Beiträge von Flavia Polla

    Es gab immer wieder Tage an denen sich Polla unheimlich alt fühlte. Die Hälfte dieser Tage hatte etwas damit zu tun, dass ihr Körper ihr klar signalisierte, dass sie eine Frau im fortgeschrittenen Alter war und er daher keine Lust mehr hatte so zu funktionieren wie er es getan hatte, als sie noch jung oder zumindest jünger war.


    Die andere Hälfte dieser Tage hatte etwas damit zu tun, dass sie umgeben war von Frauen, die zum einen bedeutend jünger waren wie sie und zum anderen nur bedingt mit den gleichen Ansichten wie sie ausgestattet waren. Wobei sie selbst wusste, dass ihre Ansichten in manchen Dingen schon mehr als angestaubt und fast schon antiquiert waren. Doch wer, wenn nicht die tugendhaften Männer und noch tugendhafteren Frauen der bedeutenden patrizischen Familien, sollte in Fragen der Moral und Tugend ein strahlendes Beispiel für den Pöbel sein?


    An diesem Tag hatte Polla beschlossen, dass es mal wieder an der Zeit war, dass die flavischen Frauen sich den kleinen, tugendhaften und irgendwie unbeliebten Aufgaben der Ehefrauen und Hausherrinnen widmeten. Sie selbst war als Witwe zwar keines von beidem mehr, sah sich als älteste Flavierin jedoch selbst als sowas wie die Mutterglucke. Eine Sklavin hatte Polla damit beauftragt in einem der helleren Räume des Hauses alles vorzubereiten. Als sie den Raum nun betrat war sie zufrieden mit der Vorbereitung. Es waren Webstühle aufgebaut worden und fertig gesponnenes Garn lag bereit, aber auch Spindeln und frisch gewaschene Wolle waren vorhanden, für den Fall, dass die Damen das fertige Garn zu schnell verarbeiteten. Wovon Polla allerdings nicht ausging.


    Nachdem sie die Sklavin losgeschickt hatte um die Damen des Hauses darüber zu informieren, dass sie sie erwartete, setzte sie selbst sich an einen der Webstühle und fuhr sanft mit der Hand über die eingespannten Fäden. Sie hatte das schon lange nicht mehr gemacht, da sie in den letzten Jahren zu viel damit zu tun gehabt hatte das Haus ihres verstorbenen Mannes vor dessen nichtsnutzigen Verwandten zu schützen. Doch früher, als ihr Mann und ihr Sohn noch Teil ihres Lebens waren, hatte sie immer wieder auf der Terasse ihrer Gemächer gesessen und in der sanften Meeresbrise sitzend Stunden mit ihrem Webstuhl verbracht. Etwas wehmütig dachte sie daran zurück.


    Sim-Off:

    Die Damen Ehefrauen und etwaige Leibsklavinnen die moralische Unterstützung leisten müssen dürfen sich gerne einfinden.

    Polla folgte dem Ausführungen ihres Vetters über jene Maßnahmen zur Verlangsamung der senatorischen Laufbahn, deren Zweck es war Rom und die römische Ordnung vor jenen Elementen zu schützen, die getrieben von einer Kombination aus allzu großem Ehrgeiz und allzu geringer Kompetenz und Würde, danach trachteten sich selbst auf Kosten des Gemeinwohls zu profilieren. Natürlich stimmte sie Gracchus Aussagen grundsätzlich zu, war jedoch auch der Meinung, dass ihre Familie weit über solch niedere Beweggründe erhaben war, so dass für sie natürlich nicht die gleichen Maßstäbe und Regeln Anwendung finden durften, wie sie bei Emporkömmlingen aus dem niederen Volk oder gar der Provinz angewandt wurden.


    "Nun, dann solltest du bei Gelegenheit das Gespräch mit Scato suchen und herausfinden, wie seine Pläne aussehen. Und gegebenenfalls solltest du auch nicht davor zurückschrecken diese zurecht zu rücken und sie in die richtigen Bahnen zu lenken." kommentierte sie das Thema Scato dann noch und schloss es damit auch erst einmal ab. Sie selbst würde bei nächster Gelegenheit das Gespräch mit Scatos Frau suchen.


    Der Name des cornelischen Pontifex und seiner Frau riefen in Pollas Gedächtnis in der Tat Erinnerungen und auch ein, wenn auch schwammiges, Bild hervor. So nickte sie, wie zur Bestätigung. "Eine Verbindung zu einer militärischeren Familie wäre insgesamt vielleicht sinnvoll für unsere Familie, aber für deinen Sohn ist die Verbindung in den Senat und die Reihen der Pontifices sicherlich vorteilhafter. Bei aller Liebe zu deinem Sohn, aber er gehört nicht an einen Kriegsschauplatz und sollte sich eher auf sein Vorankommen in der Politik oder im Cultus konzentrieren."

    "Senator Manlius..." wiederholte Polla und sortierte vor ihrem inneren Auge die Gesichter, die sie auf der Hochzeitsfeier gesehen hatte und die zugehörigen Namen, bis sie sich sicher war, dass sie das passende Gesicht zu jenem Senator identifiziert hatte. Der ganze Prozess dauerte nur wenige Herzschläge und resultierte in einer so leichten Veränderung ihres, ansonsten noch immer freundlich lächelnden Gesichtsausdrucks, dass nur ein wahrhaft aufmerksamer Kenner ihrer Regungen erkennen konnte, was diese neu erlangte Information bei ihr auslöste. Sie war zwar einerseits dafür bekannt, dass ihre Stimmung sehr leicht von einem Extrem zum anderen schwanken konnte, doch lebte sie andererseits auch schon ein viel zu langes Leben in der römischen Gesellschaft um nicht genau zu wissen wann und wie sie sich unter Kontrolle halten musste.


    "Ich hoffe du konntest die Neugierde des ehrenwerten Senators zu seiner Zufriedenheit stillen." kommentierte sie das Ganze dann noch und machte sich grundsätzlich sowieso keine Gedanken über eine mögliche Verwicklung ihrer eigenen Person in die familiäre Heiratspolitik.


    Polla nahm einen Schluck aus dem Becher mit ihrem medizinisch manipulierten Wein und konnte ein unglückliches Geräusch nicht verhindern, da sie gerade merkte, dass die langsam sinkende Temperatur der Flüssigkeit dem Geschmack noch weiter zusetzte.


