Unterkunft für eine Nacht

  • Vorbei am Backhaus, kurz vor dem Badehaus lag sie nun - meine Unterkunft für eine Nacht. Luxuriös war sie nicht zu nennen, aber was konnte man schon in Germanien erwarten. Die Zimmer waren sauber und ebenso die Baderäume, weswegen ich mich durchaus zufrieden zeigte. Sogar warmes Wasser gab es hier, ich hatte schon mit allem gerechnet. Frisch gekleidet und gesättigt ließ ich einen der Betreiber kommen.


    „Guter Mann …“ In Germanien sollte ich diese Anrede sicherheitshalber beibehalten. „… nur für den Fall, dass man hier die Acta Diurna erhalten kann, würde ich die neueste Ausgabe wohl gerne einmal lesen.“


    Der Mann versicherte eifrig, dass selbstverständlich die Acta in der Hauptstadt erhältlich war, wieselte davon und stand wenige Augenblicke später mit dem Informationsblatt vor mir.


    „Sehr nett, ich danke.“


    Gespannt vertiefte ich mich in die Seiten …

  • Oh, diese Ausgabe war wieder einmal spannend. Da ich in diesem tristen Landstrich niemand außer meinem Sklaven hatte, rief ich ihn.


    "Assindius, nimm mal eben Platz. Da du selbst nicht lesen kannst, werde heute ausnahmsweise ich dich einmal unterhalten."


    Ich räusperte mich kurz und verlas anschließend jene höchst interessante Stelle.


    "Der Titel lautet: Der Besuch der jungen Dame."


    Mit einem Lächeln blickte ich auf, rollte kurz die Augen nach oben und schmunzelte erneut.


    "Pass auf. Gleich geht es spannend weiter. Hier steht:
    Für Aufsehen abseits der Mühen des Alltags und der hohen Politik sorgt derzeit wohl zumindest in den Augen der männlichen Bevölkerung der Provinz Germania die verwegene Rundereise einer patrizischen Dame aus Italia, die unbeeindruckt von Wind und Wetter von hier nach dort und wieder zurück reist und bei nahezu allen hohen Herren, vorzugsweise des Militärs, ein und aus geht. Über den Sinn und Zweck ihrer Reise konnte auch in den sonst gut informierten Straßenstationen entlag der Hauptstraßen nichts in Erfahrung gebracht werden. Fest steht nur, dass es sich offenbar weder um eine geschäftliche Reise noch um Verwandtschaftsbesuche handelt. Da sie beim Kauf von Kleidungsstücken beobachtet wurde, stehen die Wetten gut, dass Einkaufstouren im herbstlichen Germanien möglicherweise der neuste Renner unter den extravaganten Vergüngungen der Patrizier sein könnten. Der Gedanke, der Auslöser für diese Reise könnten Frühlingsgefühle zur falschen Jahreszeit sein, verbietet sich natürlich aufgrund des Standes der Dame und der besuchten Herren von selbst! Im übrigen wäre die sicher verbürgte Begegnung mit einem Elch in diesem Zusammenhang kaum sinnvoll einzuordnen."


    Kurz senkte ich das Blatt und schaute Assindius an.


    "Nun, was hältst du davon? Den Grund meiner Reise konnte ich offenbar geheimhalten, aber die Sache mit dem Elch wurde bekannt."


    Ein herzhaftes Lachen erscholl im Raum. Das Witzige ... Mir war selbst nicht klar, dass ich ja zwei Legaten und einen Kommandeur getroffen hatte. Kurz überlegte ich, ob es noch weitere Kommandeure in Germania gab und richtig, den der Ala. Schnell schaute ich erneut in die Acta. Gespielt enttäuscht blickte ich auf.


    "Ah, schade. Der steht inzwischen in Rom auf der Rostra. Fällt dir noch jemand ein, den ich zusätzlich besuchen könnte?"



    edit: Rechtschreibung und ändern des militärischen Titels

  • „Der Kutscher hat geplaudert, den schnapp ich mir. Dann können sie beim nächsten mal schreiben wie der Bürge aus seiner Tunika gestoßen wurde.“;)


    Ich überlegte, wen kannte ich den alles aus dem Umkreis der Herrin. Das waren nur eine Hand voll Leute und ob die in Germania sind weiß ich doch nicht.


    „Nun Herrin, ich wüßte niemanden. Es wurde über Soldaten geschrieben und der einzige Soldat den ich kenne ist neben den, von Euch in Germanien besuchten Herren, Euer Vater. Aber ist der in Germanien? "


    Ich strich mir am Kinn entlang.


    „Hab Ihr vielleicht jemandem ein Pferd verkauft der jetzt in Germanien wohnt und den man besuchen könnte?“

  • Belustigt hörte ich meinem Sklaven zu. Lange hatte ich nicht mehr so herzhaft gelacht.


    „Ich habe nur Spaß gemacht, Assindius. Natürlich beabsichtige ich nicht, hier einen weiteren Kommandeur, Verwandten oder sonst was zu treffen. Selbstverständlich hatte meine Reise einen geschäftlichen Anlass, was nicht verbietet, dass ich mich nebenbei amüsiere.“


    Sorgfältig legte ich die Zeitschrift beiseite. Dieses Exemplar würde ich gut aufbewahren. Beiläufig, aber nicht ohne Schmunzeln erwähnte ich: „Bei dem Kutscher lasse ich dir freie Hand. Vergnüge dich auf welche Weise auch immer. Hauptsache, wir haben morgen einen, der die Pferde zurück nach Italia lenkt. Indiskretionen schätze ich ganz und gar nicht.“

  • Ein Funkeln war in meinen Augen zu sehen und ein kurzes lächeln huschte über mein Gesicht. Ich ballte meine Rechte zu einer Faust und man konnte das Knacken der Finger hören.


    „Nun Herrin, er wird uns nach Italia zurückbringen. Aber indeskräät wird er danach nicht mehr sein können. Ich reiße ihm die Zunge raus und röste sie über einer Flamme.“

  • Ups, die Wirkung überraschte mich. Meine Brauen wanderten nach oben und ließen die Augen groß erscheinen. Dennoch hielt sich mein Mitleid mit dem Kutscher in Grenzen.


    Bei den Worten "Ich reiße ihm ..." hatte ich zwar unwillkürlich eine andere Assoziation, aber gut. Was hatte der Besuch des Barbiers in Rom doch für Nachwirkungen. Tztztz.


    "Erstatte mir morgen Bericht. Für heute hat der Tag ein Ende. Ich werde zu Bett gehen. Es ist spät geworden. Du kannst gehen, Assindius."

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