Au, jetzt muss ich aber schleunigst ins Exil, sonst fall ich noch durch den Rost.
Also einmal das (vorläufige) Exlilium bitte. Dankeschön.
Beiträge von Medis Aculeus
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Nach der Rasur winkte Medis Vitu hinter sich her in den noch menschenleeren Schankraum.
„Bring uns ein paar Früchte und heißen Gewürzwein.“ wies er Loukia beiläufig an. Kaum dass sich die beiden Daker an ihren Tisch gesetzt hatten, schlurfte Bredica die stumme Küchenhilfe verschlafen durch die Vordertür, nickte den Männer am Tisch verschüchtert zu und verschwand eilig in der Coquina.„Augenringe wie Karrenräder.“ stellte Medis mit einem tadelnden Blick auf Vitu fest. „Du solltest ihr mal ein Nacht Verschnaufpause gönnen, sonst klappt sie uns demnächst zusammen. Loukia hält große Stücke auf sie, also reiß dich zusammen.“ Vitu grunzte gehorsam. „Und wenn wir gerade dabei sind ..“ Ungehalten schlug Medis den Gehstock gegen ein Tischbein. „Was war das vorhin für eine verdammte Sauerei? Das Gequieke war bis ins Cubiculum zu hören! Hab ich einen Profi vor mir oder einen Vollidioten?“
Vitu wand sich brummend auf seinem Stuhl. „Wir .. dachten, sie ist ohnmächtig .. und es wäre nicht nötig, sie zu ..“ „IHR dachtet?“ schnitt Medis ihm wütend das Wort ab. „Der einzige, der von euch zu denken hat, bist du! Und du hast offensichtlich gar nichts gedacht!“
„Nein, Decurio.“ gab Vitu kleinlaut zu. Bredica brachte das frugale Lentaculum herbei und flüchtete sofort wieder nach hinten.
„Na gut.“ knurrte Medis mit kaltem Funkeln im Blick. „Ich weiß, dass sowas nie wieder vorkommen wird. Das weiß ich doch, oder?“
„Ja, Decurio.“Fast lautlos kamen die beiden Frauen herein, öffneten die Läden und begannen, die polierten Vertiefungen der Theke mit Wein und Gemüse zu befüllen. Draußen wurde es hell. Bald würden die ersten Gäste in die Caupona drängen.
„Iss jetzt! Und dann geh runter und kümmert dich um unsere Schützlinge.“
„Ja, Decurio.“ -
Ob er wach war? Naive kleine Griechin. Als ob Medis sich jemals auch nur eine Minute Schlaf gestattet hätte solange fremde Menschen um ihn waren. „Mach Wasser heiß.“ sagte er unbewegt ins Dunkel.
Wach? Seine Sinne waren angespannt wie ein Skythenbogen. Entfernten sich die Vigiles draußen? Es hörte sich so an. Also hatten sie den Schrei nicht gehört, und das bedeutete, dass er nicht aus dem Durchgang zum Pferdestall gekommen war, sondern aus dem Haus. Höchstwahrscheinlich aus dem Abgang zur Cella.Reglos registrierte er das Quietschen der Tür zur Coquina. Als Loukia weg war, schwang er sich wütend aus dem Bett und massierte sein Bein. Einer der heimkehrenden Männer hatte also Mist gebaut. Ohne Zweifel dieser hirnlose Dula. Ware ins Haus zu schleppen, während die Vigiles durch die Gasse patrouillierten, nicht zu fassen! Fluchend griff Medis nach seine Kleidern. Vitu würde sich drum kümmern müssen. Er trug die Verantwortung.
Das lauter werdende Rumoren in der Coquina ließ das Geschnarche im Nebenraum verstummen. Medis Onkel war erwacht. Sicher durstig wie immer. Vitu würde sich auch um Disabithus kümmern müssen, wenn der sich nicht endlich zusammenriss. Was für ein weicher weibischer Römer doch aus dem einst so stolzen Daker geworden war. Frau und Geschäft waren ihm weggenommen worden, na und? Medis hatte man weit mehr genommen als das.