    "Ich bin der Meinung, dass es Zeit wird, dass wieder einmal ein Flavier dem Recht als Praetor Geltung verschafft. Immerhin gab es seit deiner Praetur keinen Flavier mehr in diesem Amt. Aber um ehrlich zu sein, verspüre ich da eine gewisse Unruhe bezüglich Scato. Seit seiner Amtzeit als Aedil ist bereits mehr Zeit vergangen als die Gesetze es fordern und ich bin mir nicht so ganz sicher, ob er zur Zeit von sich aus den Antrieb hat, ein neues Amt anzustreben. Vielleicht wird es Zeit, dass er einen entsprechenden Stoß erhält." sagte Polla und nahm einen weiteren, kleinen Schluck.


    "Es mag ja sein, dass er sich bei seiner Tätigkeit in der Wasserverwaltung besonders wohlfühlt, doch auch darf nicht nur an sich selbst denken. Solange er nicht zu den Consularen zählt, hat er seine eigenen Vorlieben zurückzustellen und zum Wohle der Familie und Roms seine Energien gestalterisch in der Politik einzusetzen. Und wenn er unbedingt im Wasser planschen will, so kann er das nach einem Jahr als Praetor auch wieder tun." Natürlich wusste Polla um die Wichtigkeit einer funktionierenden Wasserversorgung, doch war dies ihrer Meinung nach nur bedingt ein angemessenes Betätigungsfeld für einen Flavier, solange er in der Politik noch nicht alles erreicht hatte, was er erreichen konnte.


    Sie stellte ihren Becher, nachdem sie ihn geleert hatte, zur Seite und lehnte sich ein kleines Bisschen vor. "Was deinen Sohn angeht, da mache ich mir insgesamt wenig Sorgen. Seine Amtszeit als Quaestor verlief, soweit ich es vernahm, positiv. Was seine Vermählung angeht..." sie stockte kurz und kramte in ihrem Gedächtnis nach den Details, die ihr dazu bekannt waren. ... Eine Cornelia, nicht wahr?" Sie wollte sicher gehen, dass sie nichts durcheinander brachte und schaute ihn daher fragend an.

    "Ich hoffe du behälst Recht, mein lieber Manius. Ich würde gerne wieder lächeln, wenn ich mein Gesicht in einem Spiegel sehe." sagte sie und berührte ihr Gesicht dabei kurz mit ihrer Hand. Über die Anfragen, die ihr Cousin ihretwegen erhalten hatte, war sie für einen kurzen Moment erschrocken, freute sich dann jedoch sogar ein wenig.


    "Anfragen zu meiner Person?" fragte sie daher, nach einem kurzen Moment des dramatischen Schweigens. Sie konnte sich kaum vorstellen, wer sich für ihre Person interessierte, hatte sie sich doch am Tag der Vermählung im Hintergrund gehalten um vor allem die Gelegenheit zu nutzen sich einen Überblick über die feine Gesellschaft Roms zu verschaffen, schliesslich war sie über eine lange Zeit nicht in der Stadt gewesen.


    Sie nahm einen Schluck aus ihrem Becher. "Ich hörte einst einen Mann, der sich selbst für sehr weise hielt, sagen, dass die Zeit die Flammen seien, in denen wir alle vergehen. Ich glaube allerdings, dass der gute Mann das alles ein wenig zu dramatisch sah. Ich denke eher, dass die Zeit lediglich genüsslich an uns allen nagt, um uns ständig daran zu erinnern, dass unser Fleisch vergänglich ist." Sie musste ein wenig Lachen.


    ]"Nun, mich erfreut es ebenfalls, endlich wieder in Rom zu sein. Sicilia mag eine wunderschöne Provinz sein, doch es ist und bleibt nur eine Provinz. All die Jahre die ich dort verweilte, seit die Götter mir meinen Gemahl und meinen Sohn entrissen, waren erfüllt von den immer gleichen, eintönigen Tagen. Aber dies ist nun vorbei. Die kleine valerische Made hat ist es kaum Wert, dass wir noch weiter Energie und Gedanken an ihn verschwenden. Die Götter haben den Jungen mit Dummheit und fehlendem Talent für die Politik gestraft und sein Schicksal und das seiner Sippe wird ein entsprechendes sein." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.


    "Ausserdem glaube ich, dass es hier genug zu tun gibt. Wir sollten uns in Gänze darauf konzentrieren, das Potential unserer Jugend voll auszuschöpfen." sagte sie mit einem leicht verschwörerischen Unterton.

    Polla genoss die frische Luft im Atrium und spürte, dass diese ihr mehr als gut tat. Hin und wieder nahm sie einen Schluck aus ihrem dampfenden Becher, wobei jeder Schluck dazu führte, dass sie ein leicht angewidertes Gesicht machte. Sie wusste natürlich, dass die Mischung an Kräutern und Mittelchen, die der Medicus bereitgestellt und die in den warmen Wein gemischt worden waren, ihrer Genesung zuträglich war, aber über den wenig erbaulichen Geschmack konnte dieses Wissen nicht hinwegtäuschen.


    Nachdem sie eine Weile die relative Ruhe im Atrium genossen hatte, erschien ihr Cousin und bildete so eine willkommene Ablenkung. Sie erwiderte sein Lächeln, wurde dabei jedoch kurz von einem Husten gestört. Als dieser vorüber war, erschien das Lächeln dann aber fast sofort wieder in ihrem Gesicht.
    "Ach Manius, du ahnst nicht, wie groß meine Freude ist, dass ich endlich wieder jemand anderen sehe als diesen Medicus." erwiderte sie seine Begrüßung und rückte sich selbst in ihrem Sessel in eine etwas andere Position.


    Nachdem ihr Verwandter ebenfalls Platz genommen und seinen Wein entgegengenommen hatte, beantwortete die alte Dame dann auch seine Frage nach ihrem Wohlbefinden. "Mir geht es besser. Es steckt mir noch etwas in den Knochen, aber es geht mir auf jeden Fall sehr viel besser. Du kennst das sicherlich, in unserem Alter haut einen fast alles um, was früher nur eine Lapalie war." sagte sie mit einem leichten Lachen.

    Ein dicker Wollmantel, ein Sessel mit einem dicken, weichen Kissen und eine Sklavin mit einem Tablett auf dem ein Becher stand, aus dem dampfende Schwaden aufstiegen. Das waren die Zutaten die an diesem Tag dafür sorgen sollten, dass Polla seit einer gefühlten Ewigkeit, zum ersten Mal wieder für längere Zeit ihr Cubiculum verlassen konnte.


    Die Flavierin, die ja schon lange nicht mehr die Jüngste war, hatte mehrere Wochen mit einer schweren Krankheit gekämpft, die sie an ihr Bett gefesselt hatte. In dieser Zeit hatte sie vieles verpasst, was in der Villa Flavia vor sich gegangen war, denn auch wenn ihre Leibsklavin sich bemüht hatte, sie auf dem Laufenden zu halten, waren die meisten Informationen erst gar nicht richtig durch die Krankheitsschwaden durchgedrungen.


