"Bei einem weisen, gütigen Herrscher ist so viel Macht sicher gut. Aber man kann leider nicht wissen, ob alle Herrscher gute Herrscher sein werden, ist es ein wenig bedenklich. Und doch hat sich unser System ganz gut bewährt. Immerhin funktioniert es schon seit ein paar Jahrhunderten." Er sah einen Moment lang nachdenklich auf das Meer, in dem sich inzwischen die Sterne spiegelten. "Du hast noch keinen Schnee gesehen? Vielleicht fällt diesen Winter ja auch hier Schnee. Es ist schön, den strahlend weißen Schnee zu sehen, wie er alles in eine glitzernde welt verwandelt."
Eine versteckte Bucht am Strand bei Nacht
-
-
"Mag sein, doch denke ich, niemals sollte einer alleine zu viel Macht haben. Ich habe irgendwann einmal einen Satz gehört, der mir sehr wahr erscheint: Macht korrumpiert. Wer zu viel Macht hat, wird imme rnoch mehr haben wollen."
Ich schüttelte den Kopf. "Ich weiss nicht, ob ich schon einmal Schnee gesehen habe. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Vielleicht, in meinem Leben vor ... Irgendwann vielleicht." -
"Macht ist gefährlich. Für den, der sie nicht hat und für den Weg zur Erkenntnis desjenigen, der sie hat. Aber, wenn ich bedenke, was ich auf meinem Weg hierhin alles gesehen und erlebt habe, welche Erfahrungen ich sammeln konnte und wie weit ich auf dem Weg zur Erkenntnis gelangt bin, muss ich dem Huangdi eigentlich sogar danken. Diese Flucht hat sich zu einem wahren Geschenk für mich entwickelt." Cheng lächelte ein wenig. "Du wirst dich irgendwann wieder erinnern können." sagte er so aufmunternd wie möglich.
-
Ich lächelte dankbar. "Wobei ich gestehen muss, dass sich nicht erinnern gewisse Vorteile hat. Helena erzählte mir, dass ich einmal versuchte zu fliehen und mich ein Mann wieder eingefangen hat und ich, wenn auch verhältnismäßig harmlos, bestraft wurde für die Flucht. Die Strafe selber interessiert mich nicht weiter, zumal ich mir dank einiger Narben da ein Bild machen kann, aber wenn ich daran denke, dass ich überhaupt wieder eingefangen werden konnte, dann überkommt mich jedesmal eine Wut über meine Dummheit, aus dem Wissen heraus, dass es meine eigene Dummheit war, dass es überhaupt soweit kam. Und frag mich nicht, woher ich diese Gewissheit nehme, aber ich weiss, dass man mich, wenn ich nicht irgendwo einen Fehler gemacht hätte, scheinbar kurz vor dem Verlassen des Reiches, niemals gefangen hätte und ich heim gekehrt wäre."
-
"Wir alle machen Fehler. Andererseits denke ich, dass man dich bis an dein Lebensende gejagt hätte, wenn dir die Flucht gelungen wäre. Statt dessen wurdest du frei gelassen. So gesehen, hast du vielleicht einen Fehler gemacht, aber der hat die Freiheit gebracht." er lächelte. "Vielleicht haben dich die Götter ja in der Vergangenheit hart geprüft, weil sie in der Zukunft ein großes Geschenk für dich bereit halten?"
-
"Ich glaube nicht, das man mich noch gejagt hätte, wenn ich erst einmal im Gebiet der Nabataei und darüber hinaus in meiner Heimat gewesen wäre. Wer die Wüste nicht kennt, den bringt sie um. Und viele unterschätzen die Wüste." Wieder einmal erstaunte ich mich selber über das Wissen, aber über seine letzte Äusserung musste ich schief lächeln. "Vielleicht, aber ich glaube, ich bin zu unscheinbar um für die Götter wichtig zu sein."
-
"Ein reines Herz ist wichtiger als alles andere. Die Götter schätzen ein reines Herz höher als alles andere. Es müssten schon sehr hartherzige Götter sein, wenn dem nicht so wäre."
-
Ich lachte kurz auf. "ICh weiss nicht, ob ich ein reines Herz habe," lächelte ich dann entschuldigend.
-
Cheng sah sie ein wenig perplex an. "Äh... ich... egal." Diese Antwort hatte ihn echt verwirrt. Vor allem kombiniert mit ihrem Lachen war das sehr eigenartig. Spielte sie mit ihm?
-
Ich sah ihn an und hob meine Brauen. "Verzeih, habe ich etwas falsches gesagt?"
-
"Nein, das nicht. Du hast mich nur verwirrt."
-
Nun schaute ich sichtlich erstaunt drein. "Warum? Weil ich nicht weiss, ob ich ein reines Herz habe? Weil ich nicht weiss, ob die Götter überhaupt auf mich runterschauen, geschweige denn wohlwiollend?"
-
"Also, ob man ein reines Herz hat, merkt man doch. Ich meine... man sollte zumindest davon ausgehen. Du bist viel zu... viel zu..." Er lächelte verlegen. "Du bist mir viel zu sympathisch, als dass du ein schlechtes Herz haben könntest."
-
Ich sah verdutzt zu ihm und wurde rot, was er zum Glück nicht sehen konnte. "Ähm..." stammelte ich und wusste nicht, was ich sagen sollte. "Danke...
Aber nun, ich weiss wirklich nicht, ob ich ein reines Herz habe. Auch ich habe meine Fehler und auch ich habe gewiss schlechte Seiten." -
"Die hat jeder. Als Offizier war ich auch nicht immer nett. Und die Versuche, mich auf meiner reise zu überfallen, endeten auch nicht gerade glücklich für die Banditen." Er lächelte schüchtern. "Aber dennoch habe ich immer versucht, so wenig Schaden wie möglich anzurichten. Und ich denke, dass auch du niemandem absichtlich schaden zufügen willst oder zugefügt hast."
-
Ohne zu merken, wovon ich in dem Moment sprach, musste ich grionsen und sagte: "Naja, der, der mich einfangen wollte und letztlich tat, der war da wohl anderer Meinung." Ich grinste und das Grinsen verflog langsam. "Komisch. das weiss ich irgendwie, aber ich kann mich nicht mehr an das wie und wo erinnern. Nur noch, dass es fast eine Genugtuung war ihm zwischen diue Beine zu treten und dann zu fliehen." Und vor Allem wusste ich es erst in dem Moment.
-
Cheng verzog sein Gesicht. "Das tut doch weh." Dann lachte er herzlich. "es sieht aber so aus, als würde ich dir deine Erinnerung wiederbringen. Vielleicht ist das ja der Sinn meiner Reise hierhin?"
-
Ich sah ihn an und lächelte leise. "Vielleicht."
Dann beugte ich mich schnell vor und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. "Weshalb aber immer Du hier bist. ICh danke Dir!" -
Er fasste sich an die Stelle, wohin sie ihn geküsste hatte und sah sie ein wenig verwundert an. "Wofür?" fragte er ein wenig perplex. Zum Glück war es dunkel und amn konnte nicht sehen, dass er rot wurde.
-
"Einfach dafür, dass Du heute Abend hier warst," lächelte ich sanft und war ihm tatsächlich sehr dankbar. "ICh weiss nicht, wie lange ich hier sonst noch im Selbstmitleid verblieben wäre."
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!