Macer erhob sich von seinem Platz und begrüßte seinen neuen Offizier freundlich. "Sei gegrüßt, Corvus. Es freut mich, dass Du so schnell hierher kommen konntest. Hattest Du eine angenehme Reise?"

Gespräch mit Decius Germanicus Corvus
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Corvus salutierte und sein erwartungsvolles Gesicht hellte sich ob der freundlichen Begrüßung sichtlich auf.
“Salve Legatus Legionis! Ja, danke, es ging angesichts der Jahreszeit besser als ich erwartet hatte.“ -
"Das freut mich. Bitte, nimm Platz." Der Legat liess Getränke bringen und setzte sich dann selber.
"Bevor wir zum dienstlichen kommen: was macht Rom? Abgesehen von der wenigen amtlichen Post und mal dem einen oder anderen Brief bekommt man hier ja doch wenig aus dem Herzen des Reiches mit."
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“Ach, Rom ist das alte und doch heiß geliebte Scheusal wie immer.“, erwiderte Corvus grinsend, nachdem er sich auch gesetzt hatte.
“Die Wahlen zum Cursus Honorum sind gerade vorüber, wie du sicher weißt. Mein Vetter Germanicus Avarus hat einen Platz als Praetor Urbanus errungen, was die Familie mit Stolz erfüllt. Der Wahlkampf war überraschend ruhig, gemessen an früheren Zeiten. Aber dafür sorgte der letzte Volkstribun in seiner Amtszeit für Aufsehen. Ein Octavier, ich weiß nicht, ob du ihn kennst. Er ist noch recht jung, ein Sohn des alten Octavius Anton. Die Sache mit der Steuerfreiheit für Patrizier gärt noch immer unter den Plebejern. Es würde mich nicht wundern, wenn deshalb in der Subura noch einmal Dachziegel fliegen.“ -
"Ja, ein wenig habe ich von diesem Volkstribun mitbekommen. Die Acta Diurna berichtet ja sehr zuverlässig aus Rom, wie mir scheint. Die Berichte aus den Provinzen sind da eher von schwankender Genauigkeit."
Macer dachte an einige Begegnungen zurück, die er mit Octavius Anton hatte. Wenn sein Sohn ganz wie er wurde, konnte er Corvus' Bedenken gut verstehen.
"Dann kannst Du ja froh sein, dort nicht mehr Dienst schieben zu müssen. Hier bei uns fliegen keine Dachziegeln - wir wären froh, wenn wir überhaupt genug hätten." Macer grinste. Die aktuelle Materialknappheit würde vermutlich der größte Schock für den neuen Tribunen sein.
"Zum Wahlsieg von Avarus darf ich Dir und deiner Familie dann also auch noch ganz herzlich gratulieren. Er wird das Amt sicher gut ausfüllen."
Macer trank einen Schluck, bevor er das Thema wechselte.
"Nun, kommen wir also im dienstlichen Teil. Wie ich Dir schrieb, würden es deine Erfahrung und dein Stand zulassen, dich als Tribun einzusetzen. Der Bedarf dafür ist ohnehin gegeben.
Du bist also damit einverstanden und glaubst dich den damit verbundenen Aufgaben gewachsen?" -
“Ja, Legatus, sowohl das eine, als auch das andere. Ich habe das Examen Tertium an der Academia Militaris Ulpia Divina absolviert und jetzt geraume Zeit als Trecenarius gedient, ich fühle mich gewappnet und es wird mir eine große Ehre sein.“
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"Ja, an dein Examen erinnere ich mich noch. Auch wenn ich zugeben muss, dass mir neben diesen formalen und manchmal auch theoretischen Kenntnissen deine praktischen Erfahrungen als Trecenarius und auch deine Kenntnis Germanias aus deiner früheren Dienstzeit hier mindestens genauso viel Wert sind.
Unsere Lage kann man am einfachsten so zusammenfassen: wir haben einen Krieg hinter uns und einen Winter vor uns. Es sind also vor allem die praktischen Dinge, die angefasst werden müssen. Die Männer brauchen Führung, es müssen Übergangslösungen für größere Probleme 'organisiert' werden und für die Zivilbevölkerung gibt es auch einiges zu tun. Ich hoffe, ich überschätze da jetzt nicht das Organisations- und Improvisationstalent eines erfahrenen Trecenarius." Natürlich wusste auch Macer nicht genau, was so ein Trecenarius und seine Männer täglich in Rom taten, aber die Anforderungen gingen wohl weit über die an einen normalen Soldaten hinaus.
"Wie waren eigentlich deine Kontakte zur Bevölkerung - auch oder gerade zum germanischen Teil - in deiner Zeit hier in Germania, als Sedulus noch Statthalter war?"
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“Nun, ich habe hier in der Gegend meine Jugend verbracht. Das war bei meinem Onkel mütterlicherseits, ein wenig den Rhenus aufwärts. Er war Steuerpächter und ich half ihm beim Eintreiben der Abgaben. In dieser Zeit habe ich natürlich auch das germanische Landvolk kennen gelernt, das diesseits des Limes lebt und Rom tributpflichtig ist. In der Legion hatte vor allem Kontakt zu romanisierten Germanen, also Männern, welche die römische Staatsbürgerschaft erlangt haben und Rom dienen.