    Mit sehr langsamen Schritten bewegte sich Polla nun von ihrem Cubiculum in Richtung Atrium. Ihr Leibsklave ging einen halben Schritt hinter ihr, stets bereit ihr stützend zur Hilfe zu eilen, sollte seine Herrin sich doch übernommen haben. Langsam ging es also voran, hin zu jenem Sessel der bereits vorbereitet worden war. Als Polla endlich an ihrem Ziel angekommen war, liess sie sich mit einem lauten Seufzen auf den Sessel plumpsen und schloss erst einmal die Augen um zur Ruhe zu kommen. Die Sklavin mit dem Tablett näherte sich und stellte den heißen Becher neben dem Sessel auf den kleinen Tisch. Pollas Sklave platzierte sich unauffällig im Hintergrund, während die Sklavin mit dem Tablett sich wieder entfernte.


    Es dauerte einige Minuten, ehe Polla die Augen wieder öffnete und sich, mit einem leichten Lächeln in ihrem noch immer etwas kränklich wirkenden Gesicht, im Atrium umblickte. Sie freute sich darüber, endlich wieder etwas anderes als die Wände ihrer Räumlichkeiten und die Gestalt ihres Medicus zu sehen.


    Sim-Off:

    Liebe Familie, ich bitte um Vergebung für meine ungeplante und viel zu lange Inaktivität.

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus Minor
    Manius Minor mochte sich hingegen lediglich der Konversation hingeben, welche wie so oft sich wieder seinem Vater zuwandte:
    "Er befindet sich zur Kur auf seiner Villa Rustica in Baiae. Ihm war seit geraumer Zeit ein wenig unwohl, weshalb die Medici ihm anrieten, sich für eine Weile der gesunden Luft am Golf von Neapolis auszusetzen."


    Für Polla war es nur logisch, dass sie sich nach dem Vater des Jungen erkundigte, schliesslich gehörten beide zu einer Generation der Flavier, aus der es nur noch wenige Vertreter gab und hatten beide ein Alter, in dem man nie wusste, was das Leben noch für sie bereit hielt.
    "Ich hoffe, dass sein Aufenthalt dort seiner Gesundheit zuträglich ist. Hätte ich geahnt, dass er in Baiae ist, hätte ich meine Reiseroute entsprechend angepasst um ihn zu besuchen." sagte sie, hatte das Thema dann aber auch erstmal abgegrast und wechselte ihren Fokus stattdessen noch einmal auf ihren jungen Gesprächspartner.


    "Und was ist mit dir, mein Junge? Wenn ich mich nicht irre, hatte ich deinen Namen im Zusammenhang mit der letzten Wahl gelesen, nicht wahr? Ich glaube unter den Namen der..." sie schien einen Moment zu überlegen und fügte dann an "...Quaestoren, wenn ich mich nicht irre." Es mochte so aussehen, als ob sie sich dabei nicht ganz sicher war, doch sie hatte auch in Lilybaeum immer ein äusserst wachsamens Auge auf die römische Politik gehabt und wusste daher ziemlich genau, wer sich an welcher Stelle des stadtrömischen Cursus Honorum befand.


    Dann trat die Stiefmutter des Jungen in das Atrium und Pollas Aufmerksamkeit schwenkte unweigerlich zu der jungen Frau um.


    Zitat

    Original von Aurelia Prisca
    ~~ im Atrium ~~


    Prisca wählte bewusst einen Weg entlang im Schatten einiger Säulen, sodass sie schon von weitem die Flavia in Augenschein nehmen konnte, noch ehe man ihrer Gestalt gewahr werden würde. Was Prisca sah, stimmte sie zuversichtlich, denn die Flavia machte einen sympathischen Eindruck und das Alter (was Prisca anhand des Stammbaumes auf Ü50 schätzte) sah man der Patrizierin wahrlich nicht an.


    "Werte Flavia! ... Erlaube mir, dich stellvertretend für meinen Gatten hier im Haus deiner Ahnen und deiner Familie willkommen zu heißen! Ich bin Aurelia Prisca, die Frau von Manius Flavius Gracchus und es ist mir eine große Freude und Ehre, dich persönlich kennen lernen zu dürfen. Ich hoffe du hattest eine gute Reise und sicher hast du uns viel zu berichten?!", schickte Prisca ein ehrliches und herzliches Lächeln zur Begrüßung voraus. Dabei stellte sie sich absichtlich direkt neben Minor (in der Hoffnung ihre Nähe würde ihm Unbehagen bereiten) und grüßte auch ihn:"Sei gegrüßt, Minor! Du bist zu Hause? Wie schön! Ich dachte eigentlich du hättest geschäftlich in Rom zu tun?!" Prisca´s Stimme klang ihm gegenüber genauso freundlich, wenngleich sie - in seinem Fall - nur gespielt war.


    Der erste Blick, den Polla auf die junge Aurelia erhaschte, offenbarte ihr einmal mehr, dass ihr Vetter Geschmack hatte und von den Göttern mit wunderschönen Frauen beglückt wurde. Sie lächelte ebenfalls ehrlich freundlich, als die Aurelia sie begrüßte.
    "Es ist auch mir eine Freude, meine liebe Aurelia, endlich die neue Frau an der Seite meines Vetters kennen zu lernen." Das die beiden nicht erst seit gestern verheiratet waren, spielte just in diesem Moment keine Rolle, denn die Aurelia wäre ja auch nach einem Jahrhundert noch die zweite Frau ihres Vetters, so dass das nur für höchst empfindliche Zeitgenossen ein kleiner Hieb sein konnte.
    "Aber bitte, nenn mich doch Polla, schliesslich sind wir eine Familie. Du bist allerdings vermutlich viel zu jung um meine Mutter, Aurelia Agrippina, noch zu kennen, aber durch sie fühlte ich mich immer eng mit den Aureliern verbunden."
    Und im Grunde genommen war die junge Aurelierin auch gar nicht so weitläufig mit Polla verwandt. Sie war die Tochter ihres Vetters, also genauso eng mit Polla verwandt, wie ihr Stiefsohn.


    "Meine Reise war, wenn man die grundlegenden Umstände unberücksichtigt lässt, recht angenehm. Auch wenn eine Reise im Sommer durch die bessere Witterung sicherlich noch um einiges angenehmer gewesen wäre. Aber man kann manche Dinge ja leider nicht beeinflussen."
    Polla beobachtete wie sich die junge Frau an die Seite des jungen Manius stellte und auch wenn sie ihm gegenüber liebenswürdig und freundlich wirkte, so hatte Polla doch ein unbestimmtes Gefühl, dass zwischen den Beiden nicht alles so rosig war, wie es auf den ersten Blick gerade wirkte. Dieses Empfinden mochte allerdings völlig an den Haaren herbeigezogen und zusätzlich noch durch ihre letzten eigenen Erfahrungen beeinflusst sein.


