Beiträge von Octavia Melina

    Salve,


    da es in meinem Leben derzeit drunter und drüber geht, fehlt mir einfach die Zeit, um überhaupt im IR anzukommen, geschweige denn mich ernsthaft einzubringen. Ich hatte gehofft, dass sich die Situation wieder etwas beruhigt und ich dann wieder ein bisschen mehr Zeit übrig habe, aber dem ist leider nicht so. Das IR ist recht komplex, sodass es - für mich zumindest – nichts ist, was sich halbherzig nebenbei machen lässt. Deshalb habe ich mich entschlossen, Octavia Melina vorläufig ins Exil zu schicken. Das tut mir sehr leid, denn ich finde das Forum hier wirklich toll, aber so macht das zurzeit einfach keinen Sinn. Ich hoffe, es ist kein Abschied für immer, aber das kann ich im Moment einfach nicht einschätzen. Ich hoffe bis bald!

    Aha, die Duccier hatten also einen Sinn für die Handelswelt. Melina lächelte. „Möglicherweise. Bisher hatte ich noch nicht das Vergnügen. Du bist der erste aus deiner Familie, den ich persönlich kennenlerne.“ Genau genommen wusste sie sehr wenig über die Duccier – abgesehen davon, dass sie germanischstämmig waren und eben im Krieg auf der Seite Palmas gestanden hatten. Sie beschloss, diesen Mangel an Wissen erst einmal für sich zu behalten, vielleicht würde sie im Laufe des Gesprächs noch ein paar Sachen in Erfahrung bringen können. Dass sie selbst viel vom Handel verstand, war nur bedingt richtig. Sie konnte feilschen, wenn sie einkaufen ging, das ja. Aber bisher hatte ihr Vater ihr noch keine Betriebe überschrieben. Auch das hatte er erst machen wollen, wenn sie nach Rom ging. Was sie wieder daran erinnerte, dass diese Zukunft, die einst so sicher erschienen war, mittlerweile höchst ungewiss war.


    Allerdings erwähnte der Optio dann, dass Rom „gesichert“ sei. Gesichert im Sinne Palmas meinte er natürlich … aber bei allem Schlechten, was damit für ihre Familie einherging, würde das zumindest über kurz oder lang dazu führen, dass die Unruhen aufhörten und man die Stadt wieder gefahrlos betreten konnte. „Keine schlechte Wahl … Ostia ist zwar nicht Rom …“ Mit diesen Worten schaffte es Melina weltmännischer zu klingen, als sie eigentlich war – denn zu ihrem eigenen Leidwesen kannte sie sich in Rom weniger gut aus als ihr lieb sein konnte. „… aber es gibt auch hier eine Menge zu sehen. Auch abseits diese Marktes hier, der in Friedenszeiten natürlich ein größeres Sortiment zu bieten hat. Einer Wohltäterin wie mir wird es natürlich eine Ehre sein, einen Soldaten fern der Heimat ein wenig herumzuführen. Es sei denn, du hattest bereits andere Pläne?“ Melina wusste selbst nicht, warum sie dem Optio dieses Angebot unterbreitete. Es bedurfte keines vorwurfsvollen Blickes von Selma, um Melina wissen zu lassen, dass sich eine Frau von Stand eigentlich nicht dazu hergab, für einen fremden Soldaten, der noch nicht einmal aus einer befreundeten Familie stammte, Fremdenführerin zu spielen.


    Aber es war eine Mischung aus Reiz und Berechnung, die sie dazu brachte, diesen Vorschlag zu machen. Der berechnende Teil in ihr schlussfolgerte, dass es mit Sicherheit nicht schaden konnte, sich mit einem Mitglied der „Gewinnerseite“ gut zu stellen. Zwar hatte sie keine Ahnung, wie viel Einfluss Ferox tatsächlich hatte, aber er war nun mal hier. Und er hatte für Palma gekämpft. Selbst, wenn er persönlich keinen Einfluss auf den falschen Kaiser nehmen konnte, kannte er eventuell Leute, die es konnten. Und auch, wenn Melina nicht wirklich viel von Politik verstand, war ihr doch zumindest klar, dass die einzige Möglichkeit, die sie hatte, um ihrer Familie zu helfen, jene war, einflussreiche Personen auf die eine oder andere Weise für sich zu gewinnen. Darüber hinaus reizte es sie einfach, etwas zu tun, das sie eigentlich nicht tun sollte. Aus ihrem Käfig zumindest ein wenig auszubrechen. Wann hatte sie sonst schon mal die Gelegenheit, einen Mann kennenzulernen, der ihr nicht von ihrer Familie auf dem Präsentierteller hingeschoben wurde?

    Wie gut, dass Melina eine ausgezeichnete Erziehung genossen hatte – welche unter anderem die Kunst beinhaltete, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, selbst, wenn sie ihr am liebsten entgleisen wollten. Jetzt war so ein Moment, wo sie für diese Fähigkeit auszunehmend dankbar war, denn der Soldat schlug in die gleiche Kerbe wie Nitetis. Wobei Nitetis es nur non-verbal getan hatte und darüber hinaus Melinas Sklavin war, sodass Melina sie ignorieren oder ihr zumindest eine Antwort schuldig bleiben konnte. Bei dem fremden Soldaten würde das wohl hochgradig unhöflich wirken. Allerdings wirkte besagter Soldat, der sich ihr als Lucius Duccius Ferox vorstellte, nicht so … nun ja … kritisch wie Nitetis. Er verstand es immerhin, seine Frage in netten Worten zu verpacken und das Ganze zudem noch mit einem Kompliment zu garnieren.


