Officium XXII

    Hier arbeiten Cnorrus und Basservir, die für den Einkauf der Offiziersverpflegung zuständig sind.


    Da der Besuch der Augusta vor der Tür stand, stecken sie bis über beide Ohren in Arbeit, um die diversen Angebote der reisenden Händler zu sichten, die von dem angekündigten hohen Besuch angezogen werden wie die Motten vom Licht.

    Ich trat an das Officium, klopfte und steckte neugierig meine Nase hinein. Hier sollte es irgendwo etwas zu Essen geben. Ich versuchte es einfach mal mit Freundlichkeit.


    "Salve! Die Legionäre von der Wache meinten, ich könnte hier irgendwo eine warme Suppe bekommen? Bin ich da zufällig hier richtig?" :]

    Cnorrus blickt den besucher einen Moment lang irritert an, bis er erkennt, dass es sich offenbar nicht um einen Legionär handelt.


    "Salve! Ja, könnte sein. Kommt drauf an, wer Du bist."

    Ah, das hörte sich doch schonmal prima an.


    "Ich bin Lucius Celeripes, Tabellarius Dispositus des Cursus Publicus Italia. Normalerweise ist es wirklich nicht meine Art mich bei der Legion durchzufuttern, aber ich hatte so extrem eilige Briefe hierher zu bringen, dass mir für einen letzten Zwischenstopp in der Mansio in Mogontiacum keine Zeit mehr blieb. Und nun muss ich bald schon direkt weiter nach Colonia Claudia, weil ich für die Legio IX auch noch so extrem eilige Briefe habe und es ist wirklich unglaublich kalt draußen. Daher wäre so ein bisschen warme Brühe nicht schlecht."

    "Ah, vom Cursus Publicus. Dann bist Du uns herzlich willkommen. Da vorne kannst Du dich schon mal hinsetzen. Legionäre müssen wir rauswerfen, die bekommen hier nichts. Hat der Chef gesagt. Und Zivilisten bekommen hier sowieso nix. Aber alle anderen, die kriegen hier was."


    Anders als die meisten Büros steht in diesem hier tatsächlich kein einfaches Kohlebecken zur Beheizung, sondern eine fest eingemauerte Feuerstelle. An der machte sich Cnorrus jetzt zu schaffen und während er in einem Topf herumrührte und irgend etwas aus einem Regal holte, erzählte er weiter.


    "Das hat unser Vorgänger Maggius hier eingeführt. Keine Ahnung, wie der das durchgesetzt hat, aber das Büro für die Jungs von der Offiziersverpflegung bekam eben eine Kochstelle. Zum Testkochen oder so. Als wenn man das nicht in der Küche machen könnte... Naja, egal. Irgendwie ergab es sich dann halt, dass er hier dann auch Boten und so versorgt hat, die nicht zur Legion gehörten, aber halt mal im Lager waren. War einfacher, als wenn die sich irgendwie in den Stuben durchgefuttert hätten. Das wäre auch extrem ungerecht gewesen für die Soldaten, die ihren Kasernenblock an der Hauptstraße hatten, denn da sind sie alle vorbei.


    'Bei Maggius gibt's immer eine gute Suppe' hieß es dann aber irgendwann und dann sind sie alle hier hin. Aber Maggius gibt's hier nicht mehr, der ist vor ein paar Jahren aus dem Dienst ausgeschieden und hat 'ne Kneipe in Mogontiacum aufgemacht. Dafür gibt's jetzt uns beide hier. Ach ja, vielleicht sollte ich mich vorstellen - ich heiße Cnorrus. Der Kamerad da drüben ist Basservir."


    Der Erwähnte hob nur kurz seinen Stylus und liess sich nicht weiter dabei stören, sorgfältig zwei Listen unbekannten Inhalts miteinander zu vergleichen.


    "So, jetzt dürfte sie warm sein", kam Cnorrus dann auch auf das Thema des Besuchs zurück und füllte dem wartenden Postler die Suppe in eine Schale.

    Ich setzte mich hin und hörte den Ausführungen des Kochmeisters interessiert zu. Sonst war ich ja immer so in Eile - hierhin, dahin, dorthin - dass zum gepflegten Zuhören meist gar keine Zeit blieb. Das war nuneinmal das Los des schnellsten Postboten des Imperiums. Aber in Erwartung einer warmen Suppe würde ich mir das ja wohl mal gönnen dürfen. Vor allem, da ich nach Colonia Claudia ja auch nicht Rast machen durfte, sondern gleich noch nach Hispania weiterjagen musste.


    "Ich glaube, die Kneipe von Maggius in Mogontiacum kenn ich sogar. Ist die nicht unten am Handelshafen? Da hab ich mal einen ganz vorzüglichen Linsenbrei gegessen." Zufrieden beobachtete ich, wie er eine große Portion in die Schale löffelte und sie mir reichte. "Ich danke sehr!" Schon beförderte ich den Inhalt der Schale in meinen Magen.

    "Ja genau, die Via Praetoria gerade runter bis ans Ende, dann recht rum, dann stehst Du fast davor. Nettes Teil, gehen viele Soldaten hin. Für meinen Geschmack würzt er manchmal zu kräftig, aber darüber kann man ja streiten bis man einen Knoten im Löffel hat."


    Cnorrus holte noch einen Tonbehälter aus dem Regal und öffnete ihn. "Willst Du noch ein paar geröstete Brotstückchen in deine Suppe? Schmeckt lecker."

    Ich futterte die Schale leer und stellte sie auf den Tisch und ließ das Gegessene noch kurz sacken.


    "So, es war nett mit euch zu plaudern. Aber ich muss leider schon wieder weiter. Colonia wartet, dann Hispania. Ach, es ist immer das selbe mit dieser Eile. Ich danke nochmals für die gute Mahlzeit und ich bin sicher, man sieht sich. Vale!"


    Schon verließ ich das Officium schnellen Fußes :].

    "Du kannst immer wieder bei uns reinschauen, wenn Du hier bist. Vale!" Und schon war der Postbote wieder verschwunden, fast so plötzlich wie er aufgetaucht war. "Die sind ja wirklich eine schnelle Truppe...", murmelte Cnorrus, während er die Schale in den Wasserbottich am Boden legte.


    Dann begab er sich zurück zum Tisch und schaute seinem Kameraden über die Schulter. "Wie sieht's aus?"


    "Ganz gut. Gute Angebote dabei gewesen, wir müssten jetzt alles zusammen haben. Denk' mal mit - wir haben:


    - 500 Brote
    - 200 Fische
    - 200 Eier


    - 200 Portionen Oliven
    - 300 Portionen Trauben
    - 200 Portionen Feigen
    - 39 Portionen Datteln - ähm, ja, das waren mal 40...
    - 200 Portionen sonstiges Obst


    - 300 Amphoren Landwein unterschiedlicher Herkunft
    - 50 Amphoren Falerner-Wein
    - 200 Kannen Honigwein
    - 100 Fass Bier


    - 50 Portionen Räucherfleisch
    - 50 Portionen lukanische Würste


    - 100 Säckchen exotische Gewürze


    Fehlt was?"

    Nach dem Bankett für die Augusta sitzen Cnorrus und Basservir besonders vergnügt in ihrem Büro und stellen mal wieder Listen auf. Der Grund für ihre gute Laune befindet sich in der großen Kiste neben dem Tisch, in dem sich allerlei Waren befinden, die sich die beiden bei der Restausgabe am Statthalterpalast "organisiert" hatten. Es hatte eben seine Vorzüge, Schreiber für die Verpflegungsliste zu sein...

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