Beiträge von Eudoxus

    Bruder Achatius war noch am Leben! Was unter anderen Umständen herzliche Freude, ja Tränen der Erleichterung in Eudoxus hervorgerufen hätte, blieb weiterhin unter der grauen Decke dieser seltsamen Distanz, die sich seiner bemächtigt hatte.


    Aber dann wurde die Gnade der Apathie unerwartetet von ihm genommen, und die Welt kehrte brüllend zurück; der Geruch, die Farben, die Stimmen: Caecas Beschämung entlud sich in einem Schrei, Gaius Trebatius Calvus nannte seinen vollständigen Namen, den Namen eines römischen Bürgers; nach Fischen wurde gesucht, nicht einmal außergewöhnlich grob, sondern nur kalt und zielgerichtet.


    Sie wurden fündig: Die ehrbare Matrone Caeca trug einen Anhänger, Theognis,der Sklave, der römische Bürger Calvus, - und er, Eudoxus auch. Er hatte ihn auf dem Weg zur Casa Didia verwahrt, um nicht in Händel zu geraten, aber hier in der Versammlung trug er ihn natürlich mit Stolz und Freude.


    Eudoxus schloss die Augen, als sie auch sein Lederhalsband mit dem schön gearbeiteten Anhänger, das Geschenk seines Taufvaters, entdeckten. Er war ihm lieb, aber ihm entwich kein Laut, als profane Hände ihn berührten.
    Herr steh mir bei, ich weiß dass du das kannst, betete er stattdessen: Ich, dein demütiger Diener, will doch nichts anderes als dein Werk tun, um diesen Sündenpfuhl zu läutern.

    Vielleicht war nun der rechte Moment für demonstrative Demut gekommen, auch wenn Eudoxus niemals wahrhaftig demütig gewesen war. Wie denn auch, wenn er sich und seine geistlichen Brüder und Schwestern allesamt für auserwählt hielt?


    „Verzeiht ihr Soldaten Roms, bitte was wirft man mir denn vor?“, fragte er sanft und schlug die Augen nieder.

    Die Frage galt nicht dem, der ihn festhielt, sie galt dem Anführer, der bisher weder ein Wort der Anklage noch sonst etwas geäußert hatte. Der Anführer der Praetorianer war derjenige, der die Gewalt über Gefangennahme oder Davonkommen in seinen Händen hielt. Er war wichtig.


    "Eudoxus Sohn des Demetrios aus Antiochia am Orontes bin ich.“, ergänzte der junge Christianer und folgte damit dem Beispiel von Calvus, zu sagen, wer er war.
    Wie lange hatte er selbst sich nicht mehr Demetriades genannt, wie lange schon sich von Familie und seiner Vaterstadt losgesagt?

    Aber gerade jetzt war die Nennung seines Namens ein Mosaiksteinchen in dem Bild rechtschaffender Harmlosigkeit.


    Kairos war der Gott des rechten Moments. Er hatte einen Haarschopf, den man packen musste, daher die Redensart mit der Gelegenheit. Eudoxus verabscheute natürlich die Götter aus tiefstem Herzen, doch kairos wurde in den Schriften auch der rechte Moment des Herren genannt.


    Eudoxus Stärke war nicht körperlicher Natur. Er versuchte daher auch nicht einmal, physischen Widerstand zu leisten. Unter dem Griff in seinen Kiefer winselte er und kam auf die Beine.


    Um das einzusetzen, was er selbst für seine Stärke hielt, sein geöltes Mundwerk nämlich, hätte es eben kairos gebraucht. Sein Zaudern hatte ihm im Weg gestanden, und jetzt hatten die Praetorianer die kleine Christianerversammlung auf gleichsam effiziente wie kunstvolle Weise im Griff und schleifte jeden von ihnen nach oben.


    Eudoxus stolperte auf der Kellertreppe, schlug sich sein Schienbein an, und ihm stiegen die Tränen in die Augen. Er überlegte noch, ob er Bruder Theognis nicht für seinen leiblichen taubstummen Bruder ausgeben könnte, der nicht ganz richtig im Kopf war, um wenigstens dessen Leben zu retten. Aber dieser Einfall kam zu spät, und da war er wieder beim Kairos. Den hatte er gründlich verpasst.