    Auch die Frage nach seinem fremdländischen Aussehen wurde durch seine Vorstellung gelüftet. Er war Optio in einer Legio in Mogontiacum, also Germanien – und soweit sie wusste, hatten die Duccier germanische Wurzeln, was ihnen, wie sie jetzt feststellen konnte, auch anzusehen war. „Freut mich, Optio, mein Name ist Octavia Melina.“ stellte sie sich ebenfalls vor und fügte dann in scheinbar unbeschwertem Plauderton hinzu: „Du bist weit weg von Zuhause.“ Das Ganze garnierte sie mit einem Lächeln, das ihre Furcht glänzend zu verbergen wusste. Sie hatte ein Gespräch zwischen Vater und einem ihrer entfernten Vettern mitbekommen, bei dem es darum gegangen war, welche Gens welche Seite im Bürgerkrieg eingenommen hatte. Und die Duccier zählten zu den Verrätern, also zu dem Gefolge des Usurpators. Natürlich war Melina nicht so dumm, das Ferox auf die Nase zu binden. Erstens würde sie sich damit nur Steine in den Weg legen und zweitens schien der Optio zumindest bisher ganz nett zu sein – warum also schlafende Hunde wecken?


    Dennoch war sie sich unsicher, wie er wohl seinerseits auf ihren Namen reagieren würde. Also ließ sie ihm gar nicht viel Zeit, die Vorstellung sacken zu lassen, sondern griff stattdessen das Thema auf, das sie eigentlich gerne hätte hintenüber fallen lassen – ihren unkonventionellen Kauf der Schmetterlingsspange. „Und was den Händler betrifft …“ Melinas Blick wanderte kurz zu dem Verkaufsstand, aber der Mann drehte ihr den Rücken zu, sodass sie nicht erkennen konnte, ob ungläubige Dankbarkeit oder ein schadenfrohes Grinsen sein Gesicht zierte. „Vielleicht wollte ich ihn dazu animieren, trotz des … Krieges seinem Gewerbe weiter nachzugehen.“ Das Zögern war minimal, aber hörbar, sodass sie einfach schnell weitersprach. „Ich gebe zu, die Herangehensweise war ungewöhnlich. Aber mir ist es lieber, der Händler hat den Eindruck, ein blendendes Geschäft gemacht zu haben und kommt mit seinen Spangen hierher zurück, anstatt zu dem Schluss zu gelangen, dass sich die Geschäfte zurzeit nicht lohnen. Das ist mir dann auch einen zusätzlichen Denarius wert.“ Sie lächelte – und dieses Mal lag darin etwas leicht Herausforderndes. „Vielleicht bin ich aber auch einfach eine Wohltäterin mit einem Herz für Schmuckhändler. Und du? Was hat dich nach Ostia verschlagen?“


    Warum nicht einfach mal direkt sein? Wer fragte, bekam Antworten. Ob die einem gefielen, stand auf einem anderen Blatt … aber das würde sie gleich feststellen.

    Lange hielt Melinas Schweigen allerdings nicht vor. Selma bohrte auf ihre Antwort hin zwar nicht weiter nach, aber im Grunde genommen brauchte sie das auch nicht. Melina hatte Redebedarf und Selma kannte sie gut genug, um das ganz genau zu wissen. Und auch, wenn die Amme immer den einen oder anderen Ratschlag aus dem Ärmel zauberte – auch wenn, oder gerade weil Melina ihn nicht hören wollte –, war sie eine der wenigen Personen, mit denen Melina offen über alles reden konnte. Die Götter verstanden es zwar ebenfalls, einem den Ballast von den Schultern zu nehmen, aber mit ihnen konnte man nun einmal kein Gespräch führen. Und eine Antwort folgte, wenn überhaupt, in der Regel non-verbal und indirekt. „Wenn dieser ver… dieser Krieg nicht wäre!“ brach es schließlich aus ihr heraus. Ehe Selma dazu etwas sagen konnte, fuhr Melina schnell fort: „Ich weiß, was du sagen willst. Es bringt nichts, sich über Dinge zu beklagen, die man nicht ändern kann, weil Klagen diese Dinge erst recht nicht ändern werden.“ Selma lächelte mysteriös und ließ offen, ob sie so oder anders geantwortet hätte. „Aber ich finde es einfach ungerecht! Wahrscheinlich muss unsere Familie unter den Folgen des Krieges leiden. Und das nur, weil wir das gemacht haben, was man tun sollte … dem Kaiser die Treue halten. Vielleicht darf ich jetzt noch nicht mal nach Rom!“