    "Sehr gerne werde ich euch mit Reiseberichten und Geschichten aus Lilybaeum erfreuen, aber im Moment würde ich mich gerne ein Wenig zurückziehen und erfrischen. Etwas den Staub der Reise abwaschen und ein frisches Kleid anlegen." sagte sie, mit einem leicht entschuldigenden Unterton.

    Polla ahnte natürlich nichts von den, fast schon finsteren, Gedanken, die sich ihr junger Verwandter über seine Stiefmutter machte. Doch im Grunde genommen wäre es ihr auch egal gewesen, selbst wenn er sie laut und deutlich verbalisiert hätte. Für sie war in diesem Moment vor allem wichtig, dass er ihr eine Unterkunft im Haus zur Verfügung stellte und sogar die Aussicht auf Zugriff auf einen gewissen Teil des Familienvermögens zur Verwirklichung ihrer Vorstellungen von notwendiger Bequemlichkeit in den Raum setzte.


    "Nun, ich freue mich darauf deine Stiefmutter kennenzulernen. Meine Mutter war auch eine Aurelia, also werden wir sicherlich leicht Zugang zueinander finden." sagte sie. Und sollte dem nicht so sein, hatte sie in ihrem Leben genug Erfahrung mit den verschiedensten Frauentypen gesammelt und mit ihr fertig zu werden.
    "Aber sag, mein Junge, wie geht es deinem Vater? Ist er in der Stadt?"

    Die Zusage, dass sie hier willkommen war und würde bleiben können, bestärkte Polla in ihrer Meinung, dass die Flavii es mit den Familienbanden weit ernster nahmen als jene Familie, in die sie vor so langer Zeit eingeheiratet hatte und so lächelte sie kurz dankbar, ehe sie auf die Frage des jungen Flaviers einging.


    "Nun, wie du vielleicht gehört hat, verstarben mein Mann, Gaius Valerius Poblicola und unser Sohn vor wenigen Jahren." begann sie zu erzählen. Sie hatte in den vielen Jahren, in denen sie fern von Rom verbrachte, immer wieder in unregelmäßiger Regelmäßigkeit Briefe an ihre Verwandten geschrieben um sie über die Dinge, die in ihrer Umgebung vor sich gingen auf dem laufenden zu halten und so war es durchaus möglich, dass der junge Gracchus vom Tod der beiden Männer in ihrem Leben gehört hatte, schliesslich war dies ein Ereignis gewesen, über das sie ihre Familie ausführlichst informiert hatte.


    "Seit ihrem Tod führte ich das Haus in dem wir in Lilybaeum lebten, für den jungen Sohn eines Verwandten meines Mannes weiter, der meinen Mann beerben sollte. Im letzten Jahr legte der Junge dann die toga virilis an und begann sich als großer Hausherr zu benehmen. Er gab mir mehr als ein Mal zu verstehen, dass er keinen Wert auf meinen Rat und meine Hilfe legte, auch wenn es mehr als offensichtlich war, dass seine Unerfahrenheit sicherlich nicht nur ihn, sondern auch seine Familie in den Ruin treiben wird." Während sie davon erzählte, stieg in ihr wieder Wut auf. Wut über den unverschämten Jungen, der sie so respektlos behandelt hatte. Wut darüber, dass niemand in der Familie ihres Mannes ihren Beitrag zu seiner Karriere anerkannte. Und Wut darüber, dass sie im Grunde genommen wie eine Bittstellerin zu ihrer Familie zurückkehren musste, nur weil ihr Mann und ihr Sohn zusammen auf einem sinkenden Schiff waren.


    "Vor ein paar Wochen dann liess mich der junge Hausherr..." sie spie diese Betitelung voller Verachtung aus "... darüber informieren, dass ich in seinem Haus aufgrund meines, angeblich inakzeptabel respektlosen Verhaltens ihm gegenüber, nicht länger willkommen sei. Er hatte nicht mal den Anstand es mir selbst zu sagen, sondern schickte einen Sklaven. Der feine Herr hatte sich aus dem Staub gemacht, da zu feige war sich mir zu stellen. Mir wurde mitgeteilt, dass ich zwei Tage Zeit hätte um mich auf die Reise zurück nach Rom vorzubereiten. Ein Brief, der meine Ankunft hier ankündigte sei bereits unterwegs. Doch wenn du sagst, dass ihr keine derartige Nachricht erhalten habt, so vermute ich, dass das valerische Wiesel gar keine abgeschickt hat." Sie seufzte.

    Sim-Off:

    Nur keine Hektik


    Ob des so offensichtlich übertriebenen Kompliments lachte Polla kurz auf und machte eine abwehrende Handbewegung. Dann quittierte sie das Kompliment mit einem fröhlichen: "Also keinen Tag würde ich nicht sagen. Zumindest eine Handvoll dürfte man mir ansehen." Trotzdem freute sie sich natürlich sehr darüber, dass ihr junger Verwandter ihr so offensichtlich schmeichelte. Denn auch wenn sie nicht mehr die Jüngste war, so war sie doch trotzdem eine Frau und mochte es dementsprechend sehr, wenn man ihr schmeichelte.


    Dann kam der Ernst des Lebens auf den Tisch. "In der Tat würde ich dies gern tun." sagte Polla, nun mit ernsterer Stimme. "Natürlich nur, sofern dies nicht zu übermäßigen Unannehmlichkeiten für die Familie führt."
    Die ältliche Dame wusste natürlich nicht, dass ihr junger Verwandter ob der Plötzlichkeit ihres Erscheinens verwundert war, da sie davon ausging, dass jener Verwandte ihres Mannes, der sie aus dem Haus geworfen hatte und ihr die Reise zurück nach Rom auferlegt hatte, ihre Familie darüber informiert hatte. Dass dies nicht den Tatsachen entsprach, konnte die Flavierin natürlich nicht ahnen.


    Da sie davon ausging, dass ihr Verwandter über das, was in Sicilia vor sich gegangen war, zumindest rudimentär informiert war, hatte sie keine Bedenken offen darüber zu sprechen. "Wenn es euch mit mir allerdings ähnlich geht wie der valerischen Brut, so werde ich sicherlich auch eine andere Möglichkeit zum Unterschlupf finden. Ich möchte sicherlich nicht wieder jemandem so zur Last fallen, dass er es für notwendig erachtet mich aus dem Haus zu werfen." Sie ging allerdings davon aus, dass die familiären Bande der Flavier hier fest genug waren um ihr eine Rückkehr in den Schoß der Familie nicht zu verwehren.

