• Es war mühsam einen Weg zu finden, bei dem man nicht bei jedem Schritt angerempelt wurde. Der Korb hatte an Gewicht zugenommen. Möhren, Äpfel, Zwiebeln. Die Rüben, Pastinaken, den Kohl, Lauch und Knoblauch hatte sie zum Haus schicken lassen. Ihr Einkauf war erledigt. Es waren 5 silberne Geldstücke übrig. "5 Sesterzen." sagte Alwina leise vor sich hin. Was dafür kaufen? Sie sah sich beiden Händlern von Stoffen um. Einen dicken Wollstoff, für einen zweiten Peplos und Leinen für eine Untertunika. Am Ende entschied sie sich für Wolle roh unversponnen. Eine Menge Arbeit wartete. Alles im Korb verstaut, schlenderte sie an den Ständen entlang und schlug den Weg zum Domus Magonidas ein.

  • Laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaangweilig.


    Silanus konnte es sich nicht verkneifen einmal herzhaft zu gähnen, während er auf Kundschaft wartend hinter seinem wackeligen Tischchen mit dem winzigen Fläschchen billiger Tinte und den zwei Tabula saß. Seinen letzten Auftrag hatte er vor etwa zwei horae hinter sich gebracht, und seitdem hatte sich nichts für ihn aufgetan außer einer älteren barbarischen Frau die wissen wollte was auf einer Tonscherbe gekritzelt stand. Es war ein Fluch gewesen, der sich aller Wahrscheinlichkeit nach gegen die alte Dame richtete, und Silanus hatte mit Ausblick auf seine Bezahlung die Botschaft ein klitzekleinwenig zu ihrem Vorteil verändert vorgelesen. Die drei As konnte er gut gebrauchen, wenn er heute Abend nicht mit leerem Magen einschlafen wollte.


    Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen wanderte sein Blick lose durch die mehr oder minder geschäftig vorbeiwandernden Kauf- und Handelswilligen, und das stete Summen der Stimmen machte seine Gedanken träge... sie wanderten zu dem Tag, an dem Gaius Gordianus ihn mit zu diesem Valgiso-Domitius nehmen wollte, dem Princeps Praetorii, um ihn für eine Anstellung als persönlicher Schreiber zu empfehlen. Und wie immer machte er sich Gedanken darum ob und wie dieses Gespräch wohl verlaufen würde.. und ob er danach immernoch hier sitzen würde, an einem Tag nicht wissend, ob er die Miete für die nächste Woche zusammen bekommen würde.
    Als ihm die Gedanken zu dröge wurden wanderten sie beinahe von selbst zu den Mädchen der Stadt, die er, Titus und Pollux stets in einer Art ständigem Schaulaufen bewerteten. Der Vorbau von Siglinde, Tochter einer bärbeissigen Beneficarius in Diensten der Civitas, hatte in den letzten drei Monaten einen ganzen Satz nach vorne gemacht, wie die Jungs zu ihrem Entzücken festgestellt haben. Allerdings brachte sie das immer noch nicht in die Nähe der Spitze der Rangliste, die so unerreichbar war wie die Tochter des Lucillius Dexter, eines glühenden Römers, dessen einziges Pech es war, dass sein Kopf so groß war wie die Nase seiner Tochter.


    Ein leiser Pfiff riss ihn aus seinen Gedanken, und als er sich nach rechts umwandte um zu sehen woher er kam, bemerkte er den auffordernden Blick seines Freundes Titus, der mit einem Nicken in eine ganz bestimmte Richtung der Menschenmenge deutete. Als der junge Silanus diesem Wink folgte, brauchte er nicht lange um herauszufinden was oder wen Titus meinte: ein Barbarenmädchen bahnte sich gerade seinen Weg durch die Basilica, und seinem Alter und ihrer Angewohnheit entsprechend begann Silanus sofort die körperlichen Attribute der jungen Frau zu sondieren. Ein reger aber stummer Wortwechsel begann daraufhin mit Titus als es darum ging das Mädchen zu bewerten, und heftiger aber ebenso lauterloser Streit brach aus, als Silanus ihr Minuspunkte für ihre barbarische Herkunft geben wollte, Titus diese Kategorie aber ebenso kategorisch ausschloss.
    Wo sie sich allerdings einig waren war ihr Hintern, der die volle von einem einzelnen Körperteil erreichbaren Punktzahl bekam, und so kreuzten beide die Finger zu einem X und nickten sich dabei zustimmend mit breitem Grinsen zu.

