Myron hatte in der Gemeinschaft seiner neuen Brüder und Schwestern einen Halt gefunden. Zwar hatte er noch keine feste Bleibe, doch jede Menge Angebote, um für ein oder zwei Nächte ein Dach über dem Kopf zu haben. Im Grunde waren es wildfremde Menschen gewesen, die mit ihm ihr Brot, ihren Wein und ihr Zuhause mit dem jungen Griechen teilten. Gemeinsam beteten sie und versuchten denen zu helfen, denen es noch schlechter ging. Solche die niemanden hatten. Die ausgestoßen waren, oder von Krankheit und Elend gezeichnet waren. Myron sah in dem, was er tat, seine wahre Bestimmung.
Mit einigen seiner neuen Brüdern war auch er zur Casa Didia gekommen. Sie hatten, wieder einmal dort gemeinsam das Mahl geteilt. Bei seinem letzten Besuch vor einigen Wochen war ihm eine junge impulsive Rednerin aufgefallen. Philotima war ihr Name. Nicht nur die Wahl ihrer Worte und ihr forsches Auftreten hatten ihn damals beeindruckt, auch ihre Anmut hatte ihn gefangen genommen. So gerne hätte er sie bei ihrer ersten Begegnung angesprochen. Doch dazu hatte ihm der Mut gefehlt. Wer war er denn schon?
Dieses Mal war er nach dem Mahl geblieben. Nicht unbedingt deshalb, weil er besonders mutig oder entschlossen gewesen wäre, um sich mit einem Imperium anzulegen. Nein, sie war es gewesen. Ihre pure Anwesenheit. Ihre klug gewählten Worte. Für sie hätte er so einiges gewagt. Zumindest redete er sich das ein. Vielleicht würde sie ihn so eines Tages bemerken.
Myron nickte zustimmend. Wir dürfen keine Angst haben, Zeugnis abzulegen! Zeigen, dass die Worte des Herrn nicht nur leere Worte waren. All die verirrten Seelen da draußen auf den rechten Weg bringen. Ihnen aufzuzeigen, wie sehr sie sich irrten, wenn sie ihren falschen Götzen opferten.
Er hielt sich zunächst mit einer Äußerung zurück. Vielmehr konzentriert er sich auf einen Mann mittleren Alters, dessen hellblondes Haar und die grauen Augen sofort aufgefallen waren. Sein Äußeres hatte dem jungen Griechen zunächst erschauern lassen, als er ihn zum ersten Mal erblickte. Er konnte nicht genau erklären, was es war. Vielleicht waren es die kalten Augen oder die übermäßig hellen Haare. Seine kalte Entschlossenheit zur Radikalität tat ihr Übriges. Die Schändung eines römischen Tempels. Die Zerstörung der verhassten Götzenbilder. Das war mehr als revolutionär!
Myron ließ sich von solchen Reden mitreißen. Das Reich Gottes würde nicht einfach so über sie kommen. Es lag an ihnen selbst, etwas dafür zu tun! Notalls eben auch mit Gewalt! Was hätte er dafür gegeben, doch auch so stark zu sein, wie der Blonde!
Plötzlich, ganz unerwartet hörte er sich selbst sagen: „Ich bin dabei!“