Beiträge von Vera

    Die Dunkelheit kündigte sich an als ich auf dem Weg zurück zu Roxana war. Es wurde ruhiger in der Gasse und die Meisten strebten mir entgegen zu ihren Wohnungen. Mein Bündel begann in die Schulter zu schneiden und dazu protestierten jetzt auch meine Füße. Der Tag war lang und ereignisreich. Einzig das Glücksgefühl hielt mich aufrecht und trieb mich voran zum Kräuterstübchen. Auch dort schien Ruhe eingekehrt zu sein. Nichts mehr zu sehen von den herum wuselnden Kaufwilligen. Düfte lagen schwer in der Abendluft und kitzelten in meiner Nase. Vorfreude auf die angekündigten Würstchen breitete sich als Knurren im Magen aus. Erst jetzt verspürte ich Hunger obwohl ich außer einen Apfel über den Tag nichts weiter zu mir genommen hatte. Die Spannung stieg und Neugier machte sich breit auf das neue Leben und was es Alles bringen würde.
    Hilfsbereit wie schon zuvor nahm ich mir eine der Kisten und trug sie ins Innere. Bin zurück! Mein Rufen sollte nicht zu überhören sein.

    Das mit der Hilfe für Roxana hatte wirklich gut geklappt. Ich konnte mich ein wenig umsehen und auch die anderen Angestellten kennenlernen. Alle waren freundlich und ich kam mir nicht vor als bin ich die mit Skepsis beäugte Rothaarige. Zum ersten Mal ohne dieses Gefühl ein Teil einer Gemeinschaft zu sein gab mir Rückenhalt und so stand ich in der Taverne mit meinem Bündel und sah mich nach dem dicklichen Alten um. Es hielten sich wie bereits den Tag vorher wenig Gäste auf.
    Einen Augenblick später erschien der Kerl und wieder fielen mir die fleischigen Finger auf. Er streckte sie mir fast gierig entgegen und ließ sich die vereinbarten Münzen in die Hand zählen. Der Preis war nicht gerade als niedrig zu bezeichnen. Länger hätte ich mir den Luxus kaum leisten können. Zufrieden und ein wenig euphorisch klingend bedankte ich mich nochmals für die Gastlichkeit. Offen ließ ich die Frage seinerseits nach meinen Plänen. Als Antwort zwinkerte ich nur geheimnisvoll. Lächelte knapp zum Gehen bereit und mit einem Salve! auf den Lippen.

    Mit der schnellen Antwort hatte ich so nicht gerechnet. Sie ließ mich erneut stehen bleiben und umwenden mit Blickkontakt zu Roxana. Und zweifellos war die Freude auch nicht zu übersehen. Meine Lippen formten sich zu einem überbreiten Lächeln und die Augen strahlten mit der Sonne um die Wette.
    Das ist wundervoll! Den lauten Jubel deutete ich deshalb auch nur mit einem Hüpfer an um die Anwesenden nicht zu verschrecken. Auch das dabei tänzelnde Bewegen der Hüften war nicht zu übersehen was die Freude noch extra unterstrich. Wenn es dunkel wird bin ich wieder hier und erst einmal erfülle ich deine Bitte und bin jetzt Kisten holen. Nun rannte ich aber wollte ich doch vor dem Abend noch so viel als möglich helfen und danach in die Taverne mein Bündel holen und meine Schulden begleichen.

    Mein Blick hellte sich merklich auf und meine Braunen begannen wie immer bei freudigen Ereignissen zu leuchten. Hört sich gut an und natürlich bin gerne dabei und hol dir noch Kisten aus dem Lager. Wie ich sehe wird hier jede helfende Hand gebraucht.
    Das Kribbeln in meinen Fingern deutlich spürend sah ich mich noch einmal aufmerksam um. Die Auswahl war riesig und die Düfte berauschten bereits meine Sinne. Viele Kaufwillige tummelten sich und wählten teilweise mit Bedacht aber auch nach meinem Dafürhalten eher unwissend.
    Wieder an Roxana gewandt wurde mein Blick etwas nachdenklicher. Ein Problem brennt mir noch auf den Nägeln bevor ich die Finger beuge. Eine leichtes Zwinkern begleitete meine Worte. Kennst du eine günstige Bleibe hier in der Nähe? Derzeit bin ich in einer Taverne untergekommen wo eher Männer ihr Haupt betten und ich als Rothaar nicht den besten Eindruck hinterlasse.
    Nun war auch das gleich gesagt, zu übersehen war es sowieso nicht und bevor sich erst Schwierigkeiten ergaben. Würde mich freuen! Kam der Zusatz kurze Zeit später schon im Davongehen. Gab es vorerst nichts Klärendes weiter zu besprechen und es war mir jetzt auch viel wichtiger ihrer Bitte nachzukommen und Ware aufzufüllen.