    Polla musste nicht sonderlich lange warten, bis der erste Vertreter ihrer Verwandtschaft im Atrium erschien um sie zu begrüßen. Es handelte sich um einen jungen Mann, dessen etwas kurz geratener Körper durch sein dezent hübsches Gesicht aufgewertet wurde.


    Sie liess sich durch den jungen Mann angemessen begrüßen und schenkte ihm dabei ein, für ihre Verhältnisse schon fast als liebevoll zu bezeichnendes, Lächeln. Im Gegensatz zu ihrem Gegenüber konnte sich Polla noch gut an jene Besuche auf dem flavischen Landgut erinnern, bei denen sie auch immer wieder die Früchtchen kennenlernte, die aus den diversen Verbindungen ihrer Verwandten entsprungen waren.
    Allerdings hatte sie in dieser Situation natürlich den großen Nachteil, dass sich die Kinder im Laufe der Jahre sehr viel stärker veränderten, als sie selbst es tat. Während ihr Körper vor allem durch den Luxus ihres Lebensstils expandierte und zeitgleich versuchte dem nagenden Zahn der Zeit zu trotzen, reiften jene kleinen Früchtchen vor sich hin und veränderten sich zum Teil doch sehr. So wurden aus dicken, unansehnlichen Säuglingen manchmal die schönsten jungen Frauen die man sich vorstellen konnten, oder aber aus kleinen Jungen wurden solch reife Männer, wie jener der hier nun vor ihr stand.


    Als er sie dann fragte, ob sie ihn noch erkannte, musterte sie ihn ihrerseits ein wenig. Sie lächelte dabei noch immer während sie jene Gesichtszüge, die man als charakteristisch bezeichnen konnte absuchte und hier und da Kleinigkeiten wiedererkannte. "Du bist der kleine Manius, nicht wahr?" stellte sie dann fest. "Wobei du so klein auch nicht mehr bist." Sie selbst war schliesslich auch nicht die Größte, so dass seine geringe Größe für sie gar nicht so auffällig war.

    Bereits die ersten Schritte im Inneren des Hauses hatten Polla mit einem wohligen Gefühl erfüllt. Sie war dem Ianitor gemessenen Schrittes gefolgt und hatte ihre Augen dabei wandern lassen. Es war eine Ewigkeit her, seit sie das letzte Mal durch die Korridore dieses Hauses gewandelt war, doch noch immer fühlte es sich für sie ein Stück weit nach Heimat an.


    Als sie das Atrium erreichten, konnte Polla nicht mehr verhindern, dass ihr Gesicht von einem leichten Lächeln durchzogen wurde. Für ihren Leibsklaven, der ihr mit gebührendem Abstand gefolgt war, war dieser Anblick alle Strapazen wert, die sich während der Reise ergeben hatten. Schon seit langer Zeit hatte er seine Herrin nicht mehr so positiv gestimmt erlebt. Für ihn gab es für den Moment keinen Zweifel mehr, dass die Rückkehr nach Roma genau das war, was die alte Frau brauchte.


    Polla liess ihren Blick durch das Atrium schweifen, fast so als suchte sie nach bestimmten Spuren, die sie vor all den Jahren, als sie dieses Haus verlassen hatte, hinterliess.

    Der Leibsklave nickte auf die Worte des Ianitors hin und wandte sich ab. Schnell überwand er die wenigen Schritte hin zur Sänfte und reichte seiner Herrin eine Hand um ihr zu helfen, der Sänfte zu entsteigen.


    Die Flavierin entstieg (man hätte aufgrund ihrer Leibesfülle auch von klettern sprechen können) der Sänfte mittels der dargebotenen Unterstützung, liess die Hand des Sklaven aber genau in dem Moment los, als sie sicher war fest auf dem Boden zu stehen. Sie richtete mit einer kleinen Bewegung ihre Kleidung und ging dann, hoch erhobenen Hauptes, durch die Pforte um dem Ianitor ins Atrium zu folgen.

    Sim-Off:

    Kein Problem. Geduld ist schliesslich eine Tugend


    Als die Pforte sich öffnete, blickte der Leibsklave den Ianitor an, räusperte sich leicht und sagte dann, mit kräftiger Stimme: "Meine Herrin, die Dame Flavia Polla, Tochter des Flavius Bellienus und der Aurelia Agrippina."
    Der Sklave deutete mit einer kleinen Handbewegung in die Richtung seiner Herrin.
    "Die ehrenwerte Dame kehrt nach dem tragischen Dahinscheiden ihres Gatten aus der Provinz zurück in das Zentrum der Welt um in den Schoss ihrer Familie zurückzukehren."


    Die Flavierin bedeutete derweil mit einem Wink aus der Sänfte heraus den Trägern, sie abzusetzen, was diese auch unverzüglich taten und dabei sehr zu kämpfen hatten um ob der Erlösung von ihrem Gewicht nicht zu laut aufzuatmen.

    Eine Sänfte, getragen von kräftigen, halbwegs ansehnlichen Sklaven, näherte sich der Porta der Villa Flavia. Vor der Sänfte schritt der Leibsklave der alten Dame und verscheuchte, teilweise recht rabiat, jeden der nicht schnell genug aus dem Weg springen konnte.


    Als die Sänfte vor der Porta angekommen war, blieben die Sklaven, mit angehobener Sänfte, stehen und warteten erstmal ab. Sie waren angewiesen worden die Sänfte auf keinen Fall abzusetzen, ehe sie dazu die Anweisung bekamen, denn die Passagierin hatte wenig Lust darauf, dass die Sänfte häufiger so extrem schaukelte als es wirklich notwendig war.


    Der Leibskave trat an die Porta heran und klopfte kräftig an.

    Via Appia


    Erbaut auf Geheiß des Appius Claudius Caecus zog sich der älteste Teil der Via Appia über 195km von Roma nach Capua. Bemerkenswert war dabei das Teilstück, dass die Pontinische Ebene durchquerte und dabei über 62km völlig gerade verlief.



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    Die Tage in Capua vergingen mit einer Mischung aus schlichter Erholung im Haus einer alten Freundin der Flavierin und einer milden Portion gesellschaftlichen Lebens. Es waren ein paar Tage, die die Flavierin wirklich genoss und die ihre Stimmung ziemlich positiv beinflussten, so dass auch ihre Begleiter die Tage zur Erholung nutzen konnten.