  • Es war beeindruckend. Alwina stand vor der Basilika und sah sich das riesen Gebäude an. Ein kalter Wind pfiff über den Platz und bewegte sie dazu ihre Betrachtungen abzubrechen und die Basilika zu betreten. Drinnen war es angenehm überschlagen. Sie öffnete den Mantel, ihr war warm.


    Die ersten Stände hatten viele Sachen, aber nicht das was Alwina suchte. Endlich wurde sie fündig. Kessel in allen Größen. Die Größen und mittleren ließ sie stehen. Bei den kleinen hatte sie zwei gefunden, die auf ihre Feuerstelle passten. Sie entschied sich für den bauchigen. Löffel gab es am Nachbarstand. Fast alles was sie brauchte hatte sie bekommen. Am Stand mit den Pelzen und dem Leder blieb sie lange stehen. Die Pelze waren zu teurer. Leder für ein paar neue Schuhe konnte sie sich gerade so leisten. Alles im Korb verstaut, kroch ihr der Geruch von Essen in die Nase. Eine kleine Garküche die Suppen, Gemüse und Gebäck anbot. Alwina leckte sich die Lippen, eine Schüssel Suppe war das Richtige bei der Kälte. Sie stellte sich an die Seite, wärmte sich die Hände an der Schale und fing an zu löffeln.

  • Als ich die Regia verließ, fegten gerade ein paar Graupelschauer über das Forum. Ich sah zu, dass ich schleunigst unter das Dach der Markthalle kam. Weil mir Panphilos erzählt hatte, dass die Preise für Salz über Nacht deutlich nach oben gegangen waren, wollte ich mir bei der Gelegenheit die Preise der Salzhändler selber ansehen und mal nach dem Grund für den Preisanstieg fragen. Ich hatte gerade zwei Händler abgeklappert, als ich Alwina sah. Sie löffelte offenbar mit Genuss eine heiße Suppe aus einem Kump.


    Das war doch was! Ich ging zu der Garküche, verschaffte mir auch einen Kump von dem heißen Zeug und ging hinüber zu Alwina.


    "Heilsa, Alwina. Du hast mich da auf eine gute Idee gebracht. Es macht doch mehr Spaß, wenn man sich bei der Kälte beim Essen auch noch die Hände wärmen kann, als da hinten in der Taberna Silva Nigra lauwarme gefüllte Eier zu essen".


    Ich fing auch an zu löffeln, wischte mir mit Handrücken den Schnäuzer ab und fuhr fort, "Du hast mir neulich am Hafen erzählt, dass du vom Stamm der Hermunduren bist. Was hat dich eigentlich dazu bewegt, zu den Römern zu gehen?"

  • Ihrem aufmerksamen Blick war Valgiso nicht entgangen. Der Gastgeber der lustigen Gallier und Freund des rothaarigen Riesen. Das war das was ihr als erstes zu ihm einfiel. Was für ein Zufall, er hatte sie offensichtlich entdeckt und kam zu ihr rüber. Nein, Zufälle gab es nicht. Es war alles vorbestimmt. Sie schluckte schnell runter. " Heilsa Valgiso. Eine Taberna, habe ich noch nie von innen gesehen. Was man erzählt, das macht mich auch nicht neugierig. Ob meine Hände dort so warm werden wie hier, das bezweifle ich. Du musst nur sehen, dass du die Füße in Bewegung hält's, sonst frierst du fest." sie schmunzelte. Natürlich war es drinnen angenehmer. Für eine Schüssel Suppe ging es hier.
    Das unvermeidliche trat ein. Diese Frage die ihr jeder stellte, weil es nicht selbstverständlich war, dass eine junge germanische Frau alleine unterwegs war. Weil sie von der anderen Seite des Rhenus kam. 7 fast 8 Tagesmärsche von hier, ihr ehemaliges zu Hause lag. Sie hätte dort zu einer Sippe gehen könne, die über tausend Ecken mit ihrer Sippe verwandt war. Ihr Vater wollte es anders. Sie ließ den Löffel in die Suppe sinken. " Der letzte Wunsch meines Vaters. Er hat zweimal im Jahr ein Reise hierher an den Rhenus gemacht. Mit den Römern unser Salz, Bernstein und Stoffe gegen Getreide, Eisen und mehr getauscht. Er hat viele Geschichten von ihnen erzählt. Hat mir ihre Sprache beigebracht. Er glaubte hier wäre es besser für mich." Sie löffelte weiter, die Zeit hatte den ersten Schmerz verblassen lassen. Es musste weiter gehen.

