Beiträge von Roscillus Vestralph

    Es wurde eine seltsame Nacht. Heute könnte ich schwören, die dunkelhäutigen Fremden und ich hätten von Anfang an die selbe Sprache gesprochen. Natürlich stimmt das nicht. Aber Blicke und Gesten können vieles von dem ersetzen, was das bloße Wort nur umschreibt. Wenn man sich darauf einlässt, und das habe ich. Düfte waren das Geschäft der Männer. Genauer gesagt, getrocknete Blüten, Essenzen und Öle, von denen sie kleine Proben mit sich führten, die sie mir stolz unter die Nase hielten. So trat die Liebe zu den Düften in mein Leben. Woher sie kamen, wollte ich wissen, die Düfte und die Männer. Aufs Geratewohl nannte ich ein paar mir bekannte Ortsnamen. Caesarea? Bostra? Palmyra?


    Bei jedem meiner Vorschläge winkten sie lachend ab. Einer der Fremden, Behram, wie ich noch erfahren sollte, wiederholte den Namen ihres Heimatortes so lange und geduldig, bis selbst ich ihn aussprechen konnte. Charax Spasniu. Mit den Händen sanfte Wellenbewegungen beschreibend, machte Behram mir verständlich, dass jener Ort am Meer lag. Auf meine Frage, an welchem Meer, zeigte Behran nur unbestimmt gen Osten, lachte und starrte zum wiederholten mal auf meine Fußlappen. Vielleicht, dachte ich, kennt man an den östlichen Meeren diese Form der Fußbekleidung nicht. Behran trug wie alle anderen hohe leichte Sandalen. Als ich im Gegenzug anerkennend auf sein Schuhwerk zeigte, war er zuerst verdutzt, dann unsicher, schließlich zog er sich eine der Sandalen aus und roch daran. Nun erst begriff ich seine Seitenblicke. Peinlich berührt wollte ich meine Fußlappen abwickeln, aber das erschrockene Zurückweichen der freundlichen Männer aus Charax Spasniu ließ mir keine andere Wahl als zum Brunnen hinüber zu gehen, das Schuhwerk auszuziehen und mir erst einmal die Füße gründlich zu waschen. Das wiederum löste allgemeine Begeisterung aus, und als man mir zur Belohnung meiner Mühen eine dampfende Keule Gebratenes überreichte, wurde mir plötzlich klar, dass ich auf einem guten Weg war, neue Freunde zu finden.

    Als es dämmerte, war ich unerwartet dankbar für Solon's gefütterte Paenula, denn es wurde kühl. Zwar überstiegen die abendlichen Temperaturen in dieser seltsamen Weltgegend die eines germanischen Sommermorgens noch immer beträchtlich, aber schweißverkrustet, müde und niedergeschlagen wie ich war legte sich die herannahende Nacht wie eine eisige Hand auf meine Glieder. Mein Zorn war zu einer trotzigen Glut niedergebrannt, die mich eher frösteln ließ als mich zu wärmen. Aber die Angst auf die ich mich vorbereitet hatte, wenn die Wut mich nicht mehr zu schützen vermochte, blieb aus. Im Grunde war dies hier alles so grotesk und widersinnig, dass ich mich weniger davon bedroht fühlte als vielmehr schlecht unterhalten. Wie die gigantische Kulisse eines grausam undurchdachten Gauklerstückes kam mir diese Stadt vor. Voll von aberwitzig gewandeten Statisten und völlig überfrachtet mit allerlei schrillem Schnickschnack: Unfassbar hässliche Lasttiere mit dem schwankenden Gang von Schwachsinnigen, kettenbehängte muskelstrotzende Kerle so schwarz und hoch wie verkohlte Baumstämme, grell bemalte dunkle Schönheiten in wehenden Gewändern aus einem Stoff, der lichter war als meine Körperbehaarung. Zu fremd, zu übertrieben war dies alles, um mich wirklich ängstigen zu können. Möglich, dass ein Teil meiner überraschenden Selbstsicherheit auf Solons Geldbeutel zurückzuführen war. Den Hungertod brauchte ich in nächster Zeit nicht zu fürchten und sogar eine Überfahrt zurück nach Italia war mit dem Geld denkbar. Was mich von der Rückreise abhielt? Schwer zu sagen. Zum einen gehörte das Geld nicht mir, obwohl ich schon der Meinung war, dass Solon mir etwas schuldete für den verdammten Brei, den er mir da zusammengerührt hatte. Zum anderen wusste ich hier wie dort nicht, wohin. Italia war mir kaum vertrauter als Alexandria, niemand erwartete mich dort, niemand kannte mich. Vielleicht war auch mein Ehrgeiz angestachelt, diesen obskuren Vocula tatsächlich aufzustöbern. Das allerdings gestaltete sich noch schwieriger als ich befürchtet hatte. Mein Latein war nicht das allerbeste, aber in einer römischen Stadt wäre ich damit relativ problemlos über die Runden gekommen. Nur war das hier keine römische Stadt. Auf einen Römer kamen zwei Griechen und noch ein halbes Dutzend anderer Volksstämme, von denen allein Wodan wissen mochte, woher sie kamen, schlechtes Griechisch hätte mich hier weiter gebracht als mittelmäßiges Latein.


