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    Spurius Cluvius Sulca



    Auf die Folter spannen. Der Magistrat hatte Humor. Wohl nur unbewusst zwar, aber immerhin. Sulca honorierte die zufällige Doppeldeutigkeit des Ausspruchs mit einem amüsierten Zähnefletschen. Heutzutage wurde im Carcer der CU bedauerlich wenig Gebrauch von der Folter gemacht. Es wurde geprügelt, das schon. Manchmal fand auch ein Wasserfass Anwendung oder glühende Gegenstände aus Metall, aber gefoltert wurde seit Ende des Bürgerkrieges nur noch sehr selten. Zumindest hier bei den Urbanern. Auf der anderen Seite der Principalis bei den Praetorianern sah das vermutlich ganz anders aus.


    Nach wenigen Schritten hatten sie das Officium erreicht. Sulca baute sich zackig vor dem Optio auf und salutierte.
    Optio Iunius Avianus! Miles Cluvius meldet Magistrat Tiberius Lepidius nebst Scriba!“

  • Er hasste den Carcer. Ganz offiziell. Nicht weil es stickig und dunkel war, dass war es auch in vielen anderen Ecken Roms. Nicht wegen der mehr oder weniger zwielichtigen Gestalten, die in den Zellen kauerten. Von denen gab es in den Gassen der Subura noch sehr viel mehr. Sondern eher wegen der unangenehmen Erinnerungen, die Avianus mit den finsteren Fluren verband, und die waren auf jeden Fall genug, um ihm die Schicht zu vermiesen. Aber da musste er wohl durch, vor allem als Sulca mit dem Magistrat und dessen Scriba antanzte. Cluvius Sulca, der der immer sauber salutierte und schön seine Arbeit machte... solange ein Vorgesetzter hinsah. So wie jetzt. Den Auftritt des Miles beantwortete er mit einem kurzen Nicken. Und Tiberius Lepidus... na sowas. Der Bruder seiner liebreizenden Brieffreundin. Zumindest Höflichkeit und Anstand gegenüber dem Senator würde er zeigen müssen, selbst wenn ihm die Arbeit selbst im Carcer herzlich wenig Spaß bereitete.
    "Salve, Magistrat Tiberius", grüßte er schlicht. "Gibt es noch etwas wichtiges zu besprechen, bevor ich dich und deinen Begleiter zu den Zellen führe?"

  • Unmerklich schien er sich in den Rängen der Cohortes hinaufzuarbeiten. Brachte ihn ein Tiro zum Cacer, wo er von einem Miles empfangen wurde, so stand er nun vor einem Optio. Hier würde wohl aber erst einmal Schluss sein, ohnehin hatte der Tiberier erst einmal genug davon durch die Gegend gereicht zu werden. Nun konnte es vielleicht auch endlich mit der Arbeit losgehen. "Salve, Optio Iunius Avianus", sprach er wie er den Namen vom Miles gehört hatte. "Ich denke, alles Wesentliche können wir nebenbei besprechen. Es wäre nur hilfreich, wenn du eine Liste mit den Namen der Gefangenen und ihrer vom Gericht angesetzten Strafe mitführen würdest, damit ich mich während der Inspektion über die Inhaftierten jederzeit informieren kann"

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    Mit der Abschrift jener bedeutsamen Liste unterm Arm setzte sich Sulca verstohlen grinsend in Bewegung. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er dem Scriba einfach diese Tabula in die Hand gedrückt und damit Schluss der Veranstaltung. Der Sinn dahinter, die Gefangenen einzeln in Augenschein zu nehmen, erschloss sich ihm nicht recht. Nach ein paar Tagen im Carcer sahen die ohnehin alle mehr oder minder gleich aus, zudem änderte sich die Belegung ständig, Dauergäste pflegten die CU hier nicht zu beherbergen. Aber gut, ihn ging das nichts an, er war lediglich als Türöffner – und bei Bedarf – Vorleser gefragt, zum Prozedere selbst hatte er sich nicht zu äußern.


