Nördlich von Col. Agrippinensium

  • Cadior und ich ritten also gen Assindia. Vor einem halben Jahr war ich zuletzt da, da wurde ich versklavt. Scheiße, ich bin froh das ich überhaupt als Sklave die Gelegenheit bekomme noch einmal die Heimat zu sehen. Wie würde sich alles verändert haben, hatten die Legionäre noch was von der Dorf übrig gelassen? Wer von meiner Familie war noch am leben oder auch versklavt worden? Viele Fragen kamen in mir auf und mit jedem Atemzug wurde ich nervöser und unruhiger. Irgendwann hielt ich an und rief Cadior zu:


    „Hömma wie wäret mit ner Pause. Dann könn die Pferde rasten und ich kann meinen Kopf in den Schnee stecken. Ich bin nämlich echt nervös.“

  • Sehr erfreulich, Assindius hatte seine Gedanken inzwischen wo anders. Erleichtert atmete ich auf.


    "Wenn du nicht mehr weiter kannst, legen wir selbstverständlich für dich eine Pause ein." :D


    Was will er? Den Kopf in den Schnee stecken? Wie wäre es mit einseifen? Flugs war ein lockerer Batzen Schnee zwischen meinen Händen und wenig später zwischen nackter Haut und Bekleidung.


    "Fühlst du dich nun besser?" ;)

  • Als ich den Schnee auf der Haut merkte machte ich zischenden einen Sprung nach vorn. In Windeseile sah ich mein ganzen Leben vor meinen Augen ablaufen. Das kann ich ja nich haben, wenn ich so unvorbereitet was kaltes aufe Haut krich. Als ich mich gefangen hatte fluchte ich erst mal anständig vor mich hin, dann machte ich meinen Oberkörper frei und wälzte mich im Schnee. Das ging wieder da war ich drauf eingestellt.


    „Aaaaah, so is besser, grade das war nich gut“ sagte ich warf einen Schneeball auf Cadior.

  • Kopf schüttelnd blickte ich auf Assindius hinab. Kaum zu glauben, dass ich wie er germanischen Ursprungs war. So etwas würde mir nie einfallen. Dann fing er auch noch eine Schneeballschlacht an. Er erinnerte mich an meine kleine Schwester, damals in Colonia. Öhm, was hatte ich damals gemacht? Eingeseift natürlich, aber das ließ ich bei dem Sklaven dann lieber.


    „Wenn dein Verstand wieder normal arbeitet, könnten wir dann weitergehen? Wenn es sein muss, nehme ich dich auch an die Hand.“ :D


    Ich schätzte mal, bei diesen Worten würde er wieder geradeaus laufen. Wer ließ sich so was schon gerne anbieten?

  • Ich lachte lautstark als ich Cadiors Angebot hörte seine Hand zu nehmen.


    „Es scheint dir ja gefallen zu haben das ich dir an den Hintern gepackt habe und jetzt wo du mich oben ohne siehst willst du mich schon an die Hand nehmen. :D Aber ich muss dich enttäuschen das kriege ich schon allein hin. Außerdem würde das meiner Mutter nicht gefallen? :D


    Ich zog mich wieder an und lief einige Schritte und sagte dann mit wieder ernst gewordener Stimme:


    „Aber im Ernst, laß uns weiter gehen dann sind wir vor anbruch der Dunkelheit da.“

  • Wenn ich nicht so erschrocken gewesen wäre, würde ich lauthals losgelacht haben. Puh, das war nach hinten losgegangen. :D Unwohl rieb ich mir die Stirn und lenkte möglichst schnell ab.


    „Wie ist sie so, deine Mutter?“


    Hoffentlich würde er das nicht auch wieder falsch verstehen. ;) Zügig schritt ich aus. Ich kannte ja annähernd die Richtung.

  • Wie ist meine Mutter? Ja wie ist sie denn so. Ich strich mir mal wieder am Kinn entlang. Der Bart war zwar immer noch kurz, aber mein letzter Barbiertermin ist ja auch schon wieder etwas her.


    „Tja, wie ist meine Mutter. Wie eine Mutter eben, aber nicht unbedingt wie eine germanische Mutter. Wenn eines ihrer Kinder sich verletzt hatte, auch wenn es nur eine Schramme war, ist sie sofort mit uns zum Heiler gerannt. Sie hat wie eine Wölfin auf ihre Jungen geachtet. Und wenn sie noch da ist, tut sie das immer noch.“


    Wir gingen weiter. Nach einer Weile blieb ich erstaunt stehen, klopfte Cadior leicht auf den Rücken und sagte:


    „Riechst du das? Wir sind fast da, es riecht nach Fluss.“


    Schon sputetet ich los und da war auch schon der Fluss, die Ruhr. Ich hielt meine Hände rein, wusch mein Gesicht und nahm einen Schluck. Dann erhob ich mich und sah in der Ferne Rauch aufsteigen. Da standen offensichtlich Häuser. Da war die Heimat.


