Ein Hain ausserhalb der Stadt

  • Er ritt langsam mit einem der Hengste aus dem Stall Duccia aus der Stadt in Richtung Wald. Er hatte vor einen bestimmten Platz zu finden, etwas, was für das, was er vor hatte, gut geeignet war. Als sie das Stadttor hinter sich gelassen hatten, liess er dem Pferd die Zügel frei und das stürmte förmlich los, froh endlich mal Energien frei lassen zu können.
    Er lenkte das Pferd in Richtung des Waldes, der nicht weit weg war und erst am Rande dessen bremste er den Hengst ab und liess ihn im leichten Trab in den Wald einreiten.

  • Während er auf dem Hengst immer seine Augen nach links und rechts schweifen liess, gingen seine Gedanken in die Vergangenheit zurück. Zum letzten Besuch bei seiner Schwester.
    Bleib doch hier! Was bietet sich denn da draussen noch für Dich ausser Einsamkeit und die ewige, nutzlose Suche?
    "Nein, das kann und will ich nicht. Du weisst, ich liebe Dich und Deine Kinder und ich habe hier lange Zeit eine Heimat gehabt, aber ich kann es einfach nicht."
    Warum bist Du nur so stur?
    "Weil ich glaube, dass sie noch leben. Irgendwer wenigstens."
    Wer sollte schon noch leben? Wenn unsere Eltern leben würden, hätten wir längst was gehört. Und die Anderen? Was interessieren sie uns noch?
    "Ich frage mich, wer von uns beiden stur ist. Die Anderen sind genauso unsere Familie, unsere Sippe."
    Du irrst, Brüderchen, die Anderen sind nichts mehr für uns. Unsere Familie und Sippe ist jetzt hier!
    Traurig hatte er sie angesehen und genickt.
    "Ja, für Dich. Aber für mich ist hier kein Platz."
    Du redest Mist! Natürlich ist für Dich hier Platz.
    Aber er hatte es anders gesehen. Und so war er bald darauf wieder losgezogen. Umhergeirrt, bis er irgendwann dann also in Mogontiacum gelandet war. Und da war Familie. Nicht seine direkte, aber dennoch Familie. Sippe. Und vielleicht, irgendwann, naja, wohl erst einmal nicht. Aber irgendwann.

  • Er hielt das Pferd an und starrte in eines der Gebüsche rechts neben ihm. Was tat er eigentlich hier? Was wollte er genau? Glaubte er noch selber an seine Worte? Oder war es vielmehr ein vielleicht und eventuell?
    Was trieb ihn jetzt noch an? Nun, er hatte noch nicht mit Valentin gesprochen und das würde er, sobald dieser wieder da war unbedingt nachholen. Er hoffte auf Antworten. Aber wären das Antworten, die er überhaupt hören wollte? Wären das Antworten, die er brauchte?
    Sein Blick schweifte umher und blieb plötzlich, weiter vorne, auf der linken Seite an einer Minilichtung hängen. Das sah gut aus! Besser sogar als erwartet.
    Langsam schritt der Hengst dorthin.

  • Langsam liess er sich von dem Hengst herunter, liess dessen Zügel fallen und nahm den kleinen Beutel mit, den er extra hierfür mitgebracht hatte. So betrat er beinahe ehrfürchtig die Lichtung und sah sich um. Da war sogar ein großer Stein, beinahe perfekt platziert. Er war erfreut und zufrieden.
    Ehrfürchtig ging er dorthin und begann mit seinen Vorbereitungen. Er holte aus dem Beutel die kleinen Opfergaben und begann sie entsprechend der Rituale bereit zu legen.
    "Ich weiss, ich bin etwas spät für das Herbstopferfest. Man verliert etwas die Zeit, wenn man nicht mehr stetig in ihr wandelt, aber ich hoffe, Ihr Götter möget mir noch einmal verzeihen. Ich hole es nun nach, damit ich nicht noch mehr Schande über mich und meine Familie bringe."
    Er nahm den Becher Met und das Wildschweinfleisch, nahm den Kornkranz, den er organisiert hatte und begann mit der Anrufung.
    "Heilir æsir, heílar ásynior,
    ok öll ginnheilog go !