    Dann kam der Tag der Abreise und schon wenig später fanden sich der Reisewagen und die begleitenden Karren und Reiter auf der Via Appia und zogen Rom entgegen. Da sie sich ihrem Ziel näherten, hatte der Sklave aufgehört seine Herrin ruhig zu stellen, so dass die cubicularia im Inneren des Wagens wenig zu beneiden war. Die alte Dame schien auf dem letzten Stück der Reise alles das an schlechter Laune rauslassen zu wollen, was sie zuvor durch den vielen Schlaf verpasst hatte. Jede Kleinigkeit, die ihr in irgendeiner Form negativ auffiel, führte dazu, dass sie rummeckerte, tobte und einmal sogar der Sklavin gegenüber handgreiflich wurde.


    Als dann endlich am Horizont das Zentrum der Welt in den Blick geriet, atmeten alle in der Reisegruppe auf, Das Ziel und damit das Ende dieser Reise waren fast schon zum Greifen nah und alle waren froh, dass die Reise endlich enden würde. Ein Reiter wurde vorgeschickt um dafür zu sorgen, dass am Tor eine Sänfte bereit stand, da die Wagen am Tag ja bekanntlich nicht in die Stadt hinein durften. Ausserdem war eine Sänfte natürlich standesgemäßer.


    Am Tor angelangt entstieg dann Flavia Polla dem Wagen und bestieg die Sänfte.

    Via Popilia


    Erbaut während des Consulats des Publio Popillio Lenate zog sich die Via Popilia über 400 Kilometer durch Campania und Bruttium. Sie veraband an ihren Enden die Städte Capua im Norden und Rhegium im Süden.



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    Es war sehr früh am Morgen, das Aufsteigen der Sonne war gerade erst zu erahnen, als eine mehr als nur ein Bisschen müde (und dementsprechend extrem mürrische) Flavia Polla das Gasthaus in Rhegium verliess und den, vor der Tür bereitstehenden, Reisewagen bestieg. Auch wenn sie, so waren sich alle in ihrer Reisegruppe sicher, nach wenigen Minuten im Wagen bereits wieder einschlafen würde, so war es ein recht unangenehmer Akt gewesen sie davon zu überzeugen, dass sie ihr Bett verlassen, sich ankleiden und dann hinausgehen musste. Als der Wagen dann jedoch aus Rhegium hinaus auf die Via Popilia gelangte, konnten ihre Begleiter erleichtert aufatmen, denn aus dem Inneren des Wagens drang bereits ein sonores Schnarchen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass das alte Monster eingeschlafen war und ihre Cubicularia im Inneren des Wagens vermutlich einige ruhige Stunden vor sich hatte, ehe sie aufwachen würde und ganz dringend bespaßt werden musste.


    Zur großen Freude der Reisegruppe verlief die Reise insgesamt ohne wirklich große Probleme. Die alte Dame hatte zwar an jeder Unterkunft, in der sie übernachteten, etwas auszusetzen, doch gelang es ihrem Leibsklaven eigentlich immer sie mehr oder weniger schnell zu beruhigen. Zumeist halfen ihm dabei ein Krug Wein in dem er oft einige wenige Tropfen einer Flüssigkeit gab, die ihm ein Apotheker in Rhegium, am Abend ihrer Akunft dort, verkauft hatte. Er wusste nicht genau um was es sich handelte, aber was auch immer es war, es erfüllte seinen Zweck. Es beruhigt die Alte und sorgte dafür, dass sie gut und viel ausgiebig schlief.


    Die Reise entlang der Via Popilia kam der Reisegruppe weit weniger lang vor als die, eigenltich kürzere, Reise entlang der sicilianischen Nordküste. Selbst Flavia Polla hatte das Gefühl, dass die Reise gar nicht so lang gedauert hatte, auch wenn sie nicht wusste, dass das vor allem daran lag, dass sie den Großteil der Reise in einem berauschten Zustand verschlafen hatte. Doch auch wenn das Gefühl der Reisenden ihnen vorgaukelte, dass alles gar nicht so lange gedauert hatte, so war an dem Tag, als sie sich Capua näherten, ihr Aufbruch aus Rhegium bereits eine gute Woche her. Aber zur großen Erleichterung aller hatten sie nun den größten Teil der Reise bereits hinter sich. Sie würden einige Tage in Capua verbringen, sich von der bisherigen Reise etwas erholen und dann über die Via Appia die bedeutend kürzere Reise nach Rom antreten.

    Die flavische Dame hasste Schiffe. Sie hasste sie so sehr, dass sie die Insel, auf die sie mit ihrem Gatten übergesiedelt hatte, seitdem nicht mehr verlassen hatte, denn eine Rückkehr von Sicilia nach Italia verlangte nun einmal danach, dass ein Schiff zu besteigen.


    Nach der Reise entlang der sicilianischen Nordküste in einem engen und nur sehr mäßig bequemen Reisewagen, war sie nur widerwillig dazu bereit gewesen auch noch ein Schiff zu besteigen. Es hatte ganze zwei Tage gedauert sie davon zu überzeugen, dass das Schiff sicherlich nicht ausgerechnet dann untergehen würde, wenn sie sich darauf befand. Zwei Tage, die der Kapitän des Schiffes nur bereit war zu warten, weil ihm genug Geld angeboten wurde um seinen Verdienstausfall zumindest teilweise zu mindern.


    Während die Dame nichts davon mitbekam, dass ihr Verhalten dafür sorgte, dass andere Menschen Unannehmlichkeiten zu erdulden hatten (was sie aber im Grunde auch nicht tangiert hätte), mussten sich ihre Begleiter um alles kümmern und dafür sorgen, dass die Familie ihres Gatten nicht völlig die Geduld verlor und die Zahlung an den Kapitän und alle übrigen zusätzlichen Kosten, die sie durch ihre Sturheit verursachte, übernahm. Ihr Leibsklave war sich allerdings sicher, dass die Valerier im Zweifelsfall auch die eine oder andere Villa irgendwo im Imperium verkaufen würden nur um die unausstehliche Frau loszuwerden.


    Die eigentliche Überfahrt verlief dann tatsächlich sehr unspektakulär und ohne Probleme. Die Flavierin hatte sich die meiste Zeit über in ihrer Kabine eingeschlossen, da sie, wie sie sagte, den Anblick der ungehobelten und ungewaschenen Seemänner nicht ertragen konnte. Ihre junge cubicularia wusste da allerdings anderes zu berichten. Ihren Erzählungen nach war die Herrin die ganze Zeit über damit beschäftigt sich zu übergeben. Auch die Farbe in ihrem Gesicht wurde, zur Belustigung aller Mitreisenden, äusserst anschaulich beschrieben.