    So war es auch kaum verwunderlich, dass am Abend meines ersten Tages in Alexandria noch nichts erreicht war. Weder am Hafen noch auf den Märkten oder in den Straßen hatte mir irgendjemand weiterhelfen können. Keiner schien je etwas von einem Phrylus Vocula gehört zu haben. Mit zunehmender Dämmerung hatte ich nach nichts anderem mehr gesucht als nach einem geeigneten Ort für die Nacht. In einer Taberna unterzukommen war mir angesichts der Temperaturen nicht zwingend notwendig erschienen, und so war ich schließlich an diesen abgelegenen Platz auf der Nordseite der Stadt gelangt. Neben einem alten Brunnen waren bereits kleinere Gruppen von Männern um knisternde Feuerstellen versammelt, Sprache und Aussehen nach allesamt ganz augenscheinlich weder Römer noch Griechen. Feurige Blicke aus dunklen Augen loderten an mir seit ich mich zu einer Gruppe von fünf Männern in etwas Abstand ans Feuer gesetzt hatte. Ich war diesen Fremden offensichtlich ebenso wenig geheuer wie sie mir, was mich seltsamerweise sofort für sie einnahm. Da saß ich nun also. Unter fremden Sternen, unter den Ästen fremder Bäume, unter mir völlig fremden Menschen.

    Wäre ich nicht so wütend gewesen, ich hätte meinen Ahnen Schande bereitet und es mit der Angst zu tun bekommen. So aber betrachtete ich meine Lage durch den berauschenden Nebel des Zorns. Wodan trieb also sein Spiel mit mir. In den offensichtlich fremdesten Winkel Midgards hatte er mich ausgespien um sich an meinem Kampf gegen den Untergang zu ergötzen. Das konnte er haben, daran hatte ich nichts auszusetzen. Was mich mit Wut erfüllte war nicht der Götterwille selbst, unsinnig damit zu hadern, sondern der perfide Spielzug Wodans, diesen schmierigen Misthaufen Attalus Solon zum Vollstreckungsgehilfen zu wählen. Den Göttern war nichts anzuhaben, wohl aber ihren menschlichen Gehilfen, und nichts und niemand hätte mich daran hindern können, meinem Patron den Schädel vom Hals zu reißen, wenn ich ihn nur in die Finger bekommen hätte. Solon aber saß mittlerweile sicher im kühlen Schatten irgendeines Carcers und sann darüber nach, wie er sich diesmal aus der Klemme reden würde. Ich hingegen ließ mich von der widernatürlich heißen Sonne dörren und wusste nicht wohin.


    Geh zu Phrylus Vocula hatte Solon mir zugeraunt bevor die Miles ihn abgeführt hatten. Sag ihm, er soll das Lager räumen und einen Advocatus kaufen oder sich sonstwas einfallen lassen. Und vergiss deine Sachen nicht. Welches Lager? Wer und wo war Vocula? Und warum meine Sachen? Das waren nicht meine Sachen! Was sollte ich mit zwei Wolltunicae und einer gefütterten Paenula in dieser brüllenden Hitze? Noch dazu in einer Größe, die vielleicht zierlichen Römern oder Griechen passen mochte, nicht aber einem grobschlächtigen Obelisken wie mir, der sogar für einen germanische Verhältnisse außerordentlich hoch aufgeschossen war.


