Beiträge von Lavinia

    Natürlich durchströmte sie die Angst. Sie wusste, wie wankelmütig ihre Domina derzeit war, kannte die abschätzenden Blicke und den manchmal neidvoll musternden Augenblick auf sie selbst. Lavinias Schusseligkeit, genau in dieser Phase der Gereiztheit der Domina... war einfach der falsche Zeitpunkt. Wie hatte sie es auch einfach vergessen können!


    Sie ließ sich bugsieren, setzte sich blass wie eine Marmorstatue auf den Hocker. "Wein klingt hervorragend." Fassung bewahren, nicht durchdrehen Es war so schwierig, nicht sofort in Tränen auszubrechen. Aber sie konnte sich auch nicht die Blöße geben, vor diesen ihr fremden Menschen nun in eine hysterische Furie zu werden. So versuchte sie, das innere Zittern einzudämmen und rationaler die Gedanken zu suchen. Was war nun das Beste? Sicher, dass der Dominus, wie er es vorschlug, direkt selbst hinging.


    "Sie wird euch sicher zuhören. Sie... ist angetan von den Gesprächen mit Herren wie euch." Sie beließ es bei der wagen Aussage, auch wenn Lavinia damit innerlich daran dachte, wie gern die Domina auch gern einmal mit fremden Herren ins schmeichelnde Gespräch abdriftete. Und der Dominus war zweifelsohne ein jüngerer und ansehnlicher Mensch, der der Domina sicher gefallen würde. So viel wusste Lavinia dann doch über den Geschmack ihrer Herrin.


    "Das Anwesen ist in der Nähe der Porta Salutaris, wenn man dort nach der Casa Decimus Octavius Crus nachfragt, weiß man eigentlich, wo man hin muss."
    Sie atmete tief durch. "Ihr habt sicher anderes zu tun, als euch um eine Serva zu kümmern, die zu vergesslich ist und die Sachen ihrer Domina verliert."

    Es war furchtbar. Katastrophal... Sie hatte ja noch nicht alle Einkäufe besorgt. Und dann sollten noch einige Lieferanten bezahlt werden, die für heute abend bereits Blumen und die Fässer gebracht hatten. Das ganze Geld! Es war keine Kleinigkeit, keine Sache, die man so einfach vergessen konnte.
    Lavinia sah sich schon weit weg aus der Stadt, im staubigen Erdreich herumbuddelnd. Oder würde sie sogar einfach weiter verkauft werden? Die Domina würde toben, rasen vor Wut.


    "Das Geld... oh Fortuna, das ganze Geld." Lavinia musste das Glas abstellen, um es nicht fallen zu lassen vor lauter Zittern. "20 Sesterzen Dominus. Ich sollte doch noch... ich hätte noch bei.." Sie fand die Worte nicht, so panisch schob sich das Herzrasen in ihre Kehle und durch ihre Lungen. Sie wird mich umbringen!
    Ihre letzte Chance war es, dass der fremde Dominus für sie einstand. Er konnte es erklären, konnte die Zusammenhänge darstellen. Ein Fürsprecher und Zeuge zugleich. Lavinia wusste, dass es die einzige Möglichkeit war, die Situation irgendwie zu beruhigen.


    "Bitte! Bitte erklärt es ihr! Ich flehe euch an, bei den Göttern!"

    Wie gern hätte sie noch das Haus gelobt, die Einrichtung entsprechend gewürdigt. Sie hätte sogar noch ein freundliches Wort an diesen Riesen von Sklaven gehabt, der so sorgsam die Scheren und Kämme hin und herschob, als wären es kleine Murmeln, die nach Farben sortiert werden mussten. Und auch an Quix wollte sie noch eine höfliche Begrüßung loswerden. Vielleicht hätte der Dominus ja diesen lustigen Gesellen mit ihr losgeschickt, um die Erledigungen für ihre Domina zu erledigen. Die Begleitung hätte sie sogar mehr akzeptiert als den Riesen, diesen Ulcus.