    Dieser Gedanke empörte Melina besonders. Sie hatte sich so sehr gewünscht, nach Rom zu gehen. Und Vater hatte es auch erlaubt. Erstens sollte seiner Meinung nach jeder Römer in Rom gelebt haben und zweitens würde sie nur dort die Möglichkeit haben, in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Zwar war Ostia kein Provinzkaff wie einige andere Städte, die mittlerweile zum Imperium zählten, aber Ostia war eben auch nicht Rom. Und für Melina – und auch ihren Vater – war es sonnenklar gewesen, dass sie, sobald sie alt genug war, zu ihrer Familie in der römischen Hauptstadt gehen würde. Und jetzt war sie alt genug. Eigentlich hätte sie längst dort sein sollen. Aber der Krieg hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zuerst hatte sie nicht gehen dürfen, weil die politische Situation zu instabil war. Und jetzt durfte sie nicht, weil der Usurpator den Krieg gewonnen und der Name ihrer Familie somit Schaden genommen hatte. Sie hatte gehört, dass morgen einige der Bewohner der octavischen Stadtvilla aus Rom hierher kommen würden. Ihr Verwandter Octavius Victor, ein Senator und damit einflussreicher Vertreter ihrer Gens, war verhaftet worden und saß im Carcer ein. Das musste man sich einmal vorstellen! Das war un-er-hört! Aber Melina wusste auch, dass es nichts brachte, sich darüber zu echauffieren. Das würde auch nichts ändern. Im Gegenteil. Jetzt hieß es eher „Füße stillhalten und warten bis der Sturm vorüber ist“ (eine Haltung, die ihr, nebenbei bemerkt, nicht sonderlich lag). Sie konnte nur hoffen, dass Victor gut behandelt wurde. Immerhin war er ein Senator. Das musste doch irgendwas zählen. Oder?


    „Natürlich darfst du nach Rom.“ Selmas Worte rissen Melina aus ihren Gedanken – worüber sie ganz dankbar war, ansonsten hätte sie sich wahrscheinlich wieder in Rage versetzt. „Irgendwann wird sich die Lage auch wieder beruhigt haben. Und dann gibt es keinen Grund, dich nicht dorthin zu schicken.“ Melina seufzte. „Ja, aber WANN? Das kann ja noch ewig dauern! Sie stecken sogar einen Senator aus unserer Familie in den Carcer! Als ob sich dann noch irgendjemand für ein Mädchen aus der octavischen Gens interessieren würde. Und einen Ehemann werde ich so auch niemals finden …“ Eigentlich war ein potentieller Ehemann für Melina nur von zweitrangigem Interesse. Natürlich wurde von ihr erwartet, dass sie heiratete – und sie wusste auch sehr gut, was ihr Vater meinte, wenn er sagte, sie solle „Teil der Gesellschaft werden“. Aber in erster Linie wollte sie nach Rom, um die Stadt zu sehen. Zu erleben. Sie stellte sich das Leben dort so aufregend vor! Zehnmal aufregender als in Ostia. Mindestens! Und sie wollte die großen Tempel sehen. Vielleicht … durfte sie sogar Priesterin werden.


    Selma ergriff ihre Hand und lächelte. „Du wirst nach Rom gehen. Auch, wenn die Octavier im Moment etwas vorsichtiger sein müssen und dir vielleicht nicht alles in den Schoß fallen wird, heißt das noch lange nicht, dass du all deine Träume über Bord werfen musst.“ Melina war sehr dankbar für den Trost, aber obwohl sie Selma in hohen Ehren hielt, bezweifelte sie, dass ihre ehemalige Amme tatsächlich beurteilen konnte, wie die Lage in Rom aussah. Und wie sich der Ausgang des Krieges auf das Schicksal ihrer Familie auswirken würde. Kurz nagte sie an ihrer Unterlippe. Vielleicht sollte sie versuchen, aus den Leuten, die morgen hier ankamen, etwas heraus zu kitzeln. Sie waren immerhin vor Ort gewesen und würden zumindest irgendetwas wissen. Nitetis könnte sich eventuell in der Dienerschaft umhören. Ja, das war zumindest ein erster Schritt, um an Informationen zu gelangen. In einer Sache hatte Selma Recht – nur, weil die Umstände im Moment gegen sie waren, hieß das noch lange nicht, dass sie ihre Träume zu Grabe tragen musste.

    Melina konnte es Nitetis deutlich ansehen, dass es ihr nicht schmeckte, was sich soeben abgespielt hatte. Ihre Sklavin besaß nicht das Talent, ihre Gefühle unter Verschluss zu halten, sodass Melina in ihrem Gesicht so deutlich lesen konnte wie die Buchstaben auf einem Stück Pergament. Nitetis konnte es absolut nicht begreifen, warum Melina dem Händler den vollen Preis bezahlt hatte. Erstens fand Nitetis wohl nicht, dass jemand so viel Geld für eine Haarspange bezahlen sollte, und zweitens war es ihr offenbar ein Rätsel, warum man erst handelte, um sich dann doch über den Tisch ziehen zu lassen. Sie war weise genug, diese Meinung nicht in Worte zu fassen, aber wie gesagt … das brauchte sie auch gar nicht. Ihre Mimik war ein offenes Buch für Melina. Und auch wenn die Octavia diese … Eigenheit an ihrer Sklavin eigentlich zu schätzen wusste – sorgte diese doch dafür, dass sie stets wusste, woran sie war –, ärgerte sie sich jetzt ein wenig darüber. Denn sie musste nun tatsächlich den Impuls unterdrücken, sich zu rechtfertigen. Dabei musste sie das nicht im Geringsten! Schon gar nicht vor einer Unfreien.