  • Zitat

    Alwina: " Der letzte Wunsch meines Vaters. Er hat zweimal im Jahr ein Reise hierher an den Rhenus gemacht. Mit den Römern unser Salz, Bernstein und Stoffe gegen Getreide, Eisen und mehr getauscht".


    Klar, man bekam auch hier in der Markthalle kalte Füße. Aber die Suppe begann heftig zu schwappen, wenn man gleichzeitig mit den Füßen trappelte und aus dem Kump löffelte.


    "Ja, bei mir war auch mein Vater die treibende Kraft. Erst hat er dafür gesorgt, dass ich einen Haufen Zeug gelernt habe und dann hat er gesagt, dass ich zu den Römern gehen soll, weil ich mit dem ganzen gelernten Krempel in Germanien sowieso nichts anfangen könne. Ich muss ihm aber heute recht geben".


    Ich löffelte ein bißchen, trappelte dann ein bißchen mit den Füßen, dann fuhr ich fort: "Weißt du, mit wem dein Vater hier in Mogontiacum Handel getrieben hat?"

  • Ein bisschen pusten und schlürfen. Das half sich nicht den Mund zu verbrennen. Geschlürft kam der Geschmack richtig zur Geltung. Die beste war es nicht, aufwärmen das war ihr Hauptzweck. " Darüber hat er nie mit uns gesprochen. Männersache. Für uns war interessant, was er mitbrachte. " Ein schelmisches Grinsen machte sich auf Alwina's Gesicht breit. " Das sieht urkomisch aus, wenn du auf der Stelle trippelst." Schon wechselte sie wieder das Thema. " Für mich war das weniger wichtig, wann hätte ich je Kontakt mit den Händlern gehabt. Vater hat nur Männer aus unserer Sippe mitgenommen."

  • Zitat

    Alwina: " Das sieht urkomisch aus, wenn du auf der Stelle trippelst."


    Ich schaute mich um. Alle Leute, die herumstanden, trippelten auf der Stelle, um die Kälte aus ihren Füßen zu verscheuchen. Die ganze Markthalle war ungefähr zur Hälfte mit urkomischen Menschen angefüllt. Wobei es da auch Überläufer gab: Sobald einer irgendwohin loslief, wechselte er zu dem ernsten Teil der Menschheit, wenn er stehenblieb, nahm ihn der urkomische Teil der Menschheit wieder als Mitglied auf. Die germanische Kälte hatte es in sich.


    Ich lachte: "Eigentlich ist es römischen Beamten nicht gestattet, urkomisch zu sein, aber ich hoffe, dass die Götter hier in Germanien Ausnahmen zulassen. Verzeih mir meine Neugierde: Du hast gesagt, dass dein Vater mit Salz gehandelt hat. Konnte man dort, wo du herkommst, Salz gewinnen? Und wo ist das? Weißt du den Namen eines Flusses oder eines Gebirges, das in der Nähe deiner Heimat liegt? Ich weiss nur, dass es am Oberlauf der Visurgis, die Germanen nennen sie Wiseraha*, Salz gibt. Und dann noch an der Sala*."


    Sim-Off:

    *) Visurgis: Weser, gemeint ist hier die Werra, Sala: fränkische Saale

  • Alwina folgte dem Blick Valgiso's und sah schmunzelnd, dass er sich den allgemeingültigen Gesetzen der kalten Füße unterworfen hatte. " Hier sind alle mehr römisch als germanisch." stellte sie fest. Der Löffel klapperte in der leeren Schüssel.