    Pflichteifrig marschierte er aus dem Officium auf den Flur hinaus an den Verhörkammern vorbei auf die wuchtige Tür zum Treppenabgang zu. Dort nahm er eine der bereit stehenden Lucernae an sich, winkte der kleinen Prozession auffordernd zu und zog schließlich den schweren Riegel zurück. Immer hinunter in die guten Stuben.

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    Nachdem er Magistrat, Optio und Scriba hatte passieren lassen, stiefelte Sulca ihnen eilig hinterher, um sich auf dem letzten ebenen Teil des Flurs wieder an ihre Spitze zu setzen und die Gruppe treppab zu führen.


    Ein halbes Dutzend breiter Stufen führte die Männer auf die erste Ebene hinab, wo die Luft zwar kühler aber noch nicht merklich schlechter wurde. An beiden Seiten des Ganges war jeweils ein großer Raum mit mannshohen Gitterstäben begrenzt. Die mäßig belegten Zellen wurden spärlich durch vergitterte Oberlichter erhellt. Auf dem Flur stand ein großes Kohlebecken, dem sich ein paar Hände durch die Gitterstäbe entgegen reckten. Hier hätte Sulca seine Lucarna nicht unbedingt gebraucht, aber sie befanden sich ja auch erst am Anfang ihrer kleinen Exkursion. „Cellae I und II.“ erklärte er sachlich und hielt die Öllampe an die Stäbe. „Unsere Gemeinschaftsräume für Kurzzeitgäste deren Geldbußen noch festzulegen sind. Randalierer, Saufbolde, Betrüger, Straßendiebe und dergleichen Grobzeug. Ausgelegt bis zu jeweils zehn Mann.“ Wenn’s sein musste, ließ sich aber auch das Dreifache hier reinstopfen, alles eine Frage des guten Willens.

  • "So, so" kommentierte der Tiberier, während er mit den Männern zu den ersten Zellen marschierte, nicht gerade der schönste Flecken Erde für einen Senator. Mit Mühe musste er sich dazu bringen, hier überhaupt irgendetwas zu begutachten. "Ich nehme an, wir arbeiten uns von den Zellen mit Inaftierten für kleinere Delikte zu den Inhaftierten mit schwerer Delikten hoch?" Das würde natürlich bedeuten, dass er zu den interessanteren Fällen erst sehr spät kommen würde. Und weshalb war er denn auch Magistrat, wenn er nicht ohnehin alles nach seinem Belieben machen konnte. "Ich werde mir die Zellen mit den weniger bedeutsamen Gefangenen nur kurz ansehen" quasi im Vorbeigehen "solange mir hier keine größeren Probleme ins Auge springen, ist mir das alles recht." Nur als kleine Anmerkung für die Tour.

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    Probleme? Was denn für Probleme? dachte Sulca amüsiert, nickte aber nur kurz und ging zwischen den Gemeinschaftszellen hindurch auf die nächste Tür zu. Probleme machte das Pack bevor es hier eintraf, dann nicht mehr.


    Die nun schon deutlich steilere Treppe beschrieb einen engen Bogen um den gemauerten Zisternenschacht zurück in südlicher Richtung unter die Fundamente des Carcertraktes. Nach gut zwanzig heimtückisch feuchten Stufen gelangten die Ausflügler in einen vollgestellten Vorraum, in den zwei schmale dunkle Gänge mündeten. Neben einer Öffnung zur Zisterne waren hölzerne Eimer und Bottiche aufgereiht, daneben befand sich ein mit Stroh gefüllter Verschlag und ein kleiner Tisch, auf dem Kandelaber und Fackeln bereit standen. Die Wände wurden hier nicht mehr von Mauern gebildet, sondern bestanden aus grob behauenem Fels und mit Holzdielen verschaltem Erdreich. Ein schwerer Geruch von feuchtem Stroh, nassem Stein und Ruß hing in der kalten Luft.