    Melina lenkte sich ab, indem sie den Blick über den Markt schweifen ließ. Auch wenn viele Händler nicht das vollständige Sortiment feilboten und einige Stände ganz fehlten, war viel Betrieb. Offensichtlich waren die meisten Leute, so wie sie selbst, froh, dass nun wieder ein Hauch von Normalität über der Stadt lag – und zögerten nicht, ihren Teil dazu beizutragen, dass das auch so blieb. Das verringerte Angebot erinnerte sie allerdings daran, dass der verlorene Krieg immer noch wie ein Henkersbeil über den Köpfen ihrer Gens schwebte. Der Kaiser war gestürzt worden und der Usurpator hatte den Thron bestiegen. Zwar hatte die Classis Misenensis sich ergeben, sodass Ostia selbst keine Belagerung mehr zu befürchten hatte, aber es könnte immer noch sein, dass jemand auf dem octavischen Gut auftauchen würde, um … den Octaviern zu zeigen, dass sie sich auf die falsche Seite geschlagen hatten.


    Deshalb musste sie auch ein Zusammenzucken unterdrücken, als sich hinter ihr plötzlich jemand räusperte. Sie blickte kurz auf das Stoffpäckchen in ihren Händen – die Schmetterlingsspange – um sich zu sammeln und drehte sich dann langsam um. Vor ihr stand ein Soldat. Er wirkte fremdländisch mit seinen rötlichen Locken – vermutlich war er ein Peregrinus oder ein Eingebürgerter. Sie wusste wohl, dass es auch nicht-römische Soldaten gab – und Legionen in den anderen römischen Provinzen wie Gallien oder Germanien, wo sich einige Menschen aus den Barbarenvölkern das Bürgerrecht erworben hatten. Aber sie konnte von seiner Ausstattung her keine besonderen Schlüsse ziehen, wo sie ihn einzuordnen hatte – dazu verstand sie einfach zu wenig vom Militär. Zwar war ihr Vater auch Soldat gewesen, aber sie selbst hatte sich für das Thema nie sonderlich erwärmen können. Natürlich waren die Soldaten und das gesamte römische Militär der Garant dafür, dass das römische Reich das war, was es jetzt war. Eine Weltmacht, der keines der Barbarenvölker etwas entgegenzusetzen hatte. Und Melina war, wie die meisten Bürger, stolz darauf. Allerdings standen Soldaten auch für den Kampf – und Kampf und Krieg waren etwas, das hässliche Narben auf dem doch größtenteils schönen Antlitz der Welt hinterließ.


    Dieser spezielle Soldat wirkte jedoch nicht unfreundlich oder forsch, sondern eher offen und neugierig. Hätte er sich ihr anders präsentiert – offizieller, militärischer – hätte Melina vermutlich Angst bekommen, dass ihr aufgrund ihrer Familiensituation Übles schwante, so aber kam sie gar nicht auf diesen Gedanken. Im Gegenteil, die doch sehr direkte Ansprache zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Warum habe ich gerade was gemacht, Soldat?“ Sie hatte keine Ahnung, wovon er redete, aber scheinbar hatte irgendetwas an ihrem Verhalten seine Aufmerksamkeit erregt. Oder aber er hatte einfach einen Grund gesucht, sie anzusprechen.

    Melina folgte gedankenverloren mit den Fingerspitzen den Kreisen und Wellen des fein verarbeiteten Metalls, die sich in einem faszinierenden Tanz miteinander verwoben und so ein Bild malten. Ein Bild von einem schlanken Körper, verschnörkelten Fühlern und breiten Flügeln. Die kleinen Rillen, die in das Metall gestanzt waren und dem Schmetterling somit mehr Plastizität verliehen, kitzelten leicht an Melinas Fingerkuppe. „Das ist eine hübsche Spange, Domina.“ bemerkte Nitetis an ihrer Seite. Melina konnte nicht verhindern, dass sie kurz zusammenzuckte. Sie war so in ihre Betrachtung vertieft gewesen, dass sie alles um sich herum vergessen hatte. Einen winzigen Augenblick überlegte sie, ihre Sklavin zurechtzuweisen, unterließ es aber dann. Das hätte nur bedeutet, den schönen Tag mit etwas Unschönem wie einem Tadel zu zerstören – und das wegen einer Lappalie. „Ja, das ist sie.“ bestätigte sie deshalb nur und riss ihren Blick schließlich von der Spange los.


    „Drei Denarii für eine solche Schönheit wie dich, die fast eine von Venus' eigenen Töchtern sein könnte.“ säuselte der Händler. Melina hob den Blick und musterte den alten Mann, dessen Gesicht aussah wie eine vertrocknete Pflaume. Seine weißen Haare standen wirr vom Kopf ab und seine Kleidung schien auch schon bessere Tage gesehen zu haben. Nur die Augen wirkten wach und aufmerksam … eine Mahnung an alle, die dazu neigten den Alten unterschätzen zu wollen. Melina schürzte die Lippen. „Drei Denarii? Auch wenn du dich vortrefflich auf Komplimente verstehst, wissen wir doch beide, dass diese Spange niemals drei Denarii wert ist!“ Das zuvorkommende Lächeln des Händlers wurde eine Nuance weniger strahlend. „Einen Denarius vielleicht ...“ Die Mundwinkel sackten nach unten und Melina hatte den Eindruck, dass die ledrige Haut des Händlers einen etwas bleicheren Farbton annahm. „Ein Denarius!?! Domina, du willst mich wohl ruinieren! Das ist allerbeste Handarbeit! Die drei Denarii sind ein Freundschaftspreis, den ich einer weniger lieblichen Kundin kaum gewähren würde!“


