Beiträge von Ebbo

    Das mit den Vorbereitungen war leichter gesagt, als getan, hatte Ebbo festgestellt. Für seine Zwecke brauchte es mehr, als nur einen Haufen Kerle zusammen zu trommeln und dann in einem unbemerkten Moment durch den Fluss zu schwimmen. Das hier brauchte Planung und Umsicht. Mochten die Römer die stämme für unkultivierte Barbaren halten, so war es doch nicht so, dass es ihnen an Verstand mangeln würde. Man konnte nicht einfach so eine Horde zusammen stellen und damit die Römer umpflügen. Die Stammesoberen mussten besänftigt werden zum Beispiel. Ebbo konnte sich nicht vorstellen, dass sie seinen Ausflug einfach so gutheißen würden.
    Außerdem musste die Sippe der Odos, die ja eigentlich das Ziel der Intrige war, auf Ebbos Seite gezogen werden. Während er also Pläne schmiedete, überraschte Ebbo sich immer wieder, wie verschlagen, hinterlistig und skrupellos er doch denken konnte. Doch für solche Überlegungen war kein Platz, wenn die eigene Familie in die Gefahr geriet untergebuttert zu werden, das war Ebbo schnell klar geworden, nachdem sein Vater ihm diesen anrüchigen Auftrag erteilt hatte. Und so setzte er seinen Plan in die Tat um.


    Sein erster Schritt würde am Gerichtstag beim Hohen Findling stattfinden. Der erste Schritt würde sein, Odo den Älteren, den zweitreichsten Mann der Gegend und derjenige, den sein Vater als Bedrohung ausgemacht hatte, für Ebbos Unternehmung auf seine Seite zu ziehen.
    Der Gerichtstag verlief nicht besonders und Ebbo wartete darauf Odo abzupassen, der bei den Geschwordenen innerhalb des Gerichtskreises gestanden hatte.


    Das letzte Verfahren endete damit, dass zwischen den zwei Streitenden ausgemacht wurde, drei Tage vor dem nächsten Neumond an der selöben Stelle denb Streit durch Zweikampf aus der Welt zu schaffen. Als sich die Versammlung auflöste fand Ebbo Odo den Älteren Abseits des Gedränges.


    "Ebbo. Schön, dich zu sehen mein Junge." Die Miene des Älteren war wie so oft ein dünnes Lächeln, dass man durchaus für freundlich halten konnte und das von halb geschlossenen Augen begleitet wurde, die nie Preis gaben, was Odo wirklich dachte.
    Ebbo verzichtete darauf, des anderen für seinen herablassenden Ton und Anrede zu rügen und antwortete nur: "Odo. Gut dich zu treffen. Ich hoffe der Familie geht es gut?" "Bestens, bestens." Der Gesichtsausdruck des Alten veränderte sich nicht um ein Iota. "Und dir mein Junge?"
    "Oh, auch ganz hervorragend, Odo. Nur ein bisschen rastlos."
    Das Lächeln des Alten wurde gönnerhaft. "Ja das kann ich mir vorstellen. Für einen ordentlichen Kerl wie dich muss das schon frustrierend sein, das ganze Jahr bloß auf dem Hof zu sitzen. Mein Sohn Odo hat es ja immerhin geschafft bei den dusseligen Mattiaken ein paar Pferde zu... besorgen. Denen könnte ich die Viecher auch glatt wieder zurück verkaufen, und sie würden es noch nicht einmal merken." Odo lachte über seinen eigenen Witz und Ebbo lachte pflichtschuldig mit. "Ja wir alle haben davon gehört", antwortete Ebbo ,"und sechs gute Pferde sind ein schöner Erfolg. Wir haben auch von der Gefolgschaft gehört, die Odo II, wie man ihn neuerdings bei uns nennt, um sich schaart. Mein Vater hält ihn mir immer als leuchtendes Vorbild vor."
    Als Antwort klopfte Odo dem jüngeren gönnerhaft auf die Schulter. "Tut er das? Nun, ich kann nicht sagen, dass ich mit ihm nicht einer Meinung wäre."
    So. Genug geschleimt, sagte sich Ebbo. "Weißt du, Odo, ich dachte mir, er hat Recht. Und ich finde wir sollten die momentane Stärke, die unsere beiden Sippen auszeichnet auch nutzen. Noch bevor der Sommer ganz in den Herbst über geht."
    Der Alte war interessiert. "Ja?"
    "Oh ja. Hier ist was ich mir dachte: Ich dachte mir, sechs Pferde sind ja schön und gut, aber ich glaube da geht noch mehr wenn du verstehst was ich meine. Wenn nun Odo II seine Gefolgschaft für einen, sagen wir Ausflug über den Rhein führen würde, dann wären ich und die Jungs von meiner Sippe auf jeden Fall mit von der Partie. Zusammen wären wir stark genung um in den steinreichen Höfen und auf den Handelsstraßen mal richtig abzuräumen, aber schnell genug um rechtzeitig wieder abzuhauen, bevor die Legio angelatscht kommt. Die Händler wollen alle nach Süden bevor die Kälte kommt. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, wenn du mich frags und es wäre mehr als nur ein schöner Bonus zu deinen Pferden."