    Doch derzeit machten ihr ihre Knie zu schaffen, so weich wie Hafergrütze sich anfühlend und sicher auch so wackelig. Sie spürte einen Arm, der sie festhielt und zu einer Stelle brachte, an der sie sich setzen konnte.
    "Bei Fortuna... ich bin verdammt!" Wie konnte das Schicksal und deren Göttin nur so gemein zu ihr sein? Was hatte sie nur angestellt, damit man sie so drangsalierte?! "Der Korb... der Korb... er ist sicher schon weg!"


    Sie nahm das angebotene Wasser, als der Bursche es ihr brachte, die Hände zitterten aufgeregt, schaffte es aber, ruhig einen Schluck zu nehmen. "Die Domina bringt mich um... die ganzen Sesterzen waren da drin, das ganze Geld. Ich hab den Korb stehen lassen..." Die Aufregung war spürbar in ihrer Stimme, wirbelnd drängte sich der Atem dazu, der schneller nun sich aufschwang zur nächsten Panik. "Sie schickt mich nun sicher auf die Felder. Bei allen Göttern, das darf sie doch nicht, oder?" Doch, darf sie, du dumme Pute. Sie wischte sich über die Stirn, ein paar verirrte Haarstähnen hinfortwischend, als ihr Blick hilfesuchend gen Casca ging.
    "Ihr könnt es ihr sicher erklären, oder? Ihr könnt mir helfen, dass sie mich nicht umbringt...bitte!"

    Tatsächlich... da stand die "Tonstrina Hispania" vor ihnen. Und das nach einigen Abkürzungen und Irrwegen, von denen die Serva dachte, sie würde sie in die schlimmsten Gegenden führen. Stattdessen war sie in einer sauberen Straße gelandet mit einem ebenso netten kleinem Geschäft, von dem Casca ihr zuvor berichtet hatte.


    Ein wenig hing Lavinia noch an der Vorstellung davon, wie groß ein Meer sein konnte. Wie das Wasser wohl dort aussah? Zu oft hatte sie schon davon gehört, aber leibhaftig noch nie gesehen. Ein Jammer, aber des Schicksals Lauf.


    Der junge Mann, der sie empfing, ließ Lavinia auflächeln in seiner Art. Es erinnerte sie an einen jungen Servus in einem anderen Hause, der auch gern flatterhaft und manchmal geradezu in Panik verfiel, wenn etwas nicht so verlief, wenn es sollte. Auch wenn der junge Mann noch nicht in Panik verfallen war, so sah man doch, dass er einige nicht gerade stressfreie Momente hinter sich hatte.


    "Euer Servus scheint wirklich ein sehr gefragter Mann zu sein, Dominus. Das Feingefühl seiner Finger fehlt nur leider im Rest seines Körpers." Ein gewitzter Seitenblick zu dem großen Riesen bei der kleinen Spitze und die Mundwinkel zuckten etwas hinauf. "Wenn Ihr mich nun rasch auslösen könntet, damit ich den Rest der..."
    Der Satz wurde nicht beendet, als Lavinia schlagartig der Blitz der Erkenntnis durchfuhr. Sie hatte nur den verdammten Stoff in den Händen! Der Korb! Der Korb stand noch auf dem Markt!


    Mit einem Schlag verblasste das Lächeln und die Serva wurde kreidebleich um die Nase. Ihre Knie fühlten sich mit einem Mal wackelig an und sie drohte in Ohnmacht zu fallen...

    Das Lachen hinter dem Dominus ließ Lavinia verdutzt einen Moment nach hinten sehen. Wie viel Vertrauen musste zwischen Herrn und Sklaven bestehen, dass jener sich erlauben durfte, so amüsiert auf Worte zu reagieren? Ein Kichern an der falschen Stelle hatte schon manche Serva im Hause der Domina eine ordentliche Schelle gekostet. Und danach einige Strafaufgaben, die niemand so gerne erledigte von ihnen. Auch Lavinia hatte schon Zeiten erlebt, in denen sie diese Strafen auf sich nehmen durfte. Doch das war schon fast eine blasse Erinnerung... sie hatte gelernt, die Miene der Domina aufmerksam zu lesen und zu reagieren, wie es am besten war. Bis eben die Launen noch unberechenbarer wurde aufgrund ihres Gatten...


    "Aber es klingt so, als ob euer Name keine rechte Geschichte hat. Das ist doch ein wenig traurig, oder?" Sie wusste nicht, ob sie sich etwas zu weit mit der Frage vorgewagt hatte. Doch es war einen Versuch wert, die aufkommenden Grübeleien über ihre Domina zu verdrängen.


