CSC| Sergia Fausta

  • >>> Endlich nach langer, langer, ja fast ewiger Reise, wie es mir vorkam, war ich nun in Rom in der Casa Sergia in meinem neuen Gemach, meinen neuen Zuhause angekommen! "Danke. Das wäre im Moment alles. Du kannst dann gehen.", erklärte ich dem Sklaven, der mich hierher gebracht hatte ganz beiläufig, während ich mich umschaute und beim Anblick des Bettes erstmal gähnen und mich strecken musste. Ein seltsamer Reflex. Aber ich beschloss, dass ich jetzt noch keine Zeit zum Schlafen hatte. Ich war gerade in Rom angekommen und mein Onkel Manius war offenbar nicht im Haus. Diese Gelegenheit (wer wüsste schon, ob ich die so schnell wieder bekäme) musste ich natürlich unbedingt ausnutzen!
    Während ich dies dachte, blickte ich auf die durch die Landschaft streifende Frau. Ein schönes Bild, fand ich, und spontan kam mir in den Sinn, dass ich jetzt auch durch die Landschaft streifen wollte. Nur würde meine Landschaft nicht aus Blumen und anderem Grünzeug bestehen, sondern aus Häusern, Tempeln, Palästen und anderen Bauwerken. Ja, ich würde Rom erkunden! So also suchte ich mir in der Casa einen einigermaßen kräftig aussehenden Typ, den ich mir zum Leibwächter und Stadtführer für meinen Ausflug auserkor, und schlich dann einfach an Callisto vorbei (die gerade mal bis zur Türschwelle mit meiner Kleidertruhe gekommen war) nach draußen. Rom wartete auf mich!

  • Agrippa kam aus der Stadt zurück mit seinem Geschenk und trat vor die Tür der wilden Hummel, der liebreizenden Fausta. Er klopfte energisch an die Tür und hoffte das Fausta gut geschlafen hatte und ihm nicht mehr so böse war. Gestern abend war sie davon geschossen wie ein Kriegsschiff auf Rammkurs. Agrippa rief so, dass Fausta ihn hören konnte: Liebste Fausta öffene mir bitte, ich habe dir etwas mitzuteilen!

  • Stille. Niemand antwortete. In meinem Zimmer tat sich absolut nichts. Überhaupt, wer wäre ich auch, dass ich an die Tür ging, um diese zu öffnen? Für sowas hatte ich doch Callisto! - Aber auch die öffnete die unverschlossene Tür nicht, denn sie war nicht da. Sie hatte mich heute morgen, während Agrippa seine Morgengymnastik gemacht hatte, zu meiner neuen Arbeit begleitet. Wer also jetzt in mein Zimmer schaute, der würde nicht nur keine Callisto, sondern auch mich nicht vorfinden. Pech gehabt.

  • Von meinem Ausflug auf den Kleidermarkt mit dem guten Gefühl diesem Agrippa ordentlich eins ausgewischt zu haben (im wortwörtlichen Sinne!) zurück, kehrte ich wieder in mein Cubiculum in der Casa Sergia ein. Ich ließ mir eine Schüssel kühles Wasser und einen Lappen bringen und begann anschließend damit nicht nur mein Gemüt nach all dem Passierten wieder etwas abzukühlen. Es sollte sich jedoch herausstellen, dass ich noch kaum etwas von diesem ganzen Stress (im Nachhinein überzeugte ich mich selbst davon, dass ich ja eigentlich nie wirklich Angst vor dem gehabt hatte) und Straßenschmutz von mir losgewaschen hatte, ich schon mit dem nächsten Ärger konfrontiert wurde.