    Odo der Ältere antwortete erstmal gar nicht. Sicher war ihm auch genau wie Ebbo das Risiko klar, das mit so einer Aktion einher ging. Allerdings glaubte Ebbo nicht, dass der Alte widerstehen konnte. Die Aussicht auf einen großen Haufen erbeutetes Handelsgut würde die Stimmen der Vorsicht in Odos Kopf bei weitem übertreffen. Und er hatte Recht.
    "Das klingt nach einer wunderbaren Idee, Ebbo. Zusammen könnten wir es tatsächlich schaffen."


    Ebbo senkte mit gespielter Resignation den Kopf und log: "Mein Vater ist dagegen. Er meint, zu gefährlich." Zweifellos lag Odo eine spitze Erwiderung auf der Zunge, aber Ebbo fuhr fort. "Er meinte auch, dass die Versammlung es nicht billigen wird." Das war zweifellos wahr. Die Stammesversammlung der Sugambrer hatte viel zu viel Angst vor einer römischen Strafexpedition.
    Odo winkte ab. "Das Thing lass mal meine Sorge sein." Er drosch Ebbo aufmunternd auf die Schulter. "Ihr seid die Zukunft. Das sollen die alten Knacker beim Thing mal die Schnauze halten. Sieh nur zu, dass dein Vater nicht dagegen spricht. Wenn ich für euch spreche und ihr nicht dagegen, gibt es kein Problem."

    Ebbo sah seinen Vater etwas verständnislos an.
    "Wie meist du das "unternehmen"? Sollen wir vielleicht losziehen und uns Odos geklaute Pferde für uns selbst holen? Oder vielleicht seine Hütte anzünden? Das wird lustig auf dem nächsten Gerichtstag."
    Harwin schüttelte lächelnd den Kopf.
    "So verlockend das auch klingen mag. Die Odos sind von unserem Stamm, manchmal wie heute unsere Handelspartner und sie haben unser Brot gegessen und unseren Wein getrunken. Nein. Wenn wir Hand an sie legen würden, wäre das ein äußerst widerlicher Frevel."
    Ebbos Vater senkte die Stimme, als fürchtete er in seiner eigenen Halle belauscht zu werden.
    "Aber es bleibt dabei. Die Odos sind eine Bedrohung für uns. Der Alte untergräbt mich beim Thing und versucht ständig mir die Geschäftspartner auszuspannen. Der jüngere ist nicht auf den Kopf gefallen. Der Bengel ist wie alt? Achtzehn? Aber er sammelt mit dem Geld seines Vaters seit einiger Zeit eine eigene Gefolgschaft um sich. Etwas womit du bisher nicht zu glänzen weißt."


    Das stimmte. Ebbo war als ältestem Sohn des reichsten Mannes des Dorfes und aufgrund seines guten Aussehens und seiner Physis natürlicherweise eine gewisse Führungsposition zugefallen, aber eigentlich konnte er mit der etwas dumpfen Kumpelei, den ständigen Besäufnissen und dem Getue das es brauchte um sich eine echte Gefolgschaft zusammen zu suchen, nichts anfangen. Außerdem wollte er nicht das Geld seines Vaters für etwas hinaus schmeißen, das er bisher nicht gebraucht hatte. Und bisher hatte sein Vater sich auch nicht daran gestört.
    Harwin fuhr fort.
    "Es wird ein schlechter Tag werden, wenn Odo - der alte oder der junge - in diesem Stamm eine führende Position einnehmen. Ich habe keine Lust eines Abends vors Haus zu treten und mir von denen meine Kühe als "Tribut" oder "Sondersteuer" abnehmen zu lassen. Ganz abgehsehen davon, dass wir uns im Handumdrehen mit den Römern in die Haare kriegen würden, wenn die am Ruder wären. Aber das ist ohnehin unvermeindlich."