    "Ich war noch nie außerhalb der Stadt, Dominus." Mantua... es klang für sie so fremd und wie eine völlig andere Welt. Ihr Äußeres spiegelte zwar die persische Herkunft, doch hatte sie nie ihre Wurzeln und ursprüngliche Heimat erblickt. Sie war hier geboren worden... und würde wahrscheinlich ebenso in dieser Stadt sterben. "Habt Ihr viele Sägewerke?" Weiterhin blieb sie höflich und intressiert in ihrer Stimmlage. Man warb für sich, indem man Interesse heuchelte. Es gefiel den hohen Herren, wenn man sich interessierte. Mochten seine Sklaven lachen oder schmunzeln, es hing schließlich davon ab, dass sie die Waren ersetzt bekam.
    Sie war noch nie in diesen Seitenstrassen gewesen, wie Lavinia erschrocken innerlich feststellte. Unwillkürlich hielt sie sich fester an dem Arm des Mannes neben ihr fest, bei all den Gerüchen und Eindrücken. Eine gewisse Art von Bedrückung schlich sich in ihren Nacken. Wieviel Elend es doch geben konnte! Und dieser Geruch! Schrecklich!
    Sie rümpfte die kleine Stupsnase und achtete umso mehr auf ihre Schritte, die sie vorantrugen.


    Bei der Erklärung, dass der Riese vor ihr wirklich ebenso Frisuren machte, blickte sie ungläubig in dessen Rücken. "Was? Wirklich? Aber er ist so riesig!" Diesmal dachte sie nicht so wirklich über die Wortwahl nach, sondern sprach die Überraschung direkt aus. Das Staunen brachte sie auch kurz ins Stolpern und sie musste sich wieder etwas mehr an Casca festhalten, ein kurzes, verlegenes "Verzeihung," folgte und ein verlegenes Auflächeln auf den Lippen.
    "Ich sehe mich auf dem Markt um und überlege mir gerne neue Kombinationen. Aber man erfährt auch viel über die Servus und Servas der anderen Damen, was wo derzeit getragen wird. Das ist dann schon sehr praktisch, wenn man untereinander sich versteht. Und manchmal muss man auch schlicht was Neues wagen, damit es bestaunt werden kann.", antwortete sie auf die Frage der Entstehung ihrer Ideen. Sie war wirklich in dem Sinne mal ein kreativer Kopf und hatte auch schon hin und wieder zu viel gewagt. Doch immer war am Ende zum Glück ein Staunen herausgekommen in den Gesellschaften.


    Der eigene Stolz und das Lächeln versiegte jedoch rasch wieder, als sie nach dem eigenen Dominus gefragt wurde und den Reisen. "Er... er wollte ein- oder zweimal gern, ja. Aber ich bin vor allem Serva meiner Domina. Und... sie wünscht nicht... Sie will mich lieber um sich haben." Das Stocken und Suchen der Worte war hörbar, die eigene Unsicherheit in diesem Thema zu erahnen. Noch immer hatte sie den Korb vergessen in ihren Gedanken und hielt sich weiter an dem Tuch fest. Zu sehr fixierte sie sich nun darauf, bald aus dieser Gegend wieder auf einer hoffentlich breiteren Straße zu landen und das Ziel erreicht zu haben, das ihr versprochen wurde. "Seid Ihr schon viel gereist, Herr?"

    "Ihr müsst ein sehr weiser und kluger Mann sein, wenn Ihr die Bedeutung von Namen kennt. Was bedeutet der Eure?"


    Lavinia verstand es, die hohen Herrschaften stets bei Laune zu halten, indem man ihre Vorteile erkannte und diese hervorhob. Ihre Domina liebte es, stundenlang über ihre Blumen im eigenen Garten zu sprechen, die sie hegte und pflegte und sogar besser bewachte als die eigenen Kinder im Hause. Sie hatte vielerlei über Rosen, Veilchen und Hyazinthen gehört, musste die Klagen über Blattläuse oder garstiger Käfer ertragen und stets an jeder gefühlt zweiten Blüte riechen. Nicht, dass Lavinia Blumen mochte, doch so viel Liebe konnte sie dann doch nicht für Gärten entwickeln wie ihre Domina. Doch hob sie jedes Wort auf die Goldwaage, um ja die Domina bei Laune zu halten. Schade nur, dass es derzeit nicht so klappt, wie es sonst immer war...