    „Wir befinden uns hier auf der zweiten Ebene.“ dozierte Sulca, während er einen der Kandelaber an seiner Lucarna entzündete. „Die Öffnung zur Cisterna dient neben der Wasserversorgung vor allem als Luftschacht. Sauberes Stroh wird so etwa alle zwanzig bis dreissig Tage in den Zellen verteilt. Die beiden Gänge dort .. “ Fröstelnd ging Sulca zu den schwarz klaffenden Durchbrüchen hinüber. „.. führen zu den Cellae III bis X beziehungsweise XI bis XVIII. Ausgelegt für jeweils ein bis zwei Insassen. Zur Zeit knapp zur Hälfte belegt.“

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    Mit fragender Miene blickte Sulca Optio und Magistrat an. Dem Scriba schenkte er dabei keine weitere Beachtung, der hatte hier sowieso nichts zu melden. Weder Iunius noch Tiberius schienen irgendwelche Fragen zu haben. Beim Magistrat wunderte ihn das nicht, der hatte wohl wenig Interesse an Wasser und Stroh. Dass Avianus ihn machen ließ, erstaunte ihn dagegen schon ein wenig. Sulca war völlig klar, dass der Optio ihn ebensowenig ausstehen konnte wie umgekehrt. Also sollte das hier wohl sowas wie ein Test sein. Konnte der Jungspund haben. Für ihn machte Sulca das alles ohnehin nicht.


    „Gut, gehn’ wir weiter.“ Nachdem die drei zu ihm aufgeschlossen hatten, trat Sulca mit erhobener Lucarna in den ersten der beiden Gänge hinein. „Wir haben im Moment nur jede zweite Cella besetzt. So werden unsere Gäste nicht von lärmenden Zimmernachbarn bei ihrer inneren Einkehr gestört.“ Der Klang seiner Stimme wurde dumpfer, die Luft merklich stickiger je weiter sie sich vom Vorraum entfernten. Der scharfe Duft von menschlichen Ausdünstungen und Ausscheidungen waberte durch den engen Gang, an dessen glänzenden Wänden die Schatten der Männer grotesk verzerrt entlang tanzten. Im zitternden Lichtkegel von Sulcas’ Lucerna kam der Eingang zur ersten Zelle in Sicht. Keine hohen Gitterstäbe wie in den Gemeinschaftszellen, sondern eine massive mit Eisenbleich beschlagene Holztür mit einer vergitterten Öffnung in Augenhöhe. „Gleich hier vorn residiert ein Kamerad von der Legion.“ Schniefend ging Sulca auf die Tür zu, hielt dort an und hob die Tabula in den Lichtschein. „Cella III. Captivus Appuleius Balbus. Deserteur der Legio Prima Traiana. Harrt seiner Rückführung nach Mantua.“

  • 'Zur Zeit knapp zur Hälfte belegt', hörte der Tiberier und fragte sich, wie viel Betrieb überhaupt normal war. "Sind es derzeit ruhigere Zeiten oder würdest du sagen, dass die Zellen zur jetzigen Zeit schon recht gut belegt sind?" Er kannte ja nicht den Alltag der Stadtwachen und wie viele sie so über die Zeit einkerkern mussten. Aber interessiert hätte es ihn schon, ob in Rom derzeit überdurchschnittlich viel Kriminalität oder eher weniger zu verzeichnen hatte. Als Jemand, der in seiner ruhigen Villa auf dem Esquilin lebte, konnte er sich kaum eine Vorstellung machen. Das einzige, was er wusste, war das Allgemeinste der Welt: Rom war so oder so ein gefährliches Pflaster.


    Seine Aufmerksamkeit wurde sogleich auf einen Legionär gelenkt, der hier eingekerkert war. Offensichtlich war er wohl nach seiner Desertation nach Rom gekommen und wurde hier aufgeknöpft. Anders hätte sich Lepidus wohl nicht erklären können, warum gerade dieser Mann im Cacer der CU hockte. "Wann soll er denn zurückgeführt werden? Ich hoffe, es geschieht so schnell wie möglich" und dann wandte er seinen Blick direkt auf den Gefangenen "Seine Offiziere sollen nicht allzu lange warten müssen, ihn einer gerechten Bestrafung zuzuführen" Denn laut Codex Miliaris hatten nur sie dieses Recht.