    Eudoxus hörte jetzt Schwester Caecas Schrei, und in ihm stieg Zorn auf, war sie nicht eine ehrbare und tugendhafte Christianerin, und wer wusste, welche Schändlichkeiten die Soldaten ihr antaten? Sie und ihr Gatte, Bruder Calvus, waren hinter ihm, doch er konnte den Kopf nicht wenden, um sie zu sehen. Einen Moment nur Zorn, dann war er wieder damit beschäftigt, nicht zu stürzen, als er mit unsanfter Nachhilfe die Treppen hochstolperte.


    Nicht die Häscher, sondern den etwas von den anderen distanzierten Soldaten, der ruhig die Szene beobachtete, hielt er vom Habitus her (Mit Rangabzeichen kannte er sich nicht aus) für deren Anführer. Der Gestank der Sünde umwaberte ihn mit solch einer Intensität, dass es dem Jüngling fast den Magen umdrehte.

    Er hatte vorhin im Dunkeln, als er gewartet und die Schritte über sich gehört hatte, so starke Angst empfunden, dass er mit den Zähnen geklappert hatte wie im Fieber. Aber jetzt, da er dem Feind ins Gesicht sehen konnte, oh, sein geschundener Leib zitterte natürlich weiterhin und ohne es selbst zu merken, wimmerte er immer noch ganz leise vor sich hin, war es, als würde er neben sich stehen und dem Geschehen wie ein unbeteiligter Beobachter zuschauen. Er war wie abgeschnitten von sich selbst. Zweifellos eine Gnade des HERREN.


    Hätte er, Eudoxus, jetzt nur die Macht besessen, er hätte Feuer und Schwefel über sie alle regnen lassen wie einst der lebendige und einzige Gott über die sündigen Städte Sodom und Gomorrha.

    Eudoxus war der Vierte von ihnen.

    Der Kelch war nicht an ihnen vorüber gegangen, die Prätorianer warteten oben und befahlen ihnen, mit erhobenen Händen die Treppe hoch zu kommen.

    Das Eudoxus Vater ein braver, recht wohlhabender Mann in Antiochia war, spielte hier keine Rolle: Sein einziger Sohn war ein Peregrinus und konnte ähnlich wie Theognis bestraft werden. Aber Bruder Achatius wartete bestimmt schon im Paradies auf sie.


    Eudoxus drückte im Dunkeln die Hände von Calvus und Theognis, nicht die von Caeca, die eine sittsame Frau war, doch ihr lächelte er zu, obwohl sie es in der Finsternis nicht sehen konnte. Er liebte sie alle, wie sie da waren, diese tapferen hochherzigen Streiter für den wahren Glauben. Was sie getan hatten und was sie zu tun vorhatten, dies hatten sie für die Seelen dieser verblendeten Heiden, ja selbst für die der grausamen Prätorianer, die sie nun erwarteten, getan. Jede Aktion, jeder Brandsatz, all das war im Geiste der allumfassenden Liebe geschehen. Nur der Tod der obersten Vestalin war gar nicht geplant gewesen.


    Immer noch rührte sich Eudoxus genauso wenig wie seine Brüder und Schwestern. Wollten sie sie haben, mussten sie sie holen und nach oben tragen, einen nach dem anderen. Wie Steine waren sie, Ecksteine des Glaubens, in sich ruhend, und die Ungläubigen würden sich an ihnen stoßen.

