Beiträge von Titus Iulius Iosephus

    Iosephus trat mit Ceasoninus ins Cubiculum ein.
    Nun, sich einen Namen machen klingt wohl einfacher als gesagt. Ich denke, dass man hierfür Leute kennenlernen muss. Netzwerke schaffen und ähnliches. Darin war ich bislang nicht gut, der juristische Rhetorikunterricht brachte nicht viel zur Menschenkenntnis mit sich.
    Iosephus strich sich durchs Haar und blies sich in die Nase.
    Es gibt hier auch Kurse, habe ich gesehen. Um sich weiterzubilden - deren Teilnahme Kompetenz vermitteln. Kannst du mir hier welche empfehlen?
    Erst sah er Caesoninus mit hochgezogenen Brauen an, dann lachte er leise in sich hinein.
    Siehst du, das hätte ich mir alles früher überlegen können. Aber ich musste ja sofort aus Ephesus in die große weite Welt und nun steh ich hier wie ein Esel und weiß nicht weiter.

    Iosephus verschränkte seine Arme nachdenklich und machte einen angestrengten Gesichtsausdruck.
    Nun, ich weiß nicht ob ein in Ephesus ausgebildeter Jurist ohne Probleme in Rom arbeiten darf? Möglicherweise benötigt es einer kaiserlichen Lizenz um die Iurisprudenz in Rom ausüben zu dürfen. Das kann ich mir jedenfalls vorstellen.
    Über den Vorschlag seines entfernten Verwandten freute sich Iosephus: Möglicherweise kannst du mir erklären, wie man so weit kommt wie du bereits gekommen bist. Iosephus machte eine ehrerbietende Handgeste und lächelte dabei. Was waren deine ersten Schritte?

    Iosephus freute sich, dass sein Name nun in die Familiengeschichte eingetragen wurde. Zwar war ihm dieser Caessoninus nicht gerade wie ein Bruder entgegengekommen, doch war er schon gespannt das Haus und seine Bewohner kennenzulernen.
    Nun, an wen wende ich mich, wenn ich Arbeit suche? Kennst du einen Ansprechpartner? fragte Iosephus seinen entfernten Vettern direkt.
    Ich bin erst gestern hier angekommen , fügte er hinzu, und leider bin ich mit den Gesichtern und auch mit den Namen der Menschen hier nicht vertraut. Ich möchte mich um ein politisches Amt bewerben grinste er.
    Kannst du mir helfen?

    Iosephus' Augen begannen zu strahlen. Mein Großvater, er setzte sich auf, ehe er fortfuhr: Mein Großvater war Faustus Iulius Octavenus. Mein Onkel Gaius hatte ihn kennengelernt. Er war als Legionär der Legio XV Apollinaris in der Stadt Lauriacum in Noricum stationiert. Eines Nachts überfielen Barbaren das Lager - mein Großvater verlor seinen rechten Arm bei diesem Angriff. Er war für den Rest seines Lebens schwer gezeichnet und lebte mit meiner Großmutter an einem Hof nahe Ephesus, wo das Leben nicht zu teuer war, dessen Stallungen sie reinigte. Mein Vater soll an jenem Hof geboren sein.


    Iosephus dachte oft an seine Ahnen. Ob sie über ihn wachen würden? Er hoffte es tief im Herzen.
    Als ich in Ephesus bei Aristo lernen durfte, da dachte ich mir oft, dass das Schicksal dies so gewendet haben muss. Nach so vielen Generationen sitzt ein Nachkomme des Vestinus nun einem Familienmitglied gegenüber und hat die Möglichkeit, diese Familie wieder zu vereinen.


    Iosephus hoffte darauf, dass Caesoninus ihn als Juristen und als Anwärter auf politische Ämter ernst nehmen würde. Er wartete auf eine Gelegenheit, seine Fähigkeiten und seinen Mut unter Beweis zu stellen.
    Doch vorher genehmigte er sich nochmals drei Trauben.
    Phänomenal, diese römischen Trauben - Iosephus grinste.

    Die Papyrusrolle hatte Staub angesetzt. Im Lichtschein sah Iosephus die aufgewirbelten Staubpartikel wild durcheinander tanzen.
    Vestina... was ist mit ihr passiert? Sie verblieb bei meinen Eltern, als ich zu Gaius ging. Oder wurde sie gar von ihnen fortgeschickt? Sie war meine ältere Schwester und wenn ich mich recht erinnere, so war sie stets bemüht meinen Eltern zu dienen. Eine treue Römerin.
    Als Caesoninus nach dem Ring fragte, holte Iosephus einen ledernen Beutel hervor.
    Tatsächlich hatte mir Onkel Gaius vor meiner Abreise diesen Ring mitgegeben. Er würde mir in Rom sicherlich dienen, sagte er. Man nahm ihn meinem toten Vater ab, der diesen Ring von seinem Vater bekam. Mehr weiß ich darüber jedoch nicht.
    Er reichte den massiven Silberring zu Caesoninus. In der Stille des Atriums konnte man das Knarren der Wägen von der Straße herein hören. Ab und zu klangen das Lachen spielender Kinder und das Bellen von Hunden hindurch.
    Rom ist eine lebendige Stadt, dachte sich Iosephus, während er sich wieder drei Trauben in den Mund steckte.