    Heill dagr, heilír dags synír!
    Heil nótt ok nípt!
    órei om augom líti okr þinig
    ok gefit bi iondom sigr.


    Heilir æsir, heílar ásynior,
    heil sía in fiolýta fold!
    mál ok manvit gefit okr mærom
    ok læknishendr, me an lifom.


    Heill þú farir, heill þú aptr komír
    heill þú á sinnom sér!"
    Als er dies beendet hatte und alles, sofern für eine Person machbar, den Ritualen entsprechend geschehen war, hob er den restlichen Met an die Lippen und trank einen Schluck. Dann sagte er:
    "Ich schwöre, bei den den Asen und Wanen, bei meiner Sippe und Familie, dass ich nie aufgeben werde und doch die Treue zu meiner Sippe mehr ehren werde."
    Es war ein großer Schwur für ihn, denn er bedeutete, dass er wohl noch eine ganze Weile in Mogontiacum bleiben würde und dieses als seine Heimat ansehen würde, zukünftig. Auch wenn er immer wieder, so es Hinweise gab, die Suche nach seinen Eltern fortführen würde.
    Er tran den Met aus, aß ein wenig und leerte noch einen zweiten Becher.
    Eine Weile blieb er noch vor Ort, dann packte er alles ein, prägte sich den Ort und den Weg gut ein und kehrte zur Casa Duccia zurück.

  • Aus der Taberna kommend waren sie ein ganzes Stück gegangen, ehe sie nun endlich an diesem Ziel ankamen. Er war schon lange nicht mehr hier gewesen. Zu lange! Es war was Besonderes für ihn hier immer gewesen. Aber irgendwie plagte ihn das schlechte Gewissen. Doch er nahm sich vor, wo er es ihr nun zeigte, dass er dies bald ändern würde. Er würde regelmässiger hier her kommen. Regelmässiger wieder seinen wahren Traditionen nachgehen. Und wenn es nur war, um seinen Geschwistern näher zu sein. Aber nein, eigentlich war es auch, um sich selber wieder näher zu sein.
    Er hielt immer noch in der einen Hand den Beutel und in der Anderen die ihrige. Sein Lächeln galt ihr, als er sich ihr zuwandte und er sah sie an, ehe er mit dem anderen Arm ausholte. "Dies, Marcia," sagte er sanft und ehrfürchtig. "Ist eine alte heilige Stätte der Germanen."

  • Fast den ganzen Weg hatten sie geschwiegen, aber trotzdem war es ein angenehmer Spaziergang gewesen. Ihre Hand lag in seiner und sie fragte sich immer noch wo er sie hinführte, aber sie würde sich überraschen lassen und zum Schluß war es wirklich eine Überrschung als sie auf diesem Hain ankamen. Nachdem sie stehen geblieben waren schaute sie ihn an und blickte dann über diese Lichtung. Bildete sie sich das ein, oder konnte sie nun wirklich spüren, dass es ein heiliger Ort hier war? Zwar kannte sie nicht die Götter der Germanen zumindest nicht alles über sie aber es war doch etwas Besonderes hier zu stehen. "Es ist wunderschön hier und man kann es spüren, dass es etwas Besonderes ist." Ganz sachte ließ sie seine Hand los und entfernte sich einige Schritte von ihm, drehte ihm den Rücken zu und fand sich bald in der Mitte des Hains wieder.

  • "Einst, als die Römer hier noch nicht waren, wurde hier alles zelebriert, was das ansässige Dorf an Zeremonien hatte: Opfer, Anbetungen, Schwüre, Urteile. Siehst Du den Stein dort? Er ist ein Opferstein."
    Er ließ sie los und legte den Beutel ab, holte von dem Essen heraus und auch etwas Met, ging dann zu dem "Altar" und legte das Essen hin, übergoss es mit dem Met und sprach laut:
    "Heilir Æsir, heilar Ásynjur, og öll ginnheilög go !


    Den Rabengott ruf´ ich
    und alle Berater,
    Odin und alle
    Asen und Vanen:
    Gewährt und Weisheit
    und heilsames Wirken,
    Rede und Rat
    und richtige Runen,
    Heil allen, die hier sind,
    und Heil ihren Sippen."

