Vor der Kultstatue des Mars

  • Da war es wieder, dieses seltsam vertraute Gefühl, nicht vollkommen alleine in diesem Haifisckbecken Rom zu sein. Das sichere, nicht rational greifbare Wissen, an diesem bestimmten Ort angenommen zu werden, willkommen zu sein ... mein Blick folgte dem Spiel des Rauches, bis nichts mehr davon zu sehen war, und als ich mich von der Statue des Mars Ultor abwandte, lächelte ich unwillkürlich. Es tat gut, wieder hier zu sein.
    "Danke, Mamarce," murmelte ich und schritt in den Sonnenschein eines sehr warmen Frühlingstages hinaus. Jetzt wurde es Zeit, sich der Familie zu stellen.

  • Decius kam zum Tempel des Mars und stieg die Stufen hinauf. Er betrat den Tempel - Herrje, wann war er das letzte mal hier gewesen? - und trat zu der großen, imposanten Statue des Kriegsgottes. Auf dem Altar lagen wie immer einige Opfergaben, und Decius legte einen mitgebrachten Weinschlauch sowie das von ihm erbeutete Schwert des Appius Helvetius Sulla hinzu.


    Dann trat er zurück,, kniete nieder und dankte dem Gott für den Sieg über die Rebellen in Hispania und dafür, dass er seine Hand schützend über ihn gehalten hatte damit er heil wieder nach Italia zurückkehren konnte. Auch seinen gefallenen Kameraden gedachte er und hoffte, dass sie im Elysium für ihre Tapferkeit und Selbslosigkeit im kampf gegen die Feinde des Imperiums belohnt wurden.

  • Schließlich, als er seine stillen Gebete beendet hatte, erhob sich Decius wieder und trat noch einmal dicht vor die große, marmorne Statue. Er hauchte einen Kuß auf seinen Zeige- und Mittelfinger und berührte anschließend damit den Fuß der Statue.


    Dann drehte er sich um und verließ das Heiligtum um sich zurück zur Castra Praetoria zu begeben.

  • Wann immer mein Leben einen Punkt erreicht hatte, an dem sich Dinge bewegten, änderten oder ich schlichtweg überblicken konnte, dass sich etwas getan hatte, gab es für mich vor allem einen Anlaufpunkt - und dieser befand sich in Form einer übermannsgroßen, hoheitsvollen Statue im Tempel des Mars Ultor in Rom. Manch ein Feind mochte in ihm einen gnadenlosen Rächer sehen, für mich aber war er doch stets ein Freund gewesen, eine stille Präsenz in meinem Leben, die mir dann Halt verlieh, wenn ich nirgendwo sonst mehr Halt zu finden imstande war. Am heutigen Tag allerdings trieb mich weniger die Not zu Mars denn der Wunsch, einige Dinge aussprechen zu können, ohne dass mich jemand bewertete - denn Er kannte mich ohnehin, mit allen Fehlern und Schwächen, sodass ich mich nicht verstellen musste, nichts verhehlen. So kam es auch, dass ich nur einfach bekleidet war, in einer weißen tunica, und nichts außer meiner Opfergabe mit mir trug.
    Während ich jene Bürger beobachtete, die vor mir zur Statue des Mars defilierten und ihr Opfer samt Gebet darbrachten, dachte ich im Grunde an nichts. Es gab wenig, was mir derzeit Sorgen machte, und noch weniger, worauf ich mich freuen konnte, allerhöchstens mein Kind, das noch zur Welt kommen sollte - die Welt schien abermals gleichförmig geworden, und mein Beitrag zu ihr immer weniger bedeutend.


    Als ich schließlich an der Reihe war, trat ich langsam vor und blickte in das ewige Gesicht meines Gottes auf, das, wie stets, von seinem Stolz umwölkt schien wie von einer goldenen Gloriole. Still hantierte ich mit dem süß duftenden Räucherholz, das vom besten Stand vor dem Tempel stammte - derzeit konnte ich mir dergleichen ohne Schwierigkeiten leisten - und schnell stieg der süß-würzige Duft durch die Luft empor. Auf dem Altartisch drapierte ich den Beutel mit frisch gebackenen Opferkeksen (sie schmeckten mir jedenfalls sehr gut) und auch ein Krug Wein aus der 'ziemlich teuer' Ecke aus meinem persönlichen Weinregal fand den Weg auf den Opfertisch. Vielleicht würde es Mars nicht merken, aber es war ein besonderer Wein, von meinem eigenen Weingut, und ich hatte ihn in Rom bisher gut verkaufen können - warum also sollte ich ihn dem Gott vorenthalten, der mir der wichtigste war?
    Mit einem guten Schwung kippte ich die Hälfte des Weins auf die Fliesen vor dem Altar (meine Mitpriester sollten nicht die Gelegenheit haben, sich am für Mars bestimmten Wein allzu gütlich zu tun), und folgte dem Rauch des verbrennenden Holzes mit meinem Blick. Erst dann sprach ich die Worte, die mir auf dem Herzen gelegen hatten.