Als er die Tür zur Coquina öffnete, drangen ihm dichte Schwaden von Gemüse, Marinaden und Soßen entgegen. Einzig mit seiner Gattin hatte Disabithus einen guten Griff getan. Loukia war eine göttliche Köchin, und nicht nur das. Bei weitem nicht nur das.
„Hol Vitu her.“ seufzte Medis müde und ließ sich auf einem Hocker nieder. „Er soll mich rasieren.“
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Medis schob sich nachdenklich ein paar Pinienkerne zwischen die Zähne und beobachte dabei die junge Frau vom Vortag, die sich tatsächlich wie von Vitu prophezeit wieder an den Ständen eingefunden hatte, um ihrem verstohlenen Handwerk nachzugehen. Auf Vitus Urteil war Verlass, das wusste Medis. Hätte er daran gezweifelt, wären sie heute nicht noch einmal in die Via Biberacta zurückgekehrt. Aber es hatte alles seine Grenzen. Sollte Vitu in der Zwischenzeit herausgefunden haben, dass seine Neuentdeckung für eine organisierte Bande arbeitete, würden sie das anmutige Kleinod wohl besser ziehen lassen. Talent hin oder her.
Kaum hatte er der Diebin bei einem geschickten Manöver zugesehen, nahm er auch schon Vitus massige Gestalt im Gedränge wahr. Dessen zufriedenes Gesicht bedeute dann wohl, dass die junge Frau alleine arbeitete.
„Was hab ich dir gesagt, Decurio.“ grinste Vitu.
„Gut, ich gebe dir Recht. Das Mädchen ist etwas Besonderes. Zu schade, um als gewöhnliche Straßendiebin zu enden. Dennoch ..“ mit abschätzendem Blick sah er der vielversprechenden Römerin nach bis sie in der Menge verschwunden war.„Du kannst ihr nicht durch die ganze Stadt folgen. Wir sind hier noch nicht fertig.“
Mit einer lässigen Handbewegung tat Vitus Medis Bedenken ab.
„Das muss ich auch nicht. Ich weiß jetzt, wo sie lebt. Möglicherweise ist sie ja zu überreden.“Medis sah Vitu kaltlächelnd an. „Wenn du meinst.“ Vielleicht sollte er Vitu gestatten, bei seinen nächtlichen Fangzügen noch einmal nach dem begabten Mädchen zu schauen.
„Ich denk drüber nach, Vitu. Aber jetzt müssen wir weiter. Wir dürfen uns nicht von einer einzigen strahlenden Blume den Blick auf den ganzen Garten trüben lassen.“
„Jawohl Decurio.“Nickend schwang Medis seinen Gehstock und ging voran. In erster Linie suchten sie nach den blassesten Blüten des Gartens, den bleichen Töchtern der Kelten und Germanen, groß, stolz, kräftig und selten.
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[Blockierte Grafik: http://oi65.tinypic.com/v4s3fl.jpg]| Vitu Zilas
Vitu ließ sich sein Entzücken nicht anmerken. Da war sie wieder. Endlich. Scheinbar zu Tode gelangweilt löste er sich aus dem düsteren Hauseingang schräg gegenüber der Insula, in der die diebische Schönheit vor einer knappen Stunde verschwunden war. Es hatte sich also doch gelohnt, der jungen Frau unauffällig nach zu gehen. Sie war wohl wirklich ein Profi wie er bereits vermutet hatte, und brach nun höchstwahrscheinlich zu ihrem nächsten Raubzug auf.
Wenn du dir so sicher bist, dann geh, hatte der Decurio gesagt. Und ob er sich sicher gewesen war. In gebührendem Abstand schlenderte Vitu der Diebin langsam hinterher. Ein wenig heikel war die Sache schon, zum einen musste er nach dem Decurio Ausschau halten, zum anderen durfte er das anmutige Täubchen nicht aus den Augen verlieren. Aber schlussendlich war auch er ein Profi und hatte schon viel unübersichtlichere Situationen gemeistert. Auch wenn das eingeschüchterte Personal der Caupona ihn ausschließlich als Mörder betrachtete, war Vitu weit mehr als nur das. Er war ein Jäger, ein Sammler, ein kreativer Geist. Ja, imgrunde war er ein Künstler. Der Decurio wusste das, wofür der Rest der Welt ihn hielt, war ihm völlig gleichgültig.