    Durch die offene Tür meines Gemaches, die der trottelige Sklave, der mir das Wasser gebracht hatte, vergessen hatte wieder zu schließen, hörte ich ganz unerwartet ein Gespräch meiner Leibsklavin Callisto mit dem vermeintlichen Leibwächter, der mich nichtmal vor diesem Agrippa hatte ordentlich beschützen können, mit. Dagegen unternahm ich natürlich erstmal nichts, denn dass diese Erfolgsgeschichte der Sergia Fausta auch unter den Haussklaven verbreitet würde, lag nur in meinem vollsten Interesse und würde denen hoffentlich einmal mehr klarmachen, dass man sich mit mir besser nicht anlegte, sondern mir meine Wünsche auf den Punkt genau erfüllte! Dann jedoch kam völlig unerwartet eine Wendung der Geschichte, die ich so der Meinung war überhaupt nicht erlebt zu haben. Irritiert blickte ich zur Tür, neben der für mich unsichtbar die beiden Sklaven weiter vermeintlich ungehört plauschten. Agrippa sollte mich geschlagen haben??
    Leise, um weiter schön lauschen zu können, schlich ich zu einem Spiegel und hielt ihn ganz nah an meine Wangen. Auf den ersten Blick sah eingentlich alles normal aus und die rechte Seite glich der linken, ganz so wie es sein musste. Bei ganz, ganz genauem Hinsehen aber fand ich dann doch einen etwas dunkleren Fleck knapp unter meinem linken Auge, der sich sogar leicht geschwollen anfühlte. Entsetzt darüber ließ ich den Spiel wieder auf die Ablage fallen, von der ich ihn genommen hatte, und taumelte einige Schritte um innere Fassung bemüht zurück. Das musste passiert sein, als ich so starr vor Furcht war, dass ich im Prinzip gar nichts mitbekommen hatte. Das hatte dieser Agrippa natürlich gleich schamlos ausgenutzt und mir eine gescheuert.... Rache!, war mein erster und einziger Gedanken, den ich fasste, bevor ich schleunigst zur Tür eilte und den Schaden zu begrenzen versuchte. "Ich habe ihn fertiggemacht, verstanden??!! Das ist alles, was ihr beiden wissen müsst und das ist auch alles, was überhaupt jemand darüber wissen muss!", herrschte ich die beiden sichtlich von meinem Erscheinen erschreckten Sklaven an. "Bekomme ich auch nur ein falsches Wort aus irgendeinem Mund mit, hat das Konsequenzen, die sich aber gewaltig gewaschen haben - für euch beide!" Auf eine Reaktion wartete ich nicht erst, sondern zog mich gleich wieder in mein Zimmer zurück und knallte die Tür. Ich brauchte mein Makeup! Sofort! Und danach überlegte ich, während ich die unschöne Stelle überschminken ließ, wie ich es diesem Idioten, neben dem Gespräch, das ich noch mit meinem Onkel Manius führen würde, am besten heimzahlen könnte.


    Mein Plan begann mit einem Sklaven, der schon am Abend dieses Tages das Cubiculum des Sergius Agrippa erreichte. >>>

  • Als ich am Morgen nach meiner kleinen Intrige wie üblich bereits recht früh aufwachte, verspührte ich eine gewisse Zufriedenheit. Im Traume war dieses Soldatensöhnchen, das sich hier in der Casa Sergia einzunisten versuchte, bereits in höchstem Bogen aus diesen ehrwürdigen Gemäuern geflogen! Ich zählte ganz ehrlich nur noch die Tage, bis endlich mein Onkel Manius von seiner Geschäftsreise zurück wäre und ich mich gehörig bei ihm beklagen könnte. Dass ich für meine Anschuldigungen auch gleich noch etliche Haussklaven als Zeugen hatte, ließ mich da wirklich besonders entspannt dem Gespräch entgegenblicken. Kaum einer im Haus hatte den Tobsuchtsanfall dieses Agrippa am Vortag nicht mitbekommen und hatte mit eigenen Augen gesehen, wie nicht nur meine freundliche Geste, als die ich das natürlich verkaufte, auf hässlichste Weise abgelehnt, sondern auch Eigentum des Hausherrn mutwillig zerstört worden war. Dass er dabei, obwohl in Hörweite befindlich, nicht einmal mehr seine Tat bestritt, kam natürlich praktisch einen Geständnis gleich! Davon ließen sich gerade so ungebildete Sklaven vergleichsweise leicht überzeugen.