    Während Theognis Eudoxus Vorschlag zustimmte, hatte Calvus Einwände, und Eudoxus konnte sie nicht von der Hand weisen. Der Keller war eindeutig ein christlicher Versammlungssraum mit dem an die Wand getünchtem ☧, dem Christusmonogramm, und dem Symbol des Fisches, dem Weinkelch und dem zu brechenden Brot auf dem Tisch. Unter dem Tisch standen die abgedeckten Speiseschüsseln für das Liebesmahl. Und auch wenn es nicht verboten war, Christianer zu sein, war es doch verboten, zu missionieren und sich nicht von dem von den Römern anerkannten Führer – diesem Speichellecker der Heiden - kontrollieren zu lassen.
    Eudoxus schlug sich mit einer Faust in die andere Hand, und er rief halblaut aus:
    „Oh HERR, diese Götzendiener sind eine Abscheulichkeit in deinen Augen, aber ihre sogenannten Gesetze, mit denen sie uns einzig wahren Gläubigen drangsalieren, sind genauso abscheulich!“


    Mehr als je zuvor vermisste er in dieser dunklen Stunde die geistliche Führung von Schwester Philotima. Sie hätte wie immer die richtigen Worte für alle gehabt. Aber sie waren auch alle ein Leib, und ihr Haupt war Christus, und Schwester Philotimas kämpferischer Geist war unsichtbar in ihrer Mitte.
    Nun fasste Eudoxus im Dunkeln nach Theognis und Calvus Arm: „Brüder, was hätte uns unsere geliebte Schwester Philotima in dieser dunklen Stunde geraten? Das wir getreu und mutig sein sollen, nicht wahr?

    Du hast Recht, Bruder Calvus.

    Bleiben wir still, geben wir uns in die Hand des HERREN und warten ab, was ER von uns verlangt."


    Ich werde nichts bedauern außer der Tatsache, dass ich die Regia nicht brennen sehen durfte, dachte der Jüngling.

    Aber auch wenn Eudoxus Geist gefasst und stark war, so tat sein armseliger Körper doch das Gegenteil von dem, was er wollte: Unter seiner Tunika zitterte er wie Espenlaub, und er biss sich auf die Lippen. Er lauschte nach oben, als würden sich die Schritte, die Bewegungen, das Poltern der Prätorianer unmittelbar unter seine Haut graben.


    Würden die Bösen die kleine ecclesia finden zum höchsten Opfer bereit, oder würde dieser Kelch heute Nacht noch einmal an ihnen vorüber gehen?

    Die Schritte und das Poltern über ihren Köpfen verstummte nicht. Und Bruder Achatius kehrte nicht wieder – war er der Erste, der die Märtyrerkrone errungen hatte? Eudoxus machte sich Sorgen um ihn, aber da lenkte Calvus ihn ab:
    Die Tür, sie hatten die Tür vergessen zu verschließen! Sie hatte einen metallenen Riegel, doch was war ein Riegel schon gegen die Schergen des Bösen, die über sie gekommen waren? Dennoch gab Eudoxus Calvus die Kerze, und der treue Bruder eilte, die Kellertür zu verriegeln.


    Caeca wimmerte leise vor sich hin. Sie war Calvus Frau, mochte er sie maßregeln in ihrer Schwäche, Eudoxus stand es nicht zu. Trotzdem stieg Wut in ihm auf, weil sie weinte, und er hätte sie am liebsten geschüttelt und ihr gesagt, sie solle den Mund halten. Seine Nerven waren aufs äußerste gespannt, und das Wimmern zerrte an ihnen.


    Die Mauern des Kellers schienen ihn zu erdrücken. Das Ganze war eine Falle, eine Todesfalle. Sie kamen hier nicht mehr raus.


    „Wir sitzen in der Falle wie ein Fuchs in seinem Bau, Bruder Calvus.“, flüsterte Eudoxus dem Älteren zu, und lauter sagte er:

    „Aber bedenkt doch: was haben wir eigentlich zu verbergen? Wir haben nichts aufgeschrieben von unseren Plänen. Und wir haben kein Verbrechen begangen.
    Wir treffen uns regelmäßig, sprechen über die Weisheiten unserer Schriften und nehmen dann ein bescheidenes Mahl ein. Weder Philosophie noch Caritas sind in Rom verboten. Ein Bürger sollte mit ihrem Befehlshaber in Ruhe sprechen. Ich bin dafür, der Garde die Tür zu öffnen, anstatt darauf zu warten, dass sie gewaltsam eindringt.“


    Eudoxus war kein Römer, und Theognis gerade recht nicht. Aber Calvus war ein Bürger, nahm er an, und wenn selbst der große Lehrer Paulus sich auf sein Bürgerrecht berufen hatte: Warum sollten sie es ihm nicht gleich tun?