    Das verschmitzte Lächeln des Caesoninus bei der Erwähnung seines Lehrmeisters erinnerte Iosephus einmal mehr daran wie naiv und hochnäsig zugleich die römische Bevölkerung ihm bislang entgegengekommen war. Selbst waren diese Menschen kaum über die Stadtgrenzen gekommen und doch belächelten sie eine Größe wie Aristo! Ja war diesem Caesoninus denn nicht bewusst, von wem die Rede sei? Caesoninus, die Gentes Roms, ja vielleicht sogar Rom selbst würden zu Staub zerfallen - aber die Schriften des Aristo würden Jahrtausende überdauern, da war sich Iosephus sicher.


    Ich bin bereit, alle nötige Arbeit auf mich zu nehmen, um ein Amt von Einfluss ausüben zu können. Ich bin bereit von dir zu lernen, wenn du mir die Möglichkeit dazu geben möchtest. Das volle Programm ist mein Ziel, ich bin nicht nach Rom gekommen, um Nachbarschaftsstreitigkeiten zu lösen - dafür hätte ich auch in Ephesus bleiben können. Ich bin bereit, der Familie Ehre zu erbringen, wenn sie bereit ist, mich aufzunehmen.


    Iosephus glaubte nun zu verstehen, dass er sich bei Caesoninus Ehre verdienen musste und sie ihm keineswegs geschenkt werden würde. Er verstand es ohne Frage, schließlich war er doch erst vor Kurzem aus einer asiatischen Stadt aufgetaucht. Caesoninus' Zweifel schienen ihm berechtigt. Und doch wollte er sich bemühen, dessen Vertrauen und Wohlgefallen zu erlangen.


    Mit dem Blick auf die Papyrusrolle fragte er: Kannst du meinen Vater darin finden?

    Iosephus' Blick verlor sich im Leeren. Er blickt durch Caesoninus hindurch als er weiter erzählte:
    Meine ersten Lebensjahre verbrachte ich in einem Vorort von Ephesus. Als meine Eltern erkrankten, sandten sie mich zu meinem Onkel Gaius, einem Bruder meiner Mutter. Er diente dem Aristo als Arbeitshilfe, dem waren Sklaven ein Gräuel, so zahlte er meinem Onkel einen bescheidenen Lohn und ersparte sich Arztkosten und Unterhaltung eines Servus.


    Wieder steckte sich Iosephus drei Trauben in den Mund und zerbiss die Kerne mit lautem Knacken.
    Eigentlich sollte ich bald wieder zu meinen Eltern zurück und im familiären Betrieb mithelfen. Doch dann starben sie, erst meine Mutter und zwei Nächte später dann mein Vater. Sie litten beide, hatte man mir später erzählt. Ich war oft mit Onkel Gaius bei Aristo, um ihm zu assistieren und bald schon erkannte der Jurist mein Talent. Er nahm mich kostenbefreit in seine Lehre - natürlich musste ich ihm den Dienst meines Onkels erweisen, der damit entlastet wurde - sein Alter wusste es mir zu danken.
    Er blickte auf den Tisch und sah neben dem übervollen Topf Trauben eine Karaffe mit Wein. Zwar dürstet es ihn, doch Wein konnte er noch nie ausstehen. So leckte er sich die Lippen und nahm sein Gegenüber wieder wahr.


    Aristo ist mittlerweile ein alter Mann geworden. Er ist in Ephesus in den besten Kreisen aufgehoben und schreibt Kommentare zum Recht. Ich kann ihm hierbei nicht mehr dienen. Ich denke, dass ich mein Wissen möglicherweise in Rom anwenden kann. Sollte sich die Gelegenheit bieten, so würde ich der Stadt auch gerne einen politischen Dienst erweisen. Der Praetor von Ephesus, Claudius Simanus, wusste mein politisches Bemühen stets zu schätzen.
    Noch einmals nahm er sich zwei Trauben und bemerkte schließlich, dass Caesoninus noch gar nichts zu sich genommen hatte.

    Iosephus war sehr erleichtert über den freundlichen Empfang. Obwohl das Gebäude tatsächlich keiner Villa gleichkam, war diese Unterkunft feiner eingerichtet als die meisten Behausungen, die er in Ephesus erlebt hatte.