    " Die Wisera...." Alwina kannte den Namen des Flusses. In seiner Nähe waren sie ansässig. Ihre Ahnen hatten den Chatten die Salzungen abgerungen.Damit hatten sie sich annehmbaren Wohlstand erwirtschaftet. Im Winter musste keiner der Sippe hungern. " Wir hatten Rinder,viele Ziegen und Schafe. Ein großes Langhaus.Unfreie arbeiteten auf dem Feld und im Salz,versorgten die Tiere." Sie holte einen Taubenei großen Bernstein,aus einem ihrer Beutel am Gürtel." Den hat mir mein Vater letzten Sommer geschenkt. Von einem Mann aus dem Norden." Stolz hielt sie ihn Valgiso hin. " Sie trafen sich jedes Jahr an einer großen Flussgabelung der Wisera und tauschten Salz gegen Bernstein und Silber."

  • Zitat

    Alwina: " Den hat mir mein Vater letzten Sommer geschenkt. Von einem Mann aus dem Norden."


    Ich stellte meine Schüssel ab und legte den Bernstein in meine Handfläche. Er war goldgelb und dort, wo man schräg auf die Oberfläche schaute, ging die Farbe in ein rötliches Braun über. An einer Seite hatte er eine muschelige Bruchstelle. Das Goldgelb war klar und man konnte einige kleine Dinge sehen, die darin eingeschlossen waren. Aber es war nicht zu erkennen, um was es sich handelte.


    "Das ist aber ein wirklich schönes Stück. Du könntest dir beim Goldschmied daraus ein Schmuckstück machen lassen, um das dich manche Römerin beneiden würde. Ihr habt da aber einen einträglichen Handel aufgebaut: Salz gegen Bernstein und bei den Römern Bernstein gegen gutes Geld. Aber, was ich nicht verstehe ist, wieso du hier nicht mit dem Bernstein handelst, den dein Vater und seine Leute hierher liefern können?"


    Ich gab ihr den Bernstein zurück.

  • Ihre Hände hielten krampfhaft die Schüssel fest. Das hatte sie vorhin mit dem letzten Wunsch ihres Vaters gemeint. Sie konnte nicht damit handeln auch wenn sie wollte, heute nicht und morgen nicht. Sie war hier und musste für sich alleine sorgen. " Nein, Valgiso. Mein Vater, alle aus meiner Familie sind tot. Sie existiert nur noch in meinen Erinnerungen. Unsere Sippe gibt es nicht mehr. Vielleicht einige verstreut, als Unfreie bei den Chatten, bei einer fremden Sippe untergekommen, ich weiß es nicht." Viel war nicht geblieben. " Das was ich bei mir trage ist alles was ich besitze." Keine Sippe, kein Salz, kein Handel, so sah es aus. Sie gab die Schüssel zurück. " Du bist römischer Beamter ? Was macht man als Beamter?" Lenkte sie on sich ab.

  • Zitat

    Alwina: " Du bist römischer Beamter ? Was macht man als Beamter?"


    Irgendwie schien es, als sei es plötzlich etwas dunkler geworden. Da war ich wohl, ohne es zu wollen, auf eine schmerzhafte Stelle bei Alwina gestoßen. Sie hatte ihre Familie verloren und zwar offenbar durch einen Überfall der Chatten. Das machte mich aber andererseits hellwach. Dahinten bei den Chatten und Hermunduren schien sich etwas zu tun und wir hatten davon keine Ahnung. Ich wusste, dass die Hermunduren vor etwa fünfzig Jahren den Chatten die Salzquellen an der Visurgis abgenommen hatten. Es sah danach aus, als ob die Chatten jetzt dabei waren, sich die Salzquellen wieder zurückzuholen.


    "Alwina, das tut mir sehr leid für dich, dass du die Deinen verloren hast. Ich wusste das nicht und es tut mir doppelt leid, dass ich mit meiner Fragerei da hineingestolpert bin". Sie hatte schnell das Thema gewechselt, so schnell, dass man den Stich in ihr Herz förmlich sehen konnte. Ich ging darauf ein.


