[Officium] Legatus Augusti Pro Praetore Spurius Purgitius Macer

  • Ich musste schmunzeln. War es nun eine Stärke oder eine Schwäche der Männer, dass sie oft derart nüchtern und sachlich urteilten?


    „Dann lass uns darauf einigen, dass dein Fortgang ein Verlust für mich ist und DAS, Soldat, kannst du nicht widerlegen.“
    Immer noch leise lachend, sah ich mich nach einer Sitzgelegenheit um.


    „Du hast nach dem Grund meines Besuches gefragt. Ich nehme an, dir würde nicht reichen, wenn ich behaupte: Ich wollte dich einfach einmal besuchen.“


    Nun, ja. Der Anflug von Bestürzung war fort, die gute Laune zurück. Da war der Schalk nicht weit, zumindest bei mir.

  • "Das beabsichtige ich auch nicht zu widerlegen. Die Einschätzung und Beurteilung meiner Person und meiner Taten überlasse ich gerne anderen und kann gewisse Differenzen problemlos akzeptieren."


    Er nahm selber wieder Platz und deutete für Deandra auf eine Sitzgelegenheit.


    "Aber lass uns in die Zukunft blicken. Du bist nie ohne Fragen oder Pläne zu mir gekommen, erst Recht nicht in dieser unberechenbaren Jahrezeit über die Alpen. Wie ich hörte, hatten selbst die Prätorianer, die meine Ankunft hier ankündigen sollten, schon Probleme mit ersten Schneefällen gehabt und kamen verspätet an. Meine Reise verlief zwar problemlos, aber wenn man das sonnige Italien gewöhnt ist, kann man sowas wirklich nicht für den Winter empfehlen.
    Aber ich schweife schon wieder ab, Verziehung.


    Also, bei welchem Anliegen kann ich Dir behilflich sein?"

  • Mit einer Neigung des Kopfes bedankte ich mich und nahm Platz.


    „Es gibt nichts zu verzeihen, schweif gerne ab, denn auch ich gedenke nicht sofort zur Sache zu kommen.“ :)


    Mit einem spitzbübischen Lächeln sah ich Macer an.


    „Ist es nicht gerade die nette Konversation, die uns die unwirtlichen Wetterverhältnisse in diesem Land vergessen lässt und von innen wärmt? Mir ist bewusst, dass deine Zeit knapp bemessen ist, so wie dir sicher bewusst ist, dass meine Anliegen immer unkonventionelle sind.“


    Wieder musste ich schmunzeln. Mir war klar, dass ich oft für Wirbel sorgte.


    „Bevor ich dich mit meiner Anfrage überrasche, gestatte mir noch eine Frage. Wie kommt es eigentlich? Alle Soldaten, die ich jemals traf, zumindest ab dem Dienstgrad Offizier, waren auf merkwürdige Weise sehr verernstet.“


    Ich schmunzelte über meine Wortkreation, die den Zustand jedoch treffend beschrieb.


    „Bringt das der Dienst mit sich? Vielleicht die Verantwortung?“

  • Macer musste grinsen. Sie schien tatsächlich nur zum Plaudern über die Alpen gereist zu sein. Patrizier waren manchmal schon seltsam.


    "Verernstelt? Nun, ich hoffe, das von mir nicht behaupten zu müssen. Ich pflege gerne einen offenen Umgang mit der Truppe, wenngleich Klarheit und Eindeutigkeit der Worte natürlich immer gewährleistet sein müssen. Davon lebt die Armee. Sicher hat das auch mit Verantwortung zu tun. Ich habe das Kommando über mehr als 5000 Mann, da kann ich es mir gar nicht erlauben, über jeden Befehl lange zu diskutieren. Im Ernstfall bleibe ohnehin keine Zeit für mehr. Und hier in Germania leben wir leider im Moment immer sehr nahe am Ernstfall."

  • Nein, über Ernstfälle wollte ich jetzt nicht sprechen.


    „Verernstet nicht verernstelt. ;) Letzteres klingt wiederum zu niedlich.“


    Meine Augen blitzten vor Vergnügen. Das war ja auch alles kein Wunder, wenn man tagelang in einer Reisekutsche eingeschlossen sitzt und erstmalig wieder und dann noch einen geistreichen Gesprächspartner hat.


    Ich atmete einmal tief durch. Lachen kann auch anstrengend sein.
    Nu war es durchaus schwierig, wenn auch nicht unmöglich, wieder zu ernsthafteren Themen zurückzukommen. Die Frage war: Wollte ich das überhaupt?