    Das Ausprobieren ihres Namens kam der Serva seltsam vor, doch sie wusste, dass man solcherlei nicht in Frage stellte. Was auch immer an ihrem Namen so interessant war, sie erkannte es nicht an sich.


    Bei der Nachfrage nach ihrem Dominus nickte Lavinia höflich. " Oh ja, so formuliert er es immer zumindest. Er holt exotische Waren aus den umliegenden Ländern und verkauft sie hier. Deswegen ist er oft auf Reisen. Derzeit weilt er aber wieder hier in der Stadt." Sie verkniff sich das Leider und dachte es nur. Die Zeiten, in denen der Dominus daheim war, waren im Moment die schwierigsten Zeiten. Ein wenig ängstigte sie sich derzeit. Die Blicke des Dominus wurden immer... gieriger. Sie wusste unbewusst, was dies bedeutete. Und genauso wusste sie, was die Domina danach mit ihr anstellen würde. Als ob das alles meine Schuld wäre...


    Erleichterung und ein wenig Verwirrung zugleich erhaschte sie, als sie endlich vom Marktgewühl wegkamen und in die Seitenstrasse abbogen. Einerseits waren die neugierigen Blicke nun weg, andererseits waren genau jene es auch, die eine junge Serva schützen konnten im schlimmsten Fall. Der Hüne von Servus vor ihr machte es nicht einfacher, blind dem Dominus neben sich zu vertrauen. Endeten schlimme Geschichten denn nicht immer in einer verlassenen Seitengasse?


    "Ich mache meiner Domina die Haare schon seit einigen Jahresläufen. Sie ist sehr anspruchsvoll, aber ich habe schlanke Finger, die zum Glück ein wenig Geschick darin aufweisen, anspruchsvolle Flechtungen zu machen." Der Stolz kam wieder in Lavinia durch und sie musste auflächeln. "Auf den Gesellschaften staunt man meist über die Frisur meiner Herrin." Ja, ein wenig Angeberei musste schon sein, dann jedoch aber nochmal nachfragend: "Es ist hoffentlich nicht zu weit?"

    Die Blicke der Umstehenden waren Lavinia unangenhem. Es fühlte sich zuweilen an, als würde sie abgeführt werden, um direkt in den dunkelsten Gefilden zu enden. Der Dominus war allerdings guter Miene und versuchte die Serva weiter auszufragen. Was allerdings dazu führte, dass Lavinia noch verwirrter die Gedanken herumsponn.
    Ihr Dominus war nämlich zuweilen auch gern auf Plausch aus und fragte immer die scheinbar belanglosesten Dinge, nur um sie in seiner Nähe zu haben. Sie hoffte gerade inständig, dass der Dominus neben ihr keine Frau hatte, die in wenigen Momenten um eine Ecke biegen und sie anherrschen würde, was sie gefälligst sich einbilden würde...


    Unbewusst von dem Gedanken getragen seufzte sie, dann allerdings antwortete sie höflich auf die Frage, die ihr gestellt worden war: "Ich trage den Namen schon immer, soweit ich mich entsinne. Ich diene aber der Domina auch schon mein ganzes Leben." Lavinia hatte kaum Erinnerungen daran, jemals etwas anderes als eine Serva gewesen zu sein. Sie hatte nur verschwommene Erinnerungen an eine Zeit, in der sie auch eine Mutter hatte. Bilder von einem anderen Haus und anderen Herrschaften, die aber kaum mehr als eine Ahnung dessen war, was wirklich gewesen sein könnte. Vielleicht waren es auch nur unbewusste Wünsche; Träume, die sie sich heimlich herbeisehnte. Das Haus, in dem sie lebte und diente war umso realer, präsenter.


    "Domina Lucceia, Gattin des Decimus Octavius Crus. Ein Händler und sehr wortgewandter Mensch. Er sagt stets, er könne auch aus Mist pures Gold machen, wenn er denn wolle." Sie war zwar schonmal in der Gegend, die sie nun einschlugen, dennoch wurde ihr etwas mulmig zumute. "Wo genau müssen wir denn hin? Ist es sehr weit von hier?"