    Als das Schiff dann in den Hafen von Rhegium einlief war jedoch alle Ruhe verflogen. Wie eine gerade frisch aus dem Milchbad gestiegene Cleopatra strahlte die Flavierin aus allen Ecken ihres ältlichen Körpers ein Selbstbewusstsein und eine gekünstelte Würde aus, die ihres gleichen suchte, als sie beim Anlegen über das Deck schritt und dabei niemanden eines direkten Blickes würdigte. Als das Schiff festgemacht und die Landungsbrücke aufgelegt war, schritt sie über diese mit einer Eleganz, als wäre sie eine vom Olymp herabgestiegene Göttin die ihre zarten Füsschen auf die Erde setzte.


    Die kleine Reisegruppe würde den Rest des Tages und die Nacht in einem Gasthaus Rhegium verbringen und erst am folgenden Tag die Stadt verlassen. Hinaus auf die Via Popilia, auf der sie bis Capua reisen würden. Das Ziel der Reise kam langsam näher.

    Es dauerte geschlagene drei Tage, bis die Vorbereitungen für die Reise abgeschlossen waren. Drei Tage in denen die Sklaven der Flavierin und die übrigen Bewohner des Hauses mehr als nur einmal damit zu kämpfen hatten, dass die Laune der alten Dame von einem Extrem ins andere wechselte.


    War sie im Verlauf des ersten Tages (jenes Tages, an dem sie über ihren Rauswurf informiert worden war) in erster Linie sanft, etwas traurig und enttäuscht aber auch entschlossen den Rest ihrer patrizischen Würde zusammenzukehren und erhobenen Hauptes zu gehen, änderte sich dies in den folgenden Tagen mehrfach.


    Auch wenn sie darauf verzichtete weiteres Mobiliar zu beschädigen, so führten ihre verbalen Ausfälle bei mehreren Gelegenheiten dazu, dass junge, züchtig-keusche Sklavenmädchen mit hoch rotem Kopf das Weite suchten. Auch ihre eigene cubicularia hatte mehr als ein Mal mit den Tränen zu kämpfen, obwohl sie das Verhalten ihrer Herrin durchaus kannte. Trotz allem wurden die Habseligkeiten der Herrin, gemeinsam mit einer großen Zahl Tränen, ordentlich verpackt und für die Reise vorbereitet.


    Einzig der ältere Sklave, der schon so vieles mit seiner Herrin erlebt hatte, blieb bei all dem Gezeter und Getobe der Dame ruhig. Er konzentrierte sich voll und ganz darauf die Reise zu organisieren, alles zu regeln, was vor dem Aufbruch zu regeln war und sich um alles zu kümmern, was seine Herrin vergaß oder übersah.



    Am Ende der Vorbereitungen hiess es dann endgültig Abschied nehmen. Die Flavierin verliess das Haus, in dem sie soviele Jahre gelebt hatte, ein letztes Mal. Als sie durch die Porta trat, schaute sie sich noch einmal um, fast so als wollte sie sich das Bild in ihr Gedächtnis brennen, ehe sie vom Haus weg ging und den wartenden Reisewagen bestieg. Der Wagen war zumindest mit dem nötigsten Komfort ausgestattet und bot der Dame und ihrer cubicularia, die sie vorerst zu ihrer Reisebelustigung erkoren hatte, zumindest eine rudimentär angenehm gemütliche Reise.


    Kurze Zeit, nachdem die beiden Frauen es sich bequem gemacht hatten, rumpelte der Wagen dann auch los. Natürlich würde der Wagen die Reise nicht allein zurücklegen, sondern er wurde von mehreren Lastkarren begleitet, auf denen das Hab und Gut der Flavierin transportiert wurde. Die Dame hatte alles mitgenommen, was sie haben wollte und auf das ihrer Meinung nach auch sonst keiner Anspruch hatte. Ausserdem wurde die Wagengruppe von einer Hand voll bewaffneter Söldner begleitet, denn man wusste ja nie, welches Gesindel einem auf der Reise auflauern würde.


    Die geplante Reiseroute führte an der nördlichen Küste Sicilias entlang, weg von Lilybaeum, am westlichsten Zipfel der Insel, und auf das östliche Ende der Insel zu, von wo aus die kleine Gruppe auf das italische Festland übersetzen würde.

    *KLIRR*
    Der kleine Becher zerbrach in eine Unzahl von Einzelteilen. Die Scherben, sowohl große als auch kleine, sprangen von der Wand ab. Einige landeten direkt unter der Einschlagstelle und bildeten dort einen traurigen Scherbenhaufen, während andere quer durch den Raum flogen und auf ihrer Bahn fast unaufhaltsam waren.


    "Aber Herrin..." Ein leichtes Zittern war in der Stimme der jungen Sklavin zu hören, als ihre Worte dadurch erstickt wurden, dass sie sich ängstlich wegduckte um einer der Scherben auszuweichen.


    *KLONG*
    Der Teller, der als nächstes lernte die Schwerkraft zu überwinden und sich in die Lüfte zu schwingen, konnte diesen Flug nicht lange genießen, denn auch im sprang eine Wand in die Flugbahn. Da der Teller jedoch, im Gegensatz zum zuvor zerborstenen Becher und diversen anderen Gegenständen in den vergangenen Minuten, durch den Werkstoff, aus dem er gefertigt war, nicht sonderlich zerbrechlich war, landete er lediglich mit einem lauten Scheppern auf dem marmornen Bodenbelag.


    "Herrin, das solltest du nicht tun." Der stämmige Sklave,
    der einige Schritte neben der Zimmertür stand, hatte deutlich weniger Angst als seine junge Artgenossin. Vor allem aber kannte er das, was hier vor seinen Augen geschah, bereits aus früheren Aufführungen und war dementsprechend etwas abgebrühter.
    Doch auch seine Worte drangen in diesem Moment erst einmal nicht dorthin durch, wo sie dringend gehört werden mussten. Und so erhoben sich, in Ermangelung weiterer lautstark zerbrechender oder scheppernder Gegenstände, mehrere Kissen, die eigentlich auf zwei clinen und einem Bett ihren Platz hatten, in die Lüfte und segelten quer durch den Raum.
    Auch wenn die Kissen, ob ihrer wenig aerodynamischen Form, etwas merkwürdig ungezielt durch die Luft flogen, erreichten sie dennoch ihr Ziel. Diese war, anders als bei den vorherigen fliegenden Objekten, allerdings keine Wand. Stattdessen segelten die Kissen durch ein Loch (man könnte es auf Fenster nennen) in einer solchen und verschwanden in der morgendlichen Seeluft.