    „Mein lieber Macer. Ich hatte weniger deine Art im Umgang mit deiner Truppe, als vielmehr die Art jener hochrangigen Soldaten im Umgang mit Frauen gemeint. Aber ich sehe, du hast das Lachen noch nicht gänzlich verlernt.


    Tja, nützt wohl nichts. Ich komme wohl nicht umhin, langsam zur Sache zu kommen, obwohl ich es durchaus genieße, hier so herumzuwitzeln.“

  • Macer war es zwar ein Rätsel, wieso sie seine durchaus relativ wenig ausformulierten Überlegungen offenbar sehr erheiternd fand, aber vielleicht kam einer Patrizierin ja in Germanien alles beonders lustig vor.


    "Ich möchte nicht ausschließen, dass vielleicht der eine oder andere Offizier den Weg zur Armee nur deshalb gewählt hat, weil ihnen der Umgang mit Soldaten besser liegt als der mit Frauen. Aber es gibt auch das Gegenteil, wo Offiziere nur bei der Armee waren, um Eindruck bei den Frauen zu schinden. Ob sich das bei Frauen lohnt, wirst Du besser beurteilen können als ich. Ich schätze es jedenfalls sehr, wenn ein Offizier mit seinen Leuten gut umzugehen weiss.


    Aber ich vermute, auch dass ist nicht das Thema, weswegen Du die Alpen überquert hast."

  • „Vielleicht sollte ich zunächst berichten, dass ich bestrebt bin, nach Mantua das verschlafene Misenum zu erwecken. Ich habe überlegt, welcher Schwung dieser Stadt den meisten Auftrieb geben würde und bin zu dem Schluss gekommen, dass es die Classis ist. Meine Frage an dich, Macer, wäre die nach deiner persönlichen Einschätzung eines oder mehrerer Absolventen der Militärakademie, der sich aufgrund seiner Fähigkeiten für einen verantwortungsvollen Posten in der Classis Misenum eignen würde.
    Auch wenn das vor mir noch niemand gemacht hat, beabsichtige ich ein persönliches Gespräch mit eben diesen Absolventen zu führen. Ich würde sie bitten oder ermutigen, eine eventuelle Karriere in der Classis Misenum zu überdenken. Fragen kostet nichts und mit diesem Vorgehen breche ich zwar so annähernd jede Regel, aber da mein Engagement auf rein persönlicher Ebene abläuft, kann niemand behaupten, ich würde mich in Belange mischen, die nur den Kaiser angehen.“

  • Macer runzelte die Stirn. Keine leichte Frage, die sie da nun endlich stellte.


    "Nun, von allgemeiner militärischer Eignung für die Führung auch großer Stützpunkte gibt es da einige. Die nautische Ausbildung wird an der Academia dagegen nur selten praktiziert und auch nur selten in Anspruch genommen, so dass ich Dir spontan niemanden mit dieser Qualifikation nennen kann.
    Und die meisten anderen geeigneten Kandidaten haben natürlich häufig schon hohe Posten.


    Der amtierende Aedil Marcus Decimus Livianus zum Beispiel. Ich nehme an, dass er nach seiner Amtszeit wieder an die Spitze der Cohortes Urbanae zurückkehren möchte. Oder Lucius Annaeus Florus, der ja zur Zeit hier die Classis leitet.
    Bei den Prätorianern gibt es z.B. mit Corvus und Crassus einige, die der Aufgabe gerecht werden könnten, denke ich. Lucianus von den Cohortes Urbanae würde ich es auch zutrauen.


    Auch hier in Germania haben wir einige Leute, von denen ich in der Academia einen sehr guten Eindruck gewonnen habe. Aber da hier demnächst einige Versetzungen anstehen, möchte ich mich über diese erstmal nicht äußern."


    Macer musste grinsen, denn die verschiedenen Ansuchen um Versetzungen, die inzwischen bei ihm eingegangen waren, hatten ihm ganz schön Kopfzerbrechen bereitet. Jetzt, wo er glaubte, alles einigermaßen sortiert zu haben, wollte er nicht noch die Classis als zusätzlichen Faktor dabei haben.