    "Was machen Beamte? Der Volksmund antwortet darauf: Nichts. Was mich angeht, ich arbeite beim Statthalter als Princeps Praetorii. Der Statthalter regiert die Provinz und der Princeps Praetorii ist so etwas wie sein Handlanger. Ich muss dafür sorgen, dass die Verwaltung funktioniert, ich berate den Statthalter und ich muss die Informationen zusammentragen, die er für seine Entscheidungen benötigt. Das ist auch einer der Gründe, warum ich den Leuten manchmal Löcher in den Bauch frage."

  • Das war dem ähnlich, was ihr Vater mit den freien Männern der Sippe getan hatte. Beratschlagen, Aufgaben verteilen, Neuigkeiten austauschen. Erschrocken sah sie auf ihren Bauch. " Noch keins zu sehen." sagte sie lachend zu Valgiso. Löcher in den Bauch fragen, das konnte sie auch. Sie verdrängte die traurigen Gedanken von vorhin. Sich hier zu unterhalten tat gut. Es half über vieles hinweg, half vergessen. "Und sag, dafür bekommst du Geld?" fragte sie weiter. " Ich habe vor meine selbstgewebten Stoffe zu verkaufen. Eine Arbeit zu finden ist schwer. Naja, in den Tavernen habe ich nicht nachgefragt. Zur Zeit wohne ich bei Mathayus Magonidas. Er hat mir den Laden und die Unterkunft auf dem Dach überlassen, bis er einen neuen Barbier gefunden hat." Die kleine Hütte im Wald verschwieg sie Valgiso.

  • Zitat

    Alwina: "Eine Arbeit zu finden ist schwer. ... Zur Zeit wohne ich bei Mathayus Magonidas. Er hat mir den Laden und die Unterkunft auf dem Dach überlassen, bis er einen neuen Barbier gefunden hat."


    Erschrocken fuhr ich mir über den Schnäuzer. Der Barbier war weg! "Was sagst du da? Hat der Barbier bei euch zugemacht? Weißt du, der, der mir so ähnlich sieht? Das war verdammt noch mal der einzige Barbier in Mogontiacum, den ich an meinen Schnäuzer gelassen habe. Ein wahrer Künstler. Da hat man endlich mal einen gefunden, der wirklich was von seinem Handwerk versteht und schon ist der wieder über alle Berge".


    Etwas irritiert blickte ich auf zu meiner Norne. Sie gab mir lächelnd zu verstehen, dass dies nun wirklich kein Ünglück sei. Ich würde halt wieder selber zur Schere greifen müssen. Da fiel mein Blick auf den Stand von Freya Mercurioque, wo mein Honig verkauft wurde. 'Honig von dicken germanischen Bienen' stand auf der Wand über dem Tresen und Boduognatos versuchte gerade, die Ware lauthals an den Mann zu bringen. Ich überlegte kurz: "Sag mal, Alwina, verstehst du was von Honigbienen?"

  • "Da war was mit seiner Familie...So genau weiß ich das nicht." Mathayus hatte so was erwähnt. Alwina hatte dem keine Bedeutung beigemessen und nicht so genau zugehört. Mit schräg gelegtem Kopf sah sie Valgiso's Schnäuzer an. " Der wächst von alleine und ich habe eine scharfe Schere ergattert. Die war nicht teuer. Die zwei Schnitte bekomme ich hin." sie schmunzelte. Freilich wusste sie, dass Valgiso niemanden an den Schnäuzer ließ. Das hatte er eben deutlich gemacht.
    " Bienen?" wie kam er denn...Sie hörte den Händler. Honig kam von den Bienen.
    Jedes Kind wusste spätestens nach dem ersten Honigraub, was es mit den Bienen auf sich hatte. "Wir haben im Frühjahr ihre Nester gesucht. Nach der ersten großen Blüte geerntet, später im Sommer einmal und im Herbst." Alwina hatte sich mit den Waben verflüchtig, so bald die Bienen vermehrt anstalten machten, sich gegen die Räuber zu wehren. "So eine volle Honigwabe...Für den Met haben wir nur Honig aus gedeckelten Waben genommen. Den Met gab es nur an Festtagen." ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie daran dachte." Man muss die Bienen beobachten um den richtigen Zeitpunkt für die Ernte zu erwischen." sagte sie beiläufig. Der Dank an Frey war selbstverständlich. Er bekam den ersten Schluck des neu angesetzen Met's.