Lächelnd beschleunigte er seine Schritte. Das emsige Bienchen schien in das Angebot eines Straßenhändlers vertieft. Ganz hervorragend. So konnte er unbemerkt einige Schritte gut machen. Als er fast auf gleicher Höhe war, konnte er schließlich erkennen, was sie da erworben hatte: Ein kleines Messer. Wunderbar. Jedes Bienchen brauchte einen Stachel und jede Rose einen Dorn.
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Nach einer enttäuschenden Ausbeute in Trans Tiberim hatten Medis und Vitu ihre Erkundungsgänge allmählich auf weitere Viertel der Urbs ausgedehnt. Das etwas abgelegene Handwerkerviertel war zwar der ideale Standort für die Caupona selbst, nur leider tummelten sich dort fast ausschließlich Peregrini aus den östlichen und südlichen Grenzregionen des Imperiums. Einem syrischen Handelspartner syrische Ware anzubieten bedeute Eulen nach Athen zu tragen. Je exklusiver die Kundenwünsche, desto langwieriger der Auswahlprozess.
Den Augen eines Laien boten die Häuserschluchten der Urbs Aeterna sicher ein kaum überschaubares Überangebot an anmutigen jungen Frauen und Mädchen. Für einen kundigen Geschäftsmann aber gestaltete sich die Suche nach erlesener Ware in Roma ebenso schwierig wie in Salona, Pisaurum oder anderswo. Medis war dennoch guter Dinge. Durch die täglichen Massagen war sein Bein schon viel beweglicher geworden und die gemächlichen Sondierungswanderungen durch die Stadt taten ihm zusätzlich gut. Festina lente, sie brauchten nichts zu überstürzen.
„Siehst du das, Dekurio?“ riss ihn Vitu plötzlich aus seinen Gedanken.
Medis sah sich kurz in dem ausgedehnten Ladengebäude um und erfasste schnell, was Vitu meinte. In einem Pulk aufgedrehten Pöbels, der sich um zwei plärrende Sklavenweiber versammelt hatte, angelte eine dunkelhaarige junge Frau sehr fingerfertig nach einem Korb, der mit Sicherheit nicht ihrer war.
„Was denkst du? Jung, schön, talentiert, arbeitet offenbar selbstständig.“
„Schon richtig.“ antwortete Medis nachdenklich. „Aber allem Anschein nach Römerin. Keine Exportware.“„Gut, also nichts für die Cella. Aber vielleicht was für’s Obergeschoss?“
Vitu ließ sich nicht beirren. Seine nervigste Charaktereigenschaft, eine verblüffend sture Zielstrebigkeit, war gleichzeitig einer seiner größten Stärken. Vitu betrachtete ihm völlig fremde Frauen mit dem Blick des Bildhauers für seinen Marmorblock. Wo andere nur das Offensichtliche sahen, erblickte er bereits das künftige Kunstwerk.„Nun ja, vielleicht.“ lenkte Medis ein. "Sehn wir mal, ob sie sich da ungeschoren rauswindet.“
Belanglos plaudernd traten die beiden Daker etwas näher an den lärmenden Haufen und die hübsche kleine Diebin heran. -
Medis und Vitu gönnten sich ein ausgedehntes Lentaculum. Das erste mal seit Tagen. Die Übernahme der Caupona war so gut wie reibungslos von statten gegangen, sie hatten allen Grund, sich endlich etwas zurück zu lehnen. Die Geschäftsbücher waren abgearbeitet, erste Änderungen in der Organisation erfolgreich durchgeführt und die Bediensteten auf Kurs gebracht worden. Ausgesprochen zufrieden wanderte Medis Blick über die voll besetzten Tische. Der Laden lief. Es hatte sich über die Jahre offensichtlich herumgesprochen, dass die Gäste der Caupona Aluta nicht wie andernorts verdünnter Tresterbrei und angegammelte Speisen erwarteten, sondern frisch gelieferte Ware, die obendrein mit zuvorkommender Freundlichkeit serviert wurde. Sogar die vergleichsweise gehobenen Preise schienen der zahlreichen Stammkundschaft den Genuss nicht verderben zu können.
