Beiträge von Hierophilus

    Zitat

    Zitat Marcus Helvetius Commodus: "Doch wer ist der Kaiser? Wenn ich den Kaiser mal mit der Seele gleichsetze? Wo sitzt er...eigentlich kann er nicht in einem der drei genannten sein. Denn wie wir meiner Meinung nach festgestellt haben sind das Generäle. Zweifellos mit sehr viel Macht aber doch nicht genug als das sie gegenüber den anderen Generälen herrschen könnte. Jedenfalls nicht für längere Zeit. Genauso wie im römischen Reich. Ein Provinzherrscher kann sich sicherlich mit seinen Legionen zum Kaiser ausrufen und Monate vielleicht sogar Jahre herrschen. Aber der wahre Kaiser mit den anderen Generälen und Legionen wird ihm am Ende besiegen. Das haben wir ja alle noch selbst in unserer Lebenszeit bei Salinator erlebt. Aber zurück auf den menschlichen Körper...bin ich ratlos wo die Seele...wo der Kaiser seinen Sitz hat..."


    Hierophilus sah seinen Kollegen und Lehrmeister Soranus an.
    "Was sagst du dazu, mein Freund?"


    Der ältere Medicus lächelte.
    "Ich fürchte wir müssen diese Frage solange offen lassen, bis uns jemand beweisen kann, wo der Sitz der Seele ist. Wie ihr wisst bin ich kein Freund der Leichenöffnung bin. Was meint ihr? Würde man die Seele finden, wenn man eine Sektion durchführen würde? Ist die Seele sichtbar oder greifbar?"

    Soranus klatschte erfreut in die Hände.
    "Ja, so gefällt mir das! Ja, vermutlich ist der Kommandogeber im Kopf. Das scheint wohl richtig zu sein. Das Herz ist der Taktgeber und die Zentrale des Blutes, so viel wir bisher wissen, da hast du recht, Flaccus. Die Adern führen zum Herzen oder von ihm weg. Sie führen aber auch ins Gehirn und in die Lunge. Ein weiteres Indiz für die Wichtigkeit des Pneuma. Also besteht aus diesem der Zusammenhang? Herz - Lunge - Pneuma - Gehirn? Aber wo ist dann der Sitz der Seele? Und was hat sie mit dem Pneuma zu tun? Sind wir uns überhaupt einig, dass es eine Seele gibt? Was denkt ihr, Chrysogona, Flaccus und Commodus?"

    Soranus neigte sich vor. Er lächelte verschmitzt als er Commodus Antwort hörte.


    "Nun, ich glaube so wirklich weiß niemand, wann das Pneuma sich bildet und woraus. Oder aber ob überhaupt. Doch mit der Idee des Pneuma haben wir immer noch nicht geklärt wo im Körper wir denken? Oder doch? Können wir also überall denken? Überall wo die Kanäle des Körpers das Pneuma hinführen oder wo das Pneuma durch die Poren eindringen kann? Oder gibt es spezielle Orte oder Organe wo wir denken? Oder sind gar unterschiedliche Orte und Organe für verschiedene Aufgaben zuständig. Sagen wir der Magen oder der Darm denkt daran, was wir essen sollen, das Herz wem wir unsere Liebe schenken oder ... ähm... jetzt musst du gerade mal weghören, werte Chrysogona, ein bestimmtes männliches Körperteil mit wem wir uns fortpflanzen? Und was ist mit den Gleichungen und philosophischen Disputen der Phythagoräer? Mit welchem Organ werden sie bearbeitet? Oder müssen sich gar alle zusammentun, wenn es um so komplexe Aufgaben geht? Was meint ihr? Flaccus? Commodus? Chysogona? Oder ihr anderen?"


    Er blickte in die Runde.

    Es wurde spannend. Die Diskussion kam in Gang.
    Hierophilus hörte zunächst Valerius Flaccus zu, dann dem Helvetier. Zunächst wandte er sich an den Valerier.
    "Dass wir unser Gehirn zum Denken brauchen, das steht außer Frage. Denn wir sehen wie wichtig es dafür ist, wenn es verletzt wurde. Da werden mir meine beiden Kollegen sicher beipflichten. Aber wie steht es dann mit diesen Wahrnehmungen in den Organen? Warum schmerzt uns das Herz bei Liebeskummer oder wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben? Und warum kribbelt es wie Schmetterlinge im Bauch wenn wir uns verlieben? Insofern ist deine Frage mehr als berechtigt, Valerius Flaccus. Gibt es womöglich Nebenstelllen für den Geist? Was ist der Geist, was Verstand? Da bringst du uns wirklich auf ein interessantes Thema, Helvetius Commodus!"


