Pharasmanes der Iberer, ein unglaublich feinsinniger Beobachter seiner Kunden, bemerkte das seltsame Funkeln in den Augen der Flavia selbstredend sofort, auch die beinahe schon mikroskopische Verhärtung ihrer Züge vermochte seinem geübten Auge nicht zu entgehen. Zweifellos fußte sein merkantiler Erfolg in nicht unerheblichem Ausmaße auf der exzellenten Beobachtungsgabe, welche er sich in Jahren eifrigen Studiums antrainiert hatte, ebenso wie auch sein zuvorkommendes Wesen und die honigweiche Stimme nichts weiter als die notwendigen Folgen unerbittlicher Übung dastellten. Die Schweißperlen hingegen, die sich auf seiner glänzenden Stirn in immer größerer Zahl ansammelten und welche er mit fahrigen Bewegungen seines breiten Handrückens in regelmäßigen Abständen hinfortzuwischen trachtete, waren keineswegs Zeichen einer eifrig einstudierten Gemütsregung, sondern vielmehr Folgen seines wahrhaftigen unsicheren, bisweilen gar nervösen Naturells, welches gerade in derlei Situationen hoher Anspannung in ungüstiger Weise ans Tageslicht zu treten pflegte. So fegte er nun also auch den Griechen, welchen er als Trumpf seines Sortiments betrachtet hatte, mit einer eckigen Bewegung zur Seite und zwang seinen letzten Sklaven mit unnachgiebigem Zug an der feinen Kette vor den Stuhl der Flavia. Amael.
Den Blick zu Boden gerichtet, ziehen die Worte des Händlers gleich dem Säuseln des Windes an Amaels Ohr vorbei. Gewiss spricht er von Avidius Quietus, seinem ersten Herrn. Tiberius Avidius Quietus. Proconsul von Britannien. Ruhmreicher Feldherr. Barbarenschlächter. Mörder seiner Familie. Amael hält den Blick gesenkt, lässt ihn nur langsam der Musterung der Steine am Boden des Tablinums folgen. In seinem Kopf dröhnt wieder und wieder das Flüstern der anderen Sklaven. "Pharasmanes will ihn an die Mienen verkaufen. Keiner überlebt die Mienen länger als ein paar Jahre. Ich geb' ihm nicht mal zwei Monate..." Ein schlanker Fuß gerät ins Blickfeld des jungen Mannes. Von zierlichen Lederbändchen umfasst, welche sich zu einer zartgliedrigen Sandale vereinigen, zieht er seinen Blicken mit zarter Gewalt an sich, hält in fest. Der Händler spricht weiter, in Amaels Kopf überschlagen sich die drohenden Worte wieder und wieder. "Keiner überlebt die Mienen .. die Mienen sind das Schlimmste, was dir passieren kann ... es ist besser, in der Arena zu sterben, als in den Mienen zu landen..." Er überlegt nicht lange, wirft sich zu Boden, umfasst den schlanken Fuß der jungen Herrin und presst seine Stirn gegen den hellen Fußrücken.
" ... erhielt auch eine umfassende Ausbildung in ..." Die Augen vor Schreck geweitet, blieb Pharasmanes das nächste Wort geradezu im Halse stecken. Einen kurzen Moment hielt ihn die Fassungslosigkeit in ihrem Bann, ehe er mit einem ungelenken Sprung hinter den elenden Sklaven hechtete, welcher in diesem Moment wohl gänzlich die Vernunft verloren und damit auch sein Leben verwirkt hatte, ihn mit aller Kraft an den Schultern packte, von der jungen Herrin fort und auf die Beine empor riß, um sogleich eine schallende Ohrfeige in das hübsche Antlitz donnern zu lassen. Noch in der selben Bewegung kehrte er sich auch zur Flavia um und vollführte eine demütige Verbeugung, um mit seiner weichsten Stimme Schadensbegrenzung zu betreiben. "Herrin, es gibt keine Entschuldigung für das dreiste Verhalten dieses Sklaven. Sei gewiss, er wird die schwerste Strafe für seine respektlose Frechheit erhalten."