Census
Als Census bezeichnete man in Rom die Steuerschätzung durch die Censoren. Dabei muss zwischen dem wohl schon seit der Republik bestehenden Bürgerzensus und einer generellen Erfassung aller Steuerpflichtigen im Provinzialzensus unterschieden werden.
Bürgerzensus
Der Überlieferung nach hielten schon die Könige census ab, um die Steuern, aber auch Militär- und Hilfsdienstpflichten der Familienoberhäupter (patres familiares) festzusetzen. Diese Aufgabe übernahmen in der Republik die Consuln, seit 443 v. Chr. allerdings zwei extra für diesen Zweck eingesetzte Magistrate, die Censoren.
Diese veröffentlichten - ähnlich wie die Praetoren - zu Beginn ihrer fünfjährigen Amtszeit ein edictum, in dem sie die Grundsätze ihrer Amtsführung erklärten. Nach Amtsantritt hatten sie dann achtzehn Monate Zeit für die Durchführung der Steuerschätzung. Hierbei hatte jedes Familienoberhaupt eine Vermögensdeklaration (professio) abzugeben, die nach einer Vorlage (forma censualis, überliefert bei Ulpianus, de censibus) anzufertigen war. Darin mussten sowohl der Grundstücksbesitz (die Lage gekennzeichnet durch Angabe der zwei nächsten Nachbarn), als auch das Vermögen angegeben werden. Diese wurden dann von den Censoren und ihrem Personal geprüft (auf Mängel bzw. Hinweise auf widerrechtliches/unmoralisches Verhalten) und die Erklärenden in Steuerlisten (libri censuales) eingetragen. Auf dieser Grundlage wurden schließlich jeweils Tribus und centuria in den comitia centuriata zugewiesen und evtl. eine Aufnahme in den Ritterstand oder den Senat (lectio senatus) verfügt. Fehler wurden durch Rügen (notae) oder Versetzungen in weniger angesehene tribus (hier waren die ländlichen angesehener als die städtischen) oder centuriae geahndet.
Mit dem Anwachsen der stadtrömischen Bevölkerung besonders seit der späten Republik bedurfte es einer Reform des Census. Seit Augustus übernahmen deshalb die Kaiser auch diese Aufgabe und führten die Steuerschätzung selbst durch. Sie erfolgte nun auf Grundlage der augusteischen Regiones - ein System, das auch auf die italischen regiones ausgeweitet wurde, wo die einzelnen census der municipia zusammengefasst wurden. Die Verwaltung wurde zu einem Teil der Zentralregierung und von einem magister census geleitet.
Provinzialzensus
Mit der Ausweitung des römischen Machtbereichs wurde es auch notwendig, die tributpflichtigen Untertanen (subiecti) zu schätzen. Zu diesem Zweck wurden die Provinzen eingerichtet, in denen regelmäßig ein Provinzialcensus durchgeführt wurde. Dass die dort wohnhaften römischen Bürger in den provinzialen coloniae und municipia dabei nicht erfasst wurden, lässt sich daran erkennen, dass hier auch explizite census civium romanorum belegt sind.
In der Kaiserzeit wurden diese census ebenfalls durch die Kaiser in Auftrag gegeben und - wenn nicht extra legati oder Procuratoren entsandt wurden - in der Verantwortung der Statthalter durch Erlass eines Edikts ausgeführt. Dieser delegierte die Verantwortung für einzelne Städte, Gerichtsbezirke oder Landstriche an ritterliche Beamte (vor allem procuratores) oder Offiziere ab. Ähnlich wie in Rom mussten die Provinzialen dann vor den entsprechenden Beauftragten erscheinen und ihren Besitzstand auf Grundlage einer forma censualis erklären (aus Aegyptus ist auch die Pflicht belegt, dass die Erklärenden dazu in ihre Heimatgemeinde zurückkehren mussten, wie dies auch in der Weihnachtsgeschichte des Lukasevangeliums beschrieben wird). Dass die autonomen Gemeinden in den Provinzen auch eigene census durchführten, lässt sich daran erkennen, dass auch hier Beamte mit dem Titel censualis (mit dem Census Betrauter) überliefert sind.
Mit welcher Regelmäßigkeit diese census durchgeführt wurden, ist unterschiedlich: In Aegyptus fand er etwa regelmäßig alle 14 Jahre statt, in anderen Provinzen unregelmäßiger - aber wohl kaum zeitgleich im gesamten Imperium.
Literatur:
Horst Braunert: Der römische Provinzialzensus und der Schätzungsbericht des Lukas-Evangeliums, in: Historia: Zeitschrift für Alte Geschichte 6/2 (1957), S. 192-214.
Christian Gizewski, Art. Census, in: DNP.
Christian Gizewski, Art. Censuales, in: DNP.