    „Immer dem Fluss nach.“

  • Die Erinnerungen an meine Mutter waren mehr als blass. Ich hätte sie nicht einmal beschreiben können. Auch wusste ich nicht, wie eine typisch germanische Mutter war.
    Auf jeden Fall schätzte ich es gar nicht, wenn ich begluckt wurde. Schrammen musste ein Junge ab können, selbst ein Mädchen.


    Hatte Assindius etwa eine weiche Seite? Ich sah zu meinem Begleiter, grinste ihn an und blickte wieder nach vorn. Riechen? Was meinte er jetzt? Ach, den Fluss. Hm, wie riecht ein Fluss, wenn er nicht gerade verdreckt ist.


    „Was meinst du mit Geruch? Kann auch sein, meine Nase ist verstopft. Kein Wunder bei dem Wetter im Norden.
    Ob es dort brennt?“

    Skeptisch betrachtete ich die Rauchsäulen. Willig stapfte ich hinter dem Sklaven her. Eine warme Bude wäre nicht zu verachten. Auf jeden fall war ich schon höchst gespannt, wie das Wiedersehen ablaufen würde. Bei den überraschenden Handlungen des Assindius musste man mit allem rechnen.

  • Verarscht er mich jetzt. Natürlich brennt es da, die haben ein Feuer gemacht, das sieht man doch, ich jedenfalls. ;) Außerdem ist das Wasser nicht zu überriechen, eindeutig Fluss. Seine Nase ist wohl wirklich verstopft. Ich rief Cadior zu:


    „Mir nach, ich kann das Met schon schmecken.“


    Ich rannte auf die Häuser zu und sprang kurz bevor ich da war auf einen Baum. Leicht nervös blickte ich schnell umher. Kein Zweifel das war Assindia, das stand das Haus vom alten Notker und das von Bolko. Da drüben lief die alte Baltrun mit ihrer Schwester Godelief und einige andere. Aus voller Brust rief ich: „Hayl Astnithi“ sprang vom Baum runter und lieft auf sie zu. Sie erkannten mich sofort und umarmten mich freudig. Ich hörte das einige durch das Dorf liefen und das mein Name gerufen wurde und merkte das sich mehr und mehr Leute versammelten. Wo war eigentlich Cadior?

  • Also irgendetwas musste mit Assindius’ Sinneswahrnehmungen nicht stimmen. Er sah, roch und schmeckte Dinge, die man mal abgesehen von dem Rauch gar nicht wahrnehmen konnte. Mitleidig schüttelte ich den Kopf. Er musste wohl von der Wiedersehensfreude gänzlich benommen und nicht mehr Herr aller Sinne sein. ;)


    Dann sprang er noch auf einen Baum. Hatte er sein Elternhaus mit diesem verwechselt oder gar früher in einem Baumhaus gelebt? Vorsichtig geworden blieb ich etwas zurück. Niemand konnte ahnen, was als nächstes passierte. Und genauso war es. Plötzlich brachen fremde Laute aus ihm hervor. Ich verstand nur noch Kauderwelsch. Jetzt hat er auch noch den Verstand verloren. Wären wir bloß nie hierher gekommen!


    Skeptisch beäugte ich aus sicherer Entfernung sein weiteres Verhalten.

  • Als meine Leute auf mich zu gelaufen kamen, fiel mir Cadior ein, schließlich soll ich auf ihn achten sagte die Herrin. Der steht doch gut da drüben dachte ich und achtete erst mal nicht auf ihn. Ich freute mich so viele vertraute Gesichter zu sehen. Da kam auch schon das erste Mitglied meiner Familie, mein kleiner Bruder. Laut grölend fielen wir uns in die Arme, doch dann sah ich die nassen Augen einer weinenden Mutter. Ich ging auf sie zu und drückte sie, mit den selben Augen, an meine Brust. Auf dem Weg hierher hatte ich mir alles mögliche an dämlichen Sprüchen überlegt, die ich zur Begrüßung sagen wollte, aber für so ein Scheiß war das der falsche Moment. Der übrig gebliebene Rest meiner Familie kam ebenfalls und wurde auch erst mal kräftig umarmt. „Meine Fresse do, so viel war ja hier no nie los“, scherzte ich in bestem Ruhrgermanisch in die Menge. „Ich brauch gez dringent wat für mein Hals, ich hab seitn halbes Jahr kein Met mehr gekriecht, trinkt man dat hier immer noch?“


    Wo hatte ich meine Manieren gelassen. Cadior stand da drüben allein. „Dat da drüben is mein Begleiter Cadior, dem hab ich von unser schönes Dorf vorgeschwärmt und von unser leckres Met“ das ich eigentlich sein Begleiter war ließ ich mal außer acht und Cadior versteht sowieso kein Wort. Ein Hayl Cadior kam von der Menge, die ihn zu uns rüber winkte.