  • Marcia beobachtete Valentin und nickte ihm nur zu, als sie den Opferstein anschaute. Als er dann begann eine kleine Zeremonie abzuhalten hörte sie ihm genau zu. Es war interessant ihn so zu sehen und wie er das alles tat, ganz langsam kam sie näher zu ihm und als er fertig war lächelte sie ihn an. "Machst du das öfters? Solche Zeremonien abhalten?" Sie stellte sich dicht neben ihn und berührte leicht seinen Arm während sie auf den Opferstein schaute.

  • Er verharrte noch eine Weile so und sah dann zu Marcia. "Hier schon lange nicht mehr. Aber wir Germanen haben eine etwas Andere Einstellung zu den Göttern und können ihnen überall solche Opferungen geben. Wir sperren sie nicht in Tempel wie die Römer," aber er zwinkerte ihr freundlich dabei zu.
    "Wenn Du an unsere Götter glauen würdest, würde ich Dich bitten eine Zeremonie mit mir gemeinsam abzuhalten. Aber ich nehme nicht an, dass Du Dir das vorstellen kannst, als Römerin, oder?"

  • Es gab viele Dinge über die sie sich niemals wirkliche Gedanken gemacht hatte und dazu gehörte auch, dass die Römer ihre Götter einsperrten, was aber eigentlich nicht wirklich so stimmte. "Wir sperren sie eigentlich nicht ein, sondern wir geben ihnen einen Haus in dem sie leben können und gehen wann sie wollen." Sie deutete auf die Umgebung wo sie standen. "Dies ist natürlich etwas anderes hier." Marcia hielt inne und sah ihn doch etwas überrascht an. "Ich bin etwas Neuem immer aufgeschlossen und ich würde es zusammen mit dir versuchen."

  • Er sah sie überrascht an und lächelte. "Aber Du solltest Dir darüber im Klaren sein, dass Du sie ernst nehmen musst, die Götter. Bist Du Dir diesem? Denn Spott oder Unwillen oder Unglaube führt nur zu Strafe." Er sprach sanft, aber dennoch ernsthaft.

  • Sie legte ihm sachte eine Hand auf den Arm und sah ihn eindringlich an. "Lass es uns versuchen, ich meine es ernst." Marcia lächelte ihn an und behielt ihre Hand auf seinen Arm."Ich würde nie etwas tun um die Götter zu erzürnen, egal ob germanischer oder römischer Gott."

  • Er lächelte. "Dann nimm den Krug mit dem Met bitte," sagte er leise. "Und sprich mir Folgendes nach." Er wiederholte mehrmals: ""Heilir Æsir, heilar Ásynjur, og öll ginnheilög go!"
    Als er sicher war, dass sie es halbwegs hinbekam, sprachen sie beide, während sie Met opferten:
    "Heilir Æsir, heilar Ásynjur, og öll ginnheilög go!"
    Dann fügte er an:
    "Ich rufe den Glanz der Sterne,
    das silberne Licht, was die Blätter durchbricht.
    Die Reinheit der Quellen und die Fruchtbarkeit des Regens.
    Sanfte Lebenskraft - Göttin der tausend Namen:
    Mardöll, Hörn, Gefn und Syr komm !!!
    Ich rufe das Funkeln der Flammen,
    das goldene Licht, was die Blätter durchbricht.
    Die Macht der Blitze und die Kraft der Adlersschwingen.
    Wilde Lebenskraft - Gott der Tausend Namen:
    Ó in, Odinn, Wodan, Wuotan, Atridi komm !!!
    Seid in uns !!! Seid um uns !! Seid bei uns !!!
    Jetzt !!!


    Freya, Göttin des Glücks und der Liebe, wir bitten Dich um Dein Wohlwollen, Deine Güte, Deinen Segen!"
    Während der letzten Worte sah er sie an, ernst und doch irgendwie liebevoll.