Sein Onkel hatte hier einmal gute Arbeit geleistet. Bedauerlich, dass ihm nach und nach der Sinn für das Hauptgeschäft abhanden gekommen war. Medis wäre grundsätzlich nicht abgeneigt gewesen, den erfahrenen Wirt mehr in den Betriebsablauf einzubeziehen, aber seit der Übernahme durch den Neffen verbrachte Disabithus seine Tage vorzugsweise damit, schweigend in der Küche zu sitzen und kaum verdünnten Rotwein in sich hinein zu schütten. Schade. Loukia, Disabithus junge Frau verhielt sich da schon kooperativer. Ein genießerisches Schmunzeln entspannte Medis Züge. Oh ja, weit kooperativer. Unter diesen Umständen war er sogar bereit, großzügig über Loukias griechische Herkunft hinweg zu sehen, einstweilen zumindest. Tja, die Griechen ..
„Wo hast du eigentlich den Kadaver dieses Iraklis entsorgt?“ fragte Medis den kauenden Vitu ohne wirkliches Interesse. Vitu erledigte seine Aufgaben immer zuverlässig und ohne viel Aufhebens davon zu machen.
„Das willst du gar nicht wissen, Dekurio.“ entgegnete der schmatzende Bär denn auch knapp.
„Nein, nicht wirklich. Ist da noch Platz für mehr?“
„Aber sicher.“ grinste Vitu breit während er sich ein paar Käsewürfel einverleibte. „Übrigens, wann gehts ans Frischfleisch?“
„Sobald ihr den Umbau der Cella abgeschlossen habt. Wie stehts da unten?"
„Fast fertig. Zanus ist ein verdammt geschickter Handwerker, nur Dula kann rein gar nichts. Muss ständig in den Arsch getreten werden.“
Medis nickte wissend. Da musste alsbald Abhilfe geschaffen werden. „Ist mir auch schon aufgefallen. Bei der Auswahl des Peronals hatte Disabithus kein sehr geschicktes Händchen. Aber gut, eins nach dem anderen. Wenn wir fertig gegessen haben, werden wir mal in Ruhe das Angebot von Trans Tiberim sondieren. Was hältst du davon?“ Statt zu antworten schlang Vitu die Reste seines von Honig tropfenden Fadenbrotes hinunter, stürzte einen halben Krug Milch hinterher und rülpste zustimmend. „Also, ich bin satt. Von mir aus kanns losgehn.“ -
Medis ließ seinem Onkel Zeit. Saß ihm mit tropfendem Mantel schweigend gegenüber. Hörte sich ohne Regung an, was er zu sagen hatte, und das war eine Menge. Von unermüdlichem Einsatz erzählte Disabithus, von all dem Geld und dem Herzblut, das er in das Geschäft gesteckt und all den Kontakten, die er angebahnt hatte. Mit bitterer Stimme berichtete der Wirt von regelmäßigen Bränden, Schlägereien, Razzien und allen möglichen anderen Katastrophen, die stets aufwändige Renovierungen nach sich zu ziehen pflegen. Über aufmüpfige Huren ereiferte sich Disabithus ebenso wie über den Undank der Familie. Das Bild, das er dabei von sich entwarf, entsprach einem grundehrlichen bescheidenen Menschen, dessen harte Arbeit vom Schicksal einzig mit Kummer und Not entlohnt worden war. Medis wusste es besser. Trotzdem hörte er zu, wenigstens so viel Respekt hatte der Bruder seines Vaters verdient. Mehr aber nicht. Wie zu erwarten gewesen war, redete sich Disabithus allmählich in Rage.