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    Sulca wischte sich mit dem Ärmel über die tropfende Nase. Der Magistrat war also durchaus interessiert an Einzelheiten und hatte nicht vor, sich einfach nur passiv und mit wohligem Schaudern durch die kalten Gänge führen zu lassen. Das machte die Sache schon abwechslungsreicher, hier nur den monoton daher schwafelnden Reiseführer zu geben, hatte bereits begonnen, Sulca zu langweilen.


    „Naja, Magistrat .. die momentanen Belegzahlen täuschen ein wenig über die wirkliche Situation hinweg. Die durchschnittliche Verweildauer eines Captivus beträgt bei uns zehn bis fünfzehn Tage. Auf einen längeren Zeitraum gerechnet, geht hier so einiges durch die Zellen. Kommt immer auf drauf an, wie schnell vollstreckt wird. Hinten haben wir beispielsweise zwei zur Zwangsarbeit Verurteilte. Die sitzen hier länger als der Durchschnitt, weil um diese Jahreszeit sowohl Straßenbau als auch Schiffsverkehr nahezu zum Erliegen kommen. Andere Captivi dagegen werden zur Vollstreckung rausgezerrt, kaum dass sie ihre Strohzuteilung dreckig gemacht haben.“ Sulca studierte kurz die Tabula. „Dann haben wir noch Verurteilte wie diesen alten Sektierer im anderen Flügel, dessen Hinrichtung für einen ganz bestimmten Festtag vorgesehen ist. Aber alles in allem ist die Belegung zur Hälfte für Friedenszeiten normal.“ Die Frage des Magistrats hinsichtlich der Rückführung des Deserteurs konnte Sulca dagegen nicht exakt beantworten. Auf der Tabula stand nichts darüber. „Ein genauer Termin ist hier nicht genannt, was üblicherweise bedeutet, so schnell wie möglich.“

  • Avianus war den drei anderen Männern gefolgt, hatte zwar aufmerksam zugehört, ansonsten aber nicht sonderlich begeistert vor sich hin geschwiegen. Der Cluvius machte seine Arbeit in Gegenwart seines Optios und des Magistrats wie gewohnt gut. Bisher hatte er also keinen zwingenden Grund gesehen, sich bemerkbar zu machen, wenn es nicht eine Stellungnahme zu den Zuständen direkt von ihm gefordert wurde. Allerdings, so bekam er langsam das Gefühl, hätte er auch gleich im Officium bleiben können, wenn er nur vor hatte missmutig hinterher zu trotten, mal ganz abgesehen davon, dass er sich langsam etwas blöd vorkam.
    "Viele werden auch einfach wegen vergleichsweise kleiner Verbrechen festgenommen... Diebstahl, Betrug ... dass wir solche Leute - natürlich je nach Ausmaß ihres Vergehens - nicht über Monate hinweg einsperren, dürfte verständlich sein. Luxus wird hier zwar keiner geboten, aber verpflegt werden müssen die Gefangenen dennoch", machte er sich schließluch bemerkbar und warf selbst einen Blick in eine der Zellen. Länger als nötig wurde hier für gewöhnlich niemand festgesetzt, und die richtig üblen Fälle erwartete ohnehin nicht selten gleich der Strick, wie Sulca bereits erklärt hatte.
    "Brot, Wasser und Stroh", kommentierte er den Anblick der sich ihm in der Zelle bot. Man wollte ja nicht, dass irgendwer vom Fleisch fiel. Aber eine Sau zu schlachten wäre absoluter Irrsinn, und die wäre ihm für einige der Inhaftierten ohnehin zu schade.

  • "Verstehe, ihr müsst euch also wohl noch nicht sorgen so schnell arbeitslos zu werden", kommentierte der Tiberier nach den Ausführungen des Soldaten zu der hohen Fluktuation hier im Kerker. Dann sprach auch der Optio das erste Mal ein paar Worte auf der Tour. Er machte es nach Lepidus Ansicht genau richtig. Wenn man Untergebene hatte, warum sollte man nicht die für sich schuften lassen. Er selbst hätte jedenfalls keine Hemmungen. "Naja, hoffentlich werden sie hier nicht allzu gut bewirtet - unter uns gesagt: Mir ziemlich egal, ob die genug Brot und Wasser bekommen" Das waren sicher nicht die Mängel, auf die er hinweisen würde, ohnehin glaubte er nicht viele davon in einem gewöhnlichen Cacer zu finden. "Nun aber mal zu den wirklich wichtigen Sachen: Wie ihr vielleicht wisst, fällt es in meinen Aufgabenbereich als Tresvir die Hinrichtungen zu organisieren. Als nächstes könnt ihr mir also die zum Tode verurteilten zeigen. Mein Scriba hier wird sich die Namen und die vom Gericht angeordnete Todesart notieren"