    Melina konnte nicht verhehlen, dass die Worte des Händlers Eindruck hinterließen und sie sich zumindest ein klein wenig geschmeichelt fühlte. Ihr Blick glitt über die Auslage auf dem Tisch vor ihr, die sich relativ spärlich ausmachte. Aber da unterschied sich dieser Stand kaum von den anderen Marktständen. Der Krieg hatte auch hier seine Spuren hinterlassen, und Melina konnte froh sein, dass überhaupt ein Schmuckhändler seine Ware feilbot. Die Schmetterlingsspange wirkte neben dem übrigen Tand tatsächlich wie ein kleines Kunstwerk. Das war wohl auch der Grund, warum sie Melinas Aufmerksamkeit erregt hatte. „Nun gut …“ lenkte sie ein. „Zwei Denarii will ich dir dafür geben.“ „Zwei Denarii und zwei Sesterzen.“ hielt der Händler dagegen. „Und damit treibe ich mich noch selbst in den Ruin.“ Melina lächelte. Irgendwie mochte sie den Mann – und sie konnte nicht umhin, ihn in gewisser Weise zu bewundern. Es musste schwierig sein, in diesen Tagen Luxusartikel wie Schmuck unter das Volk zu bringen. Sie selbst war auch nur deshalb losgezogen, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hatte zu Hause.


    „Gib dem Mann das Geld.“ wies sie Nitetis an. Die Ägypterin begann daraufhin im Geldbeutel zu kramen und die Münzen herauszufischen. „Oder warte … gib ihm seine drei Denarii.“ Der Händler, der begonnen hatte, die Spange in einem Stück Stoff einzuwickeln, blickte sichtbar überrascht auf. Nitetis hielt ebenfalls inne und runzelte ungläubig die Stirn. „Domina …?“ „Tu, was ich dir sage.“ meinte Melina streng und wartete bis Geld und Spange die Besitzer gewechselt hatten. Mit den überschwänglichen besten Wünschen des Händlers ausgestattet, die sich auch auf Melinas Kinder und Kindeskinder erstreckten, setze die Octavia ihren Weg fort.


    Sim-Off:

    reserviert

    Mit einem leichten Kratzen berührten Melinas Sohlen den Steinboden. Sie zog den Umhang, den sie sich noch aus ihrem Cubiculum geholt hatte, enger um die Schultern. Die Nachtluft war kühl um diese Jahreszeit, aber trotzdem angenehm genug, dass man es für eine Weile hier aushalten konnte. Wie ein Geist glitt sie durch den Säulengang des Hortus, ehe sie bei einer Bank innehielt und darauf Platz nahm. Sie fühlte sich … besser, so gut wie schon seit Tagen nicht mehr. Die Zwiesprache mit den Göttern und mit ihren Ahnen hatten eine Last von ihren Schultern genommen, der sie sich selbst gar nicht wirklich bewusst gewesen war. Natürlich war sie in den letzten Tagen sehr reizbar gewesen. Der Bürgerkrieg und seine Folgen, die Ungewissheit, die Gefahr für ihre Verwandten – all das war allgegenwärtig gewesen. Und je näher die Rebellenarmee Roms Toren gekommen war, desto schlimmer war es geworden. Alle Personen in diesem Haushalt waren eigentlich permanent nervös, unruhig und gereizt. Vom Hausherrn bis zum niedrigsten Sklaven gab es kein anderes Thema mehr als den Krieg. Auch für Melina nicht. Bei ihr kam allerdings noch Hilfslosigkeit dazu. Sie fühlte sich hilflos und nutzlos. Es gab nichts, was sie tun konnte. Nichts, womit sie irgendjemandem helfen konnte. Sie saß nur hier und drehte Däumchen. Und das war für sie das Schlimmste von allem.


    Obwohl sie den Krieg und den Kampf nicht sehr schätzte, wünschte sie sich manchmal, ebenfalls ein Soldat zu sein und kämpfen zu können. Dabei ging es weniger darum, in die Schlacht zu marschieren, sondern mehr darum, etwas tun zu können. Ihr wurden ja noch nicht mal Details mitgeteilt. Melina war überzeugt, dass ihr Vater es nur gut meinte. „Mach dir keine Sorgen.“ pflegte er zu sagen, wenn sie ihn nach dem Krieg, nach dem Wohlergehen ihrer Verwandten in Rom fragte. Sie hielt ihm zugute, dass er sie schützen, die unerfreulichen Themen von ihr fernhalten wollte. Und ihr Bruder Caius hatte keine Ahnung. Melina wagte die kühne Behauptung, dass sie mehr über Politik wusste als er. Und das war kein Kompliment, denn sie wusste selbst nicht viel. All das – die Ungewissheit, das Schweigen ihrer Verwandten, die Hilflosigkeit – hatten sie immer gereizter gemacht. Sie hatte sich wie ein Vogel im goldenen Käfig gefühlt. Eingesperrt mit den besten Absichten. Aber trotzdem eingesperrt.