„Hast du vergessen, wie es hier ausgesehen hat? Fünfzehn Jahre ist das her! Zehn davon waren nichts als Mühsal! Der Rest hat mich auch nicht reich gemacht! Dafür hab ich heute ein Dutzend Nutten und Bedienstete, die treu zu mir stehen und nochmal so viele Stammkunden, die sich blind auf meine Diskretion verlassen! Das Nest, mein Söhnchen, in das du dich setzten willst, habe ich aus meinen besten Jahren gebaut und gepolstert!“
Die Tür ging auf und Vitu stolperte völlig durchnässt mit dem Gepäck in die Caupona. Medis nahm die Pause, die durch Vitus Erscheinen entstanden war zum Anlass, dem uneinsichtigen Gejammer seines Onkels ein Ende zu setzen.
„Das ist Vitu, Onkel. Mein Begleiter. Und nun zu deinen Ausführungen.“ Medis beugte sich etwas vor. „Du hast von Geld geredet. Das ist gut. Darum geht’s. Wessen Geld hast du hier investiert, wenn ich fragen darf? Deins? Nein. Wohin sind die Gewinne geflossen? In die Tilgung deiner Schulden? Nein. Hat mein Vater dir all das Geld überlassen, um es bei den Rennen zu riskieren? Sicher nicht! Du hast hier etwas geleistet, das ist nicht zu übersehen. Aber man hat dich nicht mit dem Aufbau dieses Geschäftes betraut, um dich und deine Kunden fett und dekadent werden zu lassen! Du Narr glaubst, deine Bediensteten stünden treu zu dir? Die stehen zu dem, der sie bezahlt, und das bist nicht länger du! Dir gehört hier kein einziger Dachbalken! Und seit wann stellen wir Griechen bei uns ein?“
Disabithus war der Schweiß ausgebrochen. Gut möglich, dass er in blinder Wut aufgesprungen wäre, hätte ihn nicht Medis letzte Frage aus dem Konzept gebracht.
„Iraklis? Na und? Ein besserer Mann findet sich weit und breit nicht. Er kann mit den Büchern umgehen und hat vermutlich schon mehr Kämpfe gewonnen als du und dein seltsamer Begleiter zusammen!“
Medis lehnte sich müde wieder zurück. Dieser Tag wollte einfach kein Ende nehmen.
„So? Meinst du? Nun, seinen letzten scheint er allerdings verloren zu haben. Oder, Vitu?“
Vitu warf die nassen Bündel ab, kam langsam zum Tisch herüber und kramte unter seinem Mantel herum. „Haushoch.“ Breit grinsend brachte er die Halskette mit dem großen Schlüssel zum Vorschein und legte sie vor Medis auf den Tisch. Disabithus starrte entsetzt zur Ladentür, dann auf Vitu und schließlich zu seinem Neffen. Medis nahm den Schlüssel gelassen an sich. „Du kannst deinen natürlich behalten, Onkel. Wo ist übrigens deine Frau? Ich hatte noch nicht die Ehre. Ist sie nicht auch Griechin?“Aus Disabithus Gesicht wich alle Farbe. Kraftlos und grau sank er in seinem Stuhl zusammen. Medis dagegen stemmte sich zufrieden auf die Beine.