    Ebbo wusste was sein Vater meinte. Die letzten Jahre waren gut gewesen. Keine besonderen Hungersnöte, keine Epidemien, die das Land entvölkerten und relativer Frieden. Das bedeutete aber umgekehrt, dass in den Dörfern und Gehöften rheinauf, rheinab eine ganze Horde junger Kerle gesund und munter darauf brannte sich im Kampf zu beweisen. Ebbo würde nicht mit den römischen Soldaten tauschen wollen. Es würde sicher ungemütlich werden.


    Doch sein Vater war noch nicht fertig.
    "Ich habe mir Gedanken gemacht, weißt du. Wir selbst können nicht gegen unsere Stammesgenossen mit dem Schwert vorgehen, was wir aber eigentlich müssten um die Bedrohung unserer Position schnell und effektiv auszuschalten. Und wie wir beide wissen, sitzt eine junge Generation auf dieser Seite des Flusses gerade auf heißen Kohlen, um den Römern endlich mal zu zeigen, was die Stämme von ihnen eigentlich halten."
    Harwins Gesichtsausdruck änderte sich zu einem verschlagenen Grinsen.
    "Sag mal, Ebbo, warum nimmst du dir nicht einen Haufen der Jungs und stattest den Eroberern auf der anderen Rheinseite nicht mal einen Besuch ab. Weißt schon. Brennst ein paar Siedlungen nieder und bringst ein paar Klunker mit, was meinst du?"


    Ebbo antwortete nicht. Er wusste genau wie sein Vater, dass das eine ziemlich dämliche Idee war. Wieder und wieder hatten abenteuerlustige Haufen aus dem freien Germanien feststellen können, dass die Römer es gar nicht schätzten überfallen zu werden und sie mit der Ala und der Legion ein wirksames Werkzeug hatten, um ihrer Verärgerung ausdruck zu verleihen.
    So fuhr Harwin denn auch fort:
    "Ich weiß, dass das eine Schwachsinnsidee ist. Ihr würdet wahrscheinlich keine drei Tage überleben. Aber weiß das Odo auch - der jüngere und der ältere. Sicher. Aber sie werden Umstand, dass ein Überfall auf die linke Rheinseite eine kompletter Unfug ist, allein wegen ihrer Ruhmsucht ignorieren und nicht wiederstehen können. Lassen wir also die Römer die Drecksarbeit für uns machen."
    Der offensichtliche Einwand war natürlich:
    "Aber ich säße dann mit ihnen in der Scheiße."
    Doch Harwin winkte unwirsch ab.
    "Dann mach dich halt rechtzeitig vom Acker. Das ist auch eine Fertigkeit, in der man sich üben muss. Übermorgen beginnst du mit den Vorbereitungen für diese Aktion. Ich verlasse mich auf dich."

    In einem Dorf der Sugambrer
    Ein paar Tagesmärsche nördlich von Moguntiacum


    Der Abend ist herein gebrochen und das Dorf versammelt sich in der Halle auf dem Hügel um einem wandernden Geschichtenerzähler zu lauschen.


    "... und schließlich fiel der große Feldherr der Römer selbst, den sie Varus nannten, von der Sippe der Quinctilier, gefällt durch das Schwert der Cherusker, zusammen mit seinen Männern, und die Freiheit der Stämme dieseits des mächtigen Stromes war gesichert."


    So endete der Geschichtenerzähler, der vor ein paar Tagen in Ebbos Dorf gekommen war. Die Zuschauermenge, die sich in der großen Halle von Ebbos Vater versammelt hatte, klatschte begeisterten Beifall. Mit der Geschichte von Varus Untergang konnte man in dieser Halle immer sicher sein, das Publikum auf seiner Seite zu haben.
    Angeblich war nämlich Ebbos Urgroßvater auch bei jener so berühmten Schlacht dabei gewesen. Er war dann mit einem Sack voller Beute in die heimischen Gefilde zurückgekehrt und immer noch war deswegen Ebbos Sippe die bei weitem reichste Familie in der Gegend.