    "Herrin, bei allem Respekt, aber selbst wenn du jeden einzelnen Gegenstand in diesem Raum zerstörst oder zum Fenster hinaus befördesrt, so wird das alles nichts ändern. Du wirst ihn nicht umstimmen können." In der Stimme des Sklaven lag soviel Ruhe wie er in diesem Moment noch aufbringen konnte, nachdem er nun seit einer guten Stunde zugesehen hatte, wie seine Herrin wütete und dabei die Räumlichkeiten, die sie in den letzten Jahren bewohnt hatte, immer weiter verwüstete.


    Die Versuche der beiden Sklaven ihre Herrin zu beruhigen, waren bisher von wenig Erfolg gekrönt und fast hätte man das Gefühl kriegen können, dass sie mittlerweile nur noch darauf warteten, dass sie sich selbst beruhigte oder einfach müde wurde.
    Doch noch schien weder das eine, noch das andere geschehen zu wollen. Auf die Worte des Sklaven hin trat die, vor Wut fast schnaubende, Dame mit wenigen, sehr aufgebracht energischen Schritten direkt vor ihren Sklaven und starrte ihn an. In ihren Augen brannte ihre Wut, auch wenn der Sklave jetzt, da er sie direkt aus der Nähe sah, ziemlich sicher war, dass ihre Verärgerung langsam abklang.


    "Wie kann dieser kleine, rückgratlose, wimmernde Wurm sich das nur wagen? Was, bei den Göttern, denkt er eigentlich wer er ist?" Herrschte die Dame ihren Sklaven an und setzte, ohne im auch nur den Hauch einer Chance für eine Antwort zu lassen, direkt nach: "Und was glaubt er eigentlich wer ich bin? Hat er überhaupt eine Ahnung, was er mir zu verdanken hat? Ich fasse es nicht,
    wie undankbar dieses niederträchtige, nutzlose Nagetier ist. Dieses kleine rotgesichtige, Rindvieh. Und dann traut der feige Wicht sich noch nicht einmal selbst hier zu erscheinen?
    Wenn ich dieses mickrige, müffelnde Mistvieh in die Finger kriege."


    Sie wandte sich von ihrem Sklaven ab und schaute sich im Zimmer um, offenbar auf der Suche nach weiteren Dingen, die sie herumwerfen konnte. Während die junge sich schon wieder nach einer geeigneten Deckung umsah, nutzte der Sklave die Gelegenheit das Wort an seine Herrin zu richten: "Herrin, wenn du erlaubst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der junge Herr davon ausgeht, dass er der Herr dieses Hauses ist.
    Und das, wie mir scheint völlig zu recht. Und Herrin, ich bin mir sicher, dass er auch genau weiß, was er dir zu verdanken hat. Aber der Herr ist jung und wie du weist,
    ist die Jugend häufig nicht mit einer sonderlich großen Einsicht versehen und auch Dankbarkeit ist ihnen meist eher fremd."
    Sicherlich würde der Sklave seiner Herrin nicht sagen, was er tatsächlich dachte, denn er hing viel zu sehr an seinem Leben und jedem einzelnen Teil seines Körpers. Hätte er seiner Herrin gesagt, dass der junge Verwandte ihres, nicht mehr unter den Lebenden weilenden, Gatten völllig richtig handelte, wenn er die alte Frau vor die Tür setzte, so hätte er im Leben vermutlich keinen schönen Moment mehr gehabt.


    Die Dame machte, nachdem seine Worte zu ihr durchgedrungen waren, ein schaubendes,
    fast schon grunzendes, Geräusch und wandte sich wieder dem Sklaven zu. "Trotzdem hätte er zumindest den Mut aufbringen können selbst hier zu erscheinen. Ich finde, dass wäre das Mindeste, was ich verdient hätte. Er hätte selbst herkommen und mir sagen können, dass ich in diesem Haus nicht mehr erwünscht bin. In diesen Haus, dass ich erst zu einem richtigen Heim für ihn und seine buckelige Sippschaft gemacht habe. Ohne mich wäre das hier noch immer nicht mehr als ein Kuhstall mit einer Wohnkammer. Und ohne mich wären er und seine jämmerlichen Verwandten schon längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Nichts hätten sie ohne mich erreicht."


    Hätte er nur ein kleines Bisschen weniger Selbstbeherrschung an den Tag gelegt, hätte der Sklave seine Herrin in diesem Moment vermutlich ausgelacht. All die großen Erfolge, die sie da für sich verbuchte, waren weit hergeholt und zeugten davon,
    dass die alte Frau in ihrem Geist sicherlich einen ganz anderen Papyrus abrollte als der Rest der Welt. Die Familie, die sie da als buckelige Sippschaft abkanzelte war nicht weniger bedeutend als ihre eigene und sicherlich war ihr Erfolg weniger auf die alte Dame als auf den eigenen Namen zurückzuführen. Allein der Klang des Familiennamens, Valeria,
    hatte für den Sklaven etwas besonderes und deutete für ihn auf Würde, Ehre und Macht hin. Nicht dass der Name der Familie seiner Herrin, Flavia, weniger einnehmend und eindrucksvoll war, aber irgendwie versaute die Tatsache, dass er seine Herrin so gut kannte, wie er sie kannte, den romantischen Hauch des flavischen Ansehens.
    "Herrin, ich glaube nicht dass der junge Herr dich vor den Kopf stoßen wollte. Er ist nur sehr beschäftigt und ist heute bereits bei Sonnenaufgang aufgebrochen und wird erst in ein paar Tagen zurückkehren. Er wollte dir aber sicherlich trotzdem die Möglichkeit geben möglichst rasch mit den Vorbereitungen deines Aufbruchs zu beginnen. Immerhin ist die Reise zu dieser Jahreszeit auch nicht mehr ganz so angenehm und je baldiger du aufbrichst, desto schneller erreichst du das Ziel und hast vielleicht noch Glück mit dem Wetter."
    In Wirklichkeit, da war der Sklave sich sicher, hatte der junge Hausherr einfach nur keine Lust darauf gehabt ihr selbst zu sagen, dass sie verschwinden sollte, da er sicherlich genau wusste, wie ihre Reaktion aussehen würde.


    Die Flavierin schnaubte erneut und blickte sich noch einmal im Raum um. Da sie erneut nichts entdecken konnte, das sie kaputtschmeissen konnte, nickte sie leicht.
    "Vermutlich hast du Recht." Es war so, wie der Sklave es schon oft erlebt hatte, auf den heftigsten Sturm folgte, völlig ohne Vorwarnung und ohne großes Abklingen, fast aus dem Stand heraus ein Umschwung ihrer Laune und sie war wieder sanft wie ein Lamm. "Wir sollten mit den Vorbereitungen beginnen." sagte sie und wandte sich an die Sklavin. "Fang an zu packen.
    Wir gehen heim. Zurück nach Rom."