„Ich sehe, das Wesentliche ist geklärt. Wir öffnen morgen früh zur üblichen Zeit. Über dein künftiges Gehalt reden wir, nachdem du mir alles gezeigt hast, Onkel Disabithus. Wenn du uns jetzt zu unseren Zimmer führen könntest, wir haben einen anstrengenden Tag hinter uns.“ -
Als sie die Caupona des Disabithus endlich erreicht hatten, war der Sturm längst losgebrochen. Eisiger Schneeregen wurde vom Wind durch die Gassen gejagt, das vorher schon düstere Abendlicht war von den schwarzen Sturmwolken gänzlich verschluckt worden. Medis hatte Mühe gehabt, sich zurecht zu finden. Seit seiner Kindheit war er nicht mehr hier gewesen, Trans Tiberim hatte sich verändert. Einige der alten Häuser waren abgerissen und der Grund neu bebaut worden, andere hatten sich durch den bescheidenen Wohlstand der Besitzer in ansehnliche Insulae verwandelt. Die heulende Dunkelheit des Sturms hatte das ihre dazu getan, Medis die Orientierung zu erschweren. So waren sie zunächst an der Caupona Aluta vorbei getrabt. Erst am Ende der Gasse hatte er den Irrtum bemerkt und sein Pferd gewendet.
Nun hämmerte Vitu energisch an die verschlossene Tür, während sich Medis das Gebäude betrachtete. Sein Onkel hatte aus dem einst windschiefen einstöckigen Schuppen wirklich etwas gemacht in den vergangenen Jahren. Zwei Stockwerke waren hinzu gekommen, die Fassade war sauber verputzt und zweifarbig getüncht worden, zur Gasse hin durchbrachen breite Fenster die Ziegelmauer. Faul war Disabithus nie gewesen. Nur leichtsinnig und undiszipliniert was die Rückzahlung seiner Darlehen betraf.
Die Tür wurde aufgerissen. Vor ihnen stand ein grauhaariger Berg von einem Kerl. Narben im Gesicht und an den Armen, die kräftigen dunklen Finger bis zum ersten Glied mit Ringen besetzt. Ein schimmernder Reif zierte den muskulösen rechten Arm, um den breiten sehnigen Hals baumelte ein großer Schlüssel. Medis warf Vitu einen finsteren Blick zu. Das war nicht sein Onkel. Das war ein verdammter Grieche.
„Wir wollen zu Disabithus!“ brüllte Vitu gegen den Orkan an.
„Wer will zu ihm?“ brüllte der Grieche drohend zurück.
Medis nahm fluchend den Stock vom Pferd. „Medis Aculeus!“ schrie er dem Griechen zu, während er auf ihn zu humpelte. „Ich werde erwartet! Das weißt du ganz genau! Nicht wahr?“
Der graue Athlet musterte die späten Gäste mit deutlicher Abneigung im Blick, drehte sich dann aber widerwillig um und winkte ihnen zu, ihm zu folgen. Medis schlug ungehalten den Gehstock gegen den Türrahmen.
„Einen Moment, Grieche! Du zeigst meinem Begleiter, wo er unsere Pferde unterstellen kann!"
Der Grieche wirkte wenig begeistert, sich in den Sturm hinaus begeben zu müssen. Nach einem erneute Schlag gegen den Türrahmen fügte er sich aber. „Um die Ecke.“ brummte er Vitu zu und ging voraus. Vitu blickte Medis fragend an. Der nickte knapp und ging dann ins Haus.
Die Caupona war spärlich beleuchtet und menschenleer. Nur an einem der hinteren Tische saß schweigend ein älterer Mann mit dünnem grauen Haar und zerfurchten Zügen. Medis hinkte müde auf den Tisch zu.
„Chaire Onkel.“
Disabithus erwiderte den Gruß nicht. Er sah nicht einmal von seinem Becher auf, den er mit beiden Händen umklammerte. Medis ließ sich auf einen Stuhl fallen, legte sein Bein auf einen anderen. Schwieg. Wartete ab. Nach einem tiefen Zug aus dem Becher blickte Disabithus seinen Neffen schließlich feindselig an. „Da bist du also ..“
„Ja, da bin ich.“
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„Hab Dank, Miles.“
Medis konnte das Misstrauen des Soldaten deutlich spüren. Berufskrankheit. Er kannte das. Auch er hatte schon Wache geschoben. Am Hister. In einem früheren Leben.Auf Medis Zeichen hin verschnürte Vitu die Bündel wieder auf den Pferderücken. Mit zusammen gebissenen Zähnen hinkte Medis zu seinem Reittier, schob den Stock unter das Bündel und saß auf. Wie gerne hätte er sich in die nächsten Thermen begeben, das Bein massieren, sich einölen und treiben lassen. Vielleicht morgen. Der heutige Abend war seiner neuen Wirkungsstätte vorbehalten, und dort würden sie nicht gerade freudig empfangen werden. Mit einem knappen Nicken lenkte er sein Pferd am Wachposten vorbei hinter Vitu her durch das Stadttor.