    „Doch meine Stimme ist nur die unbedeutenste unter euch, Brüder in Christo.“, fuhr Eudoxus fort: „Ich bitte euch noch einmal in Demut, meinen Vorschlag zu überdenken und zu entscheiden.“

    Eudoxus hatte sich früher ab und zu vorgestellt, wie es wäre, wenn SIE an die Porta klopfen würden „AUFMACHEN! GARDE!“, um über die Gerechten des Herren zu kommen.

    Er hatte sich das schwere Geräusch der Militärstiefel, die Schwerter und Knüppel in grobschlächtigen Händen und die gebellten Befehle der Milites ausgemalt. Doch als nun seine Vorstellung so unerwartet anfing, Realität zu werden, konnte er es zunächst nicht fassen. Die großen Pläne schienen durch seine Finger zu gleiten wie Sand. Er verstummte, und einen Augenblick lang sahen sich die Christianer nur angsterfüllt an.


    Der ehrwürdige Bruder Achatius fand als Erster seine Stimme wieder. Er sprach seiner Herde wie ein wahrer Hirte Mut zu, befahl die Kerzen bis auf eine zu löschen und ging dann die Treppe hinauf, um der Aufforderung der Prätorianer Folge zu leisten.


    Die Versammelten im Keller der Casa Didia löschten folgsam das Licht bis auf eines. Eudoxus ahnte die Brüder mehr als dass er sie im Dunkeln sah. Er schluckte, und es war ihm, als sei seine Kehle mit Nägeln gespickt.


    Dennoch betete er mit krächzender Stimme das Vaterunser, Worte, welches der HERR selbst seinen Jüngern gelehrt hatte, als er auf Erden wandelte: "Pater noster, qui es in caelis... ", und leise fielen andere ein. Als sie an die Stelle „ Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“, kamen, spürte Eudoxus, wie ihn eine große Hingabe und Liebe durchströmte. Die Ecclesia hier tat Gottes Willen, und alles was ihnen passieren konnte, war dann ebenfalls sein Wille.


    Mit einem Ohr lauschte Eudoxus jedoch auch auf das, was oben mit Bruder Achatius geschah.

    Das die Regia und auch die umherliegenden Gebäude aus Stein waren, stimmte leider. Schwester Caecas Gedanke jedoch war sozusagen die zündende Idee. Nun galt es, den Bruder Theognis etwas zu bearbeiten, dessen täglicher Umgang mit Götzendienern ihn zweifellos etwas weinerlich hatte werden lassen. Solch ein Umgang war bestimmt schwer zu ertragen für seine reine Seele. Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein, hieß ja das Wort des Herren, und vielleicht war es gerade Theognis bestimmt, ein großer Märtyrer zu werden.


    Eudoxus hob nun den Kopf: „ Auf Mehl bin ich nicht gekommen, das ist so ein ganz und gar ausgezeichneter Gedanke, Schwester Caeca“, gab er zu:
    „Und du Bruder Theognis stellst genau die zweckmäßige Frage: Wie bekommen wir Mehl in die Regia hinein? Du bist der Einzige hier, der das Gebäude kennt, so bitte ich dich in Demut, mich sofort zu unterbrechen, sobald ich mich in meinen Gedankengängen irre.“


    Eudoxus wusste bereits, dass er, wenn er seine Mitbrüder lobte, eine wohlwollende Atmosphäre schuf, in der seine Vorschläge bereitwilliger aufgenommen wurden:


    „Die Regia wird streng bewacht, nehme ich an? Und die dort arbeitenden Sklaven werden in der Nacht eingeschlossen oder auch bewacht? Jeder von ihnen trägt zumindestens einen Titulus um den Hals oder sogar eine besondere Tätowierung seines Eigentümers?"