  • Oh, da kam herzliche Wiedersehensfreude auf. Langsam schlich sich ein Grinsen auf mein Gesicht. So unbekannt kam mir das Verhalten dieser Menschen doch nicht mehr vor. Langsam traute ich mich näher und irgendwann verstand ich sogar meinen Namen. Nun war das Eis gebrochen, auch wenn ich vermutlich ständig Assindius als Übersetzer brauchen würde. Ich hatte annähernd alles Germanische vergessen.


    „Salve,…“ :D Äh, wie rede ich die Leute denn jetzt an? „Bürger“ klingt doof. Am besten gar nichts sagen.

  • Salve war natürlich genau die richtige Begrüßung in einem Dorf, in dem die Römer eingefallen waren. Ich dachte schon das das jetzt Ärger gibt, aber komischer Weise entstand ein lautes Gelächter in der Menge. Sie zogen Cadior an sich ran und klopften ihm lachend auf die Schultern.


    „Na Cadior hab ich zuviel versprochen? Kerle wie Bäume mit langen Bärten und die schönsten Frauen weit und breit. Warte erst mal bis du die Chefin siehst, da fällt die ein Ei aus der Hose“


    Dann erklärte ich der verwunderten Menge das er kein Wort Germanisch konnte und das ich deshalb römisch mit ihm spreche. Da brachte auch schon der erste einige Hörner Met und ich schüttete mir sofort eins in einem Zug in die Figur, nahm ein zweites, gab Cadior eins und sagte ihm:


    „Hier hast du auch eins, ein besseres findest du nirgens.“

  • Erst der Kommentar mit dem Ei und dann dieses Zeugs. Ich fühlte mich leicht überfahren. :D Skeptisch roch ich daran. Sofort standen mir alle verfügbaren Haare zu Berge. Diese Geschmacksrichtung war mein Nerv nicht gewohnt. Ich grinste, schluckte dann aber tapfer.


    Mit vollem Mund noch nickte ich eifrig. Das mussten auch Ausländer verstehen. Zwar war mein Grinsen etwas gequält, aber ich mochte diese netten Menschen nicht enttäuschen. Eine deutliche Kopfbewegung nach vorn zeigte an, dass auch der letzte Rest in Richtung Magen rutschte.


    Befreit atmete ich auf und gab das Horn zurück. Das allerdings gefiel mir sehr. Nette Ausführung, wer auch immer das hergestellt hatte.
    Auf jeden Fall wurde es schön warm im Bauch und da war auch ich wieder zufrieden. Auf das germanische Essen war ich nun erst recht gespannt.

  • Ich nahm noch einen kräftigen Schluck Met, gurgelte eine Runde und gab ein lautes „A hhhhhhhhh“ von mir. Als ich Cadior sah musste ich feststellen das er dieses göttliche Getränk scheinbar nicht mochte. Der weiß scheinbar nicht was gut ist! Na egal, dann säuft er mir nicht alles weg.


    Dann gingen wir ein Stück Richtung Feuer und einige Schemel wurden herangeschafft. Dann kam auch schon die Chefin um die Ecke gewackelt und begrüßte uns. Ich übersetzte was sie sagte:


    „Sie freut sich das ein verloren geglaubter Sohn der Gemeinschaft zurückgefunden hat und freut sich ebenfalls einen Gast zu begrüßen. Wegen diesem wunderbaren Ereignis wird sie ein Fest geben, das Met und das Fleisch stiftet sie heute“


    Dann flüsterte ich Cadior noch zu


    „Und wie findest du sie, die ist doch ein echt scharfes Teil oder? Sie versteht übrigens jedes Wort römisch, aber wird nur Germanisch reden, schließlich sind wir in ihrem Dorf. Da ist die pingelig, sach ich dir, nä ey.“


    Kaum hatte ich es ausgesprochen wurden auch schon die ersten Wildschweine und Hirsche herumgeschleppt und zubereitet.