    "Mamarce, Du Ewiger, es ist wieder einmal eine Weile her, dass ich für Dich Zeit hatte, ohne dass ich jemanden beim Opfer begleitet habe, aber nun hoffe ich, dass Dir die Gaben zusagen, die ich Dir mitgebracht habe - dieses Rauchholz soll aus Nubien stammen, aber bei den Händlern in Rom weiss man nie so genau, ob ihre Geschichten auch wirklich stimmen, in sofern hoffe ich einfach, dass es stimmt und der Geruch lange vorhalten wird, wie man es mir versprochen hat. Meine Amtszeit ist vorüber, berühmt war sie nicht, aber auch nicht katastrophal, und ich danke Dir dafür, dass mich nicht irgendein verrückter Karrenkutscher abgestochen hat, weil er mit unseren Reiseregularien nicht einverstanden war - ich weiss, Du hast während dieser Zeit auf Deinen Priester geachtet - jetzt kann ich auch wieder öfter in Deinem Tempel sein, vorher war es einfach nicht möglich. Dass meine Gedanken Dir oft gelten, weisst Du ja ohnehin.
    Aber es führt mich heute nicht nur der Wunsch nach einem Gespräch hierher, ich will Dich auch bitten, dass Du meine Sklavin Bridhe bei der bevorstehenden Geburt unseres Kindes beschützt - lass ihr Deine Kraft zuteil werden, dass sie es unbeschadet übersteht und dass das Kind gesund auf die Welt kommt. Ich weiss, das wäre eher Iunos Gebiet, aber ich glaube, sie wird eher weniger begeistert darüber sein, dass ich meine Sklavin geschwängert habe, Du verstehst die Bedürfnisse eines Mannes denke ich besser. Und bitte, steh Bridhe auch bei, wenn sie nach ihrer Freilassung voller Angst sein sollte, dieses Leben kennt sie nur wenig, und ich bin mir sicher, ich werde ihr nicht immer helfen können.


    Achte bitte auch auf den Sohn meines Vetters Gracchus und seiner Frau Antonia. Die beiden haben sich so lange Kinder gewünscht und sind nun so glücklich über ihren Nachwuchs, da kann ein wachsames Auge extra nicht schaden, damit die beiden nicht wieder ins Unglück stoßen, weil ihnen ein schlimmes Schicksal ihr Kind entreisst. Ich komme immer irgendwie zurecht, aber ein Kind kann nicht für sich selbst sorgen, und Patrizierkinder sind immer mehr gefährdet als alle anderen ... es wäre mir wichtig, diese beiden glücklich zu sehen, und ihren Sohn, meinen Neffen, gesund. Bitte achte auch auf meinen Vetter Aristides und seine neue Frau Epicharis - Du weisst, wie sehr er zu Heldentaten neigt, und wenigstens ein paar glückliche Jahre sollten den beiden vergönnt sein, vielleicht auch das ein oder andere Kind, denn wie ich Marcus kenne, strebt er schon nach dem nächsten Schlachtfeld, sie sollte nicht alleine, ohne ein Kind, zurückbleiben müssen. Du siehst, es gibt viele Menschen, die Deiner Wacht bedürfen, zumindest unter jenen, die mir wichtig sind, und ich will auch nicht für mich selbst bitten, nur für diese sechs. Es würde mich sehr beruhigen, Dich an ihrer Seite zu wissen." Damit blickte ich zu Ihm auf und atmete tief den würzigen Geruch des Rauchholzes ein, als könnte meine Bitte schneller zu Mars getragen werden.

  • Nichts war zu hören oder zu spüren, kein Windhauch, in den die Betenden so gerne eine Geste des Gottes hinein interpretierten, kein Schrei eines Kindes, der völlig zufällig ausgerechnet jetzt ins Innere des Tempels drang und auch kein Knistern der Kohle, die ausgerechnet jetzt völlig anders knisterte als sonst. Auch die Schatten begannen nicht auffällig zu tanzen, es zogen auch keine Wolken auf, die Sonne schien nicht heller und der Himmel änderte auch nicht seine Farbe.


    Warum auch? Hier ging es um einen echten Kerl von einem Priester und um seinen Gott. Da braucht man so theatralischen Krimskrams nicht. Wein und Kekse standen auf dem Tisch und was Mars dachte, war seinem Priester bestimmt auch ohne Worte klar. Schön dass du wieder hier bist, was die Kinder angeht schau' ich mal was geht und das mit Bridhe ist schon klar, ich müsste auch mal wieder mit Venus, wir haben schon länger nicht mehr.

  • Ich lauschte der Stille und harrte irgendwelcher unzweifelhafter Zeichen für die Aufmerksamkeit meines Gottes - aber im Grunde brauchte es das nicht unbedingt. Hier war ich immer willkommen gewesen, und in Mars' Tempel fühlte ich mich immer am meisten zuhause, ein Gefühl, das mir auch die villa Flavia bis heute nicht wirklich hatte vermitteln können.
    So beobachtete ich schweigend den Rauch bei seinem Weg durch die Luft, atmete den harzig-würzigen Duft ein und ließ die Gedanken etwas schweifen, um mit einem zufriedenen und rundum angenehmen Gefühl schließlich vom Altar zurück zu treten. Ich war mir sicher, Mars hatte meine Worte gehört und das reichte mir. Schon trat ein anderer an meine Stelle, um ein Gebet an Ihn zu richten, und während ich diesem Mann Platz machte, lächelte ich mit einem Mal. Konnte das Leben wirklich schrecklich werden, wenn man wahrhaft glaubte? Der ganze Popanz der Staatsopfer ging mir schrecklich auf die Nerven, aber ein Gebet an der Statue des Mars hatte für mich eigentlich fast immer die Wirkung, mich angenommen und richtig zu fühlen.

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