah.


    Die junge Dame sprach immerhin fließendes Latein. Überhaupt schien sie keine Griechin zu sein, aber da konnte er sich auch irren. Wenigstens konnte er jetzt in seiner Muttersprache reden. "Mein Name ist Lucius Octavius Severus," sagte er mit dem Stolz auf den Namen seiner Familie, der wohl jedem Römer eigen war, "Ich bin hier, weil der Gymnasiarchos einen Nauarchos sucht. Wie es der Zufall so will, bin ich Nauarchos und suche ein Schiff, das einen Navigator und Kommandanten sucht."

    Als Kapitän ohne Schiff, aber mit großem Verlust, musste Severus sehen, dass er irgendwie zu Geld kam. Da war der Aushang, dass Nikolaos Kerykes einen Kapitän suchte, gerade gelegen gekommen. Severus hoffte, dass die Stelle noch nicht vergeben war. Da er häufiger in Alexandria war, wusste er auch, dass der Keryke momentan der amtierende Gymnasiarchos war. Da er dessen Wohnsitz nicht kannte, ging er eben zu dessen Amtssitz.


    Um die nötige Kompetenz zu vermitteln und weil es sein Stolz als Römer und Navigator gebot, hatte er sich in seine Toga gekleidet und betrat so würdevoll und stolz das Vorzimmer. Er war ganz das Bild eines natürlichen Anführers. Umso mehr musste es überraschen, dass er nun in sehr gutem Koine sprach. "Khaire. Ich suche den Gymnasiarchos und würde ihn gerne in einer privaten Angelegenheit sprechen."

    Eine Zweimast-Corbita lief in den Hafen von Alexandria ein. Sie würde hier mit Getreide beladen werden und dann wieder nach Misenum fahren, wo ihr Heimathafen war. Neben einigen Luxuswaren für Alexandria und der Besatzung, waren auch Severus und eine Handvoll seiner Matrosen an Bord. Im Gegensatz zu seinem Schiff, ebenfalls eine Zweimast-Corbita, hatten sie den Sturm überstanden. Das Schiff, auf dem sie jetzt waren, hatte sie auf Trümmern treibend gefunden.


    Severus musste sich zusammenreißen, nicht die Befehle zum Anlegen über das Deck zu brüllen. Das war die Aufgabe des Kapitäns, und er war kein Kapitän mehr. Kein Schiff, kein Kapitän. So einfach war die Regel. Beim Festmachen half er noch mit, dann machte er sich mit "seinen Jungs", wie er sie nannte, auf den Weg zu den Märkten. Dort besaß er, so es nicht abgebrannt war, ein Haus. Es war zwar mehr Lager als Wohnung, aber zumindest hatte er dort noch ein paar Restbestände, die er seinen Matrosen als Lohn geben konnte. Nicht, dass er es müsste. Aber so bekam man gute bis sehr gute Matrosen, was wiederum gut für den Transport der Waren war. Es ging nur ums Geschäft, wie er immer zu sagen pflegte.