    Auch sein Kollege Soranus meldete sich zu Wort.
    "Ich finde Commodus Idee mit dem Nebel oder der Flüssigkeit, die sich durch den Körper bewegt und so alle Teile des Körpers erreichen kann. Es gibt eine Gruppe Mediziner, die etwas ähnliches postulieren. Man nennt sie "Pneumatiker". Sie glauben, dass die Luft = Pneuma durch die Lungen eingeatmet wird um das heiße Herz zu kühlen. Vom Herzen aus strömt das Pneuma mit dem in der Leber gebildeten Blut durch den Körper und ernährt alle Organe. Fließt dieser Lebenshauch nicht mehr, entstehen Krankheiten, so sagen Athenaios von Attaleia und seine Mitstreiter. Das würde doch deiner These entsprechen, nicht wahr Commodus? Wir wissen mit Sicherheit, dass die Organe über Adern und Nerven miteinander kommunizieren, doch womit kommunizieren sie? Und ist dieses "Pneuma" oder was auch immer der Stoff ist, der dort fließt, zum Denken und Fühlen notwendig?"

    Hierophilus wartete eine Weile ab, bis die Teilnehmer am Symposion sich bekannt gemacht hatten und die Privatgespräche etwas abebbten. Dann kam er mit dem Thema des Abends heraus.
    "Amici, es wird Zeit, dass wir uns der gelehrten Diskussion widmen. Thula, schenk Wein nach!"


    Die Sklavin brachte einen neuen Mischkrug und Soranus überprüfte, dass das Mischungsverhältnis dieses Mal etwas mehr Wein enthielt. Das löste bekanntlich die Zungen.


    Dann erhob der Hausherr die Stimme.
    "Verehrte Gäste, werte Freunde. Da wir nicht wussten, welche Interessengebiete ihr präferiert, haben wir uns einem Thema genähert, das zwar unseren Fachbereich berührt, aber dennoch weit darüber hinaus geht. Ich habe einen Text in die Finger bekommen, in dem ein Gelehrter einen medizinischen Text aus dem akkadischen übersetzt hat und dabei auf ungeahnte Schwierigkeiten stieß. So haben die Sumerer Begriffe aus der Körpersprache für übergeordnete Themen benutzt. EME bespielsweise steht für die Zunge aber zugleich auf für die Stimme. Diese wiederum kann auch Hals bedeuten. Das Ohr steht für den Begriff "weise sein". Jemand der gut zuhört, wird offensichtlich für weise gehalten. Dass Lunge und Atmung synonym sind, kann man ja gut verstehen. Interessant wird es allerdings wenn die Sumerer auf den Kopf und das Herz zu sprechen kommen. Das akkadische Wort für Kopf, Schädel und Gehirn bezeichnet nicht ein Denkorgan. Man betrachtet dort das Herz als den Sitz des Verstandes und glaubt, dasss der Mensch mit dem Herzen denkt. Zudem gibt es auch Hinweise darauf, dass man manchmal sogar glaubte, es werde mit dem Magen oder den Innereien gedacht. Wie seht ihr das, meine Freunde? Wo denken wir? Denken wir mit dem Herzen, mit dem Kopf respektive dem Gehirn oder mit den inneren Organgen?"

    Zitat

    Original Valerius Flaccus: "Wenn ihr also schon einmal Probleme mit der neuen Lex Mercatus hattet, müsst ihr mir einen kleinen Teil der Schuld geben."


    Hierophilus hörte Flaccus interessiert zu.
    "So, na dann habe ich aber Glück, dass ich als Medicus mit der Le Mercatus nicht viel zu tun habe. Oder muss ich mir da Gedanken machen?"