    Nachdem ich mich fertig grob fertig gemacht hatte und lediglich eine Sklavin noch mit meinen Haaren beschäftigt war, bekam ich mein Frühstück aufs Zimmer gebracht. Ich hatte nämlich weder die Zeit noch die Lust auf irgendwelche Gespräche oder auch nur die Visage dieses Soldatensöhnchens. Während ich dann zu essen begann und meine Ornatrix weiter meine Haare in Form brachte, erstattete mir Callisto Bericht - unter anderem über die Aktivitäten im Müll, die sich unter der Sklavenschaft natürlich wie ein Lauffeuer verbreiteten. Ich musste mein mit Frischkäse betrichenes Brot aus der Hand legen, so sehr musste ich bei dieser Geschichte lachen. Meine Ornatrix fluchte indes innerlich, weil ich nicht still saß und ihr die Arbeit unnötig schwer machte.
    Anschließend wischte ich mir eine Träne der Erheiterung aus meinem linken Augen. "Nein, wie köstlich! Ich frage mich, weshalb ich überhaupt versuche ihn aus dem Haus zu werfen. So barbarisch, unreif und sittenlos wie der sich verhält, sorgt er ja auch ganz ohne fremdes Zutun allein für seine Untragbarkeit in diesem ehrwürdigen Haus." Ich nahm wieder einen Bissen von meinem Brot. Nein, Gravitas besaß das im Müll wühlende Soldatensöhnchen bestimmt nicht - nicht einen Hauch davon! Herrlich! Dazu zeugte diese Aktion sicher auch kaum von nennenswerter Magnitudo Animi, denn selbst ich wäre auf die Idee gekommen einen Sklaven die wortwörtliche Drecksarbeit für mich machen zu lassen! Und mit der Virtus, das hieß dem Wissen davon, welche Taten gut und schlecht, ehrenvoll und ehrlos und so weiter waren, konnte ich dem Soldatensöhnchen einzig aufgrund dieser einen Tat auch das dritte der großen sechs Erziehungsziele nach Cicero problemlos absprechen! "Wie kann man sich nur selbst so lächerlich machen?"


    Daraufhin erzählte Callisto die Geschichte, die auch sie nur gehört und nicht persönlich miterlebt hatte, weiter und berichtete davon, dass sich dieser wirklich unappetitliche Kerl, den ich nie wieder auch nur berühren würde (wer wüsste schon, wo der seine Finger den Tag über so reinsteckte!), den Müll anschließend sogar an einen tollwütigen Straßenköter verfüttert hätte! Igitt! "Ja, sie erzählte, dass dieses Tier ungewöhnlich zahm war, wie man es von einem jeden Tag um sein Leben kämpfenden Geschöpf kaum erwarten könnte - und vor allem hatte es Schaum am Mund!", schien auch meine Leibsklavin nicht sehr angetan von all dem zu sein. Ich fragte mich, wie ich bei dieser Geschichte trotzdem mit solchem Appetit essen konnte? Ja, richtig! Das Soldatensöhnchen hatte mir erneut einen Beweis (denn auch hierfür hatte ich ja nun etliche Zeugen aus dem Hausstand) dafür geliefert, dass er für die Casa Sergia nicht ansatzweise oder auch nur ein Fünkchen tragbar wäre! Ich überlegte, ob ich unsere Nachbarn auf meinen unzurechnungsfähigen Onkel aufmerksam machen sollte. Das würde nämlich den Druck auf meinen Onkel Manius erhöhen, diesen Typ schnellstmöglich wieder loszuwerden, um nicht in gesamt Rom zu einer Lachnummer zu werden! Ich entschied allerdings, dass ich erstmal abwarten wollte, wie das "normale" Gespräch mit Onkel Manius laufen würde, bevor ich eventuell später diese Maßnahme ergreifen würde, um zu bekommen, was ich wollte.
    Ob ich mich wegen des pontischen Honigs nicht vor den Folgen dieser Müllaktion fürchten würde, fragte mein Gewissen meinen Verstand. Nö. Wieso? Ich hatte mich in der Vergangenheit bereits einmal mit dieser süße Waffe gegen jemanden zur Wehr gesetzt und daher auch schon ein paar Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt. Punkt eins: Von einer kleinen Portion war grundsätzlich keine große Wirkung zu erwarten. Punkt zwei: Der Honig war nicht für alle Lebewesen giftig, wie gewöhnlicher Honig auch nicht für alle Lebewesen unschädlich war. Selbst wenn also der räudige Straßenköter, der nicht unwahrscheinlich schon vorher krank und wenigstens mangelernährt war, also den Honig nicht vertrug, so bewies das für die Wirkung auf einen Menschen doch noch gar nichts! Punkt drei (und auch dafür brauchte ich kaum Wissen, sondern eigentlich nur meinen Verstand): Das Wasser aus dem Aquaedukt war anders zusammengesetzt und deutlich gesünder als das Wasser einer schlammigen Pfütze. Das ließ sich komplett und problemlos auf den Honig aus dem Müll übertragen! Da brauchte ich noch nichtmal an die vielen kleinen und kleinsten Glassplitter zu denken, die das Ungeziefer am Ende wahrscheinlich von seinem Dahinvegetieren auf der Straße erlöst hatten.
    Kurzum: Ich war schon mehr als gespannt, wie er das alles meinem Onkel Manius erklären wollte und welche lächerlichen Pseudo-Theorien er vielleicht sogar zur eigenen Rechtfertigung vorbringen würde. Mit dem ziemlich sicheren Wissen, dass die Tage des Soldatensöhnchens, den ich jederzeit als meinen Onkel oder ein Mitglied der Gens Sergia verleugnen würde, hier in diesem Anwesen so gut wie gezählt waren, verließ ich gesellschaftsfähig (und nicht mit Dreckfingern, die ein tollwütiges Tier angefasst hatten) und bester Laune die Casa Sergia. Nachdem er sich auch selbst immer mehr und mehr diskreditierte, beschloss ich ihm bis zu dem Gespräch mit meinem Onkel Manius einfach nur noch aus dem Weg zu gehen. Das Kerlchen war ja sowas von erledigt!

