Inken sah durch die Runde, durch die weizenblonden Stränen im Gesicht mochte man wohl nur erahnen können wie ihr Blick von den beiden Frauen zu dem neuen Bieter wechselte. Sie schloss die Augen und versuchte es erneut. *Donar, ich bitte Dich, schick Deinen Speer vom Himmel und befreie mich!*, die Hände waren zu Fäusten geballt und wohl nie zuvor mochte jemand einen Blitzschlag so herbeigesehnt haben wie Inken es nun tat. Doch blieb das infernale Krachen aus, kein Donner, kein Licht das die Szenerie um Titus Stand herum grellhell erleuchtete. Ihr war elend, die Strapazen der letzten Tage hatten ihr die Kraft genommen, aber dennoch blieb sie stehen, auch wenn es ihr ungleich lieber gewesen wäre auf die Knie zu sinken und die Beine an sich zu ziehen. *Donar!*, schoss es ihr immer und immer wieder durch den Kopf.
Titus erspähte bald Faustus und sofort schnellte seine Hand in dessen Richtung und der Finger wurde ausgestreckt. "Zweihundert Sesterzen sind geboten! Meinen Glückwunsch, Herr! Nie wieder werdet ihr Euer Geld so nutzbringend einsetzen wie eben in diesem Moment!", wandt sich dann sofort wieder an die Menge.
"Ihr Römer, zweihundert Sesterzen sind geboten worden! Ich will aber nicht glauben das unter all dem edlen Volk hier nur einer zu finden ist, der den Wert dieser germanischen Frau erkennt! Wer bietet mir dreihundert Sesterzen für diese prächtige Sklavin? Seht sie Euch an! Das Haar wie ein reifes Weizenfeld, feste Schenkel und starke Arme! Ihr Damen, ich sage Euch das diese Sklavin eine echte Hilfe in Eurem Haushalt ist! Oder lasst sie für Euch arbeiten! Dreihundert Sesterzen, das ist Eure Chance sie für Euch zu erstehen!Dreihundert! Dreihundert Sesterzen? Wer bietet mir diese lächerliche Summe für diese Frau? Ihr?", Titus deutete auf Germanica Calvena.
"Höre ich dreihundert Sesterzen aus Eurem Mund, werte Dame? Dreihundert?", sicher hatte Titus sein Geld schon deutlich leichter verdient. Wäre Roms Glanz nur bis in die hintersten Winkel des Chattenvolkes vorgedrungen, so müsste er sie wohl kaum wie sauren Wein verschleudern müssen. "Dreihundert Sesterzen, wer bietet mir dreihundert Sesterzen?" auch Faustus wurde mit einem Nicken quitiert das sein Gebot von ihm registriert wurde. Drei Bieter, das würde zweifelsohne schon etwas Arbeit werden um hier ein Geschäft machen zu können.
Inken´s Gebete wurden nicht erhört, Donar schien sich tatsächlich von ihr abgewandt zu haben. Gleich welche Götter auch über dieser Stadt wachten, sie schienen nicht im mindesten auch nur irgendein Interesse an Germanen zu hegen. Sie hörte wie Titus sich die Seele aus dem Leib schrie und über das Versteigerungspodest wanderte, die Augen stetig auf die Menge gerichtet ob nicht noch irgendwo ein Finger gehoben wurde. Inken konnte kaum sagen was erniedrigender war, die Tatsache sich vollkommen ausgeliefert zu sehen, ohnmächtig einer gänzlich neuen Situation gegenüber, oder die Tatsache das sie nicht nur durch die Ketten ihre Freiheit verloren hatte, sondern scheinbar niemand sie nach dem Maß was sie war. Eine stolze Chattin, aus einem ehrbaren Haus.
Gut konnte sie sich noch daran erinnern als Adalbert ins Haus ihrer Sippe gekommen war, um Alrech zu sagen das er seine Tochter zum Weib nehmen wolle. Viele waren gekommen und gegangen, sei es nun das ihre Herkunft zu nieder war, oder aber sie für ihren Vater nicht in Frage gekommen waren. Und nun stand sie hier, inmitten der römischen Metropole und schien kaum mehr wert als ein verlauster Straßenköter. Inken hob die Hände an, strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah in die Runde. Sie straffte etwas die Schultern und ihr Blick wanderte aufmerksam durch die Runde. So unbewegt ihr Gesicht auch sein mochte bot sie doch ein imposantes Bild. Selbst in den zerschlissenen Kleidern, schmutzig und in Ketten mochte sie keinen Zweifel daran aufkommen lassen das sie die Tochter Alrechs war. Das sie vom Stamm der Chatten stammte und starkes Blut in ihrem Adern floss. Auf der Empore stehend sah sie zu den Römern hinab. Was wäre es für eine Genugtuung all dieses so teuer gekleidete, Vornehme Volk an ihrer statt in Ketten auf einem germanischen Markt wie lahme Pferde verschachert zu sehen. Frauen die so zart gebaut waren das sie gewiss ihre liebe Not hatten einen harschen Winter zu überstehen. In Germanien wäre es wohl genau anders herum, dort hätte man sie wohl eher als verzärtelt abgetan.
"Edle Dame, höre ich vielleicht von Euch dreihundert Sesterzen? Oder schenkt mir wenigstens ein Lächeln und die Gewissheit das ihr Titus Tranquillus diesen Tag retten werdet und mich nicht mit mehr Ausgaben als Einnahmen nach Hause schickt. Seht sie Euch doch an! Sie hat nicht Eure Grazie, aber wer hat das schon? Seht ihre Hände, sie kann gewiss tüchtig zulangen!", zog Inken nach vorne und griff ihr in die Ketten, um die Arme anzuheben das die Damen sich selbst ein Bild machen konnten. So wie Inkens Blick nun auf dem Sklavenhändler zum ruhen kam, mochte sich die Frage wohl schon erledigt haben. Die Hände waren stark und Arbeit gewohnt...und wenn er nicht aufpasste, würden sie ihm wohl liebend gerne die Finger um den Hals legen und zudrücken. Inkens Wangenmuskeln spannten sich kurz an. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort hätte sie gewiss schallende Ohrfeigen dafür verpasst, doch schien ihr durchaus bewusst das sie hier nur eine unter vielen war. So lösten sich die Finger langsam und öffnete die Hände. Frauenhände, kaum die eines Mannes, aber dennoch sah man jenen an das Arbeit wohl kein Fremdwort war. Auch Frauen aus besseren Häusern hatten ihre Aufgaben zu verrichten, wie alle anderen auch. Einzig deren Worte hatten bedeutend mehr Gewicht.
"Dreihundert Sesterzen! Bietet ihr mir dreihundert Sesterzen?", Titus sah zu den Frauen und beobachtete aus den Augenwinkeln die Menge. Wo waren sie, die Herren mit den prall gefüllten Sesterzenbeutel, denen ein Ausruf und eine stattliche Summe zumindest für den Augenblick die Aufmerksamkeit aller schenkte? Scheinbar in den Thermen....