    Herausreden ging wohl nicht mehr. Der Dominus der beiden so unterschiedlichen Sklaven machte seinem Stand alle Ehren und bestand darauf, sich der Angelegenheit anzunehmen und es so zu lösen, wie er vorschlug.
    Immerhin hatte er einen Namen. Ein Name, der bei Lavinia nicht viel auslöste an Gedanken oder Erinnerungen zu irgendwelchen wichtigen Gerüchten. Der Herr war also entweder in einem ganz anderen Bereich zuständig oder einfach nie wichtig gewesen für ihre Domina. Oder sogar Beides.


    Ich werde es der Domina schon erklären... Der Herr traute sich einiges, hatte die Domina doch gerade ihre Launen; vor allem, wenn es um Lavinia ging. Wer wusste schon, wie sie auf einen Versuch der Besänftigung reagieren würde. Doch Cnaeus Decimus Casca ließ Lavinia nicht lange darüber nachdenken, ob das wirklich so eine gute Idee im Moment war, sondern griff diesmal beherzter nach der Serva und schon sie voran.


    Der Schreck machte sie diesmal gefügiger und sie folgte höflich den Weg, den der Riese vor ihnen freimachte für den kleinen Trupp.
    "Meine Domina nennt mich Lavinia, Herr.", antwortete sie gefolgsam, wie es sich gehörte. Dass sie nun auch noch den Korb vergessen hatte, fiel der Serva nicht ein.

    Wenn es etwas gab, von dem Lavinia noch nicht viel wusste, dann von der Tatsache, dass sie langsam aber sicher zu einer jungen Frau herangereift war. In der Welt der Gesellschaften und abendlichen Vergnügungen der Damenwelt war es immer die Aufgabe gewesen, ihrer Domina die neuesten Gerüchte weiterzutragen, die sie über diese oder jene gehört hatte. So hatte ihre Domina immer ein kleines Ass im Ärmel, mit dem sie eine spitze Bemerkung loswerden konnte. Dort wurde aber nicht darüber gesprochen, ob und wie hübsch und erwachsen die junge Serva bereits geworden ist. Kritische Blicke, mal ein Mustern oder Abschätzen, inwieweit der Wert der Sklavin gestiegen war... dies vielleicht.


    Das Lächeln des Dominus vor ihr war Lavinia demnach ein Rätsel mit sieben Siegeln. Sie wusste nicht, ob er nun amüsiert war oder sie ganz und gar nicht ernst nahm. Vielleicht ahnte er auch die Lüge in ihren Worten. Und das Wort eines Dominus und angesehenen Civis war um einiges mehr Wert als das ihrige. Es reichte ein Zweifel, ein "Aber"...


    Die Traube um sie herum wuchs weiter an. Hatte sie da nicht ein bekanntes Gesicht in der Menge gesehen? Verflixt noch eins! Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis man behaupten würde, dass die Serva auch schon andren Kerlen schöne Augen machen würde.
    Und das schlimmste... die Zusage, den Schaden zu ersetzen, war nun alles andere als hilfreich.


    "Das ist auch nur gerecht, dies zu ersetzen." Allen Ängsten zum Trotz durfte sie nun nicht aus der Rolle fallen. Vielleicht war es auch noch das persische Blut in ihr, das sie weiterhin den Blick hoch tragen ließ und standhaft dem des Dominus begegnete. Vielleicht aber auch nur ein Deut des Muts, der sie durchströmte. So genau konnte Lavinia es nicht sagen, was genau diese Reaktion in ihr auslöste.
    Sekunden später verließ sie allerdings das Hochgefühl, als sowohl Servus als auch Dominus gewahr wurde, dass das entsprechende klimpernde Beutelchen fehlte, um sie auszuzahlen. Das wird ja immer schlimmer...
    Noch schlimmer wurde es, als der Dominus ihr nahe kam. Viel zu nahe. Die Hand legte sich auf die Schulter. Lavinias Blick ging in die Menge, aus der sich das geglaubt bekannte Gesicht nun löste und wegging. Sie schluckte, trat einen Schritt zur Seite, um der Berührung zu entgehen.