  • Arbeit im Officium, Arbeit zu Hause; Arbeit auf dem Palatin, Arbeit in fremden Anwesen, wie der Casa Purgitia. In den letzten Tagen, Wochen und Monaten hatte ich echt viel zu tun und mittlerweile war ich auch zu der felsenfesten Überzeugung gelangt, dass das Finden der paar Fehlerchen in den Abrechnungen des Cursus Publicus nichts, absolut nichts im Vergleich zur Korrekturarbeit war! Vor allem die Bürokraten in der kaiserlichen Kanzlei hatte ich ja mehrfach in den breitgesessenen Hintern treten müssen, um nun endlich auch das entsprechende Geld für den Postdienst einstreichen zu können! Doch auch manch anderer Besuch zog sich nur so in die Länge. - Und ich hatte dem Präfekten ja einen vollständigen Bericht zu liefern, nachdem alles abgehandelt war.... Ätzend! Mittlerweile konnte ich ganz ehrlich mehr als gut verstehen, weshalb meine Vorgänger vermutlich so großzügig über die Buchungsfehler hinweg gesehen hatten. Es war ein undankbarer Sch(w)eißjob! Wobei: Ich hoffte ja sehr, sehr stark, dass der ganze Mist sich doch noch lohnen würde und ich nach meinem zu schreibenden Bericht befördert würde. Praefecta Vehiculorum, klang es harmonisch in meinen Ohren...
    Für den Augenblick aber hatte ich einfach keinen Bock mehr auf irgendeinen blöden Bericht! Genauso wenig Bock, wie auf eine neuerliche Unterhaltung mit Onkel Manius. Weder von der Schlechtigkeit des Agrippa, noch von der einmaligen Günstigkeit einer Ehe mit Iulius Dives hatte ich meinen Vormund bisher so richtig überzeugen können. Auch das hatte ich mir etwas einfacher vorgestellt. Ja, ich war wohl etwas desillusioniert auf beiden beziehungsweise gar allen drei Gebieten, wenn man Agrippa und meine inoffizielle Karriere als Giftmischerin extra bedachte. Die Geschäfte liefen nur schleppend, sodass der Name 'Fausta Ultrix' nur ein kleiner unter vielen war - noch immer.


