Spaziergang auf dem Forum

  • Nachdem wir den unmittelbaren Ort der Geschehnisse um die Pars Fidelis verlassen hatten, befinden wir uns nun auf diesem geheiligten Boden des Forum Romanum. Zuerst gehen wir schweigend nebeneinander her, ehe ich zu einem Ausspruch ansetze:


    "Ich liebe Rom. Das Forum Romanum, Mittelpunkt römischen Lebens. Zentrum zivilisierten Lebens. So sollte man jedenfalls meinen."


    Eine Pause lässt mir Zeit dem gleichmäßigen Gemurmel der vielen Leute auf dem Forum zu horchen.


    "Ich bin zwar noch nicht lange zurück, aber die Dekadenz zeigt sich in Form hässlicher Fratzen an jeder Straßenecke, an jeder Wand, an jeder Säule und in allen Versammlungen."


    Mich der edlen und weiblichen Begleitung besinnend halte ich einen Moment ein. Dann fahre ich fort.


    "Verzeiht, ich sollte nicht so lospoltern. Aber noch bin ich nicht zu alt, dass ich die negativen Veränderungen um uns herum nicht bemerken würde. Ein Stoiker sähe sich einer harten Prüfung gegenübergestellt."

  • Selbst noch gefangen von den soeben erfahrenen Neuigkeiten und der Tatsache, wie sie nicht nur auf mich sondern auch auf die Öffentlichkeit wirkten, schritt ich lange ohne ein Wort zu sagen an Arbiters Seite. Groll spürte ich in meinem Herzen, teilweise Verbitterung, aber vor allem Verachtung für einen Mann, der nun den Namen meiner Gens trug und ihrem Ruf schadete, wo er konnte.


    Arbiters Worte waren es, die mich in die Wirklichkeit zurückholten. Schnell zogen sie meine Aufmerksamkeit an. Er formulierte, was ich oft dachte und viel zu selten aussprach. Ohne zunächst auf seine Aussagen einzugehen, stellte ich erfreut eine Übereinstimmung der Ansichten fest.


    „Es ist selten geworden, jemand zu treffen, der den Verlust der alten Werte beklagt. Gar viele Römer haben vergessen, was Rom, was unsere Vorfahren einst ausmachte. Neumodische Strömungen halten Einzug in das Reich und verdrängen unsere Traditionen.“


    Ich nutzte die Pause und atmete tief durch. Auch und vor allem darin unterschieden sich die Uraurelier von denen, die sich nur so nannten.


    „Meine Familie ist streng konservativ. Dein Lospoltern klingt lieblich in meinen Ohren, trifft es doch meine Sehnsucht nach dem Verlorenen.“

  • Erfreut über die Worte dieser leidenschaftlichen Frau, wird mir bewusst, dass ich jemanden gefunden hatte, die mit mir in wichtigen Dingen einer Meinung war. Ein mir somit verwandter Geist.


    Während ihrer Rede schaue ich für kurze Zeit zu meinen Sandalen. Kräftig strahlt das Rot ihrer Farben. Der elfenbeinerne Halbmond am Fußgelenk glitzert in der Sonne. Das Zeichen der Patrizier für jedermann sichtbar.


    "Wichtig ist, dass die Traditionen nicht vergessen gehen. Dass der Dienst an den Göttern und die ungeschriebenen Gesetze nicht dem zeitlichen Verfall preisgegeben werden."


    Ich will eben fortfahren, als sich eine neue Kunde auf dem Forum ausbreitet. Aurelius Commodus ist aus der neuen, merkwürdigen Vereinigung wieder ausgetreten.


    "Nun, meine Liebe. Wie es scheint geschehen noch Zeichen und Wunder. Von Zeit zu Zeit offensichtlich auch Gute."

  • Zustimmend nickte ich. Was ihm wichtig erschien, besaß auch bei mir Priorität. Erfreut und traurig zugleich stellte ich fest, dass ich in Arbiter den zweiten Patrizier außerhalb meiner Familie getroffen hatte, der Wert auf Traditionen legt. Außer Flavius Felix war mir bisher niemand begegnet. Gut, dass es nun noch jemand gab, aber traurig, die geringe Anzahl.


    „Was können wir tun, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?“
    Hoffnungsvoll sah ich Arbiter an. Er war lebenserfahren, sicher auch weise. Ob er eine Lösung hatte?


    Das Rumoren auf dem Forum war auch mir nicht entgangen. Interessiert sah ich zurück, konnte aber nichts ausmachen. Schließlich drang die Kunde über den Austritt zu mir durch.


    Schnell kam ein Schmunzeln auf, was sich umgehend in ein belustigtes Lachen wandelte. Die gerade empfundene Bestürzung, meine Anspannung verschaffte sich freie Bahn. So etwas Lustiges hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. Es dauerte bis ich mich beruhigt hatte. Ich versuchte Arbiter zu antworten, doch immer wieder flackerte erneutes Lachen auf.


    „Er macht sich zum Hampelmann und merkt es nicht einmal.“


    Dass er schon wieder den Namen Aurelius mit einer peinlichen Handlungsweise in Zusammenhang brachte, störte mich augenblicklich nicht. Ein leises Kichern drang über meine Lippen, ich hielt die Hand vor den Mund.


    „Ich muss gestehen, mir ist noch nie ein derart unfähiger Mensch über den Weg gelaufen. Was die Götter nicht richten, das schafft er selbst.“


    Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf.


    „Ich glaube an die Macht der Götter", fügte ich wieder ernst geworden an. „Wer sie achtet und ehrt, für den halten sie manch wundervolle Fügungen bereit.“

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