"Du musst einfach nur positiv denken. Dann wird auch alles gut." Cheng lächelte aufmunternd. "Kann ich dir eigentlich ein paar Zeichnungen zukommen lassen, die ich auf meiner Reise gemacht habe?"
Eine versteckte Bucht am Strand bei Nacht
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Positiv denken war manchmal leichter gesagt als getan, aber dennoch lächelte ich. Dann sah ich ihn überrascht an. "Mir?" Ich wusste nicht, wie ich zu der Ehre kam, aber nickte nicht wenig begeistert. "Gerne! Sehr gerne sogar! Und wenn Du magst, kannst Du mir auch gerne mehr darüber erzählen."
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"Dazu müsste ich nur wissen, wo ich dich finden kann, wenn du nicht gerade hier bist."
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Ich dachte einen Moment nach und seufzte leise. "Naja, eigentlich in der Casa Matinia. Aber ich werde morgen erst einmal ein Gespräch führen müssen und ob ich dann da immer noch wohne, wage ich momentan eigentlich ziemlich zu bezweifeln. Aber wenn es so sein sollte, wird irgendwer dort wohl wissen, wo man mich finden kann, denke ich."
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Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Glaube mir, alles wird gut." Früher, als Offizier, konnte er so den Soldaten vor einer Schlacht immer etwas Mut geben. Natürlich war das hier eine andere Situation, aber er war sich sicher, dass er noch immer durch seine Gestik ein wenig aufmunternd wirken konnte.
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Ich konnte nicht verhindern, dass ich Lächeln musste, auch wenn das Lächeln ein wneig traurig wirkte. "Ich hoffe, Du hast Recht. Ich weiss nicht, ob ich es ertragen könnte, wenn ich diese Freundin verliere. Sie bedeutet mir viel und hat viel mehr Einfluß auf mein Leben, als sie es vielleicht selber weiss oder gar sich bewusst ist."
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"Das wird schon." Er sah nach oben, zu den Sternen. "Wie alt wohl die Sterne sind?"
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"Bei meinem Volk heisst es, sie haben schon zu uns herabgeblickt, als die Götter die Welt erblickten," murmelte ich. "Das muss lange her sein."
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"Wir glauben auch, das sie schon ewig existieren. Und irgendeiner dieser Sterne ist die Perle der Weisheit. Er wird vom himmlischen Drachen verteidigt." Er sah sich die Sterne genau an. Nach einer Weile hatte er, was er suchte. "Das sternbild des Drachen kann ich dir zeigen. Hier beginnt er..." Er zeigte auf einen Stern und fuhr dann mit seinem Zeigefinger die Konturen des Sternbildes nach, bis er beim letzten Stern angelangt war.
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"Ein Drache?" ICh hatte nochnie davon gehört. "Was ist das? Es sieht groß aus, vielleicht gar erhaben."
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"Drachen sind große, echsenähnliche Wesen. Sie haben Zähne wie ein Tiger und glänzende Schuppen als Haut. An ihren Füßen sind mächtige Klauen und ihr Körper ähnelt dem einer Schlange. Sie sind unglaublich stark und sehr weise. Schon in der mythischen Vorzeit haben sie die Erde verlassen, weil die Menschen ihre Weisheit nicht zu schätzen wussten. Also beherrschen sie nun den Himmel. Und der himmlische Drache ist der weiseste von ihnen und herrscht über sie."
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Ich hörte ihm fasziniert zu. Die Tiere, die er nun nannte kannte ich, gab es sie doch auch in der Wüste. Und es erstaunte mich nicht einmal mehr, dass ich sie kannte. "Ist der Drache ein wichtiges Symbol bei Euch? Eine wichtige, mhm, wie sagt man, ich möchte es nicht Religion nennen, weil ich nicht weiss, ob es stimmen würde."
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"Es ist ein wichtiges Symbol. Es symbolisiert den idealen Herrscher. Kräftig, energisch und weise. Alle Herrscher haben den Drachen als ihr, wie heißt es noch gleich, Wesen zu ihrem Schutz gewählt. Und auch die Gelehrten verehren ihn, weil er so weise ist. Große Feldherren wurden als Drachen bezeichnet."
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Ich fand es spannend all das zu hören und traute mich fast nicht zu fragen, aber dann sagte ich doch leise: "Würdest Du mir einmal einen Drachen zeichnen? Ich würde gerne einen sehen. Auch wenn ich ihn mir ungefähr vorstellen kann, aber dennoch möchte ich ihn mir bildlich vorstellen können. Wenn Du weisst, was ich meine."
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Cheng lächelte. "Gerne." er stand auf und suchte ein Stück Treibholz. Dann zeichnete er einen Drachen in den Sand des Strandes. "Es ist zwar etwas schwer zu erkennen bei dem wenigen Licht hier, aber ich werde dir auch noch einen mit Tusche auf Papier zeichnen. Vielleicht schaffe ich es sogar, deinen Namen zu schreiben - in den Zeichen meiner Sprache."
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"In dne Zeichen Deiner Sprache? Ihr schreibt nicht in der lateinischen Schrift?" Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber da ich nicht lesen konnte, war das auch nicht schwer. Andererseits, wenn er so weit weg war... "Mhm, wobei, ich nehme an, bei Euch kennt man Rom gar nicht, wenn Du so weit reisen musstest. Ist das Reich Han ähnlich groß wie das Imperium?"
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"Ja, ich denke, dass man das Reich Han von seiner Größe her mit dem römischen Reich vergleichen kann. Aber wir haben mehr Menschen und müssen nicht alle unsere Grenzen verteidigen. Die meisten Nachbarn sind Verbündete. Das bringt ihnen viel mehr als unsere Feinde zu sein."
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"Ich kenne mich mit den Gegebenheiten in Rom nicht aus. Vielleicht tat ich es einmal, aber ich bezweifle es. ICh weiss nur, dass es groß ist, man viele Orte nur per Schiff erreichen kann, was verboten gehörte," murmelte ich hintenan, in Gedenken an meine Seekrankheit. "Und das wohl vor nicht all zu langer Zeit ein Krieg im Norden statt fand. Ob Rom Verbündete hat oder nur Feinde oder wie das alles ist, das weiss ich nicht." Und ich war mir sicher, dass es mich auch nicht so sehr interessierte.
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"Und das ist auch nicht wichtig. Die Römer sind ein bemerkenswertes Volk, zivilisiert, wenn auch manchmal recht brutal. Das liegt aber daran, dass sie noch nicht erkannt haben, dass man Frieden nicht durch Gewalt schafft, sondern durch Mitgefühl. Mache deine Feinde zu freunden, und du wirst doppelt siegen." Er lächelte weise. Dann stellte er fest, wie lehrerhaft er damit wirken musste. Er sah zu Boden. "Entschuldigung, ich wollte nicht wie ein... nicht belehrend sein."
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"Du musst Dich nicht entschuldigen. Ich höre Dir gerne zu, denn ich finde Deine Lehren," ich lächelte leicht und unüberhörbar bei dem Wort. " Sehr interessant und ich würde gerne noch sehr viel mehr hören."
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