    Mehr als gelegen kam mir da die Nachricht, die mir meine Leibsklavin Callisto überbrachte: Die Bewohner der Casa Sergia waren eingeladen zu den Gladiatorenspielen eines duccischen Senators, der eventuell auch als Aedilis Plebis amtierte, wenn ich das richtig im Kopf hatte.
    (Erst gestern hatte ich mit einigen Freundinnen mal wieder über die begehrtesten Junggesellen Roms getratscht. Der Consular Purgitius stand nach Meinung einer der Frauen, Tusca, ganz oben auf der Liste und nicht unzufrieden hatte ich damit angeben können, dass ich ja sogar schonmal bei diesem Purgitier zu Hause war! Dann war da dieser Aurelius, über den man sich allerlei Unheimliches erzählte. Warum wurde der wohl 'Wolf' genannt? Außerdem sollte der in letzter Zeit auch auffällig häufig am Palatin gesehen worden sein, während seine Ex in der Versenkung verschwunden schien, nachdem sie einen Getreuen des Salinator geheiratet hatte. Meine Freundin Paula meinte sogar, es wäre ein mütterlicher Cousin des Vesculariers gewesen, der jenem an Hässlichkeit in nichts nachgestanden hätte! Igitt! Zum Glück war der tot. - Aber immerhin war diese Geschichte noch immer besser als dieser duccische Aedil, der Paula zufolge irgendwo in den dunklen Wäldern Germania Magnas geboren und unter wilden Barbaren aufgewachsen sein sollte. Denn meine Freundin Secunda schwärmte zwar etwas angeekelt und neugierig von diesem angeblichen sexy Riesen, während ihre Schwester Tertia sogar behauptete mal kurzzeitig etwas mit dem Duccius gehabt zu haben, aber für eine Hochzeit, das befanden wir am Ende alle in Einigigkeit gemeinsam, war so ein barbarischer Kulturbanause doch nichts - ob er nun Aedil war oder nicht.)
    Wo war ich? Richtig, ich hatte gerade diese Einladung zur Kenntnis genommen und befand, dass ich lieber ein bisschen Blut fließen sah, als dass ich beim Schreiben eines schnöden Berichtes versauerte. Nur, mit wem sollte ich gehen? Alleiniger Spaß war halber Spaß und auf meine Verwandtschaft hatte ich dieser Tage nicht so wirklich viel Lust. Mit Agrippa würde ich Gefahr laufen mich durch sein Verhalten zu blamieren, während mir Onkel Manius vermutlich alle Nase lang irgendwelche Kerle zeigen würde, die er sich (auch) gut an meiner Seite vorstellen könnte. Ätz! Blieben meine helvetischen Cousins, von denen jedoch einer in diesem Hafenkaff Ostia vergammelte, während der andere noch immer nicht auf meine letzte Nachricht reagiert hatte. Die schieden also auch alle aus, weil sie nicht konnten oder nicht wollten. Ein hinterhältig wissendes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich könnte ja den Iulius mal fragen - am besten so, dass er gar nicht ablehnen konnte. Und dann sollte mir mein Onkel Manius mal versuchen mir den noch auszureden, nachdem ich mich öffentlich so neben Dives präsentiert haben würde! Ja, das klang nach einem guten Plan und so begann ich gleich zu schreiben....