  • Marcia nahm den Krug entgegen um genau das zu machen was er zuvor auch schon getan hatte und sie gab sich Mühe seine Worte richtig nachzusprechen, auch wenn sie erst einmal sichtliche Schwierigkeiten dabei hatte. Sie lauschte seinen Worten und hatte auf einmal eine Gänsehaut auf ihren Armen. Es waren schöne Worte, voller Wärme und Bedeutung.
    Bei seinen letzten Worten dann verlor sie sich in seinen Augen und sah einfach nur zu ihm auf, konnte sich nicht von diesem Blick lösen und ihre Finger hielten immer noch den Krug fest, vielleicht etwas fester als eigentlich notwenig. Um sie herum schien alles so still geworden zu sein, sogar die Vögel schienen verstummt und sie waren beide alleine.

  • Er erwiederte ihren Blick. Nach einer ganzen langen Weile des Schweigens, seine Hände hatten ihre wieder gefunden und lagen auf ihnen, sagte er leise: "Wir sind beide gebunden, ich weiss. Und es ist überhaupt verrückt, zumal wir uns kaum kennen, aber das Ganze, es ist irgendwie, als hätte sich der Kreis geschlossen und wir endlich.." Er schwieg, wusste nicht, ob er es aussprechen sollte, dass er das Gefühl hatte endlich seinen Deckel gefunden zu haben. Er hatte es bei Desi gedacht, aber diese Frau hier, das war etwas ganz anderes, noch anderster als bei Desi damals, intensiver, tiefer und so viel unwirklicher, wo sie doch erst seit Kurzem zusammenarbeiteten und überhaupt.

  • Valentin sprach ihr aus dem Herzen und sie hätte nicht gewusst, was sie dem noch anfügen sollte. Ihre Finger schlossen sich um seine Hände und fuhren sanft über seine Haut. Ihr Lächeln war noch viel wärmer als sonst, als sie noch etwas näher an ihn ran trat. "...das gefunden was was wir so vermissten und glaubten verloren zu haben?" vervollständigte sie seinen Satz. Es war verrückt was sie hier taten und doch schien es das Richtige zu sein. "Ich weiß was du meinst Valentin und ich weiß was du fühlst, ich fühle es auch." Ihre Stimme zitterte als sie sprach.

  • Er sah sie lange an und dann beugte er sich leicht nach vorne. Sein Gesicht näherte sich dem ihren. Er überbrückte die Distanz langsam und sie dabei nicht aus den Augen lassend, aber hielt kurz vorher inne, kaum merklich, aber bewusst, wollte nichts überstürzen, wollte ihr die Gelegenheit geben zu wählen.

  • Bei den Göttern was taten sie hier nur. Aber war es nicht vielleicht sogar der Wille der Götter bei dem was hier geschah, schließlich hatten sie sie ja in der Hand und konnten das Schicksal aller lenken. Marcia sah ihm tief in die Augen je näher er ihr kam und meinte gleich nicht mehr atmen zu können. Welch ein magischer Moment es doch zu sein schien und sie wollte es geschehen lassen und schloss ihre Augen, als sie schon die Wärme von ihm spüren konnte.

  • Als sie die Augen schloß, lächelte er sanft und wenig später trafen seine Lippen auf die ihren. Sanft, wie ein zarter Windhauch auf der Haut im Sommer. Wie eine Feder, die sachte dem Boden entgegen sank. Als er den Kuss beendete, zog er seinen Kopf ein Stück zurück, so dass er ihr Gesicht wieder genau betrachten und jedes Detail darin in sich aufnehmen konnte.

  • Als sich ihre Lippen berührten und sie sich beide küssten drückte sie seine Hände ganz leicht. Alle Gedanken hatte sie ausgeschaltet und sie wollte auch gar nicht an irgendetwas denken sondern sich nur diesem Gefühl hingeben welches sie grade spürte und welches wunderschön und erfüllend war. Am liebsten hätte der Kuss niemals enden sollen, der so zart war. Sie sah ihm wieder in die Augen, als er sich etwas von ihr entfernte. Marcia wusste nicht was sie sagen wollte und wieder wurde sie von seinen Augen in einen Bann gezogen. Langsam fürhte sie seine Hände an ihre Seite und kam ihm wieder näher um einfach ihren Kopf an seine Brust zu lehnen.

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