    "Es wäre sehr hilfreich, wenn ich wüsste, wen ich vor mir habe. Meine Domina sieht es nicht gerne, wenn ich..." einen Moment stockte sie, überlegte. Rede nie schlecht über deine Herrschaften! Das hören die Götter und strafen dann einen! Der Satz wurde neu begonnen, schlicht ihre Zugehörigkeit preisgebend: "Ich diene der Domina Lucceia, Gattin des Decimus Octavius Crus, dem angesehenen Händler. Es wäre sicher eine Hilfe, wenn ihr einen Servus mitschickt, aber ich habe die Anordnung, dies allein zu vollbringen. Man würde sich wundern, wenn ich mit einer fremden Person zurückkehren würde."

    Bei der heiligen Clementina! So ein verdammter Trampel! Wieso ich?! Wieso passiert mir das ausgerechnet?! Und ausgerechnet heute?!


    Die Datteln waren eindeutig zerbeulter als sie sie erstanden hatten. Der grobschlächtige Kerl vor ihr hatte alle Arbeit geleistet. War es überhaupt erlaubt, solche Schränke ohne Leine hinauszulassen? Hatte man sowas nicht eher als Wachhund daheim oder in der Arena bei den Gladiatoren? Vielleicht war er auch weggelaufen und wusste in seiner sturen Dummheit nicht, dass man ihn suchen würde. Oder noch schlimmer: Er wusste es, aber es störte ihn nicht.


    Lange darüber nachdenken konnte Lavinia aber nicht. Sobald sie allen Mut zusammengenommen hatte, um sich gegen dem Hünen ihr gegenüber zu behaupten, verließ sie innerlich schon wieder das eigene Vertrauen, als dieser einen schiefen Blick schenkte. Man sah ihr doch wohl kaum an, dass sie eine Servus war! Sie durfte immerhin noch die feinen Leinen tragen, auch wenn der Blick der Domina immer skeptischer wurde. Irgendwann würde sie ihr nur noch Säcke zu tragen geben, wenn die Blicke des Dominus nicht besser wurden. Es war nur noch eine Frage der Zeit...
    Das plötzliche Rufen ließ sie unwillkürlich zusammenzucken. Die ersten Leute um sie herum blieben nun stehen und gafften ungeniert, was sich dort abspielte. Dominus?! Verdammt, das is auch nur ein Servus! Was war das auch manchmal schwer, die zu erkennen! Selbst wenn man selbst eine war, hatte man noch lange nicht das Gespür dafür.
    Jetzt bloß nicht nachgeben. Das würde nur auffallen. Und die Domina bringt mich erst Recht um, wenn ich mit dreckigem Tuch und zerdrückten Datteln ankomme... verdammt, der Fisch und das Fleisch will auch noch besorgt werden. Und Wachteln!


    Die Traube an Menschen hatte schon beachtliche Größe zugenommen, als der gerufene Dominus mit einem weiteren Servus im Schlepptau dazukam. Innerlich schlotterten Lavinia die Knie. Sie hatte kein Recht dazu, dem Herrn vor sich frecher Art zu begegnen; allerdings musste der eigene Kopf gerettet werden. Und da war auch manches Mal jedes Mittel recht.
    Sie richtete sich innerlich wie äußerlich auf, schob vehement das Haar in den Nacken und nahm wieder mit den Händen in den Hüften Stellung auf, den so genannten Dominus fixierend.


    "Euer Servus hat mich angerempelt und dafür gesorgt, dass sämtliche Einkäufe für meine Domina zerstört sind! Seht euch das traurige Elend da im Korb an! Seht euch diesen Stoff an! Die Domina wird mich umbringen, wenn ich ihr das nach Hause bringe!"
    Die Worte waren zumindest keine Lüge. Dass dahinter noch weitaus mehr steckte, als ein schlichtes Tuch und ein paar Datteln, musste ja noch lange keiner wissen.
    "Für heute Abend steht eine wichtige Gesellschaft an! Euer Servus stiehlt mir wertvolle Zeit!"
    Nachdruck musste sein.

