Der Ianitor führte den Gast in das Atrium der Villa und wandte sich zu ihm um. "Bitte warte hier, ich werde den Herrn holen."
Dann trabte er zu Aquilius' Zimmer los, um jenen von seinem Gast zu benachrichtigen.
Der Ianitor führte den Gast in das Atrium der Villa und wandte sich zu ihm um. "Bitte warte hier, ich werde den Herrn holen."
Dann trabte er zu Aquilius' Zimmer los, um jenen von seinem Gast zu benachrichtigen.
Von der Porta kommend, folgte ich dem Ianitor ins Atrium und schaute mich währenddessen die Casa an den Stellen an, wo wir vorbeigingen. Eine erstaunlich noble und sehr edel wirkende Casa. Nein, was hieß erstaunlich? Es war ja die Villa einer Patrizierfamilie, der Flavier. Da war soetwas sicher selbstverständlich.
"Natürlich." erwiderte ich auf die Worte des Sklaven und blickte mich in seiner Abwesenheit noch ein wenig um, ohne viel mehr, als mein Haupt zu bewegen.
Mir dröhnte noch immer der Schädel vom vorherigen Abend. Zu viel Wein, eindeutig, und vergessen, was mich dazu gebracht hatte, zuviel zu trinken, hatte ich erst nicht. Wenigstens war es nicht mein Wein gewesen, sondern Felix' Vorräte aus dem Weinkeller der Villa, sodass es mir egal sein konnte, wer das Besäufnis bezahlt hatte. Dass ausgerechnet heute ein Unbekannter mit mir sprechen wollte, war mir weder recht noch angenehm, aber sich als Priester verleugnen zu lassen, kam auch nicht in Frage. Dass ausgerechnet auch noch Sciurus mich im nachtrunkenen Entsetzenszustand sah, war nicht minder angenehm, denn Gracchus würde wohl von meinem Aussehen erfahren und sich die entsprechenden Gedanken dazu machen können.
So quälte ich mich mit Nefertiris Hilfe in meine Tunika, ließ mir die Sandalen umbinden und klatschte mir mehrere Hände voll eiskalten Wassers ins Gesicht, das musste zur Wiederbelebung reichen, dann machte ich mich schon auf den Weg in mein Arbeitszimmer - einer der Haussklaven übernahm die Arbeit, den Besucher aus dem Atrium abzuholen und zu mir zu bringen. Ich erwartete ihn an meinem Schreibtisch sitzend, einige Schriftrollen um mich herum drapiert, dass es aussehen musste, als sei ich gerade bei der Arbeit gewesen. Der Plebejer musste schließlich nicht die ganze Wahrheit kennen. "Salve, Sergius Curio," begrüßte ich ihn höflich und blickte ihm entgegen. "Setz Dich zu mir und erzähle mir, was Dich zu mir führt."
Von einem der Sklaven abgeholt, ging ich weiter durch die prächtige Villa, jede Ecke und jeden Winkel mit den Augen aufsaugend, bis der Sklave schließlich stehen blieb und mich in das Zimmer vor mir ließ. Anscheinend Aquilius Arbeitszimmer, wenn man den ersten Blicken glauben schenken konnte, denn als der Diener die Tür öffnete viel mein Blick als erstes auf den Schreibtisch, eine kleine Masse von Papyri und eben auf den Flavier, der schwer beschäftigt wirkend dahinter saß. Ein kurzer Blick zum Sklaven später, betrat ich den Raum, wo ich auch schon höflich von Aquilius empfangen wurde.
“Salve Flavius Aquilius, ich hoffe, ich störe nicht...“ erwiderte ich sicherheitshalber und eigentlich auch nur aus Höflichkeit, denn hätte er keine Zeit, so wäre ich sicherlich nicht hier. Kurz hielt ich inne und musterte den Priester soweit es mir möglich war, bevor ich seiner Bitte nachkam und mich setzte.
“Ich hole ein klein wenig aus, wenn Du erlaubst ... Wie du eventuell weißt, ist der Duumvir von Misenum und mein Verwandter, Manius Sergius Glabrio vor kurzem verstorben und es soll natürlich eine Beerdigung mit anschließender Trauerfeier stattfinden. Titus Flavius Milo sagte mir in der Verwaltung des Cultus Deorum – von wo ich gerade komme -, dass ich mich an Dich wenden soll.“ Kurz zupfte ich an meiner Toga herum, die beim Sitzen wirklich noch unbequemer war, als sonst, ließ meinen Blick dann aber schnell wieder zu meinem Gegenüber wandern, wo er auch eine Zeit lang bleiben sollte.