    Der Grieche überlegte kurz, dann fragte er den Valerier nach seinen weiteren Interessen.
    "Gibt es Themen, die dir besonders am Herzen liegen? Wir haben nicht viel vorbereitet heute, weil wir ja nicht so genau wussten, wer kommen würde. Aber mein Kollege Soranus hat etwas interessantes aus dem Bereich der Medizin gepaart mit Philosophie ausgesucht. Als Einstieg quasi in die Diskussion."


    Zitat

    Original Plinia Chrysogona: Sie wandte sich an ihre Gastgeber. "Soranus? Hierophilus? Kennt ihr einen guten Magister gymnasii hier im Umkreis? Der Verwandte unseres Freundes Helvetius Commodus, Helvetius Varus benötigt Unterstützung bei der Wiedererlangung seiner physischen Stärke. Besonders gut geeignet wäre jemand, der sowohl über ein gutes Übungsspektrum verfügt als auch ein gewisses Einfühlungsvermögen für einen Genesenden. Gibt es hier so jemanden?"


    Dieses Mal war es Soranus, der gleich antwortete.
    "In der Titus Therme gibt es einen Magister palaestrae, der sich sehr gut auf gymnastische Übungen und die Anleitung der Menschen versteht, die gesundheitliche Probleme haben. Sein Name ist Cassio. Ich werde ihn fragen, ob er das übernhemen kann. Ist ein Hausbesuch notwendig?"


    Soranus sah die Plinia aber ebenso den Helvetier fragend an.

    Hierophilus drehte sich zur Tür des großen Tricliniums um. Ein Neuankömmling. Wie schön.
    Der Neuling stellte sich als Tiberius Valerius Flaccus vor.
    "Salve, Valerius Flaccus. Es ist nie zu spät und ich denke, du kennst den Spruch: "je später der Abend desto interessanter die Gäste."


    Der Medicus winkte Thalia herbei. "Einen Becher gemischten Wein für unseren Freund hier! Greif zu Valerius Flaccus! Und dort sind einige Häppchen, falls du hungrig bist. Wir haben gerade erst angefangen, uns vorzustellen. Was für eine Profession hast du?"


    Hierophilus stellte den Hausherren Soranus als Gynaikologicus und sich selbst ebenfalls als Medicus vor, der vor allem in der Frauenheilkunde tätig war. Mit tiefer Verehrung nannte er den Namen der kaiserlichen Medica Plinia Chrysogona. Danach deute er auf Decimus Didimus Matrinius, den Advocatus und auf Titus Valentius, den Scriba des Censors für die Verpachtung der staatlichen Ländereien in Latium. Zuletzt wurde der Architectus Helvetius Commodus vorgestellt und auch gleich das Thema der gerade begonnen Diskussion aufgegriffen: die Verwendung der Groma beim Bau der Via Appia. War das Instrument bereits beim allerersten Bau der Straße verwendet worden? Und wenn ja, wie funktionierte das Gerät eigentlich?

    Interessiert hörten die beiden Gastgeber zu. Erfreut stellten sie fest, dass ihr Gast ebenfall ein zumindest halber Grieche war. Soranus war der erste, der antwortete.
    "Paxos! Na so was! Dann seid ihr griechischer Herkunft? Architectus? Das ist fein. Da gibt es sicherlich Diskussionsbedarf!"


    Titus Valentius meldete sich zu Wort.
    "Ja, sowas! Der Curator Rei Publica! Das ist sehr gut. Sag, Helvetius Commodus. Die Via Appia ist ja schon sehr alt und bestimmt nicht in allen Teilen auf dem neuesten Stand der Bautechnik, nicht wahr? Muss nur der Belag verbessert werden oder nimmt man Veränderungen am Streckenverlauf vor? Bist du jetzt nur für den Teil der zu Latium und Rom gehört zuständig oder auch für den Rest bis Brundisium?"


    Nun hielt es selbst Hierophilus nicht mehr. Er wollte seine Frage auch loswerden.
    "Kommt denn da die Groma zum Einsatz? Ein interessantes Instrument von dem ich immer noch nicht weiß, wie es eigentlich funktioniert. Kanst du mir das erklären, Helvetius?"

    Hierophilus freute sich, dass noch zwei neue Gäste zu ihrer Runde hinzutraten. Er kannte Marcus Helvetius Commodus und dessen "rechte Hand" Caius Decius Burdo noch nicht, aber etwas fischer Wind tat der Runde gut.
    "Salvete! Natürlich ist es machbar, es freut mich sogar sehr. Sagt, Helvetius Commodus, sind wir uns nicht schon einmal begegnet? Könnte es sein, dass du in der Gegend wohnst?"