    So wütend wie ziellos stampfte ich durch Trauben erschrockener Arbeiter über die Mole und wühlte schnaubend in „meinen Sachen“. Als ich gerade im Begriff war, den ganzen wertlosen Plunder einfach ins Hafenbecken zu werfen ertastete ich einen harten Lederbeutel in den Falten des Mantels. Ohne große Erwartungen löste ich den Riemen und spähte hinein. Aus dem abgegriffenen alten Beutel drang der matte Schimmer von Denari und Aurel. Bei allen Asen! Da war doch tatsächlich der Geldbeutel des schrägen Vogels in „meine Sachen“ geraten! Ich empfand das als nur zu gerecht angesichts des Ärgers, den ich Solons wegen am Hals hatte. Vielleicht würden mich die Münzen wenigstens so lange über Wasser halten bis ich diesen Vocula aufstöberte. Das allerdings erschien mir mehr als zweifelhaft. Vor mir türmte sich die größte Stadt auf, die ich je gesehen hatte, und die Absicht, dort nach einem einzelnen Mann zu suchen, von dem ich nicht mehr wusste als seinen Namen erschien mir geradezu geisteskrank. Laut vor mich hin fluchend raffte ich „meine Sachen“ zu einem griffigen Bündel zusammen und stapfte in Richtung der Stadtmauern, die sich hinter den Hafenbauten fahl aus dem Dunst hoben.

    Ich danke dir Marcus Tiberius Magnus. Welchen Unterschied es doch macht, wenn man sich nüchtern gegenübertritt.


    Eile tut wirklich nicht Not - nicht mehr. Wenn man sich erst die Fußlappen in den Anus gestanden hat, kann man schon nicht mehr umfallen. ;)

    Nullum erit tempus hoc amisso!


    Pssst, Marcus Tiberius Magnus. volo me excusatum tibi!
    Hast du noch Wache? Ich bin’s nochmal.



    Nach reiflichen Überlegungen bei dünnem Tosca und frischer Waldluft bin ich zu einigen reuigen Einsichten gelangt:
    I. Mäßig vorbereitet zu werke zu gehen, trägt selten Segen.
    II. Lesen macht schlauer.
    III. Immer liebenswürdig bleiben.
    IV. Allein in den Wäldern zu hocken ist auch nicht das wahre …


    So hätte ich also mit folgendem hoffentlich idiotensicheren Profil aufzuwarten:


    Name: Roscillus Vestralph
    Stand: Peregrinus
    Wohnort: Alexandria


    Na komm, gib dir einen Stoß. Hab ich mir alles ganz alleine ausgedacht. Toll, gib’s zu. 8)

    Longa mora est nobis omnis, quae gaudia differt!


    Tja Leute. Ich mach mich dann mal wieder zurück über den Rhenus - zuhause ein wenig Unruhe stiften. Wir sehen uns in der Spätantike. ;)

    Nun gut.
    Da meine Herkunft (väterlicherseits) ohnehin nicht geklärt- und mir mein wirklicher Name Wunnibald etwas peinlich ist, würde ich zu Ehren meines Onkels (mütterlicherseits) den Namen Criton vorschlagen.


    Ich fasse zusammen:


    Name: Aulus Criton
    Stand: Peregrinus
    Wohnort: Mogontiacum


    Erscheint euch dies akzeptabel?

    So sei es denn.
    Man ist wer man ist.
    In meinem Fall also:


    Aulus Valerius
    Peregrinus aus Mogontiacum in der Provincia Germania Superior.


    Tja, es wird recht schwer werden ohne Hilfe. Andererseits soll es ja auch Familien geben, die einem alles andere als hilfreich sind, und für eine militärische Laufbahn gibt es schließlich immer noch die Auxiliartruppen.

    Den Göttern sei's gedankt, der bacchantische Falerner-Nebel scheint sich zu lichten. Wenn mir meine Sinne nicht völlig abhanden gekommen sind, was durchaus gelegentlich vorkommt, bin ich tatsächlich Aulus Valerius - offenbar Bürger aus Mogontiacum - zumindest so lange, bis mir jemand etwas anderes beweist.
    Möge mich meine Familie, die mich sicher schon seit den Iden vermisst, wieder einmal in ihrer Mitte willkommen heißen.
    In diesem Sinne - bene te!

    Seid gegrüßt!


    Mein Name ist Aulus Valerius - so viel steht zumindest fest.


    Da man mir neben ausgeprägter Zerstreutheit auch eine gewisse Unerfahrenheit mit neuen Gebräuchen nachsagt, bin ich für Orientierung und Nachsicht ausgesprochen dankbar. Bringt mich zu Bett, damit ich weiß, wo ich aufwachen muss.