  • .... wünschte ich mir keine Unendlichkeit. Nein, was sollte ich auch mit einer Sache, die ich längst hatte? Ich war schließlich unendlich schön, unendlich klug und raffiniert und nicht zuletzt unendlich erfolgreich! Gut, an dem letzten Punkt konnte man noch deutlich arbeiten, aber der gemachte Anfang war doch schon vielversprechend, nicht? - Ich meine nicht nur, dass ich diesen Iulius Dives in ein informelles Eheversprechen gezwungen hatte, war dieser kleine Galbinus (einmal nachgeforscht bürgerte es sich langsam irgendwie ein, dass ich so über meinen Marcus dachte) mittlerweile mein ganz offiziell Verlobter! Da kam der jetzt ganz sicher nicht mehr raus aus dieser Nummer - und ich bekam meinen Willen. Nicht zuletzt bekam ich den auch gegen meinen Onkel Manius, meinen herzallerliebsten Vormund. Erstaunlich, wie ruhig es um den in der letzten Zeit geworden war, nicht? Aber was hatte ich auch bitte tun sollen, als der mir meine schöne Idee ausreden und zunichte machen wollte? Da musste ich mich doch irgendwie wehren!
    Naja, egal. Der Flurfunk sprach davon, dass mein liebes, unschuldiges Onkelchen sich in den nächsten Tagen auf unbestimmte Zeit hinaus irgendwo aufs Land verziehen würde. Denn nein, für einen Mord war die Dosis zu gering gewesen. Ich brachte doch schließlich keinen Sergier um! (Auch wenn ich bei meinem Onkel Agrippa zugegebenermaßen schon ein paar Mal mit diesem Gedanken gespielt hatte. Aber selbst bei dem hatte ich ja zu einem "harmlosen" Mittelchen gegriffen.) Nebenbei erwähnt war das der zweite Grund, aus dem mein Onkel Manius an Tagen wie diesen schlicht nicht tragbar war für mich. Ich brauchte Unterstützung auf meiner Seite und nicht einen Kerl, der auch noch Verständnis für so ein verrücktes Soldatensöhnchen aufbrachte. Wen ich dafür nun gewinnen könnte? Nun, sobald mein Onkelchen aus dem Haus wäre, würde ich Großonkel Aulus Faustulus becircen und ihn zu meinem neuen Vormund bestimmen. Genug Mitspracherecht hatte eine Frau sui iuris ja, obgleich sich mein Großonkel meinem liebevoll Hilfe suchenden Blick auch so sicherlich kaum verschließen würde.


    Problem registriert, Problem beseitigt, würde ich sagen. An der Vertreibung Agrippas müsste ich natürlich noch arbeiten. Aber den schaffte ich mir auch noch irgendwann vom Hals. Vorerst wichtiger war jedoch, dass ich die Ehe mit meinem Marcus fokussierte und meinen neuen Vormund (wenn er das denn erstmal geworden war) schnellstmöglich auf einen Ehevertrag ansetzte. Immerhin war Marcus jetzt gewählter Vigintivir, wie man sich auf den Straßen Roms erzählte! Ach, hatte ich in diesem Zusammenhang eigentlich schon erwähnt, wem er diesen Erfolg zu großen Teilen zu verdanken hatte? War aus meinen Gedanken bereits hervorgegangen, wer die große Werbeaktion mit Pinsel und Farbe und auch die mit dem Praeco auf dem Forum Romanum beauftragt und finanziert hatte? (Gut, ein paar Kosten waren durch die Passivwerbung für die Grabsteinmetze in Bovillae oder auch die Schiffsjungs aus Ostia wieder rein gekommen.)
    Ja, wie gesagt: An Tagen wie diesen brauchte ich mir keine Unendlichkeit zu wünschen. Auch so schienen die Sachen, denen ich mich annahm, mir sehr gut zu gelingen. Morgen stand sogar bei meinem Job beim Cursus Publicus ein Gespräch mit dem Postpräfekten an, wie man mir heute kurzfristig mitgeteilt hatte. Das war ein gutes Zeichen, kein Zweifel! (Das versuchte ich mir zumindest einzureden, weil ich bislang keinen Schimmer hatte, ob es wirklich um meinen eingereichten Ergebnisbericht gehen sollte.) Und siehe da, auch die Geschichte mit meinem zweiten Marcus entwickelte sich doch ganz gut: Er schrieb mir einen Brief. Hatte ich ganz nebenbei erwähnt, dass auch der zum Vigintivirat angetreten und letztlich gewählt worden war, wenn man dem Gerede des Pöbels glauben schenken durfte? Ja, ich befand mich hier eindeutig auf dem richtigen Weg - auf der Straße der Gewinner! (Nur mein Onkel Decimus Varus von den Annaeern schien da an Tagen wie diesen nicht ganz ins Bild zu passen. Aber der Zustand war bestimmt nur temporär, weil mein Onkel nach seiner Präfektur nach Rom zurückkommen und hier dann den nächsten hohen Posten antreten würde, ganz sicher.)