    Melina wusste nicht, ob ihre Gebete von Nutzen waren. Aber es fühlte sich dennoch richtig an, zu beten. Wen das Wohlwollen der Götter verließ, der war verlassen und es brachte wenig, ihren Zorn auf sich zu ziehen. Die Götter waren Wesen, die zu verstehen einem menschlichen Geist kaum vergönnt war, aber eines wusste Melina bestimmt – die Götter schätzten es nicht, ignoriert zu werden. Genauso wenig wie Melina selbst das schätzte. Sie wollte nicht einfach nur eine hübsche Statue sein, mit der irgendjemand irgendwann mal sein Haus schmückte, die vorgezeigt wurde und ihren Zweck zu erfüllen hatte, ansonsten aber … ja ignoriert wurde. Natürlich wollte sie heiraten und Kinder bekommen, sie mochte es auch, sich hübsch zu machen, schöne Kleider auszusuchen, Schmuck anzulegen, ihre Haare zu eleganten Frisuren aufgetürmt zu bekommen. Aber sie wollte … mehr als das. War es vermessen, sich so etwas zu wünschen? War es vermessen, auch einen Beitrag zum weiteren Aufstieg einer großen Nation leisten zu wollen, der über das Gebären von potentiellen Senatoren, Soldaten, Händlern oder Rechtsgelehrten hinausging? Vielleicht lag es daran, dass sie ohne Mutter aufgewachsen war und ihre Amme und die weiblichen Sklaven ihren Gedanken keine Grenzen auferlegt hatten. Melina wusste es nicht, aber es stand fest, dass es so viele Dinge gab, die sie sehen und erleben wollte … und die befanden sich nicht nur in ihren eigenen vier Wänden.


    „Na Kind, was sitzt du denn hier in der Dunkelheit und Kälte?“ Melina schreckte aus ihren Gedanken auf und entdeckte Selma, ihre alte Amme, die neben der Bank stand und sie anblickte. Ihr runzliges Gesicht, das im Schein einer kleinen Lampe gebadet war, die Selma mitgebracht hatte, war zu einem freundlichen Lächeln verzogen. Doch ihre Augen, die Melina so gut kannte, drückten Besorgnis aus – und eine andere Frage, die sich hinter jener verbarg, die Selma laut gestellt hatte: „Alles in Ordnung?“ Melina rutsche ein wenig zur Seite, sodass die alte Frau sich setzen konnte. Sie war eine der wenigen Dienerinnen, denen Melina so ziemlich alles gestattete. Was vermutlich daran lag, dass Selma sie mehr oder weniger groß gezogen hatte. Sie war mehr wie eine Großmutter, denn wie eine Dienerin. „Ich musste mal an die frische Luft …“ „Ich hab’s drinnen nicht mehr ausgehalten.“ hatte sie eigentlich sagen wollen. Aber sie verkniff es sich. Denn dann würde vermutlich eine zwar freundlich verpackte, aber dennoch eindringliche Ermahnung folgen, dass es nichts brachte, ungeduldig zu werden. Und das war etwas, dass sie zurzeit nicht hören wollte. Noch nicht einmal von Selma.

    Melina studierte das Altarbild und ihr Blick folgte dem gewundenen Leib der Schlange bis zum Kopf des Tieres mit seinem leicht geöffneten Maul. Ihre Gedanken verweilten allerdings nicht bei dem kleinen Gemälde, sondern wanderten weiter zu ihren Ahnen, den Seelen ihrer verstorbenen Vorfahren, bei denen sie sich am ehesten Hilfe für die Zukunft der octavischen Gens erhoffte.

    „Ihr Lares Familiares, meine Ahnen, Beschützer unseres Hauses und unserer Familie, ich bitte euch, hört mich an. Ich komme nur mit kleinen Gaben zu euch, doch mein Wunsch, zu euch zu sprechen war so groß, dass ich es nicht länger aufschieben möchte. Uns, euren Söhnen und Töchtern, Nichten und Neffen, Brüdern und Schwestern, Kindeskindern und Kindeskindeskindern, ist Fortuna zurzeit nicht hold. Wir haben uns bemüht, eurem Vorbild zu folgen und von eurer Weisheit zu lernen. Doch unsere Zukunft verdüstert sich, unser Name hat an Glanz verloren. Deshalb bitte ich euch, haltet eure Hand über uns. Beschützt jene, die den Rebellen in die Hände gefallen sind, auf dass ihnen kein Leid geschehe …“

    Melina stockte. Sie wusste nicht, ob ihre Worte gut gewählt waren. Natürlich huldigte sie den Göttern und auch den Geistern regelmäßig, aber es war lange her, dass es um ein Thema solcher Dringlichkeit gegangen war. Als Kind hatte sie oft um Schutz für ihren Vater gebeten, aber als Kind hatte sie sich auch keine Gedanken darum gemacht, ob ihre Worte nun richtig oder falsch waren. Aber sie vermutete, dass den Lares ihrer Familie auch daran gelegen sein musste, ihrer Familie beizustehen. Unabhängig davon, ob die Bitte dafür hochgeschliffen oder eher unbeholfen vorgetragen wurde. Deshalb beschloss sie, es einfach dabei zu belassen und beendete ihr Gebet mit dem Versprechen, dem kleinen Opfer heute weitere folgen zu lassen.