  • Aufmerksam folgte ich Macers Worten. Jeder einzelne Name war mir ein Begriff. Vielleicht mochte das manchen verwundern, aber zum einen besaß ich ein helles Köpfchen und zum anderen bedeutete der Rückzug aus der Politik für mich nicht das Aufhören geistiger Tätigkeit. Berührungspunkte zum Militär gab es seit meiner Kindheit genug. In meine Familie war annähernd jeder militärisch aktiv.


    „Danke zunächst für die umfängliche Auskunft. Es ist nicht weiter tragisch, dass du mir aus Germanien niemand benennen willst oder kannst. Wobei ich nicht weiß, ob du mit Germanien nur die Legio II meinst. Ihr Ruf ist nicht besonders gut, wie man hört. Vielleicht bessert sich das unter deiner Führung, aber so lange kann ich natürlich nicht warten.“


    Kurz ließ ich die gehörten Namen Revue passieren.


    „Marcus Decimus Livianus und Lucius Annaeus Florus sind mir persönlich bekannt. Sie kommen wohl aus dem Grund nicht infrage, weil sie bereits wichtige Kommandos innehaben. Germanicus Corvus und Caecilius Crassus, die beiden sind mir zwar weniger gut bekannt, einschätzen kann ich sie dennoch. Ich habe meine Zweifel, ob sie Rom und den Praetorianern den Rücken kehren würden. Dennoch werde ich wohl das Gespräch mit ihnen suchen. Da geht es einmal anders herum. Sonst sind es die Praetorianer, die Soldaten aus anderen Einheiten abwerben.“


    Ich musste lachen.


    „Lucianus, ein Vinicier, wenn ich nicht irre, der erscheint mir eine gute Wahl. Es bleibt eben abzuwarten, ob derjenige sich mit der Materie der Classis anfreunden kann, den ich je darauf ansprechen werde.


    Tja, der Weg nach Germania hat sich wirklich gelohnt. Auch wenn das Scherzen für meinen Geschmack zu kurz kam. Und um noch einmal auf deine Bemerkung von vorhin einzugehen … Es sollte keine Rolle spielen, ob ein Mann in einer Rüstung, einer Tunika oder einer Toga steckt. Nicht einmal, welche Gesichtszüge er trägt. Entscheidend ist, ob sich wirklich ein Mann unter diesen Hüllen verbirgt oder nur eine Imitation.“


    Zu erläutern, was ich unter Mann und was unter Imitation verstand, würde wohl zu weit führen. Außerdem nahm ich an, dass sich Macer dafür bestimmt nicht interessieren würde.

  • "Eine interessante Ansicht... Man sollte darüber bei Gelegenheit noch einmal vertieft diskutieren."


    Angesichts seiner dienstlichen Pflichten befand Macer allerdings, dass diese Gelegenheit sicherlich nicht gerade jetzt stattfand.


    "Es freut mich, dass ich dir mit meinen Ausführungen weiterhelfen konnte. Ich muss zugeben, dass die Kenntnis der Classis und ihrer speziellen Bedürfnisse nicht zu meinen Stärken gehört. Aber jeder der genannten Personen würde ich es zutrauen, sich in diese Aufgaben erfolgreich einzuarbeiten."


    Er wartete ab, ob Deandra noch weitere Fragen hätte.

  • „Darum ging es mir, Macer. Um eine Einschätzung deinerseits, wer für einen solchen Posten das erforderliche Potential in sich trägt.“


    Tja, eigentlich waren sie am Ende ihres Gespräches angekommen. Noch wusste ich nicht, ob ich sofort Richtung Colonia Claudia Ara Agrippinensium weiterreisen oder anstatt auf der Strecke die erste Nacht in der Hauptstadt verbringen sollte, aber das würde sich finden.


    „Wenn sich die Gelegenheit ergibt, wäre es sicher interessant und amüsant zugleich, obiges Thema noch einmal aufzugreifen“, sagte ich lächelnd. „Ich kann mir denken, dass du derzeit wenig Sinn für Amüsement und Zeitvertreib hast. Ich werde dich aber daran zu erinnern wissen.
    Wenn du jetzt keine Anliegen an mich hast, die ich unter Umständen in Italia für dich erledigen könnte, will ich dann aufbrechen.“

  • "Nein, im Moment gibt es nichts, was Du in Italia für mich erledigen könntest. Noch bin ich hier nicht soweit, dass ich dem Kaiser einen ausführlichen Bericht senden könnte.


    Ich bin gespannt, wann sich unser Gespräch fortsetzen lässt. Du weisst, dass mein Büro Besuchern gern offen steht."