  • Zitat

    Alwina: "Wir haben im Frühjahr ihre Nester gesucht. Nach der ersten großen Blüte geerntet, später im Sommer einmal und im Herbst."


    Sie schien nur das Ernten von Wildbienenhonig zu kennen. Das war schon eine Sache, die Spaß machte, wenn man sich wie der Bär über so ein Nest hermachen konnte, wann es einem gerade gefällt. Natürlich wusste ich auch, dass es Leute gab, die das machten, um ihren Lebensunterhalt aufzubessern. Aber bei uns zuhause und in vielen Teilen Germaniens kannte man auch die Bienenhaltung in hölzernen Bienenhäusern.


    "Ich habe seit längerem eine Imkerei draußen in der Nähe vom Vicus Novus nicht weit vom Rhenus. Wir halten die Bienen in ausgehöhlten Stücken von Baumstämmen. Die Dinger nennt man Klotzbeuten. Die stehen zum Teil das ganze Jahr auf dem Gelände, zum Teil fahren wir sie auch dorthin, wo es viele Blüten gibt. Man kann so verschiedene Sorten von Honig machen, der dann auch seine Käufer findet. Bisher hat mein Sklave Boduognatos die Arbeit erledigt. Der Bodugnatos hat aber einen großen Nachteil: er ist auch ein ausgezeichneter Koch".


    Ich setzte ein kleines schlitzohriges Grinsen auf: "Du weißt ja, meine gallischen Gäste waren ganz hin von seinem Essen. Solange ich in der kleinen gemieteten Kammer über der Schusterei von Sufa gewohnt habe, musste ich in den Kneipen essen gehen, weil es in der Kammer keine Kochstelle gab. Jetzt, wo ich ein Haus habe, gibt es auch eine Küche und die braucht einen Koch. Der Boduognatos liebt aber seine Bienen und will seine Finger nicht davon lassen. Für ihn ist jedesmal ein rechter Ringkampf zwischen Imkerei und Küche. Deswegen wollte ich dich fragen, ob du ihm vielleicht in der Imkerei zur Hand gehen könntest. Natürlich gegen einen guten Lohn, versteht sich".

  • Bienen hüten, in hohlen Baumstumpen. Alwina hörte Valgiso aufmerksam zu. Die Völker mussten nicht mehr gesucht werden. Sie wurden sogar zu den Blüten gebracht. " Das ist viel einfacher, als den freien Völkern zu folgen und sie jedes Jahr neu zu suchen, wenn sie ihren Platz wechseln." Das machten nicht alle Völker. Die neuen Königinnen nahmen einen Teil des alten Staates mit und bauten ein neues Volk auf. Das hieß mehr Honig für das kommende Jahr oder Ersatz für ein totes Volk, aber es war zeitaufwendig. " Bei den Bienen helfen.....Ja. Warum nicht. Werde ich pro Stich bezahlt?" fragte sie lachend. " Wir werden uns einig mit dem Lohn und ich helfe gerne damit du deinen gallischen Gäste weiter gutes Essen vorsetzen kannst."

  • Zitat

    Alwina: "Ja. Warum nicht. Werde ich pro Stich bezahlt?" ... " Wir werden uns einig mit dem Lohn und ich helfe gerne damit du deinen gallischen Gäste weiter gutes Essen vorsetzen kannst."


    Ein As pro Stich? Das wäre wohl die spinnertste Lohnabmachung im ganzen Imperium. Jeder Zeidler würde sich biegen vor Lachen. Falls er Humor hätte.


    Mir das Lachen verbeißend sagte ich, "Nein, Alwina, da bräuchtest du dich bei den Klotzbeuten nur möglichst dumm anstellen und dann zu mir kommen und die Hand aufhalten. Das könnte man allenfalls als Schmerzensgeld betrachten. Aber, wie ich dich kenne, wird dir die Dummheit mehr wehtun als die Bienstiche. Nein, das machen wir nicht. Ich würde dir einen festen Lohn zahlen, obwohl es eigentlich eine Taglöhnerarbeit ist. Das heißt, es gibt nicht ständig etwas zu tun, vor allem nicht jetzt im Winter. Und Boduognatos wird weinen, wenn du ihm die ganze Arbeit abnimmst".