Aber ich beherrsche die germanische Sprache nicht, wie ich einräumen muss und glaube auch, dass wir geborenen Römer niemals die barbarischen Sitten und Gebräuche dieses Volkes endgültig werden ergründen können. Die Germanen sind nun einmal keine Griechen und in gewisser Hinsicht noch nicht einmal mit den Galliern vergleichbar. Die Gallier haben sich ihrem Schicksal ergeben und sich in das Imperium eingefügt aber die Germanen, zumindest diejenigen, die jenseits des Limes hausen… also… die sind doch wie wilde Tiere, wie Wölfe, man darf ihnen nicht trauen und niemals den Rücken zukehren. Dennoch müssen wir versuchen uns einige von ihnen nutzbar zu machen, wenn ich das sagen darf. Ein geschickter Mann kann auch einen Wolf bis zu einem gewissen Grad abrichten, so sagt man.“ -
Macer war froh, dass Corvus tatsächlich wie er gehofft hatte, schon einige Erfahrungen über das Leben in Germania und die Germanen diesseits und jenseits des Limes gesammelt hatte. Das würde sicher für alle Seiten nur von Nutzen sein.
"Ja, die Erfahrungen mit den Germanen von der anderen Seite des Limes waren hier in letzter Zeit auch extrem leidvolle. Ich hoffe, dass sich die Situation mit der Zeit ändern lässt. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht, schon allein deshalb, weil wir im Moment noch genug andere Sorgen haben, als dass ich jetzt hochrangige Unterhändler in freie Germanien schicken wollte. Was zivile Händler und Reisende dort bewegen, muss im Moment reichen."
Vielleicht würde es auch ganz wörtlich genommen zu einer Abkühlung der Spannungen und Konflikte kommen, wenn man die Kontakte den Winter über ein wenig ruhen lassen würde.
"Dich würde ich gerne so schnell wie möglich ins Tagesgeschäft einbinden. Wir haben den täglichen Dienstbetrieb hier im Lager, wir haben Baustellen in Mogontiacum und anderen umliegenden Städten und Dörfern, wir haben Hilfstransporte nach Raetia und ich habe darüber hinaus noch die zivile Verwaltung zu leiten.
Wie sieht es bei Dir aus: erstmal hier im Lager bleiben, um dich an deinen neuen Posten zu gewöhnen, oder gleich raus nach hier und dort, um mit Land und Leuten in Kontekt zu kommen?" -
“Wenn es erlaubt ist, dann würde ich mich zunächst gerne einmal den Männern vorstellen und mir einen Eindruck von ihrem Ausbildungsstand und ihrer Einsatzbereitschaft machen. Mir geht es dabei weniger um die alten Haudegen, die in Hispania und gegen die Germanen gekämpft haben. Aber viele Centurien mussten nach den hohen Verlusten mit Neulingen aufgefüllt werden, wie ich annehme. Ich wüsste gerne, was ich von ihnen erwarten und abverlangen kann, bevor ich mit ihnen in eventuell an den Feind gerate und mich blind auf sie verlassen muss. Wie die Geschichte zeigt, kann es selbst im Winter zu Übergriffen der Germanen kommen, sollte der Rhenus zufrieren.“
Er genehmigte sich noch einen Schluck.
“Darf ich fragen, wie es um die Moral der Zweiten bestellt ist? Wie hat sie die Verluste des Krieges verkraftet?“
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"Gut dann werde ich dich also zunächst für Aufgaben im Lager un der näheren Umgebung einteilen."
So konnte der neue Tribun Macer also im Nahbereich entlasten, wo er sich selber ja auch noch um die zivilen Aufgaben kümmern musste. Aber natürlich wäre er auf jedem anderen Posten ebenso eine Entlastung gewesen.
"Die Moral ist recht gut, wenn wir mal die Situation insgesamt betrachten. Über die Verluste des Krieges wird praktisch nicht mehr gesprochen; die alltäglichen Aufgaben sind wieder das Hauptthema in den Köpfen der Männer. Die etwas magere Versorgungslage macht sich ein wenig bemerkbar und neulich hat es bei Bauarbeiten in Mogontiacum einen tödlichen Unfall gegeben, was den dort eingesetzten Männern natürlich auch nicht förderlich war."
Er macht kurz ein etwas ernsteres Gesicht und trank dann einen Schluck.
"Aber das wirst Du dann ja bald selbst mitbekommen, wenn Du dich ein wenig umgeschaut hast. Ich werde dem Primus Pilus und den anderen Centurionen Bescheid sagen, dass Du ihnen etwas genauer zusehen wirst und dass sie dich informieren sollen, wenn Du Fragen hast."
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“Ich danke dir, Legatus. Sicherlich werde ich am Anfang häufiger auf dem Exerzierplatz auftauchen als ihnen lieb ist.“, sagte er lächelnd und stellte dann seinen Becher ab.
“Wenn du erlaubst, dann würde ich mich jetzt zurückziehen und mein Quartier in Beschlag nehmen.“ -
"Ja, gerne. Von meiner Seite aus gibt es zunächst auch nichts weiter zu besprechen. Wir sehen uns dann ja mindestens regelmäßig bei der Stabsbesprechung. Und wenn Du etwas wissen möchtest oder mitzuteilen hast, findest Du bei mir immer eine offene Tür."
Er erhob sich und überreichte Corvus mit einem freundlichen Lächeln die Urkunde, mit der er offiziell zu seinem neuen Posten ernannt wurde.
"Tribun Decius Germanicus Corvus, ich hoffe, Du wirst der LEGIO II GERMANICA keine Schande machen."
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“Ich gelobe, ich werde ihr Ehre machen!“
Corvus nahm das Dokument entgegen und salutierte.
“Legatus Legionis!“
Dann verließ er das Officium. -
Macer erwiederte den Gruß und begleitete den Tribun nach draußen. Als er wieder in sein Büro zurückkehrte, wandte er sich an die Schreiber im Vorzimmer: "Ja Jungs, ich weiss ja dass ihr neugierig seid. Ja, das war der neue Tribun. Und wenn er zu mir will, dann lasst ihr ihn durch."
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