    Macer erhob sich, um sich von Deandra zu verabschieden.


    "Du reist direkt wieder nach Italia zurück oder bleibst noch länger hier in der Provinz?"

  • Macer blickte ärgerlich zur Tür und blickt unfreundlich.


    "Raus, aber sofort. Hier wird erst geklopft, dann auf mein 'Herein' gewartet und dann kommt man rein!"


    Er würdigte den Kerl keines weiteren Blickes und wandte sich wieder Deandra zu.

  • Ich ignorierte ebenfalls die Störung, Macers' Worte beschäftigten mich. Vermutlich schaute ich ihn auch etwas verdattert an. Hatte ich zunächst die Konversation genossen und deswegen versucht, sie etwas auszudehnen, wobei ich nicht den Eindruck hatte, dass dies auf Gegenliebe stieß, klangen im Gegensatz dazu seine letzten Worte wie eine Einladung. Aus Männern soll einer schlau werden …


    Ich musste schmunzeln, als ich mich ebenfalls erhob. Eine kecke Entgegnung konnte ich nun nicht mehr vermeiden.
    „Findest du wirklich, dass dein Büro der geeignete Ort wäre, um sich über die Frage zu unterhalten: Was macht einen Mann aus und warum ist das wichtiger als sein äußerer Schein?


    Und ja, ich erwarte darauf eine Antwort.“
    Mein Lächeln verstärkte sich. Die Antwort auf seine Frage musste für den Moment warten.

  • "Es mag sicher geeignetere Orte geben, aber ich muss wohl davon ausgehen, dass mein Büro noch auf Wochen hinaus der Ort sein wird, an dem Du mich am zuverlässigsten antreffen könntest - sofern ich einmal davon ausgehe, dass Du nicht vor hast, mich in irgend einem Versammlungsraum irgendwo in der Provinz aufzusuchen oder den Exerzierplatz einer Legion für einen geeigneteren Ort hältst."

  • Die bildliche Vorstellung dessen reizte mich zum Lachen. Während Macer die Offiziere seiner Legion bei der Ausbildung beobachtete, würden wir uns nebenbei über das Phänomen 'Mann’ bzw. meine Einschätzung dessen unterhalten. Inmitten von Soldaten gar nicht einmal unpassend, wie ich fand.
    Innerlich schüttelte ich über mich selbst den Kopf. Wieder nur Blödsinn in selbigem.


    Kurz senkte ich den Blick, danach sah ich Macer lächelnd an.
    "Gewiss wäre es spannend das Thema zu erörtern und ich komme auch gern wieder in dein Büro. Heute jedoch, spätestens morgen reise ich allerdings erst einmal nach Colonia Claudia Ara Agrippinensium weiter. Ich möchte Florus sprechen. Dabei weiß ich augenblicklich noch nicht einmal in welcher Himmelsrichtung diese Stadt liegt und wie weit sie entfernt ist. Aber das wird sich finden. Ich habe einen gebürtigen Germanen bei mir.
    Auf jeden Fall freue ich mich auf ein Wiedersehen. Ganz gleich, wann es stattfinden wird.“

  • "Die Hauptstraße nördlich zur Stadt hinaus. Etwa 100 Meilen, glaube ich. Wenn deine Kutsche schnell ist, schaffst Du es in drei Tagesreisen.


    Dann wünsche ich Dir alles gute für die Reise und den Schütz der Götter der Straßen und Wegkreuzungen."


    Macer erhob sich und begleitete Deandra noch aus dem Büro hinaus.

  • „Drei Tagesreisen“, murmelte ich. Hm, ob es da sinnvoll war, noch am Nachmittag weiterzureisen? Diese Frage stellte ich mir, während ich in Macers Begleitung das Büro verließ.


    Ein Blick sagte mir, dass Assindius noch vor Ort weilte. Zur Verabschiedung drehte ich mich wieder Macer zu. „Danke für die Auskunft! Ich denke, ich habe gute Pferde. Sie stammen aus meinem Gestüt.“


    Ich lächelte dankbar. Immer wieder fand ich es schön, wenn ich Menschen traf, die um die Bedeutung der Götter wussten. Mir selbst war es nicht immer klar gewesen, jetzt wusste ich um deren Einfluss auf unser aller Leben.


    „Auch dir den Schutz der Götter. Mögen sie dich bei allen deinen Vorhaben wohlwollend begleiten.“

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