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    Spurius Cluvius Sulca



    Soso, die Todeskandidaten. Der Magistrat war also ein Genießer. Sulca gönnte sich ein kaum merkliches Grinsen. „Dann schauen wir doch mal, was wir da noch so haben.“ Mit zusammengekniffenen Augen überflog er die Tabula. Damnatio ad metallum, Straßenbau, nochmal Straßenbau. Aha. Die wirklich interessanten Fälle waren erst im unteren Drittel vermerkt. Nach einem prüfenden Blick auf Avianus begann er die Daten herunterzubeten.


    „Also, da hätten wir: Captivus Mazares von Rhizon. Mehrfacher Raubmord. Damnatio ad bestias. Vollstreckung an den Paternalien. Captivi Lyssandra und Plancina. Giftmord. Damnatio ad bestias. Vollstreckung an den Paternalien. Captivus Tudicius Ravilla. Tötung zweier Vigiles. Tod durch das Schwert. Vollstreckung ebenfalls an den Paternalien. Captivus Avienus Votienus. Mord an seinem Schwager. Tod durch das Schwert. Paternalien.“ Hier legte Sulca eine kurze Pause ein, um dem Scriba Zeit für Notizen zu lassen. Nicht, dass es ihn auch nur im geringsten interessiert hätte, ob der Schreiberling bei seinem Gekritzel in’s Schwitzen kam, er hatte schlicht keine Lust, sich wiederholen zu müssen. Auf das Nicken des Scriba hin fuhr er schließlich fort.


    „Dann bleiben nur noch Captivus Aram von Herodeion. Mordversuch. Illegaler Waffenbesitz. Subversive Umtriebe. Damnatio ad flammas. Vollstreckung an den Equirria. Und unser alter Sektierer. Captivus Evaristus von Bethlehem. Öffentliche Schmähung des Princeps und Verbreitung aufrührerischen Gedankengutes. Damnatio ad flammas. Vollstreckung ebenfalls an den Equirria.“ Beim Orcus, das versprachen ein paar kurzweilige Festtage zu werden. „Die ersten vier sitzen drüben im zweiten Flügel. Das Brennmaterial ist auf der dritten Ebene eingelagert.“

  • Lepidus zog eine Augenbraue hoch, das schien ihm doch alles etwas konfus. "Steht auf euren Listen tatsächlich 'Paternalien'? Was soll denn das sein? Vielleicht sollt das 'Parentalia' heißen?" Das waren zumindest die einzigen Festtage, welche sich aufgrund der Namensähnlichkeit und ihrem baldigen Auftreten erschließen lassen konnten. "Aber selbst wenn es das heißt, glaube ich kaum, dass wir Hinrichtungen an den Festtagen zu Ehren unserer verstorbenen Vorfahren durchführen werden" Wie die Hinrichtung an Festtagen ohnehin ein problematisches Thema war, aber an den Parentalia sicher noch einmal ganz besonders unschicklich. Spiele und Feste, bei denen Hinrichtungen stattfanden und die Bestrafung ad bestias durchgeführt werden konnte, gab es ja auch nicht nur an Feiertagen. "Das Gericht legt normalerweise auch nicht den Zeitpunkt der Exekution fest, das obliegt immer noch den Magistraten und da einige Nicht-Bürger unter den aufgezählten sind, über welche die Tresviri allein die Aufsicht haben, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass dies von einem höheren Magistrat angeordnet wurde. Das muss alles noch einmal überprüft werden!" Hier fand der Tresvir dann wohl doch noch einen Mangel, der wohl offenbar in der nachlässigen Führung der Gefangenenlisten lag und nicht etwa in der Ausstattung der Cacer, die dem Tiberier auch herzlich egal waren.

