Die Geschichte von Lurco -- Kapitel 00 - Das Licht der Welt

  • Die Geschichte von Lurco



    Kapitel 00 - Das Licht der Welt


    Popertia Melina saß in einem Korbweidenstuhl mit sehr hoher Lehne. Mit letzter Kraft umklammerte sie die Armlehnen des Stuhls. Ihre Schreie hallten schon seit Stunden durch das Haus und ließen ihren Mann Marcus Purgitius Licinus genauso zusammenfahren wie die Sklaven. Die Sklaven warteten gehorsam, trotz der Anspannung war es im Grunde doch ein Tag wie jeder andere. Für Licinus hingegen war es erneut ein Hoffen und Bangen, er benötigte einen Stammhalter, der einst seinen Besitz übernehmen und seinen Namen erhalten würde.


    Aber bis jetzt hatten es die Götter nicht gut mit ihnen gemeint. Melina hatte bereits zwei Kinder geboren und verloren. Beides waren Söhne gewesen, seine Söhne und dennoch konnte er sie nicht im Leben halten, gleich wozu er sonst im Stande war. Ein weiterer Schrei seiner Frau zerriss die angespannte Stille des Hauses und ließ Licinus an den Fingerknöcheln kauen. Zur Untätigkeit verdammt, das war nichts, was einem Mitglied der Gens Purgitia schmeckte. Einen Feind konnte man Auge in Auge bekämpfen, dem Schicksal war man schutzlos ausgeliefert.


    Derweil schrie Melina sich erneut die Seele aus dem Leib. Drei Frauen waren bei ihr, ihre treueste Sklavin Apama, sowie die Hebamme mit ihrer Gehilfin. Erneut hatte Licinus keine Kosten und Mühen gescheut, es sollte seiner Frau und vor allem dem Kind an nichts mangeln. Pamphila hatte als Hebamme einen äußerst guten Ruf und das obwohl sie Griechin war. Vielleicht war es ein letzter, verzweifelter Versuch von Licinus seine Frau doch in die Hände einer Griechin zu geben. Ihre Ärzte galten als die besten der Welt, wenn man der Werbung Glauben schenken durfte.


    Melina hingegen kannte die Sorgen ihres Mannes, ihr selbst erging es nicht anders. Dieses Kind musste leben. Es musste einfach! Die Hebamme hockte vor dem Geburtsstuhl zwischen ihren Beinen und beobachtete alles mit Adleraugen. Eine erneute Wehe ließ Melina zusammenfahren. Die Gehilfin hielt die Hausherrin von hinten fest umschlungen und drückte bei jeder Wehe ihren Schoss nach unten.


    Die Hebamme wusste um die Gefahr, die von der Geburt für eine Frau ausging, deshalb lagen auf einem Beistelltisch Instrumente und vor allem Wickel bereit, falls es zu einer Blutung kommen sollte. Viel fehlte nicht mehr, anfeuernde Rufe machten Melina Mut. Eine erneute Wehe und ein weiteres Pressen. Der kleine Kopf des Babys mit dunklen Haaren kam in Sicht. Gerade als Pamphila zugreifen wollte, starb ihr Lächeln auf ihrem Gesicht. Die Nabelschnur hatte sich um den Hals des Babys gewickelt. Das Kleine war in höchster Gefahr, sein winziges Gesicht war bereits blau angelaufen. Auch ihre Gehilfin starrte auf das kleine Baby. Das ganze Baby war blau, als mit der letzten Wehe auf die Welt gepresst wurde.


    Es war ein Junge, der blau und ohne jede Regung in den Armen von Pamphila lag. Die Hebamme zögerte nicht, entfernte die Nabelschnur und hob den Kleinen an den Füßen hoch. Dort hing er wie ein kleiner, schlaffer Sack. Pamphila klopfte ihm auf den Rücken. Nichts. Aus dem Klopfen wurde ein Hieb, dann schlug sie den Jungen richtig, während Melina ihr nur stumm und mit flehenden Augen zusah.


    "Atme! Lebe!", brüllte Pamphila den Jungen an und schlug ihn erneut.


    Endlich schnappte der Junge nach Luft, ganz so als hätte er auf diesen einen Befehl gewartet.

    Sein erster Schrei glich mehr einem Klagen, aber dann kräftigte sich seine Stimme und neue Schreie zerrissen die Stille des Hauses. Melina sackte erschöpft und gleichzeitig endlos erleichtert in dem Stuhl zusammen. Die Gehilfin hielt sie weiterhin stützend fest.


    "Dein Kind ist wohlauf", sagte Pamphila mit Stolz in der Stimme. Melina war nur noch zu einem dankbaren Nicken fähig, aber sie lächelte wie niemals zuvor in ihrem Leben.



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    Die Hebamme wusch den kleinen Mann und die Nabelschnur wurde durchtrennt. Und nun stand bereits die erste Prüfung für den Jungen in seinem Leben an. Pamphila brachte den Sohn von Melina zu dessen Vater. Wie es das Ritual verlangte, erwartete Marcus Purgitius Licinus seinen Sohn stehend. Pamphila legte den Jungen behutsam vor den Füßen von Licinus ab. Jetzt war der Augenblick der Wahrheit gekommen. Würde der Vater seinen Sohn annehmen? Er war immer noch etwas dunkel, aber wohlauf. Bange Sekunden die über den Rest des Lebens des Kleinen entscheiden würden.


    Licinus wartet die Anstandssekunden ab, ehe er sich zu seinem Sohn herabbeugtr, niederknietr und den Kleinen vor aller Augen hochnahm. Er hielt den Kleinen so, als wäre er ein Kleinod und das war er auch für Licinus. Damit war klar, der Junge war in die Familie aufgenommen worden.


    Am neunten Tag nach der Geburt erhielt der Junge seine Bulla und seinen Namen von Licinus verliehen - Manius Purgitius Lurco.




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