Auch noch in Toga. Ich war kurz davor aufzustehen, ihm irgendeine fadenscheinige Entschuldigung um die Ohren zu knallen und dann weiter trinken zu gehen, aber der pflichtbewusstere Teil in mir, der heute die Oberhand gewonnen hatte - der weniger pflichtbewusste Teil hatte gerade einfach mörderische Kopfschmerzen - blickte meinen Besucher wenig begeistert an. Auch noch eine Beerdigung für irgendeinen Provinzamtsträger, was hatten die Götter heute eigentlich gegen mich? War das nicht diese Sergier, von dem die Acta schon geschrieben hatte? Ich musste dieses Schundblatt deutlich aufmerksamer lesen, wurde mir dabei klar, und ich verschob diesen Gedanken alsbald wieder in die dunkleren Regionen meiner Erinnerung.
"Möchtest Du etwas trinken?" fragte ich der Höflichkeit halber und klatschte zweimal knapp in die Hände, was meine kleine Ägypterin herbeirufen sollte - mir war momentan einfach deutlich mehr nach einem Getränk, ungefähr zehn Becher Wein würden vielleicht reichen, mich wieder zu einem Menschen zu machen.
Und ich musste mir vermerken, Milo beizeiten zu erwürgen, gab es denn keinen anderen sacerdos, auf den man diese Beerdigung hätte abwälzen können? Aber nein. Insgeheim vermutete ich, dass er sich einen Spaß daraus machte, mir solche Sachen zuzuschanzen. "Ich nehme an, die Beerdigungsriten sind Dir vertraut?" fragte ich in einem Tonfall, der andeuten mochte, für wie minderwertig ich jemanden hielt, der davon keine Ahnung hatte, war das doch wirkliches Allgemeinwissen. "Wie kann ich Dir denn dabei konkret helfen? Ich nehme an, Du suchst einen Priester, der die Fingerabschneidug und das Begräbnis derselben vor der Verbrennung vornimmt und am Ende die Teilnehmer wieder rituell reinigt ... habt ihr euch schon überlegt, wer die Leichenrede vornimmt?"
Sachte schüttelte ich den Kopf und schob ein dankendes “Nein“ hinterher. Ich wollte mich nicht zu lange hier aufhalten und ganz allgemein die Sache eigentlich so schnell wie möglich über die Bühne bringen. Zwar war es nicht so, dass ich ihm diese letzte Ehre, sein Begräbnis nicht gönnte, aber wunderte ich mich doch, wieso ich mal wieder der Depp war, der das ganze organisieren sollte? Ich war ja wohl der, der ihn am wenigsten gekannt hatte ... Publius hätte das machen sollen, aber der war dementsprechend unzuverlässig.
Wie bei einem Gespräch, welches leider länger zu dauern schien, neigte ich den Kopf unfreiwillig zur Seite, während ich nun nocheinmal Flavius Aquilius musterte. Anscheinend war er mit seiner derzeitigen Situation nicht ganz so glücklich, wie er sein wollte, es konnte natürlich auch täuschen. Sein Tonfall allerdings sagte mehr aus, als die Worte, die er damit unterlegte. Ich wüsste nicht, was ich wohl getan hätte, müsste ich seine Frage verneinen und ich wollte auch gar nicht erst wissen, was er gemacht hätte, glücklicherweise würde ich aber beides nicht erfahren und so nickte ich nur. “Natürlich weiß ich das und ja, genau deswegen bin ich hier. Wie gesagt, der Ablauf ist mir bekannt, nur haben wir keinen Priester in der Familie, der dies erledigen könnte und so wandte ich mich an Flavius Milo, der mich ja zu Dir sandte.“ Einen kurzen Augenblick schwieg ich auf seine letzte Frage hin, bevor ich dann doch recht schnell noch eine Antwort gab: “Nun, wer die Leichenrede vorträgt ist von Seiten der Familie schon bestimmt, aber besagte Person ist noch nicht verständigt worden...“ Ja, genau jetzt viel mir ein, was ich vergessen hatte ... nein, Publius wollte das eigentlich machen, was heißt, dass ich es doch machen musste. Ein kaum hörbares Seufzen entrann meiner Kehle und der Kopf legte sich nun langsam in Richtung anderer Schulter.
"Ich denke, wir können uns darob schnell einig werden, ich kenne das Ritual und kann Dir und Deiner Familie dabei unter die Arme greifen, alles andere liegt allerdings bei euch - alles sollte angemessen organisiert werden, die pompa funebris ebenso wie die laudatio. Wurde er bisher aufgebahrt und betrauert? Wenn ich mich nicht irre, ist der Tod doch schon einige Tage her, oder etwa nicht?"
Nicht, dass mich der Anblick eines halbverwesten Toten allzu sehr geschreckt hätte, aber allein der Gedanke daran ließ im Moment meinen Magen deutlicher rumoren, als es mir recht war. Es war zuviel Wein gewesen und der Gedanke an stinkende Leichen, dessen olfaktorische Begleitumstände ich mir nur zu genau ausmalen konnte, kollidierte mit der Tatsache, dass ich heute noch gar nichts gegessen hatte. Am liebsten hätte ich den Sergier gleich rausgeworfen und mich hingebungsvoll in Richtung des Gartens übergeben.
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