    Er machte eine Pause, um Theognis Zeit zum Antworten zu lassen:


    „Nun, dann gibt es dennoch eines, was ohne besondere Kontrolle in das Innere der Regia gelangt, liebe Brüder in Christo“


    Eudoxus war ein Kaufmannssohn, der folgende Gedanke lag ihm nahe. Er selbst fühlte jedoch, dass er ihm eingegeben wurde, und er ganz und gar das Werkzeug des Göttlichen war. Er fuhr fort:


    „Ich spreche von Amphoren, voll des süßen Weines, die für alle, die an diesem unreinen Ort arbeiten, von einem Weinhändler geliefert werden. Jede davon umfasst eine amphora an Wein. Sie hat immer eine doppelte Kennzeichnung: Vor dem Brennen die des Herstellers und nach dem Brennen dann den Firmenstempel ihres Eigentümers. Die Kennzeichen ante cocturam können nicht gefälscht werden, die post cocturam aber sehr wohl. Das heißt, wir müssten beim betreffenden Weinhändler einige dieser leeren Amphoren besorgen, sie mit Mehl befüllen, beschriften und dann wieder unter die anderen bringen. Ein besonderes Zeichen bringen wir auch noch an, damit wir wissen, welche unsere sind. Und – einige sollten auch anstatt mit Mehl mit Öl befüllt werden, was das reinigende Feuer noch viel besser von einem Raum zum anderen trägt.“


    Er hob die Hand: „Ich melde mich für den Einsatz freiwillig, und ich will auch Buße tun, da es die Sünde des Diebstahl ist, die ich dem Weinhändler antun muss. Bruder Theognis, kannst du mir den Namen des Händlers besorgen?“


    Eudoxus wartete auf Bruder Achatius Urteil. Er war der Gemeindeälteste, und er würde das letzte Wort haben in einem solch gefährlichen Unternehmen zum Preise des Herren:
    „Vielleicht erbarmt sich der HERR auch unser und schickt uns Feuer vom Himmel, um unser Werk zu vollenden.“, sagte er noch und schwieg nun. In ihm breitete sich eine große Vorfreude aus, die seinen unruhigen Geist mit einem alles überwältigenden Strahlen erfüllte: Sie alle hier würden daran beteiligt sein, das Strafgericht, welches der Herr zweifellos über die Hure Babylon hereinbrechen lassen würde, zu beginnen. Das Heil erwartete sie alle.


    Sim-Off:

    * amphora = 26,2 l.

    Gerade noch hatte Eudoxus einen Moment, wirklich nur einen Moment lang, an die anmutige Schwester Aglaja gedacht, die sich um die Kinder im Waisenhaus der Binah kümmerte. Und auch wenn Eudoxus wusste, dass er für sie nie andere als brüderliche Gefühle haben sollte – wenn der HERR wiederkehrte, würden sie alle gemeinsam schließlich nur noch reinen Herzens wie die Engel sein, dachte er doch daran, ihr später noch süßes Gebäck für ihre Pfleglinge vorbeizubringen. Damit würde er ihr eine Freude machen, und vielleicht würde sie ein wenig mit ihm plaudern…


    Bruder Achatius sprach mitreißend, und als er einem nach dem anderen in die Augen blickte, schlug Eudoxus Herz ihm bis zum Halse. Er schämte sich plötzlich für seine profanen Gedanken. Hier ging es um das Heil der Menschheit, und er hatte an Süßigkeiten und an eine junge Frau gedacht. Er war eine Schande. Als der Prediger Achatius die Opfer der Vergangenheit beschwor und mit einer Frage endete:

    "Wir dürfen nicht zulassen dass die Opfer unserer Brüder und Schwestern ungehört verhallen! Wir müssen weitere Taten folgen lassen! Was also können wir noch tun?", hob er mit hochroten Wangen einen Finger:


    „Brüder und Schwestern in Christo, verzeiht mir, dass ich mich zu Wort melde, denn ich bin jung an Jahren und noch nicht lange hier in dieser Stadt.
    Der Hort der Götzenanbeter wurde geschändet, und eine ihrer höchsten Götzendienerinnen hat ihr Leben unter dem Messer einer tapferen Glaubensschwester beendet!….“

    Diese alte Schwester war Euxodus immer etwas irre erschienen, aber zweifellos war ihr Handeln vom Göttlichen inspiriert. Er schluckte. Die liebliche Aglaia war vergessen. Seine Stimme wurde sicherer, eindringlicher. Er wusste, dass die Jüngeren, Unerfahrenen darauf drängten, loszuschlagen. Und er selbst wollte es auch:


    "Bald findet eines ihrer götzendienerischen Feste statt, das Agonium Martiale. Sie opfern ihrem Götzen Mars in der Regia einen Widder.