    Mir fiel noch ein, dass sie, wie alle Peregrini sicher händeringend auf der Suche nach Arbeit war und vermutlich schon irgendwo angeklopft hatte. "Vielleicht hast du ja schon eine andere Arbeit in Aussicht. Wir können das aber so einrichten, dass es sich nicht gegenseitig beißt. Je nach dem, wieviel Zeit du hast, können wir deine Arbeit in der Imkerei anpassen".


    Die gallischen Gäste? "Meine gallischen Gäste sind inzwischen wieder nach Hause gefahren. Mit vollen Bäuchen. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass ich noch da bin. Ich esse auch gern. Und wenn du bei mir angestellt bist, dann kannst du selber gucken, ob der Boduognatos ordentlich kocht".

  • Das war das, was sie suchte. An den Tagen, an denen die Bienen ohne sie auskamen, konnte sie sich anderem widmen. „ Wer lässt sich außer den Alten freiwillig von Bienen stechen? Nicht wenn es nicht sein muss.“ Sie schüttelte den Kopf. Die Vorstellung daran, sich freiwillig in ein Bienennest zu setzen, ließ Alwina die Haare zu Berge stehen. Sie scheuchte diese Vorstellung aus ihren Gedanken. Das die zwei Arbeiten, mit denen sie eventuell Geld verdiente, zeitlich gut passten, war ein viel schönerer Gedanke. „ Die Bienen und das Weben vertragen sich sehr gut miteinander, Valgiso. Das eine mehr im Sommer , das andere mehr im Winter. Mathayus hat seinen Patron gefragt, ob ich ihm meine Stoffe zeigen darf. Was heraus kommt werde ich sehen.“
    Das die gallischen Gäste abgereist waren, war Schade. Aber man sollte die Gastfreundschaft nicht unnötig ausnutzen. Es war schön wenn Gäste kamen und schön wenn sie wieder gingen.

    Valgiso aß wirklich gerne gut, man sah es ihm an. Kein Hungerhaken, er war kräftig und gut gelaunt. Das war ohne Zweifel Boduognatos Verdienst. Da kam Freude auf, bei dem Gedanken mit Essen zu dürfen. „ Das werde ich ganz bestimmt. Ich gucke gerne in Töpfe.“ Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. " Mit dem Lohn...Was hälst du davon, mir das Geld nach angefallener Arbeit zu zahlen? Ich möchte auch nicht nur Münzen. Kann ich einen Teil davon in Honig und Wachs bekommen?"

  • Zitat

    Alwina: " Mit dem Lohn...Was hälst du davon, mir das Geld nach angefallener Arbeit zu zahlen? Ich möchte auch nicht nur Münzen. Kann ich einen Teil davon in Honig und Wachs bekommen?"


    Ich hob die Schultern. "Über die Entlohnung habe ich mir noch nicht viele Gedanken gemacht, abgesehn von dem, was ich eben dazu gesagt habe. Ich bin ja gerade erst beim Löffeln auf diese Idee gekommen. Am besten reden wir beide mal mit Boduognatos darüber. Er weiß auch, wieviel Arbeit wann anfällt und du solltest dir auch mal die Imkerei ansehen, damit du einen Begriff davon bekommst. Komm einfach mal in den nächsten Tagen bei uns vorbei. Ich werde Panphilos Bescheid sagen, damit er dich reinlässt. Er ist die Freundlichkeit selbst, kann aber unglaublich abweisend sein, wenn er jemanden nicht kennt. Also, wenn ich in einer abgerissenen Tunika und ohne Schnäuzer an meiner Haustür auftauchen würde, ließe er mich ums Verrecken nicht in mein Haus".


    Ich stellte meinen inzwischen leergegessenen Kump auf den Tresen der Garküche zurück. "Jetzt muss ich aber weiter, obwohl so ein kleiner Klaaf manchmal auch ganz ergiebig sein kann. Vale, Alwina".

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