    Der Medicus glaubte sich an das Gesicht zu erinnern, vielleicht auch an die beiden Gesichter. Sie schienen ihm plötzlich nicht mehr so fremd.
    "Und darf ich fragen, was deine Tätigkeit so im Allgemeinen ist? Wenn du nicht gerade einem Diskussionssymposion bewohnst?"


    Auch Soranus war inzwischen näher gekommen. Er hörte aufmerksam zu.

    "Salve, hochverehrte Kollegin!", flötete Hierophilus als sich die Plinia vorgestellt hatte. Er wusste natürlich wer sie war, ebenso wie sein Freund Soranus, der sich ebenso neugierig hinzugesellte. "Wir sind erfreut, dass du unserem Zirkel mit deiner Anwesenheit Glanz verleihst! Darf ich vorstellen? Mein Freund und Mentor, Soranus von Ephesus und zwei unserer Nachbarn. Decimus Didimus Matrinius und Titus Valentius. Matrinius ist Advocatus, Titus Valentius Scriba des Censors für die Verpachtung der staatlichen Ländereien in Latium. Nehmt doch bitte Platz!"


    Auch der etwas ältere Soranus begrüßte die Medica höflich und stellte sich vor. Er reichte ihr einen Becher mit gemischtem Wein und winkte Thalia eine Platte mit Häppchen zu bringen.


    Sim-Off:

    Wie gesagt: eine unverbindliche Einladung ergeht an alle, die Lust haben hier mitzuschreiben. Es sind noch Stühle frei

    Es war so weit, Soranus und Hierophilus hatten den ersten Abend für ein lockeres Beisammensein all jener organisiert, die sich gerne niveauvoll unterhielten. Zunächst hatten sie aus dem Bekanntenkreis ein paar Freunde eingeladen. Vermutlich würden nicht so viele kommen, aber ein Anfang war es immerhin.


    Hierophilus hatte dazu noch einen Aushang am Tempel des Asklepios, der Minerva medica und diverser anderer Tempel gemacht, bei denen sich wissenschaftlich interessierte Leute trafen.


    Mehrere Klinen und Stühle waren aufgebaut. Die Haussklavin Thalia servierte Getränke und kleine Häppchen. Nun war er gespannt, wer kommen würde.


    Sim-Off:

    Es ist jeder eingeladen, der Interesse an niveuvollen Gesprächen hat, die sich rund um antike Philosophie und Wissenschaft drehen

    Der Medicus (Gynaecologicus) Hierophilus und sein Lehrmeister Soranus suchen einige Interessierte, die gerne auf hohem Niveau diskutieren. Entweder geschätzte Kollegen oder andere gebildete Bürger, die mit Vorliebe über Philosophie, Kunst und Wissenschaft diskutieren wollen. Gerne würden sie sich zu privaten Treffen in abwechselnden Lokalitäten treffen, wo man bei einem guten Becher Wein und in einer angenehmen Atmosphäre das ein oder andere Thema diskutiert. Das erste Treffen kann zum Kennenlernen in der Casa Sorani stattfinden.
    Wer interessiert ist, darf sich per PN an Hierophilus wenden, damit wir besprechen können, ob und wie wir uns zusammenfinden können.

    Soranus und Hierophilus saßen wie so oft abends gemeinsam bei einem Becher Wein und philosophierten. Wie so oft begann die Unterhaltung mit der Medizin, drehte sich zur Philosophie und ethischen Fragen, streifte dabei die Physik und Mathematik.
    Es war ein langer Abend. Mal diskutierten sie übereinstimmend, dann wieder stritten sie heftig und ausdauernd. Irgendwann hob Soranus lachend den Becher.
    "Meinst du nicht, Hierophilus, dass wir unsere Diskussionsrunde erweitern sollten? Wir könnten ein paar Kollegen anschreiben oder auch andere wissenschaftlich und kulturell Interessierte, die Spaß daran haben auf hohem Niveau über die Götter und das Universum zu philosophieren. Was denkst du?"