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„Waffen?“
Medis riss empört die Augen auf.
„Aber nein! Wir entstammen einem Volk aus friedlichen Händlern und Handwerkern. Waffen sind unsere Sache nie gewesen. Wir haben nur ein paar Decken und Reiseproviant dabei. Vitu, zeig den Milites unser Gepäck.“Vitu nickte stumm, nahm ihre Bündel von den Pferden und schnürte sie auf. Wind und Dunkelheit nahmen zu. Medis pelzverbrämter Mantelkragen war völlig durchnässt und wärmte kein bisschen. Beim Zalmoxis, er hasste es, aufgehalten zu werden. Erst recht bei diesem Wetter. Sein Bein brachte ihn um und obwohl er todmüde war, hatte er heute noch so einiges zu klären. Aber die Kontrolle ließ sich nicht umgehen. Auch wenn es schwer fiel versuchte Medis freundlich zu bleiben und hob die Arme um sich durchsuchen zu lassen.
„Sollte euch euer Weg einmal nach Trans Tiberim führen: Caupona Aluta, etwa zwei Stadien südwestlich der Brücke. Für die verdienten Angehörigen der städtischen Truppen wird dort immer ein Extrakrug bereit stehen."
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„Was? Soll ich erst antworten oder absitzen?“ knurrte Vitu gereizt.
Das war kein Gesprächston, der in dem vierschrötigen Hünen Wohlgefallen auslösen konnte. Medis fing den ungehaltenen Blick seines Begleiters auf und deutete ihm mit einem unauffälligen Handzeichen an, der Anweisung Folge zu leisten, was der schließlich auch tat. Er selbst zog seinen Gehstock aus dem dünnen Gepäckbündel, stieg vom Pferd und hinkte mit einem betont höflichen Lächeln zu dem kontrollierenden Miles hinüber.
„Entschuldige Miles. Mein Freund ist es nicht gewohnt, Fragen zu beantworten. Ich bin Medis Aculeus und gedenke, die Caupona meines Onkels in Trans Tiberim zu übernehmen. Unsere letzte Reiseetappe war Pisaurum. Ursprünglich kommen wir aus Cumidava."
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Früh am Abend erreichten sie endlich die Stadttore der Urbs Aeterna. Gerade noch rechtzeitig. Am westlichen Himmel braute sich etwas zusammen. Kein Reisewetter. Die Schlange vor den Toren war kürzer als erwartet aber immer noch lang genug, um ihre erhitzten Reittiere auskühlen zu lassen.
Medis musste sich zusammen reißen. Der Ritt hatte ihm bei weitem mehr zugesetzt als seinem durchtrainierten Begleiter, außerdem ließ dieses nasskalte Wetter die alten Wunden schmerzen. Vor allem sein linkes Bein fühlte sich nach der anstrengenden Reise noch steifer an als sonst. Vitu dagegen machte das alles nichts aus. Von seiner riesenhaften bärtigen Gestalt schienen selbst die Elemente zurückzuweichen.
Als sie schließlich an die Reihe kamen, lenkte Vitu sein Pferd langsam an Medis vorbei auf die Wachposten zu. Sein dumpfer Bass klang kehlig durch den Vollbart:
„Salve Milites. Medis Aculeus und Vitu Zilas. Wir möchten passieren.“
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Beim Zalmoxis, das ging aber schnell!
Vielen Dank!
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Salvete Cives, Peregrini et Servi,
ein entwurzelter Peregrinus bittet um Einlass.
Angestrebtes Profil:
Name: Medis Aculeus
Stand: Peregrinus
Wohnort: Roma