Beiträge von Sosander

    Da war nicht viel zu holen. Alte Tunika, die Sandalen wirkten als hätten sie schon ihre dritten Sohlen, der hatte wohl grade genug für einen Feierabendtrunk. Sosander senkte wieder den Blick auf seinen eigenen Becher. Er könnte sich morgen in einer neuen Gegend nach Arbeit umsehen. Das hatte bis jetzt noch immer gelappt. Die Werkzeuge hatte er noch nicht verkauft, so verzweifelt war seine Lage zum Glück nicht. In beinahe jedem Haushalt gab es Reparaturarbeiten, die besser mit Fachkenntnis gemacht werden sollten. Vielleicht sollte er sich mal in der wohlhabenderen Gegend umsehen? Sosander tippte mit dem Finger gegen seinen Becher. Mehr zu holen, aber vielleicht hatten sie Sklaven für diese Arbeiten. Ein Versuch war es wert.


    Die Zeit verging. Da sich Sosander sicher war, morgen gutes Geld zu verdienen, entschloss er sich bald einer der Würfelrunden beizutreten. „Kommt schon! Ein Pasch! Ein Pasch!“, beschwor er die Würfel, warf und… tatsächlich zwei Zweier! Seine Gegner stöhnten, er jubelte. „Ha! Fortuna ist mir heute wohlgesonnen! Das schaffst du nie im Leben!“ Verbissen griff der Nächste nach den Würfeln und murmelte seine eigene Beschwörung. Sosander konnte nicht genau hören was er sagte, doch es versagte ohnehin. „Du bist raus! Dein Einsatz… danke!“ Mit einem breiten Grinsen wandte sich Sosander seinem einzig verbliebenen Gegner zu. „Ich wisch dir das Grinsen schneller vom Gesicht, als du Fortuna sagen kannst!“ „Fortuna!“ „Oh, wir haben hier einen Witzbold, was? Das lachen wird dir noch vergehen!“ Der Mann sah nur zu bereit aus seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Stumm dankte Sosander den Göttern dafür nicht mit seinen eigenen Würfel gespielt zu haben, sonst könnte das hier noch viel leichter schiefgehen. „Mach deinen Wurf, wir werden alle nicht jünger!“ Mit einem tiefen Grollen legte der Mann vor, 31, mehr als machbar. Sosander warf locker eine 52 und schob die Würfel wieder seinem Gegenüber zu. Im Hintergrund hörte er, wie kleine Wetten auf den Ausgang dieser Runde abgeschlossen wurden. 54. Das war knapp, aber es reichte. Sosander atmete tief durch. Locker aus dem Handgelenk! „Pasch!, Pasch!“, beschwor er die Würfel. Doch es wurde nur eine 62. Sein Gegner nahm die Würfel wieder auf und irgendwie wurde es Sosander leicht ums Herz. Im nächsten Moment lag dort eine 53. „Fortuna, ich liebe dich!“, jubelte Sosander und reckte die Fäuste in die Luft.

    „Losgelöst und ohne Sorgen, kein Gedanke an den Morgen…“, brummte Sosander über seinem Becher. Das fröhliche Lied troff vor Sarkasmus. Gut möglich, dass er sich morgen Abend keinen Wein würde leisten können, seine Börse hing bedenklich leer unter seiner Tunika. Mit trüben Augen blickte er sich in der Taverna um. Es war zu früh am Abend für Würfelspiele. Das hieß nicht, dass nicht schon gewürfelt wurde, Sosander hatte lediglich noch kein Interesse einzusteigen. Je später der Abend, umso betrunkener die Gäste. Je betrunkener die Mitspieler, umso leichter fiel es zu gewinnen. Und gewinnen musste er, sonst könnte er sich schon heute Abend nichts mehr leisten. Jetzt hieß es wohl langsam trinken, abwarten und beobachten. Vielleicht würde sich ja noch ein passendes Opfer finden.


    „…Zur Freude soll Musik erklingen, wer noch kann soll dazu singen...“, ging das ach so fröhliche Lied weiter. Ein Instrument hätte er lernen sollen! Mit einer Flöte konnte man sich leichter durchschnorren. Jeder verstand dass Musiker Durst bekamen. Frauen mochten Musiker ebenfalls lieber. Vielleicht sollte er sich als Sänger probieren… Doch seine Ohren schmerzten schon vom eigenen gebrummten Lied. Dafür war er jetzt auch zu alt. Mit Mitte zwanzig hatte er sich ganz woanders gesehen! Diese Gedanken spülte er rasch mit einem tiefen Schluck herunter. Die Tür ging auf. Sosander schielte von seinem einsamen Platz am Rand den neuen Gästen entgegen.