    Nicht zu dicht das Näschen in die Raute stecken und vor allem nicht zu viel davon Rauchen. Mir fiel es wieder einmal schwer einen Kommentar zu unterlassen.
    Verzeih! Ich konnte es nicht unterlassen. Mit den doch freundlich klingenden Worten und auch dazu lächelnd trat ich auf die Hübsche zu und neigte leicht mein Haupt. Vera mein Name. Gehört dir der Handel? Auch wenn sie nicht aussah wie die Besitzerin wollte ich nicht weiter Schlaumeiern und bemühte mich erst einmal um Informationen.
    Bin auf der Suche nach einer Anstellung und wurde nach hier verwiesen. Ich interessiere mich seit meiner Kindheit für Kräuter und deren heilende Anwendung, kenne mich recht gut mit Gewürzen und Heilpflanzen aus. Suchst du oder ihr noch eine Hilfe?
    Inzwischen war ich näher getreten und sog den Duft der frischen und getrockneten Ingredienzien ein. Sah mich dabei interessiert um und landete zum Schluss wieder mit den Braunen auf der jungen Frau sie aufmerksam mit offenem Blick ansehend.

    Sonderlich ausgeschlafen fühlte ich mich nicht. Mehr Brett als Polster diente mir zum Schlafen und aufgeheizt war der Raum wie der Backofen meiner Großmutter wenn ich die Asche ausfegte. Trotzdem ging es mir vortrefflich mit dem Apfel in der Hand als ich die Stiege nach unten polterte. Durch die Taverne führte mich mein Weg heute nicht. Es gab einen schmalen Durchgang zwischen den Häusern der auf die belebte Straße zum Hafen führte. Mich drängte es in die andere Richtung auf der Suche nach einer Anstellung.
    Viele Händler standen vor ihren Läden und priesen lautstark ihre Waren an. Zerrten an Ärmeln der Vorüberziehenden und riefen ihnen Preisangebote zu. Es amüsierte mich. Oftmals blieb ich stehen und betrachtete die Auslagen bis der Händler zu aufdringlich wurde. Damit vertrieb er mich oder aber ich kam mit ihm ins Gespräch und erkundigte mich nach dem von mir Gesuchten. Lange Zeit bekam ich ein Kopfschütteln oder auch ein striktes NEIN zur Antwort bis ich endlich fündig wurde.
    Eine alte Matrone mit einem Kleinkind an der Hand hatte mich beobachtet und eine meiner Fragen mitbekommen. Sie schob das Bübchen auf mich zu und zwang mich damit zum Stehenbleiben. Was fällt … wollte ich lospoltern. Doch ihr breites Lächeln hielt mich dann doch davon ab und es perlte ein lautes fragendes JA! über meine Lippen. Zuerst hörte ich skeptisch zu als sie begann mir zu erklären sie habe zugehört was ich suche. Als sie jedoch erklärte sie wisse wo ich das finden könnte wonach mir der Sinn stand wurde ich aufmerksam gar interessiert. Betont deutlich formte sie die Worte und deutete immer wieder in ein und die selbe Richtung den Weg beschreibend. Meine Braunen suchten dabei die Häuserreihen ab bis sie schließlich das Beschriebene fanden und zu der Alten zurückkehrten.
    Nach kurzem Gedankensammeln und bedächtigem Nicken förderte ich aus meiner Gewandtasche einen weiteren Apfel zutage und übergab ihn an den Kleinen. Bedankte mich mit einem Kopfnicken und einem freundlichen Salve! Dem Jungen strich ich noch durch sein wuscheliges Haar bevor ich die Richtung einschlug wo ich nach kurzer Zeit vor der Gewürzhandlung stand.