    Melinas Hände sanken auf ihre Knie herab und sie hob den Blick wieder zum Altar. Auch zu den Göttern wollte sie sprechen, aber hierfür die richtigen Worte zu finden war ungleich schwerer als zu den Schutzgeistern. Sie fingerte an ihrem Armreifen, einem schönen Schmuckstück aus Silber mit kleinen roten Steinen. Fast ein wenig zögernd streifte sie ihn schließlich vom Handgelenk. Wenn sie zu den Göttern sprechen wollte, musste sie wohl auch etwas Entsprechendes bieten. Kuchen und Räucherstäbchen reichten dafür nicht aus … wenn man etwas Bedeutsames gegeben haben wollte, musste man auch einen angemessenen Preis dafür zahlen. Sinnierend betrachtete sie den Armreif. Er war kein passendes Opfer für Mars, welcher in dieser Situation wohl der passende Ansprechpartner gewesen wäre. Stattdessen wandte sie sich an diejenigen Göttinnen, mit denen sie sich verbunden fühlte:

    Iuno – Mutter, Königin, heb deine schütz’nde Hand
    Und tritt nach vorne, Königin, im prächtigen Gewand
    Wenn Bruder gegen Bruder zieht
    Und Freund im Freund den Feind nur sieht
    Sichte, schlichte – richte nicht, webe der Versöhnung gold’nes Band.

    Minerva – der Weisheit Streiterin, die du stehst im Licht
    Zeig uns den Weg und leite uns, gib uns klare Sicht
    Wenn Zorn entfacht in heißer Glut
    Und Straßen werden rot von Blut
    Denke, schenke – lenke uns, gib dem Verstand Gewicht.

    Venus – Schönste, tanz für uns, so viel kannst du uns geben
    Schenk uns Freude, Liebe, Lust, lass uns nach Schönem streben
    Wenn größer wird die Gier nach Macht
    Und Sohn dem Vater Leid gebracht
    Singe, klinge – bringe schnell, Frieden in unser Leben.


    Diesem Wunsch nach Frieden folgten einige persönliche Worte, die um Schutz für die Octavia in diesen turbulenten Zeiten baten. Besonders ihrer Verwandten in Rom gedachte Melina, die in besonderer Gefahr schwebten.

    Die kühle Nachtluft tat das Ihre und Melinas aufgewühltes Gemüt beruhigte sich wieder ein wenig. Es brachte nichts, hier herumzutoben. Das ziemte sich nicht für eine Octavia. Selbst, wenn sie ein gutes Recht dazu hatte. Fand sie zumindest. Aber Vater würde es nicht gutheißen, wenn sie sich so aufführte. Und es würde auch an ihrer Situation nichts ändern. Das Schlimmste war, dass sie nach wie vor nichts Genaues wusste. Rom war gefallen, diese Nachricht hatte sie mittlerweile erreicht, aber was war mit ihrer Familie? Melina wusste, dass sie dem Kaiser die Treue gehalten hatten. Was würde jetzt mit ihnen geschehen, wenn die Rebellen das Zepter in die Hand nahmen? Galten die Octavia dann als Verräter? War es tatsächlich so einfach von einem loyalen Diener des Kaisers zu einem Verräter am eigenen Volke zu werden? Wo war da die Gerechtigkeit? Lag die Entscheidung, wer im Recht und wer im Unrecht war, einzig und allein in der Hand jener, die ihren Willen mit Waffengewalt durchsetzen? Wie konnte jemand den Kaiser ermorden und dann seinen eigenen Kandidaten auf den Thron setzen, ohne von Iustitias Hand erschlagen zu werden?


    Melina schüttelte sich kurz. Es brachte nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Sie wusste einfach zu wenig von allem. Und selbst, wenn sie wütend über das Schweigen ihres Vaters war, mutmaßte sie doch, dass selbst er viele Dinge einfach nicht wusste. Weil er hier war und nicht in Rom. Und wenn sie ehrlich war, war sie froh darüber, denn wäre er in Rom gewesen, würde sein Kopf genauso in der Schlinge stecken wie der ihrer übrigen Verwandten, die in der Hauptstadt residierten. Caius hatte gesagt, dass die Götter schon für Gerechtigkeit sorgen würden. Aber war dem tatsächlich so? Melinas Ansicht nach war das nicht so einfach. Es gab zu viele verschiedene Götter, die zu viele verschiedene Dinge begehrten. Mars liebte den Krieg und würde jenen seine Gunst schenken, die mit der Waffe umzugehen verstanden und in seinem Namen auf das Schlachtfeld marschierten. Unabhängig davon, ob diejenigen im Recht waren oder nicht. Und wer wusste schon, ob Cornelius Palma nicht beispielsweise ein Liebling Iupiters war, der unter seinem Stern geboren mit seiner Gunst ausgestattet seinem Ziel – dem Kaiserthron – entgegen zog. Nein, sich einfach nur zu wünschen, dass die Götter für Gerechtigkeit sorgten, würde diese ebenso wenig herbeiführen, wie das Zermatschen von Weintrauben. Aber zumindest konnte man versuchen, die Götter günstig zu stimmen.


