Rundgang durch den Tempelbezirk

Meine Schritte wurden weniger energisch, als wir den Tempelbezirk betraten. All das hier war einmal unter meiner Hand gewesen. Nun gehörte es der Vergangenheit an. Ich ballte unmerklich eine meiner Hände zu einer Faust. Was war das für eine Anstrengung gewesen.

"Da sind wir."

sagte ich nur.

Ich spürte, wie ich langsam ein wenig melancholisch wurde. Die ganze Atmosphäre stimmte mich traurig und bei dem Weihrauchduft musste ich wieder an Maximus Verabschiedung denken. Da kam plötzlich ein Mädchen auf mich zugelaufen, sie mochte 8 Jahre jünger sein als ich.

"Helena!! Helena!"

Ich seufzte. Iulia hatte ich damals auch unter meine Fittiche genommen. Mochte sie bereits eine Popa sein? Wahrscheinlich.

"Hallo Iulia. Wie geht's dir? Siehst ja prima aus!"
"Ja! Sagmal, wann kommst du wieder...?"
"Ich schätze, gar nicht mehr. Ich weíß nicht so recht..."
"Bitte. Wir vermissen dich hier."
"Wer ist eigentlich der neue Pontifex?"

"Seit du weg bist, niemand. Man sagte, es wären nicht ausreichend Priester, alsdass es einen neuen Pontifex geben müsste."

Ich war überrascht, doch ich nickte nur.

"Naja, dann mach mal weiter. Ich wollte Metellus einmal die neuen Bauten zeigen..."

Sie nickte, sah Metellus kurz ein wenig schüchtern an, lächelte jedoch und verschwand sogleich eilig. Nun trat betretenes Schweigen meinerseits ein.

"Ich bin als Aedilis Curules gewählt worden und danach nicht wieder in den Dienst versetzt worden. Ich war damals der hiesige Pontifex von Hispania."

antwortete ich noch immer etwas leiser als ich gewöhnlicherweise sprach.

"Ich habe lange Zeit Fortuna gedient."

meinte ich noch immer ein wenig kurz angebunden. Der Grund aus welchem ich Zweifel hatte, wurde verschwiegen. Das musste ich ihm nicht unbedingt auf die Nase binden.

Ich folgte ihn mit ungefähr einem Schritt Abstand. Warum bohrte er immer so nach? Langsam begann ich zu verstehen, warum manche meine Neugierde so lästig fanden.

"Den Pontifex gibt es nicht mehr und ich habe auch den Aedilen nicht recht wahrgenommen, weil ich lange Zeit schwer krank war, woran nicht zuletzt die Geburt meiner Kinder dran Schuld war. Das hier ist noch meine Erholungsphase..."

Ja, damit konnte man leben. Ich schloss wieder zu ihm auf und ging neben ihm.

"Dort der Tempel des Mercurius wurde vor noch nicht allzu langer Zeit erbaut. Ich finde, er ist prächtig geworden."

Ich ging auf diesen Tempel zu. Ich musste schon an die folgenden Gebäude wie zum Beispiel den Minervaschrein denken, wobei mir das Herz schwer wurde, doch was half es?

Ich wandte mich wieder von dem Tempel ab und ging, ohne dass ich es bemerkte, etwas schneller und damit vor. Meine Füße trugen mich in Richtung des Minervaschreins, erbaut von meinem Mann Publius Tiberius Maximus. Ich versuchte das Zittern meiner Hände unter Kontrolle zu bekommen.

"Naja, dieser Minervaschrein..."

"Das ist nicht unbedingt richtig."

antwortete ich nur, ehe ich mich zu weiterem aufraffte.

"Nicht, wenn es eine Gens ist, die von vorn aufgebaut werden musste, die kurz vor dem Verfall stand. Ich weiß, dass auch die Gelder für einen Tempel da sind und der auch in Planung stand."

Mehr sagte ich dazu nicht und ich wandte mich zum Gehen.

"Nein, befreundet bin ich nicht mit ihnen."

meinte ich mit einer distanzierten Freundlichkeit. Ich war kurz vor einem erneuten Tränenfluss, doch ich wollte nicht vor ihm und nicht vor aller Öffentlichkeit weinen. Warum eigentlich nicht? Ich drehte mich zu ihm und sah ihn an:

"Ich komme aus dieser Gens."

"Ich habe Publius Tiberius Maximus geheiratet, liebte ihn schon vom ersten Moment an, da ich ihm begegnete."

Ich bemerkte erst jetzt, dass ich ihm ziemlich kühl begegnete. Mit jener Kühle, die ich mir von Claudia hatte angeeignet. Ich atmete tief ein und wieder aus. 'Ruhig, nur ruhig' redete ich auf mich ein.