    Zurück zu dem Brief: Sich zu Anfang erstmal zu entschuldigen kam mir natürlich sehr entgegen, weil es mich ohne Anstrengung in eine höhere Position hob. Das würde ich noch auszunutzen versuchen, beschloss ich, bevor ich meine Leibsklavin zu mir rief, um zu erfragen, ob ich am fünften Tag von heute an am Abend schon etwas vor hatte. Sie klärte mich darüber auf, dass ich in der gesamten Woche abends keine Termine hätte. Leider. Ich überlegte. "Aber hatte ich nicht genau an diesem Abend dieses furchtbar wichtige Abendessen mit einigen meiner cornelischen Verwandten?", erkundigte ich mich. Callisto schüttelte offensichtlich etwas verwirrt den Kopf. Wenn die so weiter machte, dann würde sie auch eines Tages in einer Arena einem Bären und mehreren wilden Kötern gegenüber stehen! "Schätzchen, wenn ich sage, dass ich da diesen wichtigen Termin habe, dann habe ich da diesen wichtigen Termin, verstanden?!?", schaute ich sie belehrend streng an.
    Aber die dumme Gans gab sich weiterhin völlig unverständig. "Es sind doch keine deiner cornelischen Verwandten derzeit hier in Rom, oder?", fragte sie vorsichtig, sodass ich nur mit den Augen rollen konnte. "Nein, das ist richtig. Und deshalb werde ich auch schweren Herzens diesen Termin mit meinen cornelischen Verwandten opfern, um diese Einladung hier anzunehmen.", wedelte ich kurz mit dem Papyrus. "Klar?", schob ich in einem Tonfall absoluter Selbstverständlichkeit hinterher, bevor ich die noch immer verwirrt dreinblickende Sklavin links liegenließ. Dummchen! Mit einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen und den vorfreudigen Gedanken daran, sogar mit einer Sänfte von hier abgeholt zu werden, setzte ich mich an meinen kleinen Schreibtisch, um eine Antwort zu verfassen....

  • "Okay. Nächster Punkt. Ähm.. was ist der nächste Punkt?", erkundigte ich mich bei meiner Leibsklavin Callisto, während mir eine andere Bedienstete die Haare machte und wieder eine andere mir ein Kleid nach dem anderen aus meiner schier endlos tiefen Kleidertruhe zeigte. Langsam musste ich mich nämlich entscheiden, welche Sachen ich mit in die Casa Iulia nehmen würde und welche ich aussortierte (eben der ganz normale Umzugswahnsinn). "Halt das doch mal etwas mehr ins Licht! .. Ja, so! .. Nein.", schüttelte ich unzufrieden den Kopf. "Das Hochzeitsmenu.", antwortete mir Callisto. "Nein, eindeutig in den Müll damit! .. Das heißt, ich meine natürlich nicht in den Müll, sondern zu den.. Opfergaben.", korrigierte ich mich. "Das Essen?", hakte meine nichtsnutzige Sklavin ungläubig nach. "Natürlich nicht, du dumme Gans! Ich rede von dem Kleid da!" Wie lange hatte ich das jetzt schon? 2 Jahre? 3 Jahre? Nicht, dass es mir nicht mehr passen würde! Aber es war mir einfach zu alt. "Habe ich - und jetzt spreche ich von den Speisen und Getränken - denn alles? Oder aber fehlt mir noch irgendwas?", fragte ich mit einem leicht drohenden Unterton nach. "Also, für die Vorspeise bestehend aus halbierten Eiern, kleinen Brothäppchen belegt mit Käse und etwas grünem Salat, sowie einem appetitanregenden Wein haben wir alles.", begann Callisto fürs erste noch optimistisch. "Ja, das brauchst du mir gar nicht weiter zeigen, das behalte ich auf jeden Fall! In diesem Outfit hatte ich einen.. unvergesslichen Abend in diesem äußerlich etwas eingestaubten Edelschuppen. Ihr wisst schon, der Abend, an dem ich hier sogar von einer edlen Sänfte abgeholt wurde!", erklärte ich halb in Erinnerung schwelgend ohne aber natürlich direkt von meinem Marcus Nummer zwei zu sprechen.