    Der jüngere Kollege nicke müde. "Ich finde das einen hervorragenden Einfall. Das sollten wir tun. Nun aber, mein Freund, bin ich zu müde. Ich muss unbedingt in mein Bett. Gute Nacht, Soranus."

    Schon am ersten Tag, als Hierophilus seine Arbeit in der Praxis wieder aufnahm, erschien eine junge Frau in der Sprechstunde, die alsbald weinend auf der Untersuchungsliege saß. Es dauerte eine Weile bis der Medicus herausfand, was sie so unglücklich machte. Sie wollte zunächst nicht mit der Sprache herausrücken, sagte nur, dass sie schwanger sei und das Kind aber nicht bekommen könne bzw. wolle.
    Hierophilius kannte diesen Wunsch nur zu gut. Wie oft wurde der Wunsch an ihn herangetragen, eine Schwangerschaft zu beenden? Also setzte sich der Medicus auf einen Stuhl vor die junge Frau und nahm ihre Hand. Er hörte ihrem Schluchzen zu und versuchte mit gezielten Fragen, den Grund für den Abtreibungswunsch zu eruieren.
    "Ist es das Kind eines anderen Mannes als deines Gatten?", fragte er beispielsweise.


    Als sie verneinte fragte er, ob sie vergewaltigt worden sei. Sie schüttelte energisch den Kopf. Dann fragte er nach Krankheiten, Missbildungen, die zu erwarten wären. Auch hier verneinte die junge Frau.
    "Was ist denn dann der Grund?", wollte er schließlich von ihr wissen.


    Nachdem die Tränenströme ein wenig versiegt waren, antwortete sie, dass die Hebamme ihr gesagt habe, dass sie ein Mädchen bekommen würde und ihr Gemahl schon mehrfach gesagt habe, dass er ein Mädchen sofort aussetzen würde. Er wolle nur einen Sohn, keine Tochter. Die kosteten nur Geld und wären dumm wie Bohnenstroh.


    Hierophilus holte tief Luft. "Wie kam die Hebamme denn zu dieser Erkenntnis?"


    Die junge Frau antwortete zögerlich. "Sie sagte, dass ich so blass sei und meine linke Brust größer und die Brustwarze geschwollen ist. Zudem spüre ich keine Bewegungen und meine Mutter behauptet, dass das ein eindeutiges Zeichen ist, dass es ein Mädchen wird, genauso wie der Ekel vor manchen Speisen und die Übelkeit."


    Der Medicus rollte die Augen. Er wusste nicht ober sich ärgern oder amüsieren sollte. Zu allererst ärgerte er sich über die Hebamme, die solche Unwahrheiten verbreitete und damit solches Unheil anrichtete, dann aber tat ihm die junge Frau leid. Er drückte die Hand der jungen Frau erneut.
    "Hör zu. Ich weiß, dass solcher Irrglaube weit verbreitet ist. Selbst der Urvater der Medizin, Hippokrates, ist solchen Gerüchten aufgesessen und hat sie unüberprüft weiterverbreitet. Das ist wohl auch der Grund, warum sie bis heute geglaubt werden."


    Mit großen Augen sah ihn die junge Frau an. "Das heißt ich bekomme gar kein Mädchen, sondern einen Sohn?"


    Wieder holte der Medicus hörbar Luft. "Nein, das heißt es auch nicht. Wir können nicht vorher wissen, welches Geschlecht ein Kind hat. Übelkeit und Ekel vor Speisen gibt es bei beiden Geschlechtern. Ebenso sagt deine Gesichtsfärbung oder die Größe einer Brust nichts darüber aus, ob es ein Mädchen oder Junge wird. Und die Bewegungen des Kindes kann man vermutlich noch gar nicht spüren, weil es dafür noch zu früh ist. So lange bist du ja noch nicht schwanger, oder?"


    Sie schüttelte den Kopf. "Drei Monde vielleicht..."


    Hierophilus nickte. "Siehst du, es wird noch weitere ein bis zwei Monde dauern bis du die Kindsbewegungen spürst. Und merke dir, weder ist ein Junge lebhafter, noch ein Mädchen an schwacheren Bewegungen zu erkennen."