    Gleichzeitig findet ein anderes Fest statt, die Liberalia. So huldigt das heidnische Volk dem Krieg, dem Fressen und Saufen und der Unzucht.

    Aber der Herr selbst sprach: 'Feuer auf die Erde zu werfen, bin ich gekommen, und was gäbe ich dafür, dass es schon brennte'

    Das Feuer reinigt das Böse. Es wird die Sünder läutern, und die Wankelmütigen endgültig wachrütteln."


    Etwas Großes wollte auch Eudoxus, etwas, das seine Hingabe an die Sache ein für alle Mal bewies, und fort mit Gedanken an Mädchen und Gebäck:


    "Ich schlage vor, die Regia des Cultus Deorum selbst durch reinigendes Feuer zu zerstören, und zwar noch vor dem Tag des Festes, dem siebzehnten März. Ihre Zerstörung wird der letzte Beweis dafür sein, dass die sogenannten „Götter“ kein bisschen existierten. Was ist deine Meinung dazu, Bruder Theognis?“


    Hier in der Ecclesia waren sie, ob frei oder unfrei, ob arm oder reich, ob Mann oder Frau, grundsätzlich gleich, auch wenn einige Brüder und Schwestern auf Grund ihrer Autorität führten. Theognis war ein Staatssklave eben dieser Regia.
    Er kannte sich also in dem Gebäude aus und würde wissen, ob der Plan überhaupt gelingen konnte.


    Eudoxus schaute zu Theognis. Dann senkte er wieder in Bescheidenheit den Kopf. Immer noch klopfte sein Herz in seiner Kehle, und sein Blut rauschte in seinen Ohren.

    Eudoxus war, die Kapuze seiner Panuela, über den Kopf, mit der übrigen Gemeinde im Keller der Casa Didia eingetroffen: "Salvete, gibt es hier einen Fischhändler, der besondere Fische im Angebot hat?", hatte er gefragt, auch wenn er von den Älteren einige irritierte Blicke riskierte. Aber hatte nicht der Herr Iesus Christus selbst seinen Jüngern den Rat gegegeben, dass sie klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben sein sollten? So hatte Eudoxus die Kette mit dem Anhänger des Zeichens des Fisches, I·Ch·Th·Y·S, welches ihm sein damaliger Taufvater in Antiochia ausgehändigt hatte, auf dem Hinweg im Saum seines Mantels verborgen.

    Jetzt hatte er den Mantel abgelegt und trug das Zeichen über seiner Tunika:

    "Salve Bruder Achatius", grüßte er ehrerbietig.

    Der ältere Achatius gab heute Nacht mit dem Gottesdienst die Speise für die Seele. Später würde es auch noch ein Liebesmahl, Speise für den Leib, geben. Auch Eudoxus hatte ein kleines Brot mitgebracht, denn wenn alle miteinander teilten, pflegte es für alle zu reichen, auch das hatte der Herr gelehrt.

    Der Jüngling setzte sich auf den Boden und lauschte andächtig der Predigt des Älteren.

    Selbst wenn Schwester Philotima, die eine begnadete Rednerin vor dem Herren war und Bruder Molliculus, der beherzte Streiter Christi, in die Fänge der Hure Babylon geraten waren, hatte der Herr Iesus ihnen allen doch versprochen, dass seine Ecclesia niemals von den Pforten der Hölle überwältigt werden würde. Ja mehr noch, die Tage seiner Wiederkunft waren nicht mehr fern, wenn die Brüder und Schwestern nur genug innere Stärke bewiesen.

    So fühlte sich auch Eudoxus wunderbar gestärkt, und mutig sein wollte er auch.