  • Ich fühlte mich wie in eine andere Welt oder ein anderes Zeitalter versetzt. So unterschiedlich die Häuser in Italien und Germanien waren, so wenig glichen sich die Bewohner, die Sitten, das Essen eben alles. Wenigstens die Sprache wurde mir übersetzt.


    Von der Gastfreundschaft beeindruckt, fühlte ich mich bald angezogen. Welchen Aufwand man hier betrieb … Wir waren doch nur zu Besuch.


    Das mit dem scharfen Teil war so eine Sache. Mein Geschmack hatte sich natürlich entsprechend meiner Umgebung entwickelt und ich betrachtete die Frauen mit römischen Augen. Die Chefin war mir etwas zu derb. Ich mochte dann doch eher das zarte, sogar schüchterne.


    Hm, versteht Latein, spricht aber aus Prinzip diese Sprache nicht. Die Leute haben hier auch ihren Stolz. Na ja, mir hatte es vorerst ganz die Sprache verschlagen.


    Voller Vorfreude wartete ich jedoch auf den Braten. Es roch bereits lecker.

  • Als wir da so am Feuer saßen kam natürlich die Frage auf die ich gewartet hatte:
    Wie siehst du überhaupt aus, was ist mit deiner Haarpracht passiert und erst mit deinem Bart? Ich fing an zu erzählen, warum er so kurz ist und das er vorher noch viel kürzer war, das ich bei einer menschlichen Herrin gelandet bin, die mir viele Freiheiten gewährt, das ich ihr Vertrauen genießen (schließlich läßt sie mich nach Germanien reisen und gab mir das Geld), das ihr mein Äußeres zwar nicht gefiel, wir uns aber auf eine angemessene Haarlänge einigen konnten. Ich erzählte von den Sklaven, von den Besuchern, von der aurelischen Familie und davon was ich in Rom so alles getrieben hatte. Lachend und kopfschüttelnd berichtete ich von der Situation ganz am Anfang als ich vor der Badezimmertür stand. Das war ein riesen Brüller, die ganze Masse hatte einen mords Spaß. besonders mein Bruder, er war auf das Lachen nicht vorbereitet und trank gerade einen Schluck Vor lauter lachen spuckte er sein Met in alle Richtungen, das meiste auf mich und der Rest lief ihm aus der Nase wieder raus.


    Dann war das Essen fertig und wurde herumgereicht. Viel Met, viel Fleisch, eine gute germanische Mahlzeit, Bohnen und Erbsen rundeten es ab. Beim Essen erfuhr ich wie es in meiner Abwesenheit hier so weiterging, wer versklavt wurde, wer gefallen war und wer verwundet wurde.

  • Bei den Geschichten musste ich ebenfalls reichlich lachen. Viele kannte ich nicht. Na, ob das Deandra gefallen wird, dass ich nun so viel aus ihrem Privatleben weiß. Allerdings Tischmanieren besaßen die Germanen nicht. Davon wäre Deandra mit Sicherheit abgestoßen. Sie legte gesteigerten Wert darauf.
    Ich erinnerte mich an meine Familie. Lange hatte ich meine Schwester, ebenfalls Germanin nicht mehr gesehen. Sie konnte bei unserer Großmutter aufwachsen, während ich nach Italien verschifft wurde.


    Im Grunde besaß ich weder eine römische noch eine germanische Familie und damit war Assindius reicher als ich. Still verfolgte ich die Gespräche, hörte das Lachen und kaute auf meinem Essen herum.

  • Nach dem Essen wurde ein Liedchen angestimmt. Aus voller Brust sangen wir Under der linden, an der heide, dâ unser zweier bette was, ... tandaradei... Unter lautem Gelächter endeten wir und tranken noch Horn. Dann übersetzte ich und merkte das ich langsam anfing zu lallen:


    „In dem Lied geht es um ein Paar das auf einer Wiese liegt und, nennen wir es, unschicklich ist.“


    Als ich das sagte hörte ich schon das es noch einmal angestimmt wurde und in Rülpslauten. Wieder wurde laut gelacht.

  • Wenn man kein Wort versteht und der Gesang aufgrund des Biergenusses eine leichte Schieflage gewinnt, kann man sich schon mal fehl am Platz fühlen. Ich grinste Assindius an, sparte mir aber jeden Kommentar. Vermutlich wäre das Beste gewesen, ich hätte mich von Anfang an zugedröhnt.


    Um mich abzulenken, nahm ich mir noch eines der leckeren Fleischstücke und ließ es mir schmecken. Auf meine Lagerstatt war ich sehr gespannt. An ein richtiges Bett wagte ich dabei nicht zu glauben.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!