  • Avianus warf erst einen skeptischen Blick zu Sulca und dann selbst einen weiteren flüchtigen auf die Liste. Vermutlich hatte der Miles nur nicht richtig auf die Liste gesehen... oder sich einfach verlesen. Gelegentliche Faulheit war mit Sicherheit nicht die einzige Schwäche des Cluviers.
    Parentalia … na sowas. Das beste an der Sache war natürlich, dass er als einer der Männer, die dafür zuständig waren, dass hier alles reibungslos ablief, keinen blassen Schimmer hatte, weshalb da auf der Liste die Parentalia eingetragen waren. Vermutlich war einer von Sulcas Sorte - oder eher noch schlimmer - dafür zuständig gewesen. Dann würde es ihn nicht mal wundern, wenn er beim nächsten Gefangenen die Saturnalien als Hinrichtungszeitpunkt las. Hin und wieder konnten die Cohortes schon ein Saftladen sein. Wahrscheinlich hatte sich ein kleiner Miles oder ein Scriba Arbeit sparen wollen, und nach eigenem Gutdünken einfach irgendwas eingetragen. Besonders schlau hatte sich derjenige dabei anscheinend nicht angestellt.
    "Natürlich, Magistrat", stimmte er gezwungenermaßen zu, "Wir werden die Liste noch einmal nachprüfen und den Verantwortlichen für diese Fehler finden."

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    „Tja, Schlamperei und Schlendrian allenthalben.“ säuselte Sulca mit dem unwiderstehlichen Lächeln gespielten Interesses, ignorierte geflissentlich den Seitenblick des Optios und drückte dem Scriba die Tabula in die Hand. Ob das, was dort vermerkt war, so stimmte oder nicht, war ihm unterm Strich scheißegal. Schon im Officium hatte er so seine Ahnungen gehabt, aber einen Versuch war es wert gewesen. Wenn schon seine Vorgesetzten ihm bislang eher mit Ignoranz begegnet waren, so hätte vielleicht die lobende Erwähnung eines Magistrats etwas in’s Rollen bringen können. Aber aller Eifer hatte mal wieder zu nichts geführt.


    Wie auch immer, der Scriba hatte jetzt eine Abschrift des Originals anstatt einer Mitschrift der Abschrift des Originals, ein Umstand, der den blassen Schreiberling sicher in Ekstase versetzte, und Sulca konnte nun – endlich von dieser Last befreit – den Spaziergang in vollen Zügen genießen. Nachdem er sich die Nase in den Mantel geschneuzt und Avianus’ Replik gelauscht hatte, hob er die Lucerna und bedachte Optio und Magistrat mit einem fragenden Blick. „Ist eine nähere Besichtigung der Delinquenten erwünscht? In dem Fall müssten wir uns in den zweiten Gang begeben.“

  • "Naja, das passiert in den besten Einheiten", gab der Tiberier beschwichtigend von sich und die beiden Männer vor ihm konnten wohl anscheinend nicht viel dafür, also war da auch kein Grund noch groß in der Wunde zu stochern. "Ja, sehen wir uns diese Burschen noch einmal gut an. Wer weiß, wenn einer von denen etwas dicker ist, brauchen wir vielleicht mehr Feuerholz". Der Magistrat lächelte und offenbarte und folgte den Soldaten in den zweiten Gang.

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    „Sehr wohl, Magistrat. Immer mir nach.“ Mit zunehmend tropfender Nase führte Sulca die kleine Gruppe wieder in den Vorraum zurück und von dort in den nächsten Gang. Am Ende des Ganges, der in einen weiteren dunklen Vorraum mündete, blieb Sulca zwischen zwei massiven Türen stehen und lauschte. Durch das Türgitter der einen Cella drang ein langgezogenes Heulen. „Der Avienus zeigt mal wieder Reue.“ erklärte er dem Magistrat entschuldigend und trat zweimal kräftig mit dem Stiefel gegen die Tür. „RUHE DA DRIN! Wir haben Besuch!“