    Nichtsdestoweniger musste Ebbo sich zusammen reißen, um ob dieser alten Geschichte, die er wieder und wieder zu hören bekam nicht in eine zynische Grimasse zu verfallen. So brillant und glorreich die Heldentaten der Ahnen gewesen sein mochten, saßen die Römer doch immer noch auf der anderen Seite des Flusses in ihren prächtigen Städten aus Stein und sie in ihren Hütten hier im Wald und dabei wurden die Römer immer reicher und mächtiger. Ebbo machte sich nichts vor. Der einzige Grund warum sie noch nicht von einer Horde bis an die Zähne bewaffneter Soldaten überrannt worden waren, war dass es sich für die Römer schlicht nicht lohnte, einen weiteren Eroberungsfeldzug zu beginnen. Was wollten sie auch hier suchen, was sie nicht schon längst hatten?
    Solche Gedanken laut auszusprechen wäre aber natürlich als unverzeihlicher Defätismus angesehen worden und so stimmte Ebbo in den Beifall mit ein.


    Möglicherweise war sein Mangel an Enthusiasmus allerdings gar zu sichtbar gewesen, denn wenig später nachdem sich Geschichtenerzähler und Publikum endlich verzogen hatten, kam Harwin, Herr der Halle und nebenbei Ebbos Vater auf ihn zu. "Ebbo. Auf ein Wort."
    Der Angesprochene versuchte eine bewusst gelassen-heitere Miene aufzusetzen.
    "Ja, Vater?"
    "Ich hoffe, dir hat die Geschichte heute Abend gefallen?"
    "Oh ja natürlich."
    Ebbo mühte sich, jeden Sarkasmus aus seiner Stimme heraus zu halten, aber sein Vater grinste nur schief.
    "Das freut mich. Während der gute Mann nämlich erzählt hat, machtest du den Eindruck, dass du lieber sonst wo wärest. Holzhacken im Schnee zum Beispiel."
    Ich muss mich wirklich mehr zusammen reißen, dachte Ebbo, soch er schüttelte den Kopf.
    "Er hat die Geschichte gut erzählt, Vater."
    "In der Tat, das hat er. Jedem sonst außer dir schien sie auch sonst zugesagt haben. Sogar unser guter Odo war anscheinend begeistert."
    Odo war das Oberhaupt einer benachbarten sugambrischen Sippe. Seine Urahnen hatten nicht die Schläue besessen, vor etwa hundert Jahren bei den Cheruskern unterwegs zu sein und deswegen auch keinen Sack voller Beute mit nachhause geschleppt, weswegen Odo die zweifelhafte Ehre hatte, der zweitreichste Mann der Gegend zu sein. Ein Umstand, mit dem er sich wahrscheinlich nie abgefunden hatte, vermutete man, denn Odo galt genau wie sein ältester Sohn gleichen Namens als gieriges Wiesel.
    Besagter Sohn war heute Abend auch bei der Geschichte dabei gewesen.
    "Der Jüngere hat von allen am lautesten geklatscht."
    Ebbo quittierte diese Beobachtung mit einem unverbindlichen Nicken.
    "Er hat auch neulich bei den Mattiacen fünf Pferde geklaut. Gute Pferde."
    "Gut für ihn. Keiner nimmt es beim Klauen mit des Odos auf."
    Ebbos Vater fand das nicht witzig.
    "Ja, und deswegen hat Odo der Ältere jetzt fünf gute Pferde mehr im Stall stehen. Das sind zwei mehr als ich habe."
    "Worauf willst du hinaus, Vater? Soll ich gehen und bei den Chatten Pferde holen gehen?"
    Harwin verdrehte die Augen.
    "Sag mal bist du betrunken oder willst du nicht begreifen, worum es hier geht? Es ist nicht gut wenn unsere lieben Nachbarn ihren Nachteil uns gegenüber wettmachen, sowohl was das Vermögen, als auch das Ansehen bei den anderen unseres Stammes angeht. Die Odos haben es schon lange auf unsere Stellung abgesehen, das weißt du so gut wie ich."
    Ein gehetzter und wütender Ausdruck war ins Gesicht des alten Harwin gedrungen. Das verhieß nichts Gutes.
    Ebbo verengte die Augen.
    "Und weiter?"
    "Es wird Zeit, dass wir etwas dagegen unternehmen."


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