    Unterdessen fuhr Callisto fort: "Für den ersten Hauptgang bestehend aus Fisch mit Garum und Brot, garniert mit Oliven, etwas Käse und natürlich hochwertigem Olivenöl, sowie jeder Menge weiterm Wein, fehlen nur noch ein paar Kleinigkeiten." Ich blickte sie böse an. "Nun, du solltest vielleicht bis zur Hochzeit vom Verkauf von Fisch und Garum aus Alba Fucens absehen, Herrin. Das würde schon beinahe komplett den Fehlbetrag decken. Mit dem Käseproduzenten stehe ich in Kontakt und werde ihn sicherlich davon überzeugen können, dass er uns noch etwa 20 Einheiten, das ist nicht viel, mehr liefern kann." Ich nickte etwas zerknirscht. Zwei Wochen lang keinen Fisch- und Garumverkauf würden meine Kunden hoffentlich verkraften. "Meinetwegen verziehte ich dann eben auf die zusätzlichen Verkaufseinnahmen. Wann wird der Käse geliefert?", wollte ich stattdessen wissen. "Zusammen mit allem anderen zwei Tage vor deiner Hochzeit. Und ich werde ganz bestimmt dafür sorgen, dass genügend Käse dabei sein wird!", versicherte Callisto, bevor sie fortfuhr mit der Aufzählung zum zweiten Hauptgang, bei dem es noch ein mittleres Räucherfleisch-Problem aus der Welt zu schaffen galt. (Natürlich beteuerte meine Leibsklavin dazu einmal mehr, dass sie das schon hinbekommen würde. - Ich hoffe es für sie.) Und natürlich gab es auch beim Dessert noch ein kleines Problem mit dem Dattel-Importeur, von dem ich aber schnell dadurch abgelenkt wurde, dass mit den Vorbereitungen für einen zufriedenstellenden Ausklang für die Gäste alles nach Plan lief: Damit die Hochzeitsgäste nämlich diesen Tag ebenfalls stets in guter Erinnerung behalten würden, hatte ich mir überlegt ein paar.. entspannende Genussmittelchen ordern zu lassen! Nicht zuletzt machte das unseren Hochzeitszug zur Casa Iulia sicherlich nochmal um einiges lustiger....


    Und dann gab es da ja noch so eine Überraschung, die ich allerdings nur für einen Teilnehmer der Veranstaltung in die Spur gebracht hatte: "Ja, ich habe auch dafür gesort, dass.." Es knallte und keinen Augenblick später spührte Callisto den Schmerz, den meine Hand in ihrem Gesicht verursacht hatte. "Was solltest du dir in Bezug auf Geheimnisse merken?", erinnerte ich sie. "Niemals aussprechen. Vor niemandem." Ich erwartete mehr. "Und noch?" Callisto kratzte sich kurz hinterm Ohr. "Außer wenn es die Geheimnisse anderer sind. Die soll ich dir immer direkt erzählen." Jetzt war ich zufrieden und nickte.
    Da kam eine weitere Bedienstete nach kurzem Klopfen in mein Zimmer. Sie brachte Post; genauer: Post vom Praefectus Urbi! Ich war so gespannt, dass ich den Brief selbst las: Verhindert. Ich seufzte. Irgendwie hatte ich ja schon fast damit gerechnet. Der zweite Teil dafür klang umso heller in meinen Ohren: Er wollte uns besuchen! Ich fand, das klang sehr stark danach, dass mein Marcus einen Platz als Tribun der Stadtkohorten bekommen könnte (was ich natürlich nur sehr unterstützen konnte, weil ich damit meinen direkten Einfluss auf Marcus behielt, während ich weiter hier in Rom lebte). "Sieht ja fast so aus, als hätte ich gleich noch eine zweite Überraschung für meinen Marcus, was?", sprach ich zu mir selbst und lächelte zufrieden in mich hinein, bevor ich sowohl einen Brief an Flaminius, als auch einen Brief an Marcus verfasste.

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