    Nein nein nein!
    Es war zum Haare raufen! Tagträumereien waren nicht gut, waren es nie gewesen! Die Domina würde sie umbringen. Das war nun genau der falsche Zeitpunkt, dass ihr so eine Schusseligkeit passierte. Es brauchte nur den kleinsten Grund, dass man sie auf die Felder schicken würde.


    Der Hüne hatte sich langsam mit zu ihr abgesenkt und versuchte eher schlecht als recht, ihr beim Aufsammeln zu helfen.
    "Vorsicht, die Datteln sind noch frisch! Nein, nicht so!" Er würde sie noch alle zerquetschen und es nur noch schlimmer machen. Wie konnte sie auch noch in so einen Trampel reinrennen, der die Intelligenz eines Wilden besaß? Bestimmt war das so ein Kerl, den man aus den tiefsten Wäldern hier hergebracht und an einen unwissenden Civis verkauft hat. Angst machte ihr der Kerl kein bißchen; sie hatte oft genug solche Schränke gesehen, wenn sie draussen unterwegs war. Fürchten musste man sich vor den Blicken der tratschfreudigen Weiber, die Lavinia auch so langsam auf sich spürte. Selbst wenn sie nun alles unbeschadet heimbringen konnte, so würde sicher das Getuschel irgendwann in das Heim ihrer Domina hineinfluten... verflixt!


    Ein paar der Datteln ließ sie nun Datteln sein, als sie sich erhob und das Tuch inspizierte. Auf den ersten Blick sah alles gut aus... bis da der staubige dunkle Fleck vom Boden auftauchte.
    "Nein! Ihr habt es dreckig gemacht!Das ist alles eure Schuld!" - Wenn sie was konnte, dann die Schuld von sich weisen. "Ihr werdet mir das bezahlen!"


    Jetzt hieß es, bloß nicht schwach zu wirken. Die Hände in die Hüfte stemmend, hielt sie in ihrer Rechten das Tuch, der Korb stand vor ihren Füßen. Ernst sah sie den Hünen an und sogar eine gewisse Kampfeslust war in dem Blick abzusehen. Man musste nur so tun als ob!

    Eine ganze Weile schwirrte sie schon herum, immer wieder den Blick gedankenverhangen über die Stände schweifen lassend. Ein sonniger Tag, der die Leute heraustrieb und so ermöglichte, dass die Sklavin in der Menge untertauchen konnte. Keine Blicke, die bemerken würden, dass sie schon zum dritten Mal an den Töpferwaren vorbeiflaniert war... oder an dem Tuchhändler.


    Sie hatte sicherlich ihre Aufträge und der Korb, den sie mit beiden Händen umschlungen hielt, war bereits mit den ersten Dingen gefüllt. Den Fisch würde sie allerdings erst später holen, der wollte ja frisch und nicht angelaufen abgeliefert werden! Die Domina würde nur wieder einen Grund suchen, sie zu strafen!
    Lavinia seufzte... wenn doch nur der Dominus einfach wieder auf Reisen gehen würde! Es müssten doch sicher irgendwelche Handelsgüter eingekauft werden... oder etwas geprüft werden auf den Feldern. Sie konnte doch selbst nichts dafür, dass er ihr so nah kam in letzter Zeit! Unwohl kam der Gedanke an die harschen Worte der Domina heute morgen wieder in ihren Schopf. Loswerden wollte sie sie, auf die Felder schicken... wo sie doch noch nie so eine Arbeit verrichtet hatte!


    Die Grübeleien ließen Lavinia in einer ganz eigenen Welt zurück, sodass sie nicht bemerkte, wie sie gegen einen etwas fülligeren Kerl stieß und ihr durch den Schwung der ganze Korb zu Boden ging. Erschrocken jappste sie auf.
    "Oh nein! Das edle Tuch! Und die Datteln!"


    Sie würde umgebracht werden, ganz sicher! Eilig ging sie in die Hocke und begann, ihre Sachen wieder aufzulesen.

    Hallo zusammen,


    ich bin dem Ruf meines Dominus gefolgt und würde mich entsprechend um Freischaltung freuen.


    Name: Lavinia
    Stand: Servus
    Wohnhaft in: Rom
    In Besitz von: Cnaeus Decimus Casca


    Wenn weitere Daten gebraucht werden, bitte um Verständnis, ich bin noch neu hier und werde das dann entsprechend hinzufügen.