    Nicht ganz so schnell wie die Speisen aufgetragen waren wurden sie auch verspeist. Genüsslich ließ ich die Sinne sprechen und aß teilweise mit geschlossenen Augen. Das Mahl mundete mir und zu guter Letzt labte ich mich noch am restlichen süßen Wein bis die Kanne geleert war. Gefühle der Sättigung waren nicht nur im Magen zu spüren sondern drückten auch auf die Müdigkeit. Die Hand vor den Mund gähnte ich herzhaft und räkelte mich gemütlich in eine bequeme Sitzposition.
    Mit leicht geschlossenen Lidern verharrte ich bewegungslos und genoss die Sonnenstrahlen. Sie drängten sich immer noch reichlich zum Fenster herein obwohl die Zeit bereits voran geschritten war. Mit den Gedanken war ich am nächsten Tag. Hatte mir vorgenommen gleich nach dem Aufstand auf die Suche nach Arbeit zu gehen bevor die mitgeführte wenige Barschaft zur Neige ging. Durch die Lehre des Kräuterwissens, welches mir meine Großmutter mit viel Mühe angedeihen ließ, wollte ich versuchen eine Anstellung in einer Kräutermanufaktur zu bekommen. Obwohl ich unschlüssig war wie ich als Fremde zu den entsprechenden Informationen kommen sollte hießen die Gedanken Zuversicht.
    Als der dickliche Kerl am Tisch auftauchte und mit Abräumen begann nahm ich wieder gerade Haltung an und bedankte mich mit ehrlichen Worten für die vorzüglichen Speisen. Worauf er mir mit nun weniger Skepsis im Blick beschrieb wo das Zimmer läge und mir einen Schlüssel auf den Tisch schob. Abwartend bis er sich wieder entfernt hatte griff ich nach meinem Bündel. Noch wollte er keine Bezahlung. Oder er hatte es vergessen. Eine Zeit wartete ich noch ob er wohl wieder auftauchen würde. Er blieb weg und ich erhob mich schließlich. Oberflächlich wanderte mein Blick beim Gehen über die wenigen Anwesenden mit Konzentration auf den beschriebenen Weg, der mich schlussendlich nach Hinten über einen schmalen Hof eine Stiege nach oben führte.

    Das Knurren im Magen nahm Dimensionen an denen ich kaum noch Herr wurde. Immer öfters musste ich mich zwingen den Fingern nicht freien Lauf zu lassen um in die Höhe zu schnellen. Zu gerne hätte ich laut HUNGER gerufen und auf den Tisch geklopft.
    Endlich und von einem Seufzer der Erleichterung begleitet sah ich wie ein dicklicher Kerl auf mich zusteuerte. In seinem etwas missmutigen Gesichtsausdruck war allerdings auch sofort zu erkennen wie er dachte über eine wie mich. Die Sonne schien gerade auf mein rotes Haar und ich kannte die Wirkung. Sein Zwang zur Freundlichkeit entlockte mir ein Heben der Mundwinkel als ich meine Bestellung abgab. Omelett aus 2 Hühnereiern, Garum, Rettich und getrocknetes Obst. Dazu Wein mit Honig. Das zu erwartende reichliche Mahl ließ meinen Bauch als Bestätigung jubilieren und mir trieben die Töne Röte ins Gesicht. Sein Grinsen war dann kaum zu übersehen als er sich entfernte zum Gang in die Küche aus der er wenig später mit einem Krug zurückkam und mir den bestellten Wein in einen Becher goss.
    Dabei beobachtete ich seine fleischigen Finger und verglich sie mit meinen zierlichen. Habt ihr ein Zimmer für einige Tage? Meine Frage kam spontan und lenkte mich von weiteren skurrilen Gedanken ab. Mit den Braunen musterte ich ihn fragend während ich nach dem Becher griff und einen Schluck nahm bevor er antworten konnte. Seine Gedankengänge stockten und die gefaltete Stirn ließ wenig Begeisterung erkennen. Mein Lächeln wurde breiter und die Feuchtigkeit vom Wein auf den Lippen schnell weg geleckt.
    Seine Antwort kam dann so flüssig wie der Wein beim Einschenken und mein Lächeln so süß wie der Geschmack auf der Zunge. Wir waren uns handelseinig und ich hob zum Dank den Becher. Warf sogleich einen Blick in Richtung Küche und sprach mit Nachdruck: zuerst aber freue ich mich auf mein köstliches Mahl. Er verstand auch prompt und schaffte es in kurzer Zeit die Speisen aufzutragen.