    Melina verließ ihr Cubiculum, um genau das zu versuchen. Sie würde damit nichts am Weltgeschehen ändern, aber vielleicht könnte sie dafür sorgen, dass die Götter ihr zumindest einen Bruchteil ihrer Aufmerksamkeit widmeten. Und das wiederum könnte bewirken, dass ihren Bitten schneller Gehör geschenkt wurde. In ihren Händen hielt sie Räucherstäbchen und zwei kleine Kuchen, die sie sich hatte bringen lassen, aber aufgrund ihrer Gemütslage dann doch nicht gegessen hatte. Es war ein eher mickriges Opfer, aber sie bezweifelte, dass man sie in der augenblicklichen Situation nach Ostia in den Tempel lassen würde. Nein, sie würde mit den Werkzeugen arbeiten müssen, die sie hatte. Der Hausschrein war zum Glück verwaist, Melina hätte es nicht gefallen, hier jetzt jemanden anzutreffen, der sie von ihrem Vorhaben ablenkte. Auf dem kleinen Altar lagen bereits einige Gegenstände, meist Nahrungsmittel, aber auch zwei Ringe und ein Sträußchen vertrockneter Kräuter. Melina schaffte sich ein wenig Platz und positionierte ihre kleinen Opfergaben so, dass das Arrangement ansprechend für das Auge war. Dann entzündete sie die Räucherstäbchen und sah dabei zu, wie sich der Rauch leicht kräuselnd in Richtung Zimmerdecke schraubte. Der typische Geruch nach Weihrauch breitete sich aus und erfüllte Melina mit einer seltsamen Ruhe, die sie sonst nur im Inneren eines Tempels empfand. In einer fließenden Bewegung ließ sie sich auf die Knie sinken und hob die Hände zum Gebet.

    Mit einem Knall pfefferte Melina die Schriftrolle auf den Tisch. Hätte sie jemand gefragt, hätte sie nicht sagen können, was im Namen der Götter sie da eigentlich gelesen hatte. Ihre Gedanken waren ganz woanders – sie waren nicht bei der Schriftrolle, sie waren noch nicht mal in ihrem Cubiculum oder auf dem octavischen Gut, sondern einige Meilen entfernt in den Städten Rom und Ostia. Natürlich hatte sie von dem Bürgerkrieg gehört, denn es war quasi unmöglich, hier zu wohnen und nichts davon mitzubekommen. Zunächst hatte es geheißen, sie müsse sich keine Gedanken machen, der Usurpator habe nicht den Hauch einer Chance und seine Truppen würde vermutlich nicht einmal Italia, geschweige denn Rom selbst erreichen. Das war aber dann schon alles an guten Nachrichten gewesen, danach war es erst langsam, dann in immer halsbrecherischerem Tempo bergab gegangen. Cornelius Palma und seine Getreuen waren nicht nur in Italia einmarschiert – oh nein. Sie waren bis nach Rom gelangt und hatten die Stadt schließlich eingenommen. Die Hauptstadt des Imperiums war somit den Rebellen in die Hände gefallen!


    Melina stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu laufen. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag und bestimmt auch nicht zum letzten Mal. Sie wusste nichts Genaues über diesen Krieg. Vater sagte ihr ja nichts und auch die anderen, die eventuell etwas wissen könnten, hielten sich in ihrer Gegenwart bedeckt. Vielleicht wussten sie selbst nicht viel, aber vermutlich meinten sie, dass dieses Thema nicht für Frauenohren bestimmt war. Dabei litten Frauen genauso oder sogar mehr unter den Folgen eines Krieges! Wie konnte man behaupten, dass sie das Ganze nichts anging?!? Wütend schnappte sich Melina eine Schale mit Weintrauben und knallte sie mit aller Kraft gegen die Wand. Die grünen und roten Trauben vereinigten sich zu einem unappetitlichen Mus und rutschten der Erdanziehungskraft folgend nach unten, während die Schale den außerplanmäßigen Flug noch recht gut überstanden hatte und lediglich in zwei Hälften gebrochen war. Das passte Melina überhaupt nicht. Sie wollte etwas kaputt machen, verflixt noch mal! Deshalb ging sie hin, hob die beiden Tonhälften auf, betrachtete sie kurz sinnierend und zerschmetterte sie dann mit voller Wucht auf dem Boden.


    In diesem Moment ging die Tür auf und ihre Sklavin Nitetis betrat den Raum. Mit großen Augen studierte sie das Malheur, das sich ihr in Form von massakrierten Weintrauben und einer in ihre Einzelteile zerlegten Schale bot. Ehe Melina sie anschreien konnte, dass sie sich gefälligst verziehen sollte, trat die Ägypterin freiwillig den Rückzug an. Melina schnaubte kurz. Sollten die Lemuren sie doch alle holen! Die Octavia trat zu ihrem Fenster, lehnte sich an die Wand und schaute hinaus. Es wurde bereits dunkel und die Sklaven huschten über den Hof, um alles für die Nacht vorzubereiten. Alles wirkte so schrecklich … normal. So als wäre in Rom nicht gerade etwas Furchtbares passiert. Was würde jetzt aus ihnen werden?

    Salve, ich bin beim Servercrash auch im Datennirvana verschwunden und möchte mich wieder anmelden :):


    Name: Octavia Melina
    Stand: Civis
    Wohnort: Roma
    Vater: Lucius Octavius Scato
    Mutter: Hirtia Callista
    Patria Potestas: Lucius Octavius Scato