Gereizt ließ ich meinen Blick zum Horizont gleiten. Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Aber nun gut, wenn ich warten musste, dann würde ich warten. In der Zwischenzeit würde sicherlich Khurram eine Unterkunft ausgemacht haben.
Eigentlich dürfte es mich nicht verwundern, dass ich plötzlich unerwartete Hilfe bekam. Ich war eine Schönheit, ich fiel den Männern sofort ins Auge und ganz offensichtlich steckte ich auch noch obendrein ein wenig in Schwierigkeiten. Dass sich fast umgehend ein Retter einfand, der mich von meiner Not erlösen wollte, war vorhersehbar. Dennoch überraschte es mich, besonders weil sich mein Retter als ein blonder Jüngling heraus stellte. Und dieser sah neben den kräftigen Seemännern wie ein Hänfling aus. Wie eine halbe Portion. Er mochte in Begleitung eines kräftigen Sklaven sein, aber der würde den jungen Mann wohl kaum vor einer Tracht Prügel bewahren. Besonders weil er so große Töne spuckte und die Seeleute ihm haushoch überlegen waren.
Ein wenig war es beeindruckend, dass der junge Mann mir zu Hilfe eilen wollte, aber Angesichts der kräftigen Seeleute um sie herum, war es reichlich dumm, den Mund soweit aufzureißen. Die Hilfe eines feisten Verwalters wäre mir lieber gewesen. Dann hätte ich in Null Komma Nichts mein Gepäck und vermutlich sogar noch eine Einladung zum Essen. Stattdessen würde ich Zeugin werden, wie der tollkühne junge Mann eine Lektion erteilt bekommen würde. Ich kam gar nicht dazu, auf die Frage nach meinem Namen einzugehen, oder auf das Kompliment zu reagieren.
Ganz langsam drehte der Kapitän sich um, musterte den Burschen und brach dann in schallendes Gelächter aus. Und mit ihm die gesamte Mannschaft und einige der Hafenarbeiter. „Willst du mir drohen, Bürschchen?“ Das Lachen war einem bedrohlichem Ton gewichen, als er sich vor dem Jüngling aufbaute. „Mir schlottern schon die Knie“, verhöhnte er den jungen Mann. „Ich rede mit dem Weib, wie ich es für richtig halte! Geh nach Haus zu Deiner Amme. Komm wieder wenn Dir Haare am Sack wachsen!“ Er machte eine Handbewegung, als würde er eine lästige Fliege verscheuchen. „Seht ihn euch an! Er will nicht mal wie ein Mann zu seinen Worten stehen! Stattdessen wirft er mit Schmeicheleien um sich und lässt seinen Sklaven für sich kämpfen! Was für ein Feigling!“ hallten die Schmähungen nur so über den Platz. Wieder erklang Gelächter. „Komm her und zeig der bezaubernden junge Dame was du drauf hast!“ Demonstrativ ließ er die Knöchel einmal Krachen.
Ich seufzte. Meinetwegen sollte es nicht zu einer Schlägerei kommen. Das würde nur Scherereien mit sich bringen. „Das reicht! Sorg dafür, dass mein Gepäck endlich ausgeladen wird. Sonst gehe ich zum Hafenverwalter und sorge dafür, dass Du hier in Ostia nicht mehr landen wirst!“ forderte ich den Kapitän auf. „Ich würde den Hafenverwalter sogar dazu bekommen, dass er nackt herum rennt und schmutzige Liedchen pfeift!“ Meine Worte untermalte ich mit einem bezaubernden Augenaufschlag. Ich mochte erschöpft, genervt und etwas staubig sein, aber ich wusste, dass ich mit meinem Aussehen die Männer um den Finger wickeln konnte und diese dazu bringen konnte, zu tun, was ich wollte. Der Mann warf dem Jüngling einen finsteren Blick zu, grunzte und drehte sich dann wiederwillig um. „Elende Lupa!“ knurrte er unwillig. Zufrieden nickte ich. Mein Gepäck würde ich schon sehr bald in Empfang nehmen dürfen. Dass er mich beleidigt hatte, überhörte ich einfach. Man hatte mich schon schlimmer beleidigt.