    Die junge Frau nickte zwar, schien aber nicht wirklich überzeugt zu sein.
    "Die Wehemutter sagte auch, dass ich wenn erst Milch aus meiner Brust kommt, ein Brot aus dieser mit Mehl backen könne, um sicher festzustellen was es wird. Wenn der Teig aufgeht wird es ein Mädchen und wenn er anbrennt ein Junge!"


    Am liebsten hätte Hierophilus laut aufgeschrien ob dieses abergläubischen Unsinns. Er raufte sich die Haare. "Wer ist die Frau, die solchen Unsinn verzapft?"


    Unsicher sah ihn die Schwangere an. Sollte sie ihm wirklich den Namen nennen? Er schien wütend auf die Hebamme zu sein. Leise sagte sie. "Es ist Trulla aus der Subura."


    Hierophilus versuchte sich den Namen zu merken. Es gab unzählige Pfuscher und Scharlatane vor allem aber jede Menge dumme und unwissende selbstberufene Heiler und Hebammen. Nur weil eine Frau einer anderen half ein Kind auf die Welt zu holen war sie noch lange keine Fachfrau. Oft fehlte es an den simpelsten Kenntnissen und meist an medizinischer Grundbildung.
    "Ich werde dich jetzt untersuchen, um sicher zu sein, dass die Schwangerschaft normal verläuft. Ob du allerdings ein Mädchen oder einen Jungen gebären wirst, kann dir niemand sagen. Weder ich noch irgendeine Hebamme. Glaub mir das!"l

    Soranus winkte ab. "Du kennst meine Meinung dazu und ich die deine. Ich bin gespannt, ob mir die Lektüre der Schriften eine andere Sichtweise auf die Notwendigkeit anatomischer Studien mittels der Sektion oder Autopsie vermittelt. Du weißt dass der Begründer unserer Schule, Asklepiades von Bithynien das abgelehnt hat und stattdessen den korrekten Fluss der Atome in den Vordergrund gerückt hat."


    Hierophilus kannte die Schulmeinung der Methodiker, zu denen sich Soranus, trotz einiger differenter Ansichten, rechnete. Man hielt nichts von der Eröffnung der Körper, um sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Hierophilus hielt es da anders. Er hatte sich eher den Schülern des Sostratus angenähert, die das Skalpell benutzten um zu heilen und dafür von der dringenden Notwendigkeit der Eröffnung des Körpers überzeugt waren, um die genauesten anatomischen Erkenntnisse zu gewinnen, die sie für ihre Kunst benötigten.
    "Ja, ich weiß. Auch ich schätze Asklepiades und auch die Erkenntnisse seines Schülers Themision von Laodikeia, aber es gibt darüber hinaus auch die wichtigen Schriften des Sostratus und seine Arbeit spricht doch wiederum sehr dafür, dass man, um Schnitte am und in den Körper vorzunehmen unbedingt verlässliche anatomische Kenntnisse braucht."


    Sein weiser Freund nickte und hob den Finger. "Ein guter Einwurf, mein Freund! Und das ist ja genau der Grund, warum ich mich in diese Schriften vertiefen will. Ich will wissen, ob und wenn ja welche chirurgischen Maßnahmen diese berühnten Lehrmeister vornahmen und ob sich die Erkenntnisse, die sie dabei gewannen für die Gynaicolgia verwenden lassen. Wir werden sehen, wie notwendig sie die Anatomie und die Sektion einschätzen."

    Als die letzte Patientin die Casa Sorani verlassen hatte, setzten sich die beiden Freunde zusammen. Soranus ergriff eine Rolle nach der anderen. Mit glänzenden Augen liieß der Medicus die Schriftrollen durch die Finger gleiten.
    "Da Sostratos Werk über die Lithotomie! Ich bin so froh, dass du es kopieren lassen konntest, Hierophilus! Und da Enelpistos und dort Claudios Philoxenos, auch er wie Sostratos aus Alexandria, Hierophilus. Sie lehrten weit vor unserer Zeit am Museion. Und dann auch noch die Werke von Nileus, Pasikrates und den beiden Aristions - dem älteren und dem jüngeren. Wunderbar, Hierophilus!"


