Vielleicht mochte er rein äußerlich recht unbeteiligt wirken, doch in seinem Inneren sah es ganz anders aus. Es gab auf der Welt wohl niemanden, den ein anstehender Verkauf, mit all seinen Ungewissheiten über die eigene Zukunft, gänzlich kalt ließ. In Onatas stieg die Nervosität immer mehr, doch er wollte sich auch nicht von dem Anblick, den der Markt bot abwenden. Noch immer betrachtete er aufmerksam die vorbei Gehenden. Ein Mann fiel ihm dabei besonders auf: Eindeutig Römer in einer stattlichen militärischen Aufmachung. Er mochte wohl ein höheres Tier bei den Prätorianern sein. Ganz so genau kannte Onatas sich nicht damit aus. Er bemerkte nur, dass der Römer ihm eindringliche Blicke zuwarf und generell nicht wirklich unfreundlich wirkte. Würde er ihn kaufen wollen? Der Syrer rang nach Atem und versuchte sich, seine eigene Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, denn diese führte letzten Endes doch nur dazu, dass man furchtsam anfing zu schlattern. So unglücklich seine Situation auch sein mochte, er wollte einen guten Eindruck machen und ein glückliches neues Heim finden, in dem es sich auch als Sklave leben ließ. Wer sollte einen schon nehmen, wenn man am ganzen Leib bebte und zitterte? Der Mann hatte sich noch einmal nach ihm umgedreht, ehe er sich dann an Polycles wendete. Was gesagt wurde konnte der Syrer von seinem Standpunkt aus nicht verstehen, doch wollte er das wirklich? Nein, wollte er nicht und sollte sich der Römer wirklich für ihn interessieren, würde er es früher oder später sowieso erfahren.
In die wohl sortierten Gatter des Sklavenhändlers war unterdessen Bewegung gekommen. Glaucus und Pyrrus waren ausgeschwärmt und holten zwei Sklavinnen herbei. Eine Germanin und eine Ägypterin. Letztere hörte auf den Namen Nefertiri, von der anderen wusste er so gut wie nichts. Selbst wenn man bei ein und dem selben Händler weilte, so kannte man seine Leidensgenossen nicht unbedingt gut. Sicherlich fiel das ein oder andere Wort, doch im Grunde war jeder mehr oder weniger allein mit seinen ureigenen Problemen und Sorgen. Den Namen der Ägypterin hatte er sich nur behalten, weil sie ihm diesen genannt hatte und er wusste, dass sie eben aus Ägypten kam. Er selbst war in Alexandria geboren und aufgewachsen und verstand auch ihre Sprache. Vielleicht schweißte das nicht unbedingt zusammen, doch es brachte einen näher und war Anlass für ein kurzes, kleines Gespräch gewesen. Die beiden Sklavinnen wurden zu der jungen, römischen Dame gebracht. Onatas Blicke waren wieder zu dieser hinüber geschwenkt. Sie schien sich angeregt mit Polycles unterhalten zu haben. Offenbar suchte sie weibliches Personal. Verwunderlich eigentlich, denn in den Augen des Sklaven waren es doch gerade diese kleinen Ladies, die mit einem goldenen, verzuckerten Löffel an den Lippen in die Welt geboren waren und denen es eigentlich an nichts fehlen sollte. Erst recht nicht an Dienern. Andererseits boten gerade diese Erlauchten oftmals ein angenehmes Heim. Eines, welches man wohl nicht unbedingt mit dem seines ersten Herrn aus Alexandria vergleichen konnte. Dort war alles eher spartanisch gewesen und eine Sänfte für die Damen kam dem Nero nie ins Haus, denn er war der Auffassung gewesen, dass zu einem gesunden Leib auch zwei gesunde Beine gehörten.
Viel Zeit zum Sinnieren blieb allerdings nicht und das wollte er auch gar nicht. Kurz betrachtete sich Onatas den Sklaven, der nahe bei ihm im Gatter stand. Auch er wirkte gespannt und beobachtete das Geschehen um sie herum. Der Syrer meinte, dass es sich um einen Griechen handeln musste. “Es geht ganz schön an die Nerven, hm?“ sprach er ihn dann an. Doch er erwartete im Grunde nicht wirklich eine Antwort und wurde sich erst nachdem er die Worte ausgesprochen hatte bewusst, dass sie nur dazu dienten, ihn selbst abzulenken. Denn gerade kam Polycles höchst persönlich auf das Gatter zu und öffnete die Tür. Onatas nickte nur auf die Worte hin, dass er sich benehmen möge. Natürlich hatte er sie gehört und er würde schon nichts Dummes anstellen. Zumindest nicht, sofern dies in seinem Einflussbereich lag. Somit ließ er sich am Arm über den kleinen Platz hin zu der römischen Patrizierin zerren, vor der bereits die anderen Sklavinnen standen. Hatte sie wirklich Interesse an ihm bekundet? An ihm? Schon einen kurzen Moment später, streckte sie ihre Hand aus und berührte seinen Oberarm, der zwar weniger von Training, sondern viel mehr von körperlicher Arbeit gestählt war. Onatas hörte, was der Händler über ihn sagte. Er war zwar kein Kämpfer, doch was nicht ist konnte noch werden? Er schluckte unwillkürlich und fragte sich augenblicklich, als was Polycles ihn angepriesen hatte. Als einen Gladiatoren?
Nein, doch nicht. Offenbar suchte die Dame nur einen Begleiter, was die Sache auch nicht besser machte, denn der Syrer mochte es nicht unbedingt die Verantwortung für irgendjemanden oder irgendetwas zu haben. Nicht weil er es rigoros ablehnte, sondern weil am Ende immer etwas dabei zu Bruch ging. Als der Preis von Zweitausendfünfhundert Sesterzen fiel, weiteten sich seine Augen etwas und er konnte nicht anders, als Polycles erstaunt anzuschauen. Sein Faut Pas fiel ihm aber sofort auf und er senkte seine Blicke sogleich wieder. Beinahe zu spät, denn der griechische Händler machte sich auf und davon, hin zu einem anderen Kunden, den Onatas als den römischen Offizier identifizierte. Nun stand er also vor der römischen Lady, welche seinen Namen zu wissen wünschte. Ihre Stimme klang nett, wenn auch sehr jung. Doch wie sollte es anders sein, denn immerhin war sie ja auch jung. Onatas schätzte sie auf vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre. “Man nennt mich Onatas, Herrin,“ gab er dann folgsam zur Antwort und hob sein Augenmerk wieder ein wenig, um ihr entgegen zu blicken. Sie war wirklich schön anzuschauen, wie sie so herausgemacht war. Ihr Haar glänzte in der Sonne und rotblonde Locken fielen ihr über die Schultern. Unwillkürlich und ohne es zu merken, stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. “Es ist noch immer der Name, den mein erster Herr mir gab.“ Eigentlich war diese Bemerkung unnötig und vielleicht auch dreist, doch er hatte die Idee, nun doch noch etwas sagen zu müssen. Vielleicht eine schlechte Idee, denn immerhin konnte nun die doch wirklich noch sehr junge Dame auf die Frage kommen, wie viele Herren er schon hatte und warum er sich nun nicht mehr in ihrem Besitz befand. Wie dumm. Onatas atmete noch einmal tief durch und blickte ihr tapfer lächelnd entgegen.