    Wieder einmal die Qual der Wahl. Für mich nicht die einfachste Entscheidung. Garküche oder Taverne? Hunger stillen und Unterkunft suchen oder Schmalhans und Zimmer für die ersten Tage?
    Noch stand ich unweit und ließ die Braunen von einer Tür zur anderen wandern. Ertappte mich wie ich wieder einmal meine Lippen mit den Zähnen massakrierte bis der Blutgeschmack mich zum Aufhören ermahnte. Unwirsch folgte ein Wisch mit dem Handrücken und die Ermahnung durch nicht gerade sensibler Wortwahl. Sogar die Röte stieg in die Wangen als hätte ich eine Rüge empfangen.
    Entscheide dich endlich! knurrte mein Magen und meine Füße tippelten unruhig hin und her. Die Wahl war entschieden. Eh ich mich versah stand ich in der Taverne und hielt Ausschau nach einen entsprechenden Tisch. Schob mein Bündel auf den Stuhl neben mir und wartete auf Bedienung.
    In der Zwischenzeit sah ich mich um, ordnete meine roten Locken und strich mein erdfarbenes Leinengewand glatt so gut es nach der langen Reise noch möglich war. Fühlte es sich doch an wie eine Ziehharmonika ohne Begleitmusik.
    Die Räumlichkeit sah gepflegt aus und der Duft nach Speisen kitzelte sehr appetitlich in der Nase. Es war wenig los und die meisten Anwesenden männlich. Mein Blick orientierte sich in ihren Gesichtern und sobald ein Augenkontakt zustande kam wanderte er ziellos weiter, zurück blieb ein offenes Lächeln.

    'Ostia Ostia Ostia' jubelte es heraus aus meinem pochenden Herzen und übertrug sich vibrierend auf meine staunend offenstehenden Lippen. So groß hatte ich mir den Hafen nicht vorgestellt. Er war gigantisch und er war überflutet von Menschenmassen. Gerüche tanzten durch die Luft. Stimmen wirbelten um meine Ohren. Schiebend und tänzelnd wurde ich vorwärtsbewegt. Kein Versuch meinerseits unternommen stehen zu bleiben. Meine Füße tappten von selbst über die Planken.
    Die ganze Überfahrt hatte ich mir die Ankunft ausgemalt. Stand an der Reling in Tagträume verstrickt und nun war es Wirklichkeit. Ostia begrüßte mich wie eine Gewürzmischung zu einer Fischmahlzeit. Genau so roch es. Mir lief das Wasser im Mund zusammen und erinnerte mich an das beiseite gedrängte Hungergefühl. Mein Magen begann zu knurren und meine Braunen gingen zusammengekniffen auf die Suche nach etwas Essbarem. Von der Sonne geblendet und der Hand die Augen abgeschirmt betrat ich festen Boden und ließ mich von meiner Nase navigieren.
    Irgendwo in der Nähe duftete es nach Garküche. Ich kannte den Geruch der mich magisch anzog und das Grummeln im Bauch noch verstärkte. Wie ein Hase im Zickzacklauf bahnte ich mir den Weg. Hüpfte zwischen den Transportkarren hin und her um ihnen auszuweichen. Fand endlich ein Fleckchen zum Verharren. Im Kreis drehend und den Hals reckend schob sich mir schließlich das nasal angekündigte ins Blickfeld. Mit Hilfe der Ellenbogen steuerte ich darauf zu.