    Mit zufriedenem Grinsen ließ sich der jüngere Kollege es erfahrenen Medicus das Lob gefallen. Er griff nach dem Werk des Sostratos.
    "Darin habe ich auf der Überfahrt schon gelesen. Es ist wirklich interessant es sich noch einmal unter dem Gesichtspunkt der Gynäkologie zu betrachten. Auch wenn Sostratos in erster Linie Blasensteine entfernte, so ist doch die Nähe zwischen Uterus und Blase nicht von der Hand zu weisen und wir können seine Erkenntnisse sicher nutzen. Wobei wir mal wieder bei der Frage sind. Wie viel Anatomie benötigt ein guter Medicus?"


    Hierophilus wusste, dass er seinen Lehrer mit dieser Frage herausforderte. In der mediizinischen Tradition der Methodiker ausgebildet hatte Soranus ein gespaltenes Verhältnis zur Anatomie. Wahrscheinlich würde gleich ein dialektischer Vortrag folgen. Der kleinasische Medicus freute sich darauf. Er liebte die heißen Fachdiskussionen mit seinem Freund und Mentor.

    Es war das übliche Bild, das Hierophilus erwartete, als er vom Inaitor eingelassen wurde. Die lange Marmorbank im Vestibulum war gut gefüllt und auch im Atrium warteten einige Frauen. Das Haus des Soranus wirkte wie ein orientalischer Harem. Wer nicht wusste, dass der Hausbesitzer und sein Kompagnon Gynäkologen waren, würde sich vermutlich sehr wundern. Manche der Frauen waren sichtbar schwanger, aber es gab auch ganz junge oder alte Frauen. Die jungen wurden in der Regel von ihrer Mutter begleitet. Überhaupt waren einige der Frauen Begleitung, damit man die Patientin nicht mit einem fremden Mann alleine lassen musste zur Untersuchung. Fama war eine hinterhältige Mezze, die Göttin des Gerüchts hatte Flügel und war oft schneller unterwegs als man es sich wünschen konnte. Eine ehrbare und rechtschaffene Matrone war schnell in Verruf geraten, wenn sie sich alleine in die Behandlung eines Arztes begab. Noch dazu wenn sie ihm ihre intimsten Bereiche offenbaren musste.


    Hierophilus kannte diese Probleme nur zur genüge. Auch er hatte nichts dagegen, wenn sich die Frauen belgeiten ließen. Nur führte das in den beengten Verhältnissen der Casa Sorani manchmal zu einer echten Überfüllung. An diesem Tag war es so. Überall im Atrium standen Frauen herum. Es wurde geflüstert, gekichert und geplappert. Der Geräuschpegel war nicht wesentlich unter dem auf den Straßen rund ums Forum.
    Der griechische Medicus nickte hier und da einer Frau zu, die er kannte. Dadurch, dass er in den vergangenen Wochen nicht zur Verfügung getanden hatte, weil er einige wichtige, medizinische Schriften aus Alexandria besorgt hatte, konnten nicht so viele Patientinnen pro Tag behandelt werden. Die Wartezeiten waren lang, Soranus arbeitete bis spät in den Nachmittag hinein.


    Gerade ging die Tür zu seinem Behandlungszimmer auf. Ein erschöpftes "die Nächste bitte" erscholl. Hierophilus war mit wenigen Schritten an der offenen Tür. Er entschuldigte sich kurz bei der Matrone, die gerade eintreten wollte und schlüpfte hindurch.
    Ein strahlendes Lächeln erschien auf dem Gesicht seines Lehrers, Mentors, Kompagnon und Freund.
    "Hierophilus! Welche Freude!"


    Nach einer kurzen freundschaftlichen Umarmung kam der Gynäkologe sofort zur Sache. "Hast du alles bekommen, worum ich dich gebeten habe?"


    Der Grieche nickte beruhigend. "Ja, das habe ich. Du wirst begeistert sein. Ich habe schon ein wenig gelesen auf der Überfahrt."


    Soranus rieb sich erfreut die Hände. "Dann lass uns zusehen, dass wir Feierabend machen! Ich möchte einen Blick darauf werfen. Musst du dich ausruhen oder kannst du mir ein wenig Arbeit abnehmen, damit es schneller geht?"


    Hierophilus nickte. "Kein Problem. Ich reinige mich nur schnell. Dann lege ich los. Wir lassen keine neuen Patientinnen mehr zu für heute, dann haben wir bald Zeit für die Schriften und eine gute Cena. Auf die freue ich mich schon den ganzen Tag."