    Kopfschüttelnd wandte er sich wieder den wartenden Männern zu. „Cellae XVII und XVIII. Hier haben wir die beiden Kandidaten für das Schwert, Avienus Votienus und Tudicius Ravilla. Das Flammenfutter befindet sich dort hinten im Schacht.“ Mit einer ausladenden Bewegung schwenkte Sulca die Lucerna in Richtung des zweiten Vorraumes, der widerwärtigen Gestank ausdünstete. „Die dritte Ebene also .. und damit auch die letzte. Die allerletzte.“ Interessiert beäugte er das ohnehin schon blasse Gesicht des Scriba. Der würde sich wohl demnächst von innen nach außen kehren. „Möchtest du mal einen Blick in den Schacht werfen?“

  • Tiberis war einen Blick in die Cellae, woraus das Gejaule kam, welches unmittelbar verstummte als der Miles sich mit voller Stimme an sie wandte. Lepidus war anschließend selbst einen Blick hinein und sprach. "Nicht traurig sein, bald ist alles vorbei - dann rollen nämlich eure Köpfe" Der Senator machte ein Geräusch, was sich wohl nach dem Schneiden eines Schwertes anhören sollte. Lepidus konnte nicht leugnen, dass ihm das hier alles ziemlichen gefiel. Es gab nichts schöneres als Todgeweihten vorzuhalten, dass sie bald sterben werden. "Na klar, wir gucken mal rein, wenn wir schon hier sind" Hamilkar, dem Scriba von Lepidus, gefiel das ganze natürlich jetzt schon nicht mehr, aber er wurde ja nicht dafür bezahlt, dass er hier rumheulte, also musste er da durch, so wie alle anderen hier auch.

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    Spurius Cluvius Sulca


    Mutige Entscheidung. „So sei es denn.“ nickte Sulca dem Magistrat anerkennend zu, bedachte den bleichen Scriba mit einem süffisanten Grinsen und ging voraus. In der Mitte des ekelhaft stinkenden Vorraums kam eine kreisrund ummauerte Vertiefung in’s Blickfeld, über der eine stabile Holzkonstruktion emporragte. „Einen Moment, wir brauchen mehr Licht.“ Vorsichtig, um nicht über die diversen Gerätschaften zu stolpern, die beiderseits des Schachtes in der Dunkelheit lauerten, tastete Sulca sich durch den Gestank um zwei Wandfackeln zu entzünden.


    Im warmen Licht der züngelnden Flammen sah es hier doch richtig gemütlich aus, fand der Cluvier, ging zum Holzgestell zurück und klinkte den Henkel seiner Lucerna in den Haken einer hochgezogenen Kette. „Das funktioniert wie ein Trispastos.“ erklärte er dabei dem Magistrat. „.Die dicken Ketten, die du da runterhängen siehst, sind mit den Handfesseln der Captivi verschmiedet, an den dünneren werden Eimer mit Essen und Wasser runtergelassen.“


    Als die Lucerna flackernd am Haken baumelte, beugte sich Sulca etwas widerwillig zu den zwei halbkreisförmigen Holzabdeckungen hinunter und zog sie beiseite. „Jetzt wird’s bitter.“ warnte er die Besucher. Mit Entfernen der Holzplatten schien Sulca den Orcus selbst geöffnet zu haben. Der infernalische Brodem von Kot, Schweiß, Blut und Erbrochenem nahm selbst dem hartgesottenen Miles für einen Moment den Atem. „Bitte schön.“ hustete er hervor und deutete in das schwarze stinkende Loch hinunter. „Captivi Aram von Herodeion und Evaristus von Bethlehem. Damnatio ad flammas. Hoffentlich bald.“


    Mit einer Handkurbel ließ Sulca die Lucerna in den Schacht hinab. Dort wurde allmählich das trübe Glänzen zweier Augenpaare in ansonsten erloschenen verdreckten Gesichtern erkennbar. Die dicken Ketten rasselten leicht, ein gutturales Ächzen klang von unten herauf. „Wenn du sie dir genauer ansehen möchtest – wovon ich eher abrate – zieh ich sie hoch. Das geht freilich nur einzeln.“ Fragend blickte er den Magistrat an. Das unterdrückte Würgen des Scribas nahm er eher beiläufig zur Kenntnis.

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