    Er setzte sich wie Caesoninus ihn angewiesen hatte und rieb sich die Handflächen.
    Mein Name ist Titus Iulius Iosephus. Ich bin in Ephesus beim Juristen Titius Aristo aufgewachsen, der in dieser Stadt lebt und im ganzen Reich als ein Meister seines Werks bekannt ist. Mein Vater...
    Der Sklave trat hinzu und brachte die von Caesoninus bestellten Trauben und den Wein. Mit einem freundlichen Nicken huschte er wieder geräuschlos davon.
    Mein Vater, fuhr Iosephus fort, war Marcus Iulius Hemina. Ich weiß nicht viel von ihm, meine Eltern waren bereits gestorben als ich noch sehr jung war. Ob er jemals in Rom lebte, oder aber bereits im Osten geboren wurde, das konnte mir niemand in Ephesus beantworten.
    Iosephus nahm sich eine Traube aus der verzierten Tonschale und kaute darauf.
    Sind gut! merkte er mit einem Lächeln an um die angespannte Atmosphäre etwas zu lösen.

    Iosephus sah dem Iulier direkt in die Augen. Während er eine Ähnlichkeit mit sich oder seinem Vater in Caesoninus suchte - und das vergeblich - sagte er:
    Sei gegrüßt. Mein Name ist Titus Iulius Iosephus. Ich komme direkt aus Ephesus, wo ich aufgewachsen bin. Mein Vater war Marcus Hemina. Ist er in diesem Hause bekannt gewesen?


    Während er sprach, erkannte er, wie unwahrscheinlich und verwirrend seine Geschichte wirken musste. So viele Dinge waren zu klären und so plötzlich war seine Ankunft in der Stadt. Und so fügte er noch bevor sein Gegenüber antworten könnte hinzu:
    Also ich bin hier, weil ich in Rom Arbeit suche. Ich habe gehört, dass mir nach dem Geburtsrecht der Iulier ein Wohnplatz in dieser Villa zusteht.

    Das nunmehr unfreundliche Verhalten des Servus ließ Iosephus an die Decke gehen.
    Hat man dir nicht beigebracht, wie man mit Bürgern Roms zu sprechen hat? warf er dem Sklaven plump entgegen. Iosephus hob die rechte Hand und streckte seinen Zeigefinger mahnend in die Höhe.
    Mein Name ist Titus Iulius Iosephus und ich verlange deinen Dominus zu sprechen. Sofort.
    Murmelnd fügte er hinzu: In Ephesus hätte man dich das Folgen gelehrt.

    Die hochgezogenen Augenbrauen fielen herab und auch seine Mundwinkel senkten sich. Hatte dieser Servus ihm gerade die Tür vor der Nase zugeworfen? Ein Sklave des Hauses Iulia, der mit einem Iulier derartig umgeht?
    Iosephus atmete tief ein - und wieder aus. Nur die Ruhe - dachte er sich. Wahrscheinlich erfüllt er nur Anweisungen. Ich würde auch nicht leichtfertig Fremde aufnehmen.
    Noch einmals klopfte er - diesmal jedoch bestimmter und lauter.


    Pock Pock Pock

    Iosephus war erstaunt über das äußerst höfliche Auftreten des Servus.
    Salve, Titus Iosephus ist mein Name. Ich komme aus Ephesus und bin erst vor Kurzem in Rom angekommen. Ich dachte mir, ich wäre im Haus meiner Familie am Besten aufgehoben.
    Er zog die Augenbrauen hoch und erzwang sich ein Lächeln ins Gesicht. So unsicher fühlte sich Iosephus schon lange nicht mehr - die Ungewissheit fraß sich in seinen Magen. Möglicherweise war es aber auch der Hunger, denn er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Auf Gedeih und Verderb dem Wohlgefallen anderer ausgeliefert zu sein behagte ihm nicht.
    Ist denn jemand anwesend, dessen ich mich anvertrauen kann? fragte Iosephus mit noch gekünstelterem Lächeln und höher gezogenen Augenbrauen.

    Iosephus setzte einen Schritt nach den anderen. Er erblickte die Villa Iulia und fühlte das erste Mal etwas wie Familie in seinem Herzen - und das obwohl er sie zum ersten Mal sah.
    Was, wenn sie mich ausstoßen? Mir die Türe vor der Nase zuknallen? Oder sie gar nicht erst öffnen? - dachte er sich.


    Mit einem Kopfschütteln warf er die Zweifel über Bord, fasste sich ein Herz und nahm den massiven Eisenring an der Holztür in die Hand:


    *Klopf Klopf Klopf*