    Das Haus des weithin geschätzten Medicus und Medizinschriftstellers Soranus von Ephesus lag zu Füßen des Esquilin im Viertel Isis et Serapis unweit des Isistempels. Es war ein klassisches und nicht allzu großes Atriumhaus. Nach außen hin zeigte sich eine geschlossene Fassade mit einem zentralen Eingang. In den Räumlichkeiten die zur via gelegen waren, hatte man die Behandlungsräume des Soranus untergebracht. Soranus von Ephesus´Fachgebiet war die Gynaecologia, die Frauenheilkunde.


    Das Haus war schlicht und funktional eingerichtet und mit den zeittypischen Wandgemälden und Mosaikfußböden ausgestattet. Man konnte erkennen, dass Soranus und sein Kompagnon relativ bedürfnislos waren. Der Männerhaushalt verfügte über alles war zum Leben notwendig war ohne sich in allzugroßem Detailreichtum zu verlieren.


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    Bildquelle


    Vestibulum (1)
    Auf der rechten Seite standen die Statuen des Gottes Aesculapius flankiert von der griechischen Göttin Hygieia und der römischen Minerva Medica, deren Tempel sich in der Nähe des Hauses befand. Die linke Seite wurde von einer langen Marmorbank eingenommen auf der die Patientinnen warten konnten.


    Tabernae (2)
    Rechts und links des Vestibulums fanden befanden sich die Behandlungsräume, die mit allem ausgestattet waren, was das Herz eines Medicus höher schlagen ließ.


    Atrium (3)
    Das Atrium verfügte über das übliche Impluvium und ein paar kleine Tischchen und Stühle auf denen im Falle der Überfüllung der Marmorbank im Vestibulum noch weitere Patienten Platz finden konnten. Von diesem Atrium gingen die weiteren Räume ab.


    Cubicula (9)
    Soranus und sein Schüler und Compagnon Hierophilus bewohnten je ein Cubiculum im Erdgeschoß des Atriumhauses. Die Räume der Sklaven waren im Obergeschoß untergebracht. Die weiteren zwei Cubicula, die direkt an die Schlafräume der Medici grenzten wurden als persönliche Tablinia genutzt.


    Culina (7)
    Anstelle eines Tricliniums besaß das Atriumhaus eine Culina in der hinteren rechten Ecke. Sie war nicht ganz so geräumig wie im Grundriss dargestellt. Dafür verfügte das angrenzende Triclinium über weitaus mehr Platz.


    Triclinium (5)
    Das zentral in der Längsflucht des Hauses gelesene Triclinium ließ sich zum Hortus (6) hin öffnen.

    Der gebürtige Grieche Hierophilus, der seit ein paar Jahren in der ewigen Stadt Rom lebte, hatte die Stadt durch die Porta Ostiensis betreten. Begleitet wurde er von den beiden Sklaven, die eine Truhe mit den Schriften trugen, die der griechische Medicus für seinen Lehrmeister Soranus in Ostia abgeholt hatte. Vorbei an diversen prachtvollen Grabmälern und der Cestius-Pyramide nahm er den direkten Weg in das Zentrum Roms. Er streifte den Circus Maximus und hielt auf das flavische Amphitheater zu. Er unterquerte den Arcus Neroniani der Aquae Claudia. Das Flavische Theater war wirklich ein beeindruckendes Gebäude. Hierophilus umrundete es im Süden und ging dann ostwärts. Aus dem Ludus Magnus erklangen Kampfgeräusche und die Anweisungen des Lanista.
    Hierophilus bog am Armmentarium des Amphitheaters nach Osten ab und schließlich nach Norden um Tempel der Isis.


    Das Haus seines Mentors und Lehrmeisters lag hinter dem Tempel der Isis zu Füßen des Esquilin. Wie immer traf Hierophilius in der Gasse am Isistempel die übliche interessante Mischung aus Sklaven, Frauen und fremdländischen Menschen an, die den Tempel zum Gebet oder für Orakel und Zauberpraktiken aufsuchten. Er durchquerte noch die Haine zweier luxuriöser Villen, wie sie überall am und um den Esquilin zu finden waren, dann stand er vor dem klassischen Atriumhaus des Soranus.