Beiträge von Caius Volcatius Callistus

    Seit das Fieber und die Schmerzen zurückgegangen waren, war Callistus wieder fähig zu denken, auch wenn er noch immer nicht ganz klar im Kopf war und die meiste Zeit verschlief. Er wirkte weniger verzweifelt, als man es in Anbetracht seiner Lage hätte erwarten können, denn er war keineswegs hoffnungslos.


    Wie viele in Germania stationierte Römer hatte er sein Herz an eine Einheimische verloren. Im Gegensatz zu manchem Kameraden war er seiner Berdine auch in Zeiten langer Trennung treu geblieben und hatte anderen Frauen nicht einmal nachgesehen. Was er sich wünschte, konnte ihm nur seine Berdine geben, Berdine mit den roten Apfelbäckchen und den kastanienbraunen Zöpfen.


    Mit dem Geld, das ihm mit der Feststellung seiner Dienstuntauglichkeit ausgezahlt werden würde, konnte er ihnen beiden eine bescheidene, aber gesicherte Existenz ermöglichen. Aus dieser Warte hatte seine Verletzung sogar etwas Gutes, er würde Berdine wiedersehen und die Zeit der Trennung waren vorbei, diesmal für immer. Letztlich konnte man auch ohne Füße reiten und schreiben, beides beherrschte er sicher, sodass er sie und die geplante Kinderschar trotz allem durchbringen würde. Es war alles eine Frage der Organisation und des Willens. Und auf Berdines liebevolle Pflege freute er sich sogar ein bisschen.


    Als die Tür sich schloss, schloss Callistus die Augen, um von seiner Frau zu träumen.

    Dass er nun auf dem Wagen lag und die Ruhe, welche die Männer ausstrahlten, hatte etwas Tröstliches in all dem Unglück. Der hohe Stresspegel sorgte dafür, dass Callistus noch immer putzmunter war, trotz des Blutverlusts, trotz des Wissens, dass er den Rest seines Daseins als Krüppel fristen musste, wenn er überlebte. Doch eine Ironie des Schicksals ließ ihn sich nun fast fröhlich fühlen. Eine Nebenwirkung des Schocks. Irgendein Schutzmechanismus des Körpers ... oder so. Er hob den Kopf und schaute in die idyllische Landschaft.


    Jäh schlug seine Stimmung um. Wie der Decurio und dessen Vexillarius bemerkte er die Blicke der Germanen. Und dann ging alles ganz schnell.


    Die Turma schwenkte herum und nahm die Verfolgung auf. Callistus brüllte ihnen anfeuernde Rufe hinterher, das war das Mindeste, was er tun konnte! Er blickte sich um, ob sein Schwert in der Nähe lag.



    Dass seinem Peiniger nun auch die Füße amputiert wurden, erfüllte Callistus mit Befriedigung, aber nicht mit Trost. Seine Füße brachte ihm das nicht zurück. Er fragte sich, warum ihm trotz der abartigen Pein und des Blutverlusts nicht schwarz vor Augen wurde. Man hatte seine Beinstümpfe ausgebrannt, sodass der Blutfluss versiegt war. Zu dem Geruch von Blut und Erbrochenen kam der beißende Geruch verbrannten Fleisches. Wie elend er dran war, merkte er, als die Kameraden seine Fesseln lösten. Trotz der Schmerzen wollte er sich instinktiv hinstellen, ein sinnleeres Unterfangen. Er saß da, blickte verwirrt auf seine Wunden und dann in die Gegend, auf der Suche nach einer Lösung für ein Problem, von dem er nie gedacht hätte, es eines Tages zu haben! Manche Milites verloren Augen, Nasen und auch Gliedmaßen, mal ein Arm, mal ein Bein. Aber gleich beide Füße?!


    Sein Blick blieb auf dem leblosen Körper seines jungen Kameraden haften. Auch ihn hatte keine gnädige Ohnmacht geholt. Seine Schreie waren erst verebbt, als es mit ihm vorbei gewesen war. Callistus schob es auf ihre Ausbildung, auf den eingedrillten Drang, bis zum letzten Atemzug funktionieren zu müssen. Und das tat er auch jetzt.


    "Ich könnte bisschen Hilfe gebrauchen", sagte er matt, ohne den Blick von dem Toten abwenden zu können, der gerade eben noch gelebt hatte. Man gewöhnte sich irgendwann an den Anblick von Leichen. Doch gegen die plötzliche Leere, die der Tod brachte, das Gefühl, dass etwas im Gefüge der Wirklichkeit fehlte, stumpfte man nicht ab. Wenn man denjenigen gekannt hatte, war das noch mal etwas anderes und Callistus schämte sich seiner Tränen nicht.

    Caius Volcatius Callistus war die ärmste Sau in Germania superior. Er hatte nur seinen Dienst als Benefiziarier versehen wollen und war nicht sonderlich streng dabei gewesen. Er war ein anständiger Kerl, der bei kleineren Vergehen auch durchaus mal ein Auge zudrückte. Mit nichts konnte er sich erklären, und warum man ausgerechnet ihm so etwas antat!


    Seine Angstschreie gingen in Schmerzgeheul über, als das Beil zwei Mal auf ihn niedersauste. Er strampelte und sah nur noch Stümpfe. Sein Blut spritzte in alle Richtungen. Dass er sich in diesem Moment einnässte, merkte er nicht einmal. Als er seine Füße entdeckte, die einzeln auf dem Boden lagen, schoss ein Schwall seines Mageninhalts aus seinem Mund über Brust und Bauch. Keine gnädige Ohnmacht umfing ihn, Callistus musste die Qual unvermindert ertragen.


    Es krachte, die Tür flog nach innen, als ein Trupp die Scheune stürmte. Mit Augen, in denen der Wahnsinn des Verzweifelten glomm, starrte Callistus ihnen entgegen. Da waren sie, seine Retter. Nur Augenblicke zu spät! Die Götter hatten wahrlich Humor. Callistus warf den Kopf in den Nacken, wo er gegen den Pfahl schlug, an den